Klassiker der Erotik 64: Meine Tante Genevieve - Louis Dorvigny - E-Book

Klassiker der Erotik 64: Meine Tante Genevieve E-Book

Louis Dorvigny

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Beschreibung

Tante Genevieve, eine Lebedame des galanten Zeitalters Frankreichs, hat viele Abenteuer hinter sich und versucht, ihre Nichte Suzon vor den Versuchungen zu warnen, denen sie selbst so oft erlegen ist. Doch was sie nur allzu deutlich schildert, die süßen Verlockungen im Salon und die zärtlichen Niederlagen im Boudoir, das weckt in Suzon geheime Wünsche...

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Meine Tante Geneviève – Louis Dorvigny

Die erotischen Abenteuer einer französischen Lebedame

Inhalt

Einführung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

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Einführung

Das französische Original dieses erotischen Abenteuerromans erschien 1800 in vier Bänden und ohne Angabe des Verfassers. Bald schon las man diesen populären Roman in einer kürzeren Ausgabe, die dieser Übersetzung zugrunde gelegt wurde.

Es kann als sicher gelten, daß Louis-François Archambault, genannt Dorvigny, der Autor ist. Er wurde als unehelicher Sohn des Königs Ludwig XV. 1742 geboren. Seit 1775 schrieb er für das Theater und verfaßte mehr als 400 Stücke. Dazu veröffentlichte er zwischen 1805 bis 1807 sechs Romane. 1812 starb er, ausgezehrt von der Syphilis und der Trunksucht, in großer Armut.

In dem vorliegenden Roman schildert die Tante Geneviève ihrer achtzehnjährigen Nichte Suzon ihr abenteuerliches Leben. Die fünfzigjährige Geneviève hat ein bewegtes Dasein hinter sich, so daß sie ihrer jungen Nichte viele Ratschläge, insbesondere im Umgang mit den Männern, geben kann. Hintergrund der Handlung ist dabei nicht die Welt der Aristokratie und des reichen Bürgertums mit ihrer Verschwendung, Pracht und Ausschweifung, sondern deren Schattenseite, die Welt der einfachen Leute, denen oft das Nötigste zum Leben fehlt. Der Autor zeichnet ein liebevolles Bild dieser armen Menschen auf dem Lande, in den Provinzstädten und in Paris. Durch zahlreiche Dialogpartien, die den erfahrenen Komödiendichter verraten, gewinnen alle Akteure Farbe und Lebendigkeit.

Der Roman, der zur Gattung der erotischen Abenteuerromane gehört, dürfte als Vorbild die Novelle ›Heureusement‹ von Marmontel (1723-1799) haben. Darin berichtet eine alte Frau einem alten Herrn, in welcher großen Gefahr ihre Tugend oft geschwebt hätte, wenn nicht im entscheidenden Augenblick, ›glücklicherweise‹, ein unerwartetes Ereignis eingetreten wäre. Auch die beiden Hauptfiguren in dem vorliegenden Roman können sich gerade noch im letzten Moment einer Verführung oder Vergewaltigung entziehen. Sicherlich repräsentieren sie beide den Typus der verfolgten Tugend, der seit Richardsons ›Clarissa‹ in der französischen Literatur große Verbreitung gefunden hatte.

Aber wie viele Romane aus dieser Zeit enthält auch der vorliegende eine lehrhafte Absicht. Die Ratschläge, welche die Tante Geneviève ihrer Nichte Suzon gibt, erweisen sich nämlich als scharfe Kritik der Lebenswirklichkeit und der sexuellen Pädagogik des Ancien régime. So war damals die Anwendung von Gewalt gegenüber Frauen förmlich an der Tagesordnung und geschah überall. Nirgendwo waren die Frauen sicher, wie uns in zahlreichen authentischen Memoiren berichtet wird. Es ist also keine Übertreibung, wenn die Tante Geneviève ihre achtzehnjährige Nichte als Knabe verkleidet, damit sie auf dem Weg von Paris nach Fontainebleau keine unangenehme Überraschung erlebt. »Die Männer sind für uns Frauen Tiger«, schärft sie ihrer Nichte ständig ein. Eine Frau zu vergewaltigen war für die Lebemänner ein Sport, um ihre Potenz zu erproben. Ein Casanova, ein Graf Tilly und unzählige andere Helden der Gesellschaft verfuhren so, wie wir in ihren Memoiren lesen können. Nach der herrschenden Meinung handelte es sich dabei nicht um ein Verbrechen, sondern um eine dem potenten Mann zugestandene Verführungsform. Eine Frau, die eine solche Tat erdulden mußte, konnte sich mit dem Sprichwort trösten: »Wenn man mir Gewalt antut, begehe ich keine Sünde.« Ja, man unterstellte sogar den Frauen, daß sie sehnsüchtig nur darauf warteten, mit Gewalt genommen zu werden. Aus diesen Gründen wurden Angriffe auf die Ehre einer Frau nicht nur unverfolgt gelassen, sondern milde verziehen. Deshalb auch wollte Suzon an einem Ort wohnen, wo es keine Männer gab, die sie belästigen konnten.

Ihre Tante ermahnt sie, immer weise und vorsichtig zu sein. Denn außer der rohen Gewalt gibt es noch eine raffiniertere Art, wie Männer sich eines Mädchens bemächtigen können. Man nannte diese Verführungsmethode ›durch den Geist siegen‹, weil man ausschließlich durch geistvolle Überredung sein Ziel erreichen wollte. Der erfahrene Libertin verstand es, eine Frau durch anzügliche Worte und Taten zum Erröten zu bringen, bevor er seine eigentliche Absicht zu erkennen gab. Der Augenblick, wo eine Frau vor ›Scham versinkt‹, weil er sich in den Besitz ihrer Reize gesetzt hatte, galt dann als eine besonders genußreiche Situation.

Auch die sexuelle Pädagogik des Ancien régime erfährt eine strikte Ablehnung. Gerade Töchtern aus einfachen Familien wurde eingeschärft, daß sie ihre Reize so teuer wie möglich verkaufen sollten. Mätresse eines reichen Mannes zu werden galt als erstrebenswertes Ziel. Die Tante Geneviève aber lehrt ihre Nichte, daß sie durch ihre eigene Arbeit den Lebensunterhalt verdienen soll. Das Leben in der Stadt und der Beruf einer Komödiantin sind für ein junges Mädchen zu gefährlich und bringen es nur vom Weg der Tugend ab. Solche Gedanken zeigen, daß der Einfluß Rousseaus in dem Werk Spuren hinterlassen hat.

Im ganzen gesehen verdient es also dieses reizvolle und dezente Erotikon, das so eindrucksvoll das Leben der einfachen Leute, ihre Ängste, Sorgen und Vergnügungen schildert, in einer deutschen Übersetzung zugänglich gemacht zu werden.

Helmut Werner

1

Meine Tante Geneviève, die ich immer nur als meine Mutter betrachtete, hatte ein besonderes Talent, das sie mit großer Sorgfalt bis fast zur Perfektion ausgebildet hatte. Sie war deshalb sogar in Paris, einer Stadt mit so vielen Möglichkeiten, berühmt, denn gerade dort kann man auch durch eine unbedeutende Tätigkeit, wenn man sie nur geschickt ausübt, Ruhm erlangen. Und was tat sie? Sie verstand es geschickt, eine Spritze einzuführen und einen Einlauf zu machen. Das ist zwar kein vornehmer Beruf, aber er kann sehr einträglich sein. Ihre Bescheidenheit, derentwegen sie sich nur auf den von ihr gewählten Beruf beschränkte, verhinderte, daß sie höher hinaus wollte.

Das war auch eine Folge ihrer philosophischen Einsicht, denn sie hatte schon mehrmals gute Aussichten gehabt, ihre Lage zu verbessern und hätte auf andere Weise ihr Glück gemacht. Aber nach einigen Verlusten hatte sie die Lust daran verloren. Da sie in großen Häusern auch als Köchin tätig war, glaubte sie, es sei verdienstvoll und nützlich, die Magenverstimmungen zu heilen, die sie verursacht hatte. Je älter sie wurde, desto häßlicher sah sie aus und konnte deshalb kaum mehr ein Kompliment erwarten, wenn man ihr ins Gesicht blickte. Sie entschädigte sich dafür, daß sie nur noch den Rücken der Leute ansah und sich auf jene gewöhnliche Dienstleistung beschränkte, bei der nach der landläufigen Meinung ihre Häßlichkeit noch die Wirkung ihrer Heilmittel verstärkte und unterstützte. Wieviel anspruchsvolle Menschen gibt es doch in dieser Welt, die nicht so einsichtig wie sie sind, die eigenen Fähigkeiten zu erkennen und sich allein auf den Beruf zu beschränken, wozu sie von der Natur bestimmt sind!

Meine Tante aber entfernte sich nie von dem Gebiet, das nach ihrer Meinung die Grundlage ihres kleinen Glückes bildete, und so zog sie sich auch niemals den Vorwurf zu, den der berühmte griechische Maler Apel- les einem Schuhmacher einst machte: »Schuster, bleib bei deinem Leisten!«

Sie machte ihre Arbeit ordentlich und steckte ihre Nase nicht in andere Dinge, wie man so sagt, und schwatzte auch nicht ohne Überlegung über etwas, von dem sie nichts verstand. Das ist ein sehr wichtiger Punkt! Wie viele Kindermädchen, Gouvernanten und Krankenschwestern verwirren ihre Schützlinge durch langweiliges Geschwätz, anstatt daß sie gut für sie sorgen. Dagegen schwieg meine Tante, wenn ihre Patienten die Stellung eingenommen hatten, die für die Ausübung ihrer Tätigkeit die richtige war. Sie enthielt sich jeglichen nutzlosen Geschwätzes, konzentrierte sich völlig auf den Erfolg ihrer Tätigkeit und half ihren Patienten, anstatt sie zu beschwatzen.

Ja, von ihrem Handwerk verstand sie etwas. Ihre Geschicklichkeit und ein merkwürdiger Prozeß, den sie gegen einen undankbaren Domherren anstrengte, weil er ihr das Honorar verweigerte, verbreiteten ihren Ruf in der ganzen Hauptstadt und in allen Provinzen.

Dieser Domherr war ein untersetzter, dicker, aufgeblähter, plumper und rotbäckiger Mann. Er aß soviel wie vier und trank soviel wie sechs Personen. Um seine Langeweile zu vertreiben, setzte er sich außerhalb der Mahlzeiten jede Stunde an die Tafel. Deshalb hatte er regelmäßig zwei oder drei Magenverstimmungen am Tag, so daß folglich auch fünf bis sechs Klistiere täglich erforderlich waren.

Meine Tante hatte so viel Vertrauen in die Rechtschaffenheit des Domherren, daß sie auf seine Gefräßigkeit setzte und ihn ruhig die Zahl seiner Mahlzeiten verdoppeln ließ. Natürlich verband sie damit die Absicht, ihn alles in großen Mengen zu sich nehmen zu lassen und ihm dann Erleichterung zu verschaffen. Als ein Jahr vorbei war, präsentierte sie ihm ihre Rechnung und bat um Bezahlung.

Der Domherr, der über die Summe erstaunt war, fand es sehr hart, daß er auf einmal das bezahlen sollte, was er einzeln in Anspruch genommen hatte. Er ärgerte sich deshalb über die Forderung meiner Tante, verweigerte die Bezahlung, verzichtete auf ihre Dienste und ließ sie aus dem Hause werfen.

Die gute Geneviève, die sich wegen dieser Behandlung beleidigt fühlte, prozessierte gegen den Domherrn und brachte Beweise für die Berechtigung ihrer Forderung herbei. Sie wies dem Gericht so überzeugend nach, daß die Ehre, sich tausendmal vor dem Hintern des Domherrn niedergekniet zu haben, keine ausreichende Belohnung für ihre Mühen gewesen wäre. Deshalb müsse er ihre Forderungen anerkennen.

Meine Tante gewann ihren Prozeß gegen den Domherrn und ließ das Geld eintreiben.

2

Eines Tages mußten wir uns ohne ein Souper schlafen legen, und als wir am nächsten Morgen aufwachten, machten sich unsere Mägen bemerkbar. Sonst hatten wir die Angewohnheit, uns mit einer großen Tasse Milchkaffee zu stärken, den meine Tante so gut zubereiten konnte. Man kennt ja die Macht der Gewohnheit!

»Sei unbesorgt, Suzon«, sagte sie in entschlossenem und bestimmtem Ton zu mir, »für große Übel sind starke Heilmittel notwendig! Wir werden bald frühstücken! Der Milchkaffee gibt Kraft und ist eine alte Gewohnheit von mir, die ich nicht auf gebe. Ich kann auf ein Diner und Souper verzichten, aber ich möchte frühstücken, und ich werde frühstücken. Gestern war ein Festtag. Es fanden Orgien statt, und es wurden große Essen gegeben. Folglich ist es wahrscheinlich, daß es einige ordentliche Magenverstimmungen gibt. Ich werde einige von meinen alten Kunden besuchen, um zu sehen, ob sie möglicherweise meine Hilfe notwendig haben. Wenn Gott will, daß ich nur zwei oder drei finde, dann werden wir unseren Kaffee bekommen.«

Sie ging weg. Kaum war sie hundert Schritte vom Haus entfernt, da trat Monsieur Lafleur ein, der bei einem Abbe als Kammerdiener beschäftigt war. Er wollte mir mitteilen, daß er zwar für mich keine Stellung, aber eine Gelegenheit gefunden habe, wie ich mehr als die beste Köchin von Paris verdienen könnte. Dann erzählte er mir, daß er mich zu einem sehr berühmten und beschäftigten Maler führen wolle, der Gemälde für Kirchen und Fürstenpaläste malte. Dieser Maler benötige im Augenblick eine junge und hübsche Frau, die wie eine Jungfrau aussehe, um ihm Modell zu stehen. Er bezahle ihr einen Louis für eine Sitzung von zwei Stunden. Nach seiner Überzeugung sei ich für ihn gerade das richtige Modell. Deshalb mache er mir den Vorschlag, mich sogleich zu ihm zu führen.

Ich überlegte mir dies sehr genau und entschloß mich dann, mit Monsieur Lafleur aufzubrechen und mich bei dem Maler vorzustellen. Aber ich bat mir ausdrücklich von ihm aus, daß wir unterwegs nicht frühstückten, denn für mich war der Gedanke schrecklich, daß meine arme Tante zwanzig Kranke besuchte, um für sich und mich den Kaffee zu beschaffen. Ich hielt es für das schlimmste Vergehen, auch nur zu wagen, die 12 geringste Speise zu mir zu nehmen, ohne daß ich sie mit ihr geteilt hätte.

Monsieur Lafleur fügte sich meinen Bedenken. Sobald ich den Schlüssel meiner Tante bei meiner Nachbarin abgegeben hatte, brachen wir auf und kamen zu dem Maler. Der erste Eindruck, den ich auf den Künstler machte, war für mich günstig. Meinem Begleiter nämlich gestand er ein, daß ich ihm Zusage und fragte ihn, ob ich mit dem angebotenen Preis einverstanden sei. Als wir beide dies bejahten, wollte er sich sogleich an die Arbeit machen, um noch das Tageslicht auszunutzen. Deshalb verabschiedete er Monsieur Lafleur.

Die Notlage meiner armen Tante Geneviève ging mir nicht aus dem Sinn. Deshalb bat ich den Maler, ob er mir ein Sechsfrancstück als Vorschuß für den vereinbarten Lohn von einem Louis geben könnte, den ich meiner Tante schicken wollte, die in einer großen Notlage sei.

»Mein schönes Kind, ich verweigere dir nichts, besonders wenn es einem so lobenswerten Zweck dient«, sagte er mit gönnerhafter Miene. »Statt einem Sechsfrancstück hast du hier zwei!«

Ich gab sie Monsieur Lafleur und bat ihn, zu Hause auf meine Tante zu warten und ihr das Geld in meinem Namen zu geben. Dann ging er weg. Sobald wir allein waren, verschloß der Maler die Tür, damit, wie er sagte, wir auf keinen Fall gestört würden, wenn er an der Arbeit sei. Dann bat er mich, daß ich mich fertigmache und bot mir an, mir dabei zu helfen. Ich verstand nicht richtig, was er damit sagen wollte.

»Was soll das bedeuten, ›fertigmachen‹?«

»Qh, das verstehst du nicht?« gab er zur Antwort. »Ich benötige nicht nur deine hübsche Figur, sondern deinen ganzen Körper. Du scheinst einen vollkommenen, schönen Körper zu haben, und er wird in bewundernswerter Weise für die Suzanne passen, die ich malen muß.«

»Suzanne!« rief ich. »Oh! Monsieur, das ist meine Schutzheilige, ich heiße nämlich Suzon!«

»Schön, meine liebe Suzon, das trifft sich ja wunderbar, du bist würdig, mir als Modell zu dienen, wenn ich Schönheit und Anmut malen will.«

Von diesen Komplimenten und der Ehre, Modell für eine Heilige zu stehen, fühlte ich mich geschmeichelt. Ich fragte ihn deshalb, was ich jetzt machen solle.

»Du mußt deine Kleider ausziehen!«

»Die Kleider ausziehen?«

»Ja, ich will Suzanne malen, wie sie badet!«

»Oh, Monsieur, ich will aber nicht baden! Ich habe vor dem Wasser Angst!«

»Davon kann gar nicht die Rede sein! Nimm nur diese Haltung an! Lange Rede, kurzer Sinn! Zieh deinen Mantel aus! Zeig mir deine Arme!«

»Oh! Was meine Arme anbelangt, so sind sie ohne Fehler! Hier, mein Herr!«

»Sie sind schön und gut geformt! Und die Beine? Du mußt die Strümpfe ausziehen!«

»Auch noch die Strümpfe?«

»Ja, das ist unumgänglich! Denn Suzanne hatte sie mit Sicherheit im Wasser nicht an!«

Ich zog meine Strümpfe aus, um meiner Schutzheiligen ähnlich zu sein. Er geriet immer mehr in Ekstase.

»Oh! Himmel!« schrie er. »Wie muß erst all das Übrige entzückend sein, wenn dies schon so geformt ist! Bitte, meine liebe Suzon, zieh jetzt den Rock aus!«

»Wie, meinen Rock…? Oh! Monsieur, jetzt ist es aber genug! Ich werde ihn nicht ausziehen!«

»Aber, mein Kind, dein Schamgefühl ist hier fehl am Platz! Ich bin gar nicht in der Lage, es zu mißbrauchen. Zu unserem Beruf gehört es, daß wir die Modelle nackt sehen, und die keusche Suzanne, die ebensoviel Skrupel wie du hatte, war in dem Moment, in dem du sie darstellen sollst, ganz nackt.«

Dann löste er die Bänder an meinem Rock. Um meiner Schutzheiligen einen Gefallen zu tun, ließ ich ihn gewähren. Nun hatte ich nur noch mein Hemd an. Ich war ganz verschämt und die Röte, die sich auf meinem Gesicht zeigte, verstärkte noch meine natürliche Farbe.

»Oh, wie bist du schön!« sagte er. Dabei umarmte er mich leidenschaftlich. »Niemals könnte die wirkliche Suzanne so schön wie du ausgesehen haben.«

»Oh, Monsieur«, sagte ich zu ihm, als ich ihn wegstieß, »die Heilige Suzanne ließ sich nicht von Männern umarmen!«

»Ich versichere dir«, sagte er zu mir, indem er sich mir wieder näherte, »meine Absicht ist es nur, dich zu bewundern und zu respektieren.«

Dann hob er meine Haube hoch und ließ meine langen schwarzen Haare herunterfallen. Er zerteilte sie in Strähnen und legte sie kunstvoll auf meine Schultern und Brüste. Schließlich trat er zurück, um mich zu betrachten.

»Monsieur, jetzt langt es aber! Wann sind Sie endlich fertig? Wo ist denn Ihr Pinsel? Nun ist es aber genug, denn Sie müssen mich ja malen!«

»Es liegt bei dir, wann wir anfangen«, sagte er. »Zieh das Hemd aus! Erst dann werde ich dich in die richtige Stellung bringen!«

»O Himmel, mein Hemd…! Selbst wenn die Heilige Suzanne käme, um es mir wegzunehmen, würde ich es ihr nicht erlauben. Ich begreife jetzt, daß ich in eine Falle gegangen bin! Aber nehmen Sie zur Kenntnis, daß ich nicht hierhergekommen bin, um mich beleidigen zu lassen.«

Ich stürzte mich auf meinen Rock und Mantel und wollte sie schnell anziehen. Aber der Maler warf sich zu meinen Füßen, hielt mich fest und flehte mich mit aufrichtiger Miene an, daß ich doch gar keinen Grund hätte, mich zu beklagen. Er beschwor mich leidenschaftlich, ihm nicht die Gelegenheit zu nehmen, wie er sich ausdrückte, ein Meisterwerk zu schaffen, das er nach einem so vollkommenen Modell malen würde. Dann schilderte er mir so überschwenglich den Ruhm, den ich dabei selbst erwerben würde, daß ich keine Kraft mehr hatte, um mich ihm zu widersetzen.

Als er mich ein wenig verwirrt sah, fügte er noch leidenschaftlich hinzu: »Ja, schöne Suzon, glaube mir, ich bin ein galanter Mann und gar nicht fähig, dein Vertrauen zu mißbrauchen. Ich habe dir einen Louis versprochen, aber du bist so schön und verdienst bestimmt zwei Louis. Ich will sie dir als Vorschuß geben.«

Damit steckte er mir sechsunddreißig Francs in die Tasche meiner Schürze.

»Mit dieser Belohnung kannst du noch besser deine arme Tante trösten, für die du soviel Zuneigung gezeigt hast!«

Dieser letzte Ein wand besiegelte meinen Entschluß. Ich gestattete ihm, daß er mein Hemd hochhob und bot mich nackt und verwirrt seinen Blicken dar. Dann stürzte er sich auf mich und bedeckte meinen Körper mit leidenschaftlichen Küssen.

»Meine teure Tochter, du mußt dich nicht fürchten«, sagte er zu mir. »Dieses ist die letzte Auswirkung einer Leidenschaft, die man mir zu Recht verzeihen kann und die sich gegen meinen Willen vor meiner Arbeit Luft verschafft. Bei meiner Ehre, du wirst davon bald nichts mehr zu befürchten haben.«

Dann setzte er mich so hin, wie er es für sein Bild wollte. Damit ich meine Körperhaltung nicht verändere, band er meinen Körper und meine Gliedmaßen mit weißen Bändern fest. Endlich ging er an seine Staffelei und machte eine Skizze.

Ich starrte immerzu auf die Uhr und wünschte mir, ihren Gang zu beschleunigen, um mich desto eher aus dieser unwürdigen Lage zu befreien, wo ich den Blicken eines Mannes ausgesetzt war, und um schneller meiner Tante den Lohn für diese Gefälligkeit zu bringen, die ich der Heiligen Suzanne erwiesen hatte.

Der Maler betrachtete mich mit Begeisterung, stöhnte, ließ seine Pinsel liegen, ging auf mich zu und wieder zurück, drehte sich um, betrachtete mich von allen Seiten und schien mich geradezu mit seinen Augen zu verschlingen. Manchmal berührte er mich unter dem Vorwand, meine Stellung zu berichtigen. Seltsame Bewegungen und ein fürchterliches Zittern, das seinen ganzen Körper durchfuhr, versetzten mich plötzlich in Angst und Schrecken. Deshalb schrie ich, wobei ich am ganzen Körper zitterte: »O Gott! Was wollen Sie jetzt machen? Ist das das Ehrenwort, das Sie mir gegeben haben?«

Dieser Schrei brachte ihn wieder zur Besinnung. Er hielt inne und drückte noch einmal seinen Mund auf meine Nacktheit.

»Sei vernünftig«, sagte er zu mir, »ich begehe keinen Wortbruch. Deine Unschuld ist nicht gefährdet!«

Plötzlich zog er an der Schnur einer Glocke, drehte den Schlüssel an der Tür wieder um und setzte seine Arbeit fort. Ich dachte nur noch an das Geläute der Glocke, die er soeben in Bewegung gesetzt hatte. Bald sollte ich auch den Grund erfahren. Da dieser kluge Mann zu sich selbst kein Vertrauen hatte, wenn er alleine mit mir war und ständig durch den Anblick der geheimen Reize eines jungen Mädchens erregt wurde, rief er seine Schüler herbei, weil er seine Ehre nicht verlieren wollte. Ihre Anwesenheit sollte das Feuer seiner Leidenschaft zügeln, vor dessen Gewalt er sich fürchtete.

Tatsächlich traten vier Schüler ein. Er bat sie, daß sie sich ebenfalls an ihre Staffeleien begeben und das Modell zeichnen sollten, das sie vor sich sahen.

Diese jungen Leute nahmen nun ihre Plätze ein und begannen, von verschiedenen Positionen aus ein Bild von meinem Körper zu zeichnen.

Ich kann meine Verwirrung nicht beschreiben, die ich empfand, aber der Leser kann sich bestimmt eine Vorstellung davon machen, wie es ist, wenn man ganz nackt und angebunden den Blicken von fünf Männern ausgesetzt ist, denen aufgrund ihrer verschiedenen Positionen kein Teil meines Körpers entgehen konnte.

»Oh! Heilige Suzanne«, rief ich, »dich haben im Bad nur zwei Greise gesehen, die wahrscheinlich Augengläser trugen! Du konntest dich noch frei bewegen und konntest die Teile deines Körpers ihren Blicken entziehen, die du nicht zeigen wolltest. Aber ich kann nichts vor den Blicken dieser fünf Männer verbergen, die gute Augen haben. Damit ich wenigstens meine Unschuld bewahre, schicke mir doch diesen hilfreichen Daniel, durch den deine Unschuld in aller Munde ist.«

Was war das für ein inbrünstiges Beten! Daniel kam mir zwar nicht zur Hilfe, aber die Tür, in der der Schlüssel steckte, öffnete sich, und meine Tante Geneviève trat ein.

Man kann sich die Schreie ausdenken, die sie ausstieß, als sie mich völlig nackt sah.

»Oh, mein Heiland, in welche Räuberhöhle bin ich hier gekommen? Ihr elenden Räuber und Mörder, so richtet ihr also ein junges Mädchen zu? Gerade wolltet ihr meine Nichte vergewaltigen und töten, die ihr schon wie ein Opferlamm angebunden habt.«

Dann stürzte sie sich auf mich. In der einen Hand hatte sie eine Schere, mit der sie meine Fesseln durchschnitt, und mit der anderen wollte sie einen Teil meiner Blöße bedecken.

»Oh, meine gute Frau, stören Sie uns nicht«, sagte der Maler, als er auf sie zulief und sie zurückhalten wollte. »Es geht hier nicht darum, sie zu vergewaltigen oder zu töten. Ihre Nichte hat eingewilligt, mir als Modell für die Heilige Suzanne zu stehen. Dafür habe ich ihr zwei Louis gegeben. Wir malen sie. Das ist alles!«

»Was schwafelt Ihr da von einer Heiligen Suzanne und einem Modell, die Ihr malen wollt? Ist es schicklich, dafür ein junges Mädchen zu nehmen? Nehmen Sie sich doch richtige Frauen - so gehört es sich - wie zum Beispiel mich. Gebt mir zwei Louis, und ich stehe Ihnen Modell für eine Suzanne. Die ersten beiden, die bei mir die Lustgreise spielen wollen, die bekommen eins auf ihre große Schnauze. Was aber meine Nichte anbelangt, dulde ich nicht, daß sie von Ihnen in diesem Zustand betrachtet wird.«

»Zum Teufel! Ein schönes Modell, um eine keusche Suzanne zu malen!« schrien alle jungen Maler und brachen in lautes Lachen aus. »Oh, liebe Frau, anstatt daß sie Geld von uns bekämen, müßten Sie jedem von uns zwei Louis für diese schöne Arbeit geben. Selbst für diesen Preis finden Sie keinen Porträtisten.«

»Was gebraucht ihr unverschämten Lümmel für einen Ausdruck? Was wollt ihr mit dem Wort ›Porträtist‹ sagen?«

»Entrüsten Sie sich nicht über diesen Ausdruck, meine werte Dame«, antwortete der Meister ruhig. »Was unsere Kunst anbelangt, so bedeutet eine Frau zu malen das gleiche, wie von ihr ein Porträt anzufertigen. Lassen Sie uns die Arbeit zu Ende führen. Die Zeit geht vorüber, und die Hälfte der Sitzung ist schon vorbei!«

»Ich mache mir aus Ihrer Arbeit und Ihren Sitzungen nichts! Noch einmal, ich will nicht, daß meine Nichte hier in diesem Zustand bleibt, um Modell zu stehen und gezeichnet zu werden, wie ihr das nennt. Pfui! Pfui! Ziehen Sie sich schnell an, Mademoiselle, damit ich Sie zurückbringe!«

»Wenn Sie dazu entschlossen sind, Madame«, antwortete der Maler höflich, »dann haben Sie zwar Ihren Willen durchgesetzt, aber Ihre Nichte muß mir sechsunddreißig Francs zurückgeben, die ich ihr gegeben habe, und Sie zwölf Francs, die sie Ihnen schon bringen ließ.«

»Oh! Die verfluchten zwölf Francs«, schrie meine Tante, »die sind schon wieder weg! Meine arme Nichte, ich habe nämlich meine Klistierspritze für vierundzwanzig Sous verkauft, bevor mir Monsieur Lafleur diese zwei Ecus von dir brachte. Da ich aber nicht wollte, daß man sagte, ich hätte mich erst in einer äußersten Zwangslage von dem kostbaren Werkzeug getrennt, das uns so lange ernährt hat, versuchte ich es schnell wieder für etwa diesen Preis zurückzukaufen. Aber der Jude leugnete, daß er mir vierundzwanzig Sous bezahlt habe und wollte es mir nur für drei Livres zurückgeben. - Danach habe ich den Kaffee für unser Frühstück vorbereitet. Dafür benötigte ich Kohle, Milch, Zucker, kleine Brötchen und eine Kerze für den Abend. Das alles aber belief sich auf dreißig Sous. Dazu kommt noch das Wasser, das ich zum Waschen unserer Wäsche benötigte und die Seife, die ich auch noch kaufen mußte. Ich habe mir wegen des Geldes den Kopf zerbrochen, weil ich mir kaum denken konnte, daß man dich eine solche Summe verdienen läßt. O mein Gott! Mein Gott! Wie kann ich nur diesen Betrag zurückzahlen?«

»Anstatt ihn zurückzuzahlen«, sagte der Maler, »hättet Ihr da nicht lieber noch den Rest? Die Mademoiselle benötigt nur noch eine Stunde, um ihn sich rechtmäßig zu verdienen, ohne daß ihre Scham verletzt wird. Nutzen Sie doch beide diese günstige Gelegenheit aus! Zum Teufel! Zwei Louis für nur eine Stunde, die Ihre Nichte noch hier bleiben muß, das ist doch leicht verdientes Geld, und Sie würden sich doch selbst ins Fleisch schneiden, wenn Sie dies ablehnen würden!«

»Hast du schon die restlichen sechsunddreißig Francs bekommen?« fragte meine Tante mich, indem sie begann, ihren Worten einen nachdenklichen und gemäßigten Ton zu geben.

»Liebe Tante, der Monsieur hat sie mir in die Tasche meiner Schürze gesteckt!«

»Da sind sie sehr gut aufgehoben«, antwortete der Meister, »und dort soll man sie ruhig lassen, glaube ich! Sie muß noch einmal zu mir kommen, damit sie noch zwei Louis verdient und damit ich mein Bild vollenden kann.«

»Ist es dafür nötig«, fragte meine Tante, »daß meine Nichte wieder in diesem Zustand auf das Podest steigt, wo sie jetzt von Ihnen betrachtet wird? Oh, zum Teufel! Was ist das nur für eine verdammte Zwangslage!«

»Aber, Madame, weshalb ärgern Sie sich darüber? Wir sehen so etwas alle Tage. Das sind für uns nur Statuen. Die schönsten Mädchen auf der Welt riskieren und verlieren nichts, wenn man uns sie betrachten läßt!«