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Dieser Band vereinigt zwei Werke aus der galanten Zeit, die zum ersten Mal in deutscher Übersetzung erscheinen. Die wiederholten Nachdrucke der französischen Originale zeigen, dass sie sich in Frankreich einer großen Beliebtheit erfreuen. So hat kein Geringerer als der große Dichter Guillaume Apollinaire, der übrigens auch ein großer Kenner der französischen erotischen Literatur war, einen Nachdruck besorgt. Dies dürfte ein wichtiges Indiz dafür sein, dass es sich um Werke mit Niveau und Delikatesse handelt, die ohne Zweifel literarische Bedeutsamkeit beanspruchen können. Das erste Werk erschien 1749 unter dem Titel "Les Sonnettes, ou Memoires du Marquis d'…". Der Verfasser soll ein gewisser Guiard de Servigne sein, der sich als Schriftsteller einen Namen gemacht hat. Angeblich zielt dieser Roman auf den Marquis d'Argens, der mit Friedrich dem Großen befreundet war.
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Veröffentlichungsjahr: 2015
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Einleitung
Die Mémoiren des Marquis von …. Band I
Band 1
Die Mémoiren des Marquis von …. Band II
Band 2
Dieser Band vereinigt zwei Werke aus der galanten Zeit, die zum ersten Mal in deutscher Übersetzung erscheinen. Die wiederholten Nachdrucke der französischen Originale zeigen, dass sie sich in Frankreich einer großen Beliebtheit erfreuen. So hat kein Geringerer als der große Dichter Guillaume Apollinaire, der übrigens auch ein großer Kenner der französischen erotischen Literatur war, einen Nachdruck besorgt. Dies dürfte ein wichtiges Indiz dafür sein, dass es sich um Werke mit Niveau und Delikatesse handelt, die ohne Zweifel literarische Bedeutsamkeit beanspruchen können. Das erste Werk erschien 1749 unter dem Titel „Les Sonnettes, ou Memoires du Marquis d’…“. Der Verfasser soll ein gewisser Guiard de Servigne sein, der sich als Schriftsteller einen Namen gemacht hat. Angeblich zielt dieser Roman auf den Marquis d'Argens, der mit Friedrich dem Großen befreundet war. Der Verfasser wurde deshalb für einige Zeit in die Bastille inhaftiert. Wenngleich man auch zugestehen muss, dass die Zeitgenossen des Autors auf Grund ihrer Anschauung manches Detail dieses Romans anders als wir heute verstanden haben, so ist gegenüber solchen Mutmaßungen äußerste Skepsis angebracht. In dieser Zeit nämlich war es geradezu eine Sucht, in jedem Werk versteckte Angriffe auf bedeutende Persönlichkeiten zu vermuten oder sie sogar, wie in unserem Fall, als einen Schlüsselroman aufzufassen. Wir kennen zahllose Beispiele für solche grundlosen Vermutungen. Dieser Roman, der die leidenschaftliche Liebe eines jungen Adeligen schildert, spielt in den Kreisen der französischen Hocharistokratie. Dieser Stand hatte in den zahlreichen Kriegen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein großes Blutopfer zu bringen. Dieses Erlebnis hat in diesem Roman seine tiefen Spuren hinterlassen und unverkennbar durchzieht ihn ein düsterer Grundton, der in einem scharfem Kontrast zu der Ausgelassenheit und Heiterkeit bei der Schilderung der Liebesfreuden steht.
Das Werk beginnt mit der ergreifenden Schilderung der Verzweiflung eines Vaters, der bis auf seinen Jüngsten alle Söhne im Krieg verloren hat. Dieses Thema wird in der eingeflochtenen Lebensbeschreibung der Kammerjungfer Justine wieder aufgenommen, deren Schicksal dem Leser die unermesslichen Leiden der einfachen Leute im Krieg vor Augen führt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass der junge Marquis sich nicht für den Offiziersberuf entscheiden kann. Seine Argumente stellen eine harte Kritik des absolutistischen Staates dar, dessen Herrscher nur aus Laune und Gewinnsucht Kriege führen und das Staatswesen durch Verschwendungssucht zu Grunde richten. Wenn wir der Überlieferung Glauben schenken dürfen, dass der Verfasser dieses Werkes inhaftiert wurde, so vielleicht eher wegen solcher Passagen im Werk. Von dem Erzieher des jungen Marquis wird gesagt, dass er trotz seines Aufenthaltes am Hofe „nicht verdorben wurde“. Der vorliegende Roman reflektiert die Anschauungen und die Stimmung der kriegsmüden französischen Hocharistokratie und befürwortet Reformen in Richtung auf einen aufgeklärten Absolutismus. Die Geisteshaltung des jungen Marquis hat vieles gemeinsam mit den Ideen dieser Kreise, die einen epikuräischen Materialismus predigten und ihn praktizierten, indem sie nach dem antiken Motto „genieße den Tag“ lebten. Neben zahllosen Gemeinplätzen der französischen Aufklärungsphilosophie und der zeitgenössischen Literatur und Kunsttheorie findet man in diesem Roman auch Tendenzen, die eine ganz neue Geistesrichtung verraten. Mittelpunkt nämlich ist nicht ein Intellekt beherrschtes Gesellschaftswesen der Aufklärung, sondern ein von starken Leidenschaften durchschüttelter Einzelgänger. In den Beziehungen von Mensch zu Mensch empfindet man die konventionellen Schranken als lästig und sucht die weite Freiheit des ländlichen Lebens. Erstaunlich viele Meinungen, die sich auf die Moral, Liebe und Ehe beziehen, nehmen Jean Jacques Rousseau vorweg. Sie finden sich später wieder in dessen „Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“ aus dem Jahre 1755 und besonders im 5. Buch des Emile oder über die Erziehung aus dem Jahre 1762. Der junge Marquis lehnt die sexuelle Libertinage ab, die uns plastisch mit all ihren Vor- und Nachteilen in der Person eines alternden Lüstlings vorgeführt wird. Er entscheidet sich für die reine Liebe, die nur einer Person gilt, und für die Ehe. Mit dieser Entscheidung distanziert er sich von der Lebensauffassung seines Standes, der diesem Zeitalter das Beiwort „galant“ verlieh.
Auch die Naturschilderungen verraten einen neuen Geist. Sie haben nichts mehr gemein mit den bloß fiktiven Schäferidyllen, sondern sie beschreiben eine wirklich erlebte Landschaft und kündigen eine neue Art von Empfindsamkeit an.
Die Quintessenz dieses Werkes dürfte aber die Ansicht sein, dass der Tod die höchste Erfüllung des Eros und der Liebe ist. Diese Meinung wird durch das Beispiel der Insekten illustriert, die nur geboren werden, um sich zu begatten und dann sofort sterben. Diese Assoziation des Todes mit der Lust und dem Sinnenrausch anstatt mit der Trauer und der Entsagung ist sehr modern. G. Bataille vertritt sie in unserer Zeit in seinem philosophischen Hauptwerk „L'Erotisme“ (1957).
Obwohl die Liebesabenteuer in diesem Buch sehr dezent erzählt werden, ist es dennoch ein ungemein erotisches Buch. Dies wird nicht zuletzt durch die raffinierte Technik der doppeldeutigen Darstellung erreicht. Die Vita sexualis der Personen in diesem Roman reicht von der Masturbation über den Voyeurismus und aretinischerurismus und verschiedenen Stellungen des Koitus bis hin zum Analverkehr, ohne dass nur ein einziges obszönes Wort gebraucht wurde und die diesbezügliche Anatomie erwähnt wird. Der Verfasser huldigt dem Ideal der „badinage d'esprit“ (frei übersetzt: geistige Ausschweifung), die der Gebildete, der „homme des lettres“, bei der Lektüre und dem Aufspüren solcher Zweideutigkeiten erlebt.
Das zweite Werk stammt von A. G. M. Querlon (1702-1780), einem Journalisten, der zahlreiche galante Geschichten schrieb. Das französische Original erschien 1745 unter dem Titel „Histoire de la Tourière des Carmelites, servant de pendant au P… des C…“ und später als „Sainte-Nitouche, ou Histoire galante de la Tourière des Carmelites“.
Dieser Roman ist als ein Seitenstück zu dem berühmten Buch „Der Klosterpförtner“ von Gervaise de Latouche gedacht, das bei seinem Erscheinen im Jahre 1742 großes Aufsehen erregte und viele Nachahmer fand, so dass eine ganze Romanfamilie entstanden ist.
Das Eroticum „Sainte Nitouche…“ gehört ohne Zweifel zu den besseren Werken dieser Gruppe, da es dezent geschrieben ist. Mit seinem berühmten Vorbild hat es die antiklerikale Tendenz gemeinsam. 1797 erschien davon eine deutsche Übersetzung mit dem unverfänglichen Titel „Angelika“. Ich habe diese alte Übersetzung der hier vorliegenden zu Grunde gelegt. Stellen, die ausgelassen wurden, habe ich wieder eingefügt, und auch sonst habe ich gelegentlich diese alte Übersetzung anhand des französischen Originals verbessert. Der Reiz dieser alten Übersetzung besteht nicht zuletzt in der bilderreichen Sprache, die den Reichtum des deutschen erotischen Sprachschatzes verrät.
Trotz vieler romanhafter Übertreibungen erhalten wir dennoch ein treffendes Bild der damaligen Lebewelt, die sehr unter der starken Verbreitung der venerischen Krankheiten zu leiden hatte. Medizinhistorisch bedeutsam ist, dass in der alten deutschen Übersetzung aus dem Jahre 1797 der Tripper von der Syphilis unterschieden wird. Denn seit dem Jahre 1793 war auf Grund der Untersuchungen von Benjamin Bell der Unterschied zwischen beiden Krankheiten bekannt.
Auf ihrem abenteuerlichen Lebensweg machte Sainte-Nitouche auch die Bekanntschaft mit der Sekte der Konvulsionisten. Diese Schwärmersekte war im Jahre 1730 durch die Verfolgung der Jansenisten in Frankreich entstanden. Ihr Sammelpunkt war der Kirchhof des Heiligen Medardus in Paris, wo sich am Grabe des 1727 verstorbenen Franz von Paris eine große Volksmenge in überspannten Gebeten ergoss. Die Frauen luden die Zuschauer ein, auf ihren Bauch zu schlagen, und beruhigten sich nicht eher, als bis die Last von 10 bis 12 Männern sich über ihnen aufgetürmt hatte. Leidenschaftliche Tänze gaben bald diesen Konvulsionen eine erotische Färbung, da deren Hauptteile unzüchtige Entblößungen waren, denen man nur mystische Deutung unterlegte. Die Frauen luden die Männer ein, ihren Bauch, Busen und ihre Schenkel zu Promenaden zu benutzen und mit ihnen zu kämpfen, woraus aber bald zahlreiche Schwangerschaften entstanden. Um dem Unwesen abzuhelfen, ließ die Regierung 1732 den Zugang zum Friedhof vermauern. Noch eine Zeitlang setzten die Konvulsionisten ihre Übungen im Geheimen fort.
Meine Familie lebte seit Jahrhunderten in Burgund und besitzt dort große Güter. Meine vier Brüder, die sich alle gemäß ihrer Abkunft für den Dienst in der Armee entschieden hatten, fielen einer nach dem anderen nach der Schlacht von Fontenoi. Der Baron von … der Bruder meines Vaters, nagte mit ansehen, wie sein einziger Sohn dasselbe Schicksal in der Blüte seiner Jahre dahingerafft wurde. Diese furchtbaren Schicksalsschläge, die rasch hintereinander uns trafen, haben in unserer Familie Trauer verursacht.
Die Nachricht vom Tode meines letzten Bruders veranlasste meinen Vater, mich aus Paris zurückzurufen, wo ich meine Studien absolvierte. Ich musste gehorchen, obgleich ich mir die Folgen gut vorstellen konnte. Das Leben in der Provinz, das mir nun bevorstand, führte dazu, dass ich dieser einzigartigen Stadt nachtrauerte, die man als das Zentrum des guten Geschmackes und der Künste ansieht und die unzählige Schönheiten besitzt, auf die ich langsam begann, ein Auge zu werfen.
Aber auch das Bild meines von Schmerz gebeugten Vaters war mir ständig vor Augen. Ich musste immer daran denken, dass er nur noch mich hatte, der ihm seine Tränen abtrocknen konnte und musste immerfort daran denken, in welcher Lage er sich befand. Die Traurigkeit bedrückte ihn so sehr, dass er lebensgefährlich erkrankte. Ich geriet deshalb in große Besorgnis. Denn ich glaubte in diesem Augenblick alles zu verlieren, als ich sah, in welch einer Gefahr sich mein Vater befand.
Oh, Erinnerung an meinen Schmerz, wie teuer bist Du mir! Gern erinnere ich mich an die heftigen Gefühle, die mich sehr bewegten! Keineswegs fürchte ich, dass man solche natürliche und ehrenvolle Gefühlsregungen als Schwäche bezeichnet.
Unsere verdoppelten Bemühungen, die der Ärzte und ohne Zweifel mehr als alles Andere seine gute körperliche Verfassung, bewahrten meinen Vater vor dem Tod und er war bald außer Lebensgefahr. Seine Liebe zog mich ständig zu ihm hin. Ich empfand es als eine köstliche Befriedigung, mich diesem Los zu fügen.
Als es ihm eines Tages besser als sonst ging und ich ihm darüber meine Freude ausdrückte, sagte er: „Ihr seht, mein Sohn, welcher Gefahr ich entronnen bin. Diese Krankheit hatte beabsichtigt dies zu vollenden, was allein der Kummer schon hätte schaffen müssen. Aber es war sinnlos, einem Ende zu entfliehen, denn dieser Kummer, der mein Alter noch beschleunigt, wird mich bald an den Ort bringen, vor dem Ihr mich sicher wähntet. Hofft ja nicht, das ich lange solche schmerzlichen Schicksalsschläge überleben werde. Fast hätte ich mein ganzes Blut für mein Vaterland vergossen und noch meinen kostbarsten Besitz verloren. Ich habe Zusehen müssen, wie meine Söhne einer nach dem anderen starben. Ein grausames Schicksal hat diese Schläge gezählt, die es mir zugefügt hat. Du bist als Einziger, mein Sohn, übrig geblieben. Aber werde ich Dich retten können? Deine Brüder haben Dir einen unheilsvollen Weg vorgezeichnet. Werdet Ihr Weggehen, um sie Ruhm und den Tod zu suchen? Der Ruhm ist etwas Trügerisches! Ihm werden die wertvollsten Gefühle geopfert und er macht uns, wenn die Reihe an uns ist, zu Opfern fremder Leidenschaften. Kann ich jemals hoffen, dass mir jemand die Augen schließt….!“
„Oh, mein Vater, „ sagte ich, „habt Ihr jemals geglaubt, dass Euer Sohn Euch verlässt? Ich liebe Euch in einzigartiger Weise! Ja, ich habe dafür so viele Gründe! Das hieße ja, ich müsste mir selbst etwas wegreißen, die Natur und die göttliche Ordnung schmähen und aufzuhören, Euer Sohn zu sein. Mein größter Ruhm ist, ein empfindsames Herz zu haben! Bleibt am Leben und ich kann zu Eurem Glück mein Scherflein beitragen, indem ich Eure Liebe durch die meine vergelte!“
Die Versicherung, bei ihm zu bleiben, die ich meinem Vater gab, bewirkte sehr, dass er sich erholte. Die Seelenruhe und die Freude sind Balsam, die alle Übel lindern.
Den Baron von …, meinen Onkel, den die Trägheit der Richter und die Tricks von Prozessgegnern zwangen, länger im Parlament von … sich aufzuhalten, kam in diesen Tagen zurück und freute sich mit meinem Vater über dessen Genesung.
Es kam nun dazu, dass er glaubte, nichts Besseres machen zu können, als bei uns zu leben. So waren wir nunmehr eine Familie. Der Baron war ein Mann von 50 Jahren und hatte ein ausgeglichenes und humorvolles Wesen. Er besaß einen gesunden Verstand, zu dem Urteilsvermögen hinzukam, so dass man ihn als intelligent bezeichnen musste, falls man keinen Missbrauch mit diesem Ausdruck treibt. Seine Konversation gefiel dadurch, dass sie belehrte, ohne dass er das Eine oder Andere als unumstößlich behauptete. Bei ihm war die Wissenschaft etwas Heiteres und die Redlichkeit kam ohne Strenge aus. Er hatte einst am Hoff gelebt und es bedeutete für ihn ein großes Lob, wie man sah, dass er dort nicht verdorben wurde. Obgleich er unzählige Male durch die Missgunst seiner Feinde und der Undankbarkeit seiner Freunde Schaden erlitten hatte, hörte er dennoch nicht auf, gut und edelmütig zu sein. Die Vorzüge meines Vaters, obgleich sie nicht so hervorstechend waren, maßten gut zu den seinen. Die zärtlichste Freundschaft vereinigte diese beiden Brüder, die nur verschiedene Lebensinteressen hätten trennen können.
Der Baron schien mit mir zufrieden zu sein und auch damit, wie ich die Zeit in Paris genutzt hatte. Ich hatte mir während meiner Studien den größten Teil der Kenntnisse angeeignet, die man in meinem Alter aufnehmen konnte. Das Studium der Kultursprachen und der Lektüre der Meisterwerke war für mich von Vorteil gewesen. Dadurch erwarb ich mir die Fähigkeit, mich gewandt auszudrücken. Die Musik, die Malerei und die Poesie brachten in meine Vergnügungen Abwechslung. Mein Äußeres war dezent und ich zeigte bei dem Unterricht meinen Lehrern ein gutes Benehmen und Anstand.