Kryptonit - Charlotte Maus - E-Book

Kryptonit E-Book

Charlotte Maus

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Beschreibung

Pia ist witzig, freiheitsliebend, offen für alles und ein bisschen verrückt. Erst machen, dann denken ist ihr Motto. Damit kommt sie gut an. Bei Männern und Frauen. Sie lebt ohne Konsequenzen und ohne Kompromisse. Und sie hat Toby, der sie liebt. Und den sie auch liebt. Da ist sie sich fast sicher. Toby ist ihr Ruhepol und holt sie immer runter. Außerdem ist er jung, Akademiker, hat interessante Augen und ist absolut leidenschaftlich. Und diese Leidenschaftlichkeit beschränkt sich aktuell ausschließlich auf Pia. Sie weiß das und genießt es. Zusammen mit ihren vier Mitbewohnern fahren die beiden nach Südfrankreich ins Abenteuercamp. Chris reist alleine und findet Anschluss bei der Gruppe. Sein Berliner Charme kommt bei Pia gut an. Aber was ist eigentlich mit Sarah los? Verbirgt sie etwas vor den Anderen? Pia ist all das egal, sie konnte Sarah sowieso nie leiden. Aber als Toby sich zurück zieht, weil er sich mit seiner Vergangenheit auseinander setzen muss, ändert sich plötzlich alles für das junge Paar. Sind ihre Verbundenheit und Vertrauen groß genug, um wieder zurück zueinander zu finden? Kann Toby genug Freiraum geben und Pia seine Grenzen akzeptieren oder läuft die besondere Verbindung der beiden aus dem Ruder? Pia und Toby lieben sich. Oder?

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Seitenzahl: 475

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Kryptonit

Kapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37Impressum

Kapitel 1

Als ich aufwachte schien die Sonne in den verschiedensten Tönen durch die Vorhänge unseres Zimmers. Ich schaute neben mich. Da war sie, meine Pia. Meine Liebe, mein Glück. Meine Freundin. Sie drehte sich in meinen Armen und schmatzte ein wenig. Zufrieden schloss ich noch einmal die Augen und schmiegte mich an sie. Ich glaube, das war die glücklichste Zeit, die wir zusammen hatten. Wir waren jung und einfach verliebt. Wir brauchten nur uns. Pia und Toby. Das war das Wichtigste auf der Welt für uns.

Ich musste wieder weg genickt sein, denn als ich wieder zu mir kam, war Pia über mich gebeugt und kitzelte mich mit ihren blonden Haaren im Gesicht. Ich schnaubte und drehte erschrocken meinen Kopf weg. Pia legte sich auf meine Brust und streichelte meine Hüfte.

„Morgen, Obielein.“ sagte sie sanft.

Ich küsste ihren Kopf und streichelte ihren nackten Rücken. Diese Morgen mit ihr waren einfach vollkommen. Es gab nur uns und unsere Berührungen. Wir redeten an manchen Tagen bis in den Mittag hinein. Und an manchen Tagen sprachen wir kein einziges Wort. 

„Ich geh mal ins Bad.“ sagte sie mit einem Lächeln und küsste mich.

Dann stand sie auf und schwang sich aus dem Bett. Ich hielt ihre Hand fest und wollte sie nicht gehen lassen. Sie gab nach und fiel wieder aufs Bett. Wir lächelten uns verschmitzt an. Wir küssten uns noch einmal innig und ich hielt sie dicht an mich gepresst, bis sie sich schließlich aus meiner Umarmung wand und erneut zum Gehen ansetzte. Sie hatte schon beide Füße auf den Boden gesetzt.

„Geh nicht.“ bettelte ich mit herunter gezogenen Mundwinkeln. „Sieh nur all dieser Platz neben mir. Wie soll ich den nur füllen ohne dich?“

„Ach, Obie…“ sagte sie grinsend und gab mir noch einen Kuss, bevor sie sich entschlossen aus meiner Umklammerung löste.

Pia war die einzige Person, die mich Obie nannte. Es war ein ziemlich dummer Witz zwischen uns. In einer Liste wurde mein Anfangsbuchstabe vergessen und aus Toby wurde Oby. Es war wirklich nicht sehr lustig, aber so ein bisschen war das unsere Kennenlerngeschichte. Sie stand in der Uni vor der Liste und diskutierte mit einer Freundin darüber, wer seinen Sohn wohl Oby nennt. 

„Vielleicht ein leidenschaftlicher Handwerker! Oder, oh! Vielleicht ist es sogar der Baumarktgründer selbst…“

Ich stand damals daneben und fragte mich, wer sich solche flachen Witze ausdenkt und sie auch noch laut ausspricht. Dann sah ich Pia. Ich stand mit verschränkten Armen neben ihr und nickte still lächelnd vor mich hin. 

„Das heißt Toby. Die haben einen Buchstaben vergessen.“ sagte ich trocken.

„Oh. Stimmt, das könnte sein.“ gestand sie peinlich berührt.

„Ich bin übrigens Toby. Hi. Und meine Nummer steht ja auf der Liste… Direkt neben dem Wort Oby.“ zwinkerte ich ihr zu. 

Pia sah mich beeindruckt an und machte vielsagend mit ihrem Handy ein Foto der Liste mit dem frechsten Grinsen, das ich kenne. Einen Tag später trafen wir uns auf ein Kölsch und zwei Tage später waren wir bereits ein Paar. 

In unserer hellhörigen Wohnung hörte ich, wie Pia auf dem Weg ins Bad Sascha traf, der gerade nach oben kam. Sie unterhielten sich und lachten miteinander. In unserer WG war eigentlich immer reges Treiben. Wir waren sechs Leute in der Wohnung und man war nie alleine zu Hause. Obwohl immer jemand Uni oder Arbeit hatte, konnte man zu jeder Tageszeit jemanden im Wohnzimmer, der Küche oder auf dem Balkon antreffen. Ich liebte es, jederzeit ein spontanes Gespräch führen zu können oder auf die nächste Party eingeladen zu werden. Nicht selten fand diese direkt in unserem Wohnzimmer statt. Trotz meiner gelegentlichen ‚Verkopftheit‘ war ich meistens ziemlich spontan und lebte in den Tag, in den Abend, in die Woche hinein. Das Studentenleben war der Höhepunkt meines Lebens. Ich tat den ganzen Tag etwas, was ich liebte. Ich studierte ‚Film und Fernsehen‘ in Köln und arbeitete nebenbei für Filmprojekte an der Uni. Dort war ich vor allem für das Zeichnen von Storyboards zuständig, was ich noch mehr liebte als alle anderen Themen rund um den Film. Ich hatte wahnsinnig viel Freizeit und konnte mir meine Zeit frei einteilen. Die meisten meiner Vorlesungen waren erst nachmittags, so dass ich entweder lange schlafen oder vor der Uni arbeiten konnte. Oder bis mittags mit Pia im Bett liegen. Die Variante, für die ich mich meistens entschied. Kurzum: mein Leben war einfach perfekt. Ich hatte die beste Frau der Welt an meiner Seite und lebte in der schönsten Stadt Deutschlands. Ich studierte und arbeitete etwas, was mir Spaß machte und hatte die besten Freunde an meiner Seite. Ich dachte nicht, dass sich das jemals ändern würde. Aber in den folgenden Wochen wurde ich eines Besseren belehrt.

Ich hörte das Rauschen der Dusche und döste noch etwas vor mich hin, bevor ich mich auf das Fensterbrett setzte und meine erste Kippe ansteckte. Ich schaute hinaus auf die Straße und beobachtete die Leute, die vorbei gingen. Sie liefen geschäftig zum Supermarkt oder telefonierten beim Gehen. Einige waren auch mit Freunden oder ihrem Partner unterwegs und lachten oder unterhielten sich. Ich hatte es mir zum Hobby gemacht, Menschen zu beobachten. Ich betrachtete ihre Körperhaltung, ihre Mimik, ihre Art zu gehen. Ich malte mir Charaktere zu den Personen aus, die ich beobachtete. Manchmal machte ich mir sogar eine Skizze, wenn ich einen interessanten Gesichtsausdruck oder Gang bemerkte. Während ich am Fenster saß und in meine Studien vertieft war, kam Pia aus dem Bad. Sie hatte nasse Haare und nur ein Handtuch um ihren Körper geknotet. Sie stellte sich neben mich und lehnte sich an mich an. 

„Na, Studien?“ fragte sie wissend.

Ich grinste sanft und löste die Stelle, an der ihr Handtuch festgesteckt war. Es fiel schwer zu Boden und Pia war nackt. Sie schaute sich erschrocken um, weil die Türe noch offen stand, aber ich zog sie trotzdem an mich und fing an, sie zu berühren. Sie drückte ihren Körper an mich und wir küssten uns innig, während wir rüber zum Bett wanderten. Auf dem Weg dahin schloss ich mit dem Fuß die Tür und wir fielen auf unser Bett. Wir gaben uns dem Anderen hin und bemerkten nicht, dass wir wohl etwas zu eindeutige Laute von uns gaben. 

„Nehmt euch ein Zimmer!“ tönte eine Stimme ironisch, die an unserer Tür vorbei kam. 

„Erledigt.“ rief Pia zurück und ich konnte ein leises Lachen hören.

Es klang nach Raffi, der eigentlich sowas wie „Ihr seid so süß. Macht ruhig weiter. Jeder hier kann jeden Ton von euch hören.“ als diskreten Hinweis geben wollte. Wir fuhren also die Lautstärke etwas zurück und beschlossen dann aufzustehen. 

Raffi war ein besonderer Mensch für mich. Er kannte Pia schon vor mir und hat uns so etwas wie den letzten Stups gegeben, damit wir zusammen gekommen sind. Er war unser engster gemeinsamer Freund und derjenige mit dem ich alles über Pia teilte. Und vermutlich teilte sie auch alles über mich mit ihm. Er kannte uns und unsere Beziehung jedenfalls wie kein anderer und war so etwas wie unser größter Supporter. Wir liebten ihn beide. Er war der beste Mensch der Welt.

Ich erledigte meine Morgentoilette und fand Pia mit einigen unserer Mitbewohner in der Küche, wie sie das Frühstück vorbereiteten. Ich küsste sie nochmal und wünschte allen einen guten Morgen, als ich dazu kam. Raffi, Pia und ich wollten nach dem Frühstück in die Stadt gehen und ein paar letzte Besorgungen für unseren ersten WG-Urlaub machen. Morgen früh sollte es los gehen und wir waren mehr als gespannt, was auf uns zukommen würde. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zur Bahn um in die Stadt zu fahren. Wir freuten uns alle schon sehr auf den Urlaub, weil es für uns alle eine neue Erfahrung war. Die erste Herausforderung war mit einer so verhältnismäßig großen Gruppe weg zu fahren. Würden wir überhaupt als Einheit den Urlaub verbringen oder würde es Grüppchen geben, wie sonst auch wenn wir zusammen unterwegs waren? Der zweite Punkt war die Art des Urlaubs. Wir hatten eine Gruppenreise nach Südfrankreich ins ‚Abenteuercamp‘ gebucht. Was das bedeutete, sollten wir erst richtig heraus finden, als wir da waren. Außer Alex und Sascha war keiner von uns besonders sportlich veranlagt oder in sonst einer Form ‚abenteuerlustig‘, was uns natürlich im so genannten Abenteuercamp etwas in die Quere kommen könnte. Wir hatten uns jedenfalls darauf eingelassen und freuten uns trotzdem total auf die zwei Wochen in der Sonne. Ich dachte an gemeinsame Nächte mit Pia unterm Sternenhimmel oder im Zelt. Wie wir zusammen eine Wanderung meisterten oder einfach im See badeten. Ich war der festen Überzeugung, dass uns dieser Urlaub noch mehr verbinden würde.

„Okay, Leute. Erster Stopp: dm. Waschzeug, Sonnencreme, Reisegrößen. Los gehts.“ delegierte Raffi uns.

Er war unser Organizer und wusste genau, wie man etwas strukturiert und klar angeht. Manchmal war er etwas gruselig dabei, aber er hatte es drauf.

„Alex meinte, sie braucht noch Zahnpasta und Mascara.“

„Was ist Masakara? Kann man damit jemanden masakrieren?“ fragte ich unwissend.

Pia verdrehte nur die Augen und ging zielstrebig Richtung Schminke.

Ich befasste mich derweil mit den Vorzügen der verschiedenen Sonnencremes und wägte ab, ob ein höherer UV-Faktor verhindern würde, dass man braun wird. Ich las angestrengt die Packungsrückseiten, als Pia mir die Flasche direkt aus der Hand nach unten in den Einkaufskorb schlug. Ich schaute verdutzt ins Leere und dann fragend zu Pia. 

„Ist doch egal. Nimm einfach eine mit… Campinggeschirr!!!“ rief sie entzückt.

„Pia, wir brauchen kein Campinggeschirr. Wir nehmen Normales mit.“

„Weißt du wie schwer das ist? Zudem weiß dann keiner, welches ihm gehört. Bei diesem Geschirr allerdings hätten wir den Vorzug, dass du mein Lieber zum Beispiel blau nehmen kannst und ich rot.“ 

Sie kam ganz nah an mich heran und flüsterte mir ins Ohr, während sie mit dem Finger auf mein Brustbein tippte:

„Das blaue Geschirr gehört dann NUR DIR.“

Dann erklärte sie wieder laut:

„Und Raffi kann gelb nehmen. RAFFI?“ brüllte sie durch den Laden.

„Du magst doch gelb, oder?“

Raffi kam um die Ecke gestürmt und schaute uns fragend an. Er sah Pia, die mit einem gelben Teller in der Hand erwartungsvoll im Gang stand. Hinter ihr stand ich und gab ihm hastig zu verstehen, dass er einfach ja sagen sollte.

„Gelb ist voll okay. Wieso?“ fragte er verwirrt.

„Campinggeschirr!“ rief Pia erfreut.

„Sag einfach ja, Kumpel. Es hat eh keinen Sinn zu diskutieren.“ murmelte ich mit aufeinander gepressten Zähnen.

So wanderte Campinggeschirr, bestehend aus Tellern, Bechern und Schüsseln in den folgenden sechs Farben in unseren Einkaufskorb: blau, rot, gelb, orange, grün, pink. Ich war sicher, dass Pia schon genau wusste, welche Farbe zu welchem Mitbewohner gehörte. Wir gingen wieder unseren Besorgungen nach und ich war gerade völlig vertieft in eine weitere Verpackungsrückseite, als ich um die Ecke bog und gegen einen riesigen Teddy rannte, der sagte „Buh!“

Vor Schreck ließ ich den Einkaufswagen fallen. Ich schwöre, allen Menschen im Laden blieb für eine Sekunde das Herz stehen. Wer schon mal einen Einkaufswagen aus Metall mit sechs Sets Campinggeschirr und drei Sonnencremes auf einen Fliesenboden hat fallen hören, weiß sicher warum. Pia schaute vorsichtig hinter dem Teddy hervor und grinste mich mit einem knappen „Ups“ an. Ich schüttelte nur den Kopf über diese Frau, musste aber gleichzeitig lächeln. Das war typisch Pia. Erst machen, dann denken. 

„Pia, du hast `nen Knall.“ raunte ich ihr zu und nahm sie an der Hand weiter durch den Laden. 

Raffi hatte die Situation aus etwas Entfernung beobachtet und versuchte jetzt so zu tun, als ob er uns nicht kannte. Im Vorbeigehen flüsterte er.

„Ich hasse Einkaufen mit dir, Pia!“

Pia kicherte und gab Raffi einen Knuff an den Arm.

„Ich hatte Spaß!“ flüsterte ich ihr ins Ohr und wir gingen zur Kasse. 

Raffi folge uns peinlich berührt und tat weiterhin so, als ob er nicht zu uns gehörte.

Pia tat eigentlich dauernd solche Dinge. Sie lebte einfach nach ihrem Gefühl und wenn sie eine verrückte Idee hatte, machte sie es einfach. Oft ging es schief. Aber lustig war es allemal. Wenn man mit ihr unterwegs war, musste man immer auf Überraschungen gefasst sein. Ich liebte diese Eigenschaft an ihr von Anfang an, obwohl oder vielleicht gerade WEIL ich eher ein vorsichtiger Mensch war. Ich fühlte mich mit ihr so lebendig und frei, wie ich es vorher nicht kannte. Sie weckte ständig meine Abenteuerlust und lies mich Dinge tun, die ich mich normalerweise nie getraut hätte. Mit ihr zusammen zu sein fühlte sich einfach unglaublich an. 

Nachdem wir allerhand unnützes Zeug gekauft hatten und nun mit einer Hängematte unter dem Arm durch die Innenstadt wanderten, setzten wir uns in ein Café auf der Einkaufsstraße. Ich konnte also wieder meinem geliebten „People watching“ frönen und dabei auch noch die Gesellschaft der beiden mir wichtigsten Menschen genießen. 

„Ich kann den Urlaub kaum abwarten. Ich brauche die Entspannung so dringend, das glaubt ihr nicht!“

Raffi ließ sich erschöpft in seinen Stuhl fallen und seufzte.

„Oooohh, tanzen die Kids dir auf der Nase rum?“ fragte Pia sarkastisch.

„Das sowieso. Aber das bin ich ja gewöhnt.“ antwortete Raffi mit einem Lächeln. „Ich muss einfach mal raus aus der Stadt und was anderes sehen. Darauf freue ich mich am Meisten.“

Raffi studierte Sozialpädagogik und arbeitete in einem Jugendzentrum mit sozial Benachteiligten oder verhaltensauffälligen Kindern als Betreuer. Er liebte das, weil er den Kids helfen konnte. Aber es war natürlich ein sehr kräftezehrender Job und nicht selten nahm er die Erlebnisse mit den Kindern mit nach Hause und erzählte uns davon. Ich konnte mir keinen Besseren für diesen Job vorstellen. Raffi war diplomatisch, engagiert und versuchte immer alle Seiten zu betrachten. Er zeigte Verständnis und konnte sich so gut in die Lage der jungen Leute hinein versetzen. Ich bewunderte ihn für seine Geduld und Hingabe. Die Kellnerin kam und nahm unsere Bestellung auf.

„Hey, was machst du denn hier? Ich dachte du bist schon im Urlaub!“ kam sie freudig strahlend auf Raffi zu.

„Morgen geht es los.“ lächelte er zurück. „Wir haben noch ein paar letzte Besorgungen gemacht. Und mit dieser jungen Dame im Schlepptau wird man sogar noch unerwartet stolzer Besitzer einer Hängematte.“ 

Raffi zeigte mit dem Kopf Richtung Pia und lachte. Pia zog ein breites Grinsen, winkte vorsichtig und verteidigte sich:

„Ihr werdet mir noch danken!“

Die hübsche Kellnerin lachte und schaute uns nun fragend an

„Was darf ich euch bringen?“

„Einen Milchkaffee.“ bestellte Pia.

„Für mich eine Cola.“

fuhr ich fort.

„Eine Cola… ja… Raffi, Ginger Ale?“ fragte sie mit dem Bleistift auf ihrem Block und schaute ihn neugierig an. Er nickte überrascht und lächelte sie an, während sie sich flotten Schrittes auf den Weg in die Küche machte, nicht ohne Raffi nochmal über die Schulter anzufunkeln. Ich war wirklich schwer beeindruckt. Er hatte absolut nichts gemacht oder gesagt und diese Frau lag ihm zu Füßen. Ich nickte anerkennend vor mich hin und klatschte leise in Raffis Richtung.

„Warum bist du eigentlich Single?“ fragte ich ihn überrascht.

„Wenn ich das wüsste. An irgendeiner Stelle geht es immer schief.“

„An dir kann es nicht liegen, Raffilein.“ baute Pia ihn auf.

Wir saßen noch eine Weile in der Sonne und planten den morgigen Abreisetag, überlegten, ob wir alles zusammen hatten, genug Zelte und Reisetaschen besaßen. All das mussten wir vorsichtig formulieren, damit Pia nicht wieder mit einer fixen Shoppingidee um die Ecke kam. 

„Wann müssen wir eigentlich los?“ fragte Pia, nachdem sie den Rauch ihrer Zigarette ausgepustet hatte.

„Wann ist der Bus denn da?“ 

„Acht Uhr stand auf dem Zettel.“ wusste Raffi, unser Organisationstalent.

Pia und ich sahen uns schockiert an. Das hieß wohl früh aufstehen. Puh. Ich konzentrierte mich wieder auf meine Kippe und beobachtete die Menschen, die um uns herum saßen. Zwei Freundinnen saßen zusammen am Tisch und zeigten sich gegenseitig Fotos. Sie suchten das Schönste aus und gaben sich Komplimente. An einem anderen Tisch saßen zwei befreundete Paare, die Cocktails tranken und offenbar viel Spaß hatten. Sie lachten ausgelassen und wirkten sehr vertraut miteinander. 

„Hey, hörst du zu?“ wurde ich aus meinen Gedanken gerissen

„Hm? Habt ihr mit mir geredet?“ 

„Wir haben für alle Anwesenden geredet. Auch für dich, du Träumer.“

„Sorry, hab nicht zugehört.“ gestand ich.

„Also dann bis später, ihr Zwei.“ Pia stand auf und nahm ihre Tasche.

„Wo gehst du hin?“

„Ich hab doch gesagt, dass ich gleich noch zur Vorlesung muss.“

„Echt? Okay, dann bis später.“ 

Wir küssten uns und Pia verschwand.

„Also können wir los?“ fragte Raffi und stand ebenfalls auf.

„Wohin?“ fragte ich verwirrt.

„Toby, Toby, heute ist nicht dein Tag, was?! Wir gehen noch Reiseproviant kaufen. Du solltest mal zuhören.“

Raffi ging zur Theke und bezahlte unsere Getränke bei der hübschen Kellnerin. Die setzte noch zum letzten Versuch an, einen bleibenden Eindruck bei Raffi zu hinterlassen.

„Dann viel Spaß im Urlaub, mein Lieber! Und wenn du wieder da bist, kannst du dich ja mal melden. Ich habe immer frisch gekühlte Ginger Ale zu Hause.“

Wow Raffi, einfach Wow!

Kapitel 2

Abends saßen wir noch alle zusammen und planten unsere Reise. Sarah war immer noch nicht angetan von der Idee campen zu fahren, aber auf irgendwas mussten wir uns ja einigen. Sarah war eher der All-Inclusive-Türkei-den-ganzen-Tag-am-Pool-liegen-Typ, was uns allen einfach nicht zusagte. So war Sarah schon immer gewesen. Wir kannten uns noch aus Schulzeiten und sie hatte mir auch den Tipp gegeben, dass bei ihr ein WG-Zimmer frei war. Wir waren sehr unterschiedlich und nicht gerade auf der gleichen Wellenlänge, aber als Mitbewohner kamen wir gut klar. Bei Pia und Sarah sah das allerdings anders aus. Sie gerieten ständig aneinander und führten einen Kleinkrieg nach dem Anderen. Was es genau war zwischen den beiden wusste keiner von uns. Sie provozierten sich einfach ständig und stritten dann oft lautstark. Wir Mitbewohner hatten oft versucht, etwas dagegen zu unternehmen und sind kläglich gescheitert. Wir hatten Unternehmungen geplant, bei denen wir hofften, dass sich die beiden besser kennen lernen und endlich warm miteinander wurden. Aber sie mieden sich oder zickten sich bei jeder Gelegenheit an. Wir waren im Escape Room und haben uns erhofft, dass Teambuilding die beiden zusammen bringen könnte. Aber am Ende gab es Streit darüber, wer den Hinweis übersehen hat. Auch in diesen Urlaub setzten wir wieder große Hoffnungen, dass die beiden sich annähern. Vielleicht würde ja irgendwann ein Wunder geschehen.

Unsere dritte Frau im Bunde war Alex. Sie war das genaue Gegenteil von Sarah und beschäftigte sich bei der Urlaubsplanung eingängig mit der Preisliste für die Extremsportarten. Sie hatte sich fest vorgenommen, ihren Adrenalinspiegel auf ein neues Level zu heben. Ich für meinen Teil wollte lieber weiterleben und würde mich mit etwas Kanufahren und Wandern begnügen. Alexandra war schwarzhaarig, sehr sportlich und hatte einen top Körper. Sie gehörte zu den Frauen, die nach einem Tag an der Sonne knackig braun waren und obwohl sie absolut natürlich war, immer gefragt wurde, ob sie etwas hatte machen lassen. „Nein, alles selbst gemacht.“ war stets ihre Antwort. Alex war eine der coolsten Frauen, die ich kannte und wir kamen super klar. Sie war immer dabei, wenn es was zu feiern gab und ich mochte ihre lebensfrohe und selbstbewusste Art.

Am nächsten Morgen stieg mein Stresspegel schon vor dem Aufstehen in unerwartete Höhen. Es war sechs Uhr und Raffi brüllte die ganze Zeit durch den Flur. Pia war schon aufgestanden und rannte von einem Raum zum anderen. Ich wollte einfach nur noch zehn Minuten schlafen. Aber ständig kam jemand ins Zimmer und kommentierte „Der alte Sack schläft ja noch.“ „Toby, Aufstehen! Wir fahren ohne dich.“ 

Endlich kam Pia an mein Bett und versuchte auf sanfte Weise mich da raus zu kriegen. Sie streichelte meinen Arm und bat mich aufzustehen, damit wir alles fertig packen konnten. Einen Kaffee hatte sie auch noch im Gepäck, also ließ ich mich überreden. Ich stellte mich mit Kaffee und Kippe in Boxershorts auf den Balkon und fühlte mich bereit, den Tag zu beginnen. Ich zog mir etwas über und nahm am spärlich besetzten Frühstückstisch Platz. Sarah, Pia und ich saßen zusammen und aßen schweigend unsere Brötchen. Diese gefährliche Mischung ging auch leider nicht lange gut. 

„Ich würde gerne direkt nach dem Frühstück los fahren, damit wir noch ein bisschen Puffer haben, falls wir in den Berufsverkehr kommen.“ sagte Sarah nüchtern.

„Äh, dann musst du alleine fahren. Wir sind noch nicht fertig mit Packen.“ holte Pia zum Gegenschlag aus. 

Ich hatte schon jetzt den Wunsch mir einfach die Ohren zu zu halten und laut mit Singen anzufangen, aber es war bereits zu spät.

„Du rennst doch schon seit einer Stunde durch die Wohnung. Was musst du denn noch packen?“

„Obie ist grad erst aufgestanden. Wenn er im Bad war können wir erst unser Waschzeug zusammen packen. Ist doch logisch.“

„Immer schiebst du Toby vor, wenn du deine eigenen Defizite nicht eingestehen willst.“

Pia platzte gleich der Kragen. Ihre Mundwinkel kräuselten sich und ich konnte sehen, dass sie kurz davor war, auszurasten. Pia konnte sehr temperamentvoll werden, wenn sie sich angegriffen fühlte. Sarah wusste das und provozierte sie gerne. Pia stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und stand mit einem Satz von ihrem Stuhl auf. Sie hatte bereits ihren Mund geöffnet und wollte loslegen. Ich legte eine Hand auf ihren Arm und redete ihr gut zu.

„Pia, lass gut sein. Ich beeil mich einfach mit Packen.“ versuchte ich sie zu beruhigen. Sie atmete tief durch und verließ den Frühstückstisch. Sarah grinste selbstzufrieden vor sich hin. Ich sah sie kopfschüttelnd an. Warum musste sie es immer darauf anlegen, einen Streit anzufangen? Ihr Grinsen verflog und sie schaute etwas schuldbewusst in meine Augen. 

Auch ich stand auf und kramte meine letzten Sachen zusammen. Nachdem auch wir fertig waren, setzte sich Pia wieder zurück an den Tisch und aß ihr angefangenes Brötchen zu Ende. Raffi schlenderte summend in die Küche und hielt einen Zettel in der Hand. Er ging langsam, aber leichten Schrittes zum Frühstückstisch und hielt direkt hinter Pia und Sarah. Er legte, immer noch summend, den Zettel genau zwischen die beiden, daneben einen Stift, ging bedeutungsschwer zwei Schritte rückwärts und wartete ab.

„Hm? Vertrag? Was ist das, Raffi?“ 

Pia nahm den Zettel in die Hand und las laut vor.

„Versichere ich, dass ich keinerlei Streitigkeiten mit meiner Mitbewohnerin anfangen werde. Ich werde aktiv dazu beitragen, dass unsere Wohngemeinschaft einen entspannten und reibungsfreien… Reibungsfrei, Raffi? Im Ernst?“

Er zuckte nur mit den Schultern und gab Pia zu verstehen, dass sie fortfahren sollte.

„Reibungsfreien Urlaub genießen können. Provokationen werde ich unterlassen oder gegebenenfalls ignorieren. Blablabla. Du hast sie ja nicht alle. Das unterschreib ich nicht.“

Pia warf den Zettel wieder auf den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich hielt mir den Mund zu, weil ich kichern musste. Sarahs Miene hatte sich völlig verdunkelt. Sie sah Raffi genervt an. Dann nahm sie den Zettel, las ihn durch ohne ein einziges mal aufzuschauen oder einen Ton zu sagen. Schließlich schlug sie die Beine übereinander, nahm den Stift und unterschrieb. Sie schaute Pia vielsagend an, stand auf und ging.

Die meisten von uns beobachteten die Szene mit offenem Mund oder sahen Sarah beeindruckt an. Als sie aus dem Raum war, fielen unsere Blicke auf Pia. Sie hatte das ganze aus dem Augenwinkel betrachtet und mimte immer noch die beleidigte Leberwurst. 

„Pia?“ sprach Raffi sie direkt an. Sie druckste. „Würdest du bitte auch unterschreiben?“

Pia reagierte kaum.

„Komm schon, Süße. Stell dich nicht so an und unterschreib. Es ist ein Friedensangebot von Sarah, dass sie unterschrieben hat. Nimm es an!“ versuchte ich nochmal auf sie einzureden.

Pia schnaufte und verdrehte die Augen.

„Es ist nur ein Waffenstillstand!“ lenkte sie ein und unterschrieb ebenfalls.

Ein sanfter Applaus ging durch die Küche und ich lächelte Pia aufmunternd an. Ich wusste, dass es sie abfuckte, sich darauf einlassen zu müssen. Aber die Vorstellung einen ruhigen Urlaub ohne Diskussionen zwischen Pia und Sarah zu verbringen, war wirklich zu reizvoll. Ich legte einen Arm um Pia, als sie aufstand und streichelte ihre Schulter. Raffi grinste sie selbstzufrieden an. 

„Geniale Idee, Alter!“ flüsterte ich ihm zu.

„Wozu bin ich Sozialpädagoge, wenn ich die Kinder in meinem eigenen Haus nicht geregelt kriege.“ antwortete er schmunzelnd. Pia schaute immer noch leicht bedröppelt, sagte aber nichts mehr dazu.

„Können wir jetzt endlich los?“ fragte Sarah genervt, die angezogen und mit Reisetaschen in der Hand im Flur stand.

Raffi sah hektisch auf die Uhr. 

„Fuck! Schon sieben Uhr! Okay, alle anziehen und Taschen in die Autos laden! Naviziel steht auf dem Zettel. Wir sehen uns am Parkplatz!“ 

Feldwebel Raffi war wieder voll in seinem Element und koordinierte und befehligte seine WG-Armee. Wir luden unser Gepäck in Pias gelben Beetle. Sascha fuhr mit mir und Pia und nahm auf der Rückbank Platz. Pia steckte ihr Handy an und drehte die Musik voll auf. Es lief „She Will Be Loved“ von Maroon 5. Ich war zu müde, um mich zu wehren. Sascha gab nur ein resigniertes Stöhnen von sich und steckte sich Kopfhörer in die Ohren. Pia sang bereits laut mit, bevor wir losgefahren waren. Nachdem Raffis Golf 4 endlich angesprungen war, fuhren wir los. Ich versuchte noch einige Minuten die Augen zu schließen, aber bereits an der ersten Kreuzung merkte ich, dass schlafen chancenlos war, wenn man in einem Auto sitzt, dass von einer völlig Verrückten gelenkt wird. Pia hatte wirklich einen äußerst turbulenten Fahrstil. Vollgas an jeder Ampel, in letzter Sekunde noch die Ausfahrt nehmen und von den Überholmanövern will und kann ich gar nicht gar nicht erst sprechen. Mit weit aufgerissenen Augen hielt ich mich am „Angstgriff“ fest und lauschte Pias Gesang. Es war herausfordernd, aber auch aufregend. So wie vieles mit Pia. Ich genoss vielleicht nicht die Fahrt, aber wenn wir angekommen waren, fühlte ich mich lebendiger als vorher. Für dieses Gefühl liebte ich sie letztlich. Sascha hatte die ganze Fahrt gleichgültig Musik gehört und war gänzlich unbeeindruckt von diesem Nahtod-Erlebnis. Wir parkten die Autos auf dem Park & Ride Parkplatz, auf dem uns auch der Bus abholen sollte. Pia und ich setzten uns auf unsere Reisetaschen und kuschelten uns aneinander. Ich hielt sie fest in meinem Arm und freute mich so sehr auf die kommende Zeit. Wir steckten uns jeder eine Zigarette an und verschwanden im Nebel. Es war noch frisch am Morgen und ich genoss die Wärme unserer Umarmung. 

„Ich hab dich lieb.“ flüsterte sie mir zu.

„Ich dich auch.“ antwortete ich und ärgerte mich auch ein bisschen darüber, dass es wieder kein „Ich liebe dich“ gewesen war. Ich wartete darauf schon seit Monaten und fragte mich langsam, ob sie sich nur nicht traute es zu sagen oder es vielleicht auch nicht fühlte. Ich war definitiv an dem Punkt, an dem ich wusste, dass ich sie liebte. Ich wäre sogar soweit gegangen, zu sagen, dass ich mein Leben mit ihr verbringen will. Seit ich Pia kannte, hatte ich nicht mehr an irgend eine andere Frau gedacht und ich hatte das Gefühl, sie mittlerweile gut genug zu kennen, um einschätzen zu können, dass sie DIE Frau für mich war. Ich liebte alles an ihr. Sie war so besonders für mich. Aber so wie es aussah, war sie sich mit mir noch nicht so sicher. Es verletzte mich zwar, aber ich wollte ihr auch die Zeit geben, selbst an den Punkt zu kommen, an dem ich war. Wo ist bis dahin schon der Unterschied zwischen lieb haben und lieben?

Es dauerte noch eine ganze Stunde bis der Bus endlich kam. Nach und nach fanden sich immer mehr Mitreisende auf dem Parkplatz ein und es war spannend zu sehen, wer uns begleiten würde. Es waren viele Paare, aber auch Gruppen von Freundinnen oder gemischten Freundeskreisen. Nur zwei Jungs waren alleine unterwegs. Mit sechs Personen waren wir auf jeden Fall die größte Gruppe. Die WG unterhielt sich noch angeregt und mittlerweile hatten alle auf ihren Reisetaschen Platz genommen und wir saßen einträchtig im Kreis auf dem Boden. Wir waren voller Vorfreude und Neugier was uns erwarten würde. 

Dann ging ein Raunen durch die Gruppen, als der Bus auf unseren Parkplatz abbog. Wir luden das Gepäck ein und besetzten unsere Plätze. Pia war genauso aufgeregt wie ich. Ich konnte spüren, wie ihr Herz schlug, als wir endlich auf unseren Plätzen saßen und der Motor gestartet wurde. Sie sah strahlend aus dem Fenster und funkelte mich an.

Wir waren unterwegs nach Südfrankreich.

Kapitel 3

Im Bus saßen bereits einige Fahrgäste, die der Bus auf dem Weg durch Deutschland abgeholt hatte, aus Hamburg, Berlin, Hannover. Trotzdem hatten wir uns gute Plätze gesichert und uns bequem eingerichtet. Nun trennten uns noch zwanzig Stunden von unserem Ziel. Wir unterhielten uns angeregt und lachten die ganze Zeit über irgendwelche Sachen, die wahrscheinlich außer uns niemand lustig gefunden hätte. Wir hatten uns über die WG-Zeit so einige Insider angeeignet. Der Rest des Busses sah uns teilweise finster an, weil wir so laut waren. Ich hatte schon Bauchschmerzen vom vielen Lachen. 

„Und wisst ihr noch, der Abend als unsere Party von der Polizei aufgelöst wurde?“ erinnerte sich Sascha. „Wir hatten mehr als hundert Gäste im Wohnzimmer und irgendeiner hat immer wieder die Musik aufgedreht. Ich weiß nicht wie oft die Polizei kommen musste.“

„Ey, die haben unsere Wohnungstür ausgehebelt, weil wir nicht mehr aufgemacht haben, Leute! Das war nicht gerade die Glanzstunde unserer WG.“ ergänzte Raffi leicht beschämt.

„Aber der Abend war legendär, das musst du zugeben! Immerhin reden wir und alle die da waren heute noch davon. Ich finde, jede Unannehmlichkeit hat sich dafür gelohnt.“ verteidigte Alex unsere sagenumwobene Party.

„Ich wäre sooo gerne dabei gewesen.“ sagte Pia traurig, die noch nicht mit mir zusammen war, als die Party statt fand.

„Ach, du hast nichts verpasst. Es war echt ein bisschen over the top.“ beruhigte ich sie.

„Ha!“ Sarah lachte laut auf. „Das sagst du nur, weil du so voll warst, dass du schon nach dem ersten Polizeieinsatz in deinem Bett lagst und nichtmal mitbekommen hast, dass sie alle Gäste aus der Wohnung geholt haben.“ 

Das stimmte leider. Ich hatte an dem Abend zu viel Schnaps getrunken und war völlig ausgeknockt. Auch für mich war die Party keine Glanzstunde. Ich schaute verlegen zu Boden und nickte schuldbewusst. Pia lag in meinem Arm und streichelte lächelnd mein Bein. So vergingen die ersten drei Stunden wie im Flug und wir hatten schon die erste Raststätte erreicht. 

Ich ging vor dem Bus auf und ab und rauchte. Nach einer Weile setzte ich mich auf den Bordstein und wartete auf Pia, die auf die Toilette gegangen war. Während ich dort saß, sah ich mir unsere Mitreisenden an. Es war eine ausgeglichene Mischung aus Frauen und Männern und einigen konnte man ansehen, dass sie sich gerade erst im Bus kennen gelernt hatten und alleine reisten. Viele lächelten mich freundlich an, während ich da saß und eigentlich wirkten die Meisten sehr nett. Da wir im Bus ja nicht gerade durch Zurückhaltung aufgefallen waren, waren natürlich auch einige abschätzige Blicke dabei, die ich aber an mir abprallen ließ. Spießer gibt es immer. Raffi kam mit einem blonden Typen auf mich zu, der mich auffallend freundlich anlächelte. Sie unterhielten sich und er nickte interessiert. 

„Das ist Toby, einer meiner Mitbewohner.“

Der Unbekannte streckte mit die Hand entgegen und ich stand auf, um ihn auch zu begrüßen. Statt meine Hand zu nehmen, legte er seine auf meine Schulter. Ich war überrascht und schaute wohl auch leicht verwirrt.

„Hi, Toby! Ich bin Christoph. Rafael hat mir gerade ein bisschen von eurer WG erzählt.“

„Raffi!“ unterbrach er ihn. „Ich bin Raffi. Rafael sagt nur meine Oma. Und Toby, wenn ich was verbockt habe.“ 

„Sorry! Ich bin eigentlich auch nur Chris. Ich komme aus Berlin. Ihr seid in Köln zugestiegen. Wohnt ihr auch da?“

„Ja.“ sagten wir beide im Chor.

„Bist du allein unterwegs?“ fragte ich ihn.

„Ja, ich hab es dieses Jahr endlich gewagt. Ich dachte mir, ich bin ja kontaktfreudig und werde schon Anschluss finden. Mein Berliner Charme wird es richten.“ lachte er.

Naja. Berliner Charme war leider etwas, was ich noch nie mochte. Ich fand Berliner tendenziell distanziert und aufmüpfig. Die, die ich kennen gelernt hatte, gaben ständig freche Kommentare von sich und meinten dann sie wären ja nur ehrlich. Das hatten dann alle zu akzeptieren. Aber ich würde mich gerne eines Besseren belehren lassen. Trotzdem kam ich nicht umhin seine Aussage zu kommentieren mit:

„Berliner Charme, ja? Ist die Existenz mittlerweile bewiesen?“

Er lächelte, aber ich konnte spüren, dass er sich angegriffen fühlte. 

„Bei euch merkt man jedenfalls, dass ihr rheinische Frohnaturen seid. Laut und trinkfest, was? Ich habe vorhin eure Geschichten von den legendären WG-Parties mitgehört. Das klingt auf jeden Fall nach Spaß… und Ärger.“

Er wirkte versöhnlich und ich beschloss, ihm eine Chance zu geben. Vielleicht war er ja gar nicht so übel und es konnte nicht schaden, neue Kontakte zu knüpfen. Pia und Sarah kamen gemeinsam vom Klo, aber sprachen kein Wort miteinander, als sie sich zu uns gesellten. Raffi stellte die beiden vor.

„Das sind Pia und Sarah, zwei von drei Mitbewohnerinnen.“ 

Pia reichte Chris die Hand. Er nahm sie mit beiden Händen und schüttelte sie freudig, während er sich vorstellte. Das gleiche tat er bei Sarah. Raffi und ich sahen uns abschätzig an. Was waren das nur für seltsame Begrüßungsformen, die der Typ an den Tag legte?

„Die Reise hat sich schon jetzt gelohnt, wenn ich nach nur drei Stunden solche bezaubernden Damen kennen lerne.“ sagte er und schaute die beiden bewundernd an. 

Wow. Ich bin noch hier. Pia lächelte ihn dankend an und winkte ab. Sarah legte eine Hand auf seine Brust, schaute kokett zu Boden und spielte seine Bemerkung herunter.

„Ach, du übertreibst. Und eine der bezaubernden Damen ist außerdem schon vom Markt.“ 

Pia lehnte sich nickend an mich.

„Oh, sorry Bro. Ich wollte nicht…“

„Schon gut, Alter. Das ist bestimmt dieser berühmte ‚Berliner Charme‘, oder?!“

Wir lachten beide und gingen gemeinsam wieder in den Bus. 

Chris gesellte sich zu uns und wir unterhielten uns über das Leben. Nach und nach legte ich meine Vorurteile ab und musste fest stellen, dass er eigentlich ganz nett war. Er war wie wir Student und liebte das Leben. Wie ich anhand seines Aussehens schon vermutet hatte, war er Surfer versprach sich ein paar windige Tage von unserem Urlaub. Generell war er sehr sportlich und spielte in Berlin in einem Basketballverein. Er schien sehr gut in unsere Gruppe zu passen, flirtete für meinen Geschmack aber etwas zu offensiv mit unseren ‚Damen‘. Diese genossen allerdings die Aufmerksamkeit, also ließ ich alle genießen, was sie wollten.

Alex hatte auf einem unserer Pinkelstopps anscheinend auch Bekanntschaft mit einem Mitreisenden gemacht, der es ihr direkt angetan hatte. Er war groß, dunkel, breit gebaut und hatte einen gepflegten Bart. Außerdem war er tätowiert bis an die Zähne und dass auf seiner Käppi nicht „Bad Boy“ stand, wunderte mich fast. Er war genau ihr Beuteschema und sie vermutlich seins. Sie passten wie Arsch auf Eimer und flirteten so offensichtlich miteinander, dass es fast schon unangenehm war. Gegen Abend kam sie mit ihm zu uns und stellte ihn uns als Dennis vor. Er war überraschend nett und man konnte gut mit ihm quatschen. Gegen Abend wurde es leiser im Bus und auch wir richteten unsere Plätze schlafgerecht ein. Ich hatte auf Reisen oder wenn ich woanders übernachten wollte, immer mein Kopfkissen dabei. Das hatte mir schon so einige Nächte den Arsch oder besser gesagt den Nacken gerettet. 

Ich hörte Musik und Pia war an meiner Schulter eingeschlafen. Damien Rice sang ‚Cannonball‘ in mein Ohr und ich war glücklich. Wir hatten Deutschland hinter uns gelassen und irgendwie auch unseren Alltag los gelassen. Wir waren einfach wir selbst und hatten schon neue Kontakte geknüpft und trotzdem als Einheit Zeit verbracht. Ich war zufrieden mit unserer Truppe. Vorsichtig schaute ich Pia auf meiner Schulter an, weil ich sie nicht wecken wollte. Sie sah wunderschön aus und schnaubte zufrieden vor sich hin. Ich war so dankbar, diese Zeit mit ihr erleben zu dürfen und lächelte sie selig an. So glitt auch ich langsam ins Land der Träume. 

Als ich nach circa zwei Stunden aufwachte, war es dunkel draußen. Ich kam langsam zu mir und spürte, wie sich verschiedene Schmerzen langsam in meinem Körper ausbreiteten. Ich hatte auf einem meiner Kopfhörer geschlafen und das machte sich nun durch einen fiesen Druck in meiner Ohrmuschel bemerkbar. Ich nahm den Ohrstöpsel heraus und hob vorsichtig meinen Kopf. Der Kopf war so ungefähr das Einzige, was ich überhaupt noch bewegen konnte. Pia hatte mich in die hinterste Ecke des Sitzes gedrängt und ein Bein um mich geschlungen. Mein linkes Bein war dadurch eingeschlafen und fing jetzt langsam an zu kribbeln und zu pochen. Meine Hand war unter Pia eingeklemmt und wenn ich mich befreien würde, würde sie aus dem Sitz rutschen. Der Rest meines Körpers schrie nur ‚Nikotin!‘ Ich hoffte so sehr, das wir bald anhalten würden, damit ich aus meiner misslichen Lage befreit werden konnte. Ich sah mich um beobachtete noch ein paar Minuten die schlafenden Menschen um mich herum. Alex lag halb auf Dennis und er schnarchte leise vor sich hin. Etwas Sabber hatte sich in Alex Mundwinkel gesammelt. Ich musste grinsen. Sascha saß mir gegenüber und hatte eine Hand halb in seinen Hosenbund gesteckt. Neben ihm schlief Raffi. Ich war erstaunt, wie normal er aussah. Er saß gerade in seinem Sitz und hatte den Kopf hinten angelehnt. Seine Hände hatte er auf seinen Beinen liegen und den Mund geschlossen. So wünscht sich jeder beim Schlafen auszusehen, dachte ich, als der Bus von der Autobahn abfuhr und endlich eine Raststätte ansteuerte. Ich drückte Pia vorsichtig von mir weg, um sie zu wecken. Ich gab den Vorwand an, dass sie doch bestimmt auf Toilette musste. Sie bejahte und ich stieß einen innerlichen Freudenschrei aus. Beim Aufstehen, kamen noch Schmerzen und Verspannungen an zwei bis drei Stellen hinzu. Aber das Anstecken der Kippe tat sein Übriges und ich fühlte mich wie neu geboren. Pia erledigte schnell ihr Geschäft und kuschelte sich dann rauchend in meine Arme. Sie zitterte. Es war sehr kühl in dieser Nacht und wir hatten nur T-Shirts an. Ich hielt sie ganz fest umklammert und streichelte ihre Arme, bis wir wieder einsteigen mussten. Das war der letzte Halt, bevor wir endlich an unserem Urlaubsort am Lac de St. Croix ankommen sollten. 

Ich konnte es kaum erwarten.

Kapitel 4

„Achtung! Wir sind in etwa dreißig Minuten am Zielort angekommen. Der Bus kann leider nicht bis zum Camp hochfahren, aber euer Gepäck wird mit dem Auto vom Team hoch gefahren. Wenn ihr oben seid, könnt ihr dann erstmal eure Quartiere aufschlagen oder frühstücken. Diese Information wird nicht wiederholt. Ende.“

Der unglaublich dynamische Reiseleiter sprach mit gelähmter Stimme ins Mikrofon und man konnte ihm ansehen, dass er froh war, dass diese Tortur jetzt ein Ende hatte. „Augen auf bei der Berufswahl“ sagte ich immer. Das war wichtig, wurde aber nicht von Allen berücksichtigt.

Raffi hatte schon seit anderthalb Stunden jede Minute durchgeplant, wenn wir den Bus verlassen hatten. Dabei wussten wir noch nichtmal was genau auf uns wartete. Er rannte durch den Bus, wie ein eifriges Eichhörnchen auf der Suche nach dem Wintervorrat und suchte alles ab, ob wir etwas vergessen hatten. Pia saß einfach neben mir und strahlte vor sich hin. Sie hielt nervös meine Hand und küsste mich von Zeit zu Zeit. Auf den letzten Kilometern fuhren wir schon am See entlang. Er war perfekt. Er leuchtete im schönsten Türkis-Blau und war umgeben von hohen Bergen. Es war atemberaubend. Pia zeigte ständig mit dem Finger auf etwas und schrie

„Guck mal da!“

Ich zuckte jedes mal zusammen.

Wir stiegen aus dem Bus aus und ich war schockiert. Es war scheiß kalt. Pia stand neben mir und bibberte. Sie drückte sich an mich. 

„Was ist hier los? Ich dachte wir sind im Süden.“ fragte sie zitternd.

„Keine Sorge! Ihr werdet die morgendliche Kälte noch genießen.“ sagte einer der Teamer, der neben dem Transporter stand und Pia gehört hatte.

Sie lächelte verlegen und kramte einen Pullover aus ihrer Reisetasche. Das Gepäck wurde derweil bereits in den Transporter geladen und einer der Betreuer ergriff das Wort:

„Hallo ihr lieben Camper! Ich bin Peter und das ist Caro. Wir sind unter anderem eure Teamer für den Urlaub. Wenn ihr Fragen habt, egal wie doof sie euch vorkommen mögen, könnt ihr sie jederzeit an uns stellen. Caro fährt euer Gepäck und ich laufe mit euch hoch. Eigentlich ist es aber leicht zu finden. Unser Camp ist ganz oben. Ansonsten wünsche ich euch schon mal ganz viel Spaß und einen unvergesslichen Urlaub in unserem Abenteuercamp.“

Ein verhaltenes Klatschen ging durch die Menge und wir brachen auf. Ich war nicht unbedingt total unsportlich oder schwerfällig, aber ich musste bereits nach zwei Kurven eingestehen, dass der Aufstieg mir doch ganz schön zu schaffen machte. Meine Raucherlunge tat ihr Übriges dazu. Es ging unendlich steil hinauf und ich schnaufte laut vor mich hin, während wir uns nach oben kämpften. 

„Ich hab Hunger.“ brachte ich mit letzter Kraft heraus.

Pia strich mir aufmunternd über die Schulter.

„Wir schaffen das! Tu es für das Baguette. Und den Fromage. Wenn wir oben sind, kannst du essen. Ich glaube an dich, Obie.“ 

Irgendwie konnte ich nicht überhören, dass da ein wenig Sarkasmus mit schwang und Pia sich über mich lustig machte.

„Findest du das leicht, hier rauf zu gehen?“ fragte ich überrascht.

„Naja, es ist okay. Ich krieg das schon hin.“ 

Pfff. Okay. Ich war wohl doch unsportlich.

Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und schrak zusammen. Es war Chris, der zum Überholmanöver ansetzte. 

„Na, ihr Beden. Schon sind wa mitten im ersten Abenteuer, wa?“ berlinerte er.

Ich brachte nur ein angestrengtes Brummen heraus. 

„Ja, mal sehen, was uns oben erwartet. Irgendwoher muss der Name Abenteuercamp ja kommen.“ lächelte Pia ihn über mich hinweg an. 

Chris zog tatsächlich an uns vorbei und ich hatte das Gefühl, dieser Weg würde niemals enden. Nach einigen Minuten überholte uns auch Raffi, der einfach nur hämisch grinste und sich seines Triumphes durchaus bewusst war. Alex schlenderte mit Dennis ein paar Meter hinter uns und ich nahm an, dass sie nur so weit zurück geschlagen war, weil sie in ein Gespräch mit ihm vertieft war. Von Zeit zu Zeit legte sie ihre Hand auf seinen Arm und lachte verlegen. Es war echt süß. Ich hatte Alex selten verliebt gesehen, aber jetzt fühlte es sich tatsächlich so an. 

Nach einiger Zeit blieb ich stehen und dachte: Rien ne vas plus. Ich stützte mich mit meinen Händen auf den Oberschenkeln ab und schaute den Hang hinab, um zu sehen, ob wir die Letzten waren. Ich sah Sascha, der mit einem ausdruckslosen Blick vor sich hin starrte und einen Schritt vor den Anderen setzte, während neben ihm Sarah ging, die sich aufregte und wild in der Luft herum fuchtelte. Ich hatte Mitleid, aber ich wollte nicht tauschen. Pia motivierte mich weiter zu gehen und zog mich ein paar Meter hinauf. Endlich war ein Ende in Sicht. Wir hatten die letzte Kurve erreicht und konnten tatsächlich das Camp sehen. Es war eine karge Landschaft aus Sand und Stein und vertrocknetem Gras, gesäumt von Caravans und Zelten. Mitten auf dem Platz lagen unsere Taschen auf einem Haufen gestapelt. Ich sah Pias Blick und wusste, dass sie sich Gedanken um ihren Fotoapparat machte. Pia studierte Mediendesign und hatte ihren Fokus auf das Fotografieren gelegt. Hoffentlich hatten sie die Taschen vorsichtig abgestellt und es war nichts beschädigt.

Oben angekommen musste ich mich erstmal auf eine der Bierbänke setzen. Ich sah, dass das Buffet für das Frühstück aufgebaut wurde und verzehrte mich nach einem Baguette und vor allem nach einem Kaffee. Während Pia ihre Tasche inspizierte, rauchte ich meine wohlverdiente Kippe und sah sehnsüchtig, wie einer der Teamer die Thermoskanne mit Kaffee aufstellte. Ich nahm mir einen Pappkaffeebecher und bediente mich direkt. Ich stand auf dem obersten Hügel des Camps und konnte wunderbar auf den See blicken. Ich hatte eine Tasse Kaffee in der einen und eine Zigarette in der anderen Hand. Zwei meiner Lieblingssachen waren schon mal vorhanden. Ich sah Pia, meine dritte Lieblingssache die erleichtert war, dass mit ihrem Equipment alles in Ordnung war. Sie zeigte mir einen Daumen nach oben und machte sich rauchend auf den Weg zu mir. Ich konnte kaum glücklicher sein als in diesem Moment. Ich schaute über das Camp und sah, wie aus den Zelten und Caravans Menschen krochen und zerknittert auf den Sonnenaufgang schauten. Immer mehr Sonnenstrahlen breiteten sich über dem Camp aus. Es war magisch. Pia wurde auf dem Weg zu mir von Raffi und Chris aufgehalten und war in ein Gespräch verwickelt worden. Sie lachten herzlich über etwas, das Chris sagte und lehnte sich dabei an Raffis Schulter an. Sie war so wunderschön und sexy. Ich genoss den Anblick meiner Freundin, die offenbar sehr glücklich war, zwischen diesen beiden Männern zu stehen und sich zu unterhalten. Ich hatte es nicht so mit Eifersucht. Ich fand es anregend, wenn andere Männer mit Pia flirteten. Sie war meine Freundin und ich genoss das Gefühl, dass sie auch für andere begehrenswert war. Pia entschuldigte sich mit einem Griff an Raffis Rücken und kam zu mir hoch. Sie hatte bereits blaues und rotes Campinggeschirr mitgebracht und kam strahlend auf mich zu. Ich empfing sie lächelnd und nahm sie in den Arm. Einer der Teamer machte Musik an und es ertönte Nana Mouskouris ‚Guten Morgen Sonnenschein‘. Wir grinsten uns an, während wir zu Ende rauchten. Es war einer der vollkommensten Augenblicke meines Lebens. Das schiere Glück wehte mir um die Ohren. 

Das Buffett war gedeckt mit Marmelade, Nutella, Butter, Salami, Kräuterfrischkäse und natürlich Baguette und Fromage. Ich war zufrieden mit dieser Auswahl und beschloss, dass das Buffett hiermit eröffnet war. Ich aß mich satt und erfuhr, dass zwei Baguettebrötchen alles waren, was wir tagsüber essen können. Ich war enttäuscht von der „Vollpension“, aber musste mich wohl damit abfinden. Wir saßen mit einigen Gästen am Tisch, die schon eine oder zwei Wochen da waren und erfuhren so lustige Sachen wie: es gibt nur kaltes Wasser in den Duschen, der Strand ist ein Steinstrand, tagsüber ist die Hitze kaum auszuhalten, nachts friert man dafür. Cool, cool, cool. 

Nach dem Frühstück suchten wir uns Plätze für unsere Zelte aus. Chris und Dennis schlugen ihre Lager direkt in unserer Nähe auf. Da Pia und Alex schon des Öfteren Zelten waren und wussten wie der Hase läuft, übernahmen sie die Hauptarbeit und halfen direkt bei den umliegenden Aufbauten mit. Ich hielt hier und da mal einen Zipfel oder sowas. Auch Chris war anscheinend erfahren im Aufbau von Zelten und hatte sogar einen Hammer dabei, den wir für die Heringe auch brauchten, da der sandige, trockene Boden ziemlich hart war. Ich fühlte mich zwar schwach und unbrauchbar, aber unser Zelt stand und wir konnten einziehen. Wir breiteten unsere Luftmatratze und Schlafsäcke im Zelt aus und legten uns hinein. Für ein paar Sekunden lagen wir einfach glücklich nebeneinander und staunten über diesen perfekten Moment. 

Dann sahen wir uns innig an. Ich rollte mich auf Pia und begann, sie zu küssen. Sie fuhr mit ihren Fingern durch meine Haare und massierte leicht meine Kopfhaut. Ich konnte ihre Erregung spüren und auch für sie muss es unverkennbar gewesen sein, dass ich sie wollte. Mein Penis drückte sich in ihren Schritt, als er immer härter wurde. Ich zog ihre Hose etwas herunter, während wir uns weiter küssten. Mit meiner Hand drang ich bis zu ihrer Unterhose vor und streichelte sie durch das Material hindurch. Sie seufzte laut und hielt sich im selben Moment den Mund zu, weil sie Sorge hatte, dass uns jemand hörte. Dieser Zustand machte mich noch heißer und ich glitt mit meinen Fingern unter ihren Slip. Ich spielte mit ihren Schamlippen und massierte ihre empfindlichste Stelle. Schließlich drang ich mit meinem Finger in sie ein und Pia gluckste vor Lust. Ich hielt ihr mit meiner Hand den Mund zu, um sie zurück zu halten, nicht zu laut zu sein. Das erregte sie noch mehr und ich begann, meine Finger rhythmisch in ihr zu bewegen. Sie gab unter meiner Hand angestrengte Laute von sich, bis sie schließlich kurz davor war zu kommen. 

„Hey, Leute, wie läuft es bei euch?“ tönte Raffis Stimme in unseren Zelteingang. 

Pia zuckte rhythmisch unter meiner Hand und versuchte angestrengt keinen Ton von sich zu geben. 

„Mh, Mh, Mh.“ war alles, was sie sich nicht verkneifen konnte. 

Ich grinste sie an und antwortete Raffi:

„Es läuft super! Wir… kommen jetzt.“ 

Wir verließen das Zelt und sahen wohl ziemlich glücklich aus. Raffi wartete vor dem Zelt auf uns. Wir grinsten verstrahlt vor uns hin.

„Ihr strahlt so! Der Urlaub tut euch gut.“

Wir grinsten weiter und sagten nichts.

„Toby, du siehst so zufrieden aus. So… Moment, habt ihr grade…? Oh, Shit. Sorry, Leute.“

„Keine Ahnung, was du meinst.“ log ich und schob Pia an der Hüfte zum Weitergehen. 

Raffi kam uns peinlich berührt nach. Ich funkelte ihn nach hinten an. Er grinste wissend zurück, ließ das Thema aber gut sein. Raffi kannte uns beide so gut. Dadurch, dass er mit Pia schon befreundet war, bevor ich sie kannte, waren sie sich sehr vertraut und bei uns Männern war es einfach Liebe auf den ersten Blick. Er war vom ersten Abend in der WG mein Vertrauter und Freund. Ich konnte wirklich sagen, dass ich ihn liebte. Und im Gegensatz zu der Liebe, die ich für Pia empfand, konnte ich das auch ihm gegenüber laut aussprechen. Wir gingen rüber zu Saschas und Chris Zelt, die direkt nebeneinander standen. 

„Ich glaube, wir gehen mal den Strand erkunden. Wer ist dabei?“ fragte ich in die Runde. Chris, Raffi und Alex stimmten zu. Nachdem Alex sich angemeldet hatte, tönte auch eine Stimme aus Dennis’ Zelt, die angab mitzukommen. Wir packten eine Strandtasche zusammen und machten uns auf den Weg nach unten. Mit jedem Schritt den wir machten, wurde mir bewusst, dass ich nachher den Hügel wieder hoch musste. Aber daran musste ich mich wohl früher oder später gewöhnen, wenn ich das Camp regelmäßig verlassen wollte. 

Am Strand angekommen, musste ich feststellen, was es bedeutete, an einem Steinstrand zu liegen. Meine Knochen schmerzten, aber ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Ich wollte nicht undankbar sein für all diese perfekten Augenblicke. Es war einfach so ein wunderbarer erster Tag, was machte es da schon, wenn es etwas hart war, am Strand zu liegen. Ich lag mit Dennis in der Sonne und beobachtete die Anderen, die sich Richtung Wasser aufgemacht hatten. Pia sah so schön aus in ihrem Bikini. Ich liebte jeden Zentimeter an ihrem Po und ihrer Hüfte. Dann sah ich Chris, der neben ihr ging und mir fiel sein muskulöses Sixpack und seine trainierten Arme auf. Er schien wirklich viel Sport zu machen. Dabei war er aber, im Gegensatz zu Dennis kein bisschen breit, sondern einfach nur definiert und sportlich. Ich war neidisch. Aber ich wusste auch, dass Pia mich so liebte, wie ich war. Mein Körper war gut. Ich hatte zwar kein Sixpack, aber ich war auch weder speckig, noch fühlte ich mich zu schmal. Pia, Alex, Chris und Raffi hatten das Wasser erreicht und schrieen alle ein bisschen, als sie hinein gingen. Es schien kalt zu sein. Ich lächelte amüsiert. Dennis, der auf dem Rücken lag um sich zu bräunen, schaute auch auf und beobachtete die Szene. Alle lachten ausgelassen und ich war froh.

„Alter, auf die Kleine musst du aber aufpassen! Die ist heißes Material, das merken Andere auch.“ sagte Dennis plötzlich.

„Meinst du Pia oder Alex?“ fragte ich irritiert.

„Deine! Pia. Wie kannst du so entspannt sein, ich wäre schon längst im Wasser und würde meine Besitzansprüche klar machen.“

„Ich vertraue ihr.“ antwortete ich cool. 

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ entgegnete Dennis mir.

Ich legte den Kopf wieder ab und ließ die Sonne auf meinen Rücken scheinen. Hatte er Recht? Sollte ich mich in Acht nehmen? Ich war mir mit Pia wirklich sicher. Und ich wusste aus früheren Beziehungen, wie schädlich Eifersucht und Kontrolle für die Beziehung sein konnte. Ich blieb dabei. Ich wusste um das, was Pia und ich hatten. Ja, sie war heißes Material und zudem war es nicht selten, dass sie angeflirtet wurde. Aber ich wusste, dass sie nicht ersthaft darauf eingehen würde. Sie war frei in ihrem Handeln und hatte einen sehr offenen Charakter. Sie sprach oft mit anderen Männern und lachte mit ihnen. Aber ich empfand das als sexy, dass sie sich nicht ständig an mich klammern musste, sondern offen auf andere zu ging, ohne ständig zu thematisieren, dass sie vergeben war. Ich wusste, dass sie mit MIR zusammen sein wollte und glücklich war. Ja! Ich war nämlich auch gar kein so schlechter Fang. Ich war jung, Akademiker, hatte interessante Augen und war absolut leidenschaftlich. Die Leidenschaftlichkeit beschränkte sich zudem aktuell ausschließlich auf Pia und das wusste und genoss sie. 

Worum sollte ich mir also Gedanken machen?

Kapitel 5

Ich hätte noch ewig so am Strand liegen können. Ich war tatsächlich ein bisschen weg genickt und wurde wach, weil Pias nasse Haare auf meinen Rücken tropften. Ich zuckte zusammen.

„Oh, Sorry. Hast du geschlafen?“

Pia stand neben mir und drückte das Wasser aus ihren langen Haaren. Sie lächelte mich an. Dann verschwand ihr Lächeln plötzlich und sie sah besorgt auf meinen Rücken. 

„Obie, du hast ja totalen Sonnenbrand!“

Chris kam zu uns und beugte sich ebenfalls über meinen Rücken.

„Uuuhhh, das sieht aber nicht gut aus!“

Die beiden machten mir nicht gerade Mut. Ich musste wohl ein bisschen zu lange in der Sonne gelegen haben. 

„Oh, echt? Sieht es so schlimm aus?“

Ich versuchte etwas zu erkennen, aber konnte meinen Rücken natürlich nicht sehen.

„Ich mach dir dann ein Spray drauf, wenn wir oben sind. Wir müssen auch glaub ich mal wieder zurück. Die wollten noch so ein Informationsding machen wegen der Touren und Verhaltensregeln und sowas.“

„Ja, gehen wir wieder hoch.“ stimmte Raffi zu. „Wir müssen nur noch Alex und Dennis bescheid sagen. Wo…“

Ich hielt den Finger vor den Mund und stieß Raffi an, während ich auf die beiden zeigte. Alex lag auf Dennis gekuschelt ein paar Meter entfernt unter einem Baum und es sah aus, als ob die beiden auch eingeschlafen waren. Sie sahen süß zusammen aus. Wir lächelten vor uns hin. Dann nahm ich Pias nasses Handtuch und schlich mich langsam an die beiden an. Ich wringte es direkt über ihren Köpfen aus und sie standen panisch auf.

„Toby, du Pisser!“ schrie Alex mir nach, während ich die Flucht ergriff. 

Auf den spitzen Steinen kam ich barfuß nicht voran und plötzlich spürte ich einen beißenden Schmerz im Nacken. Alex hatte mich am Schlafittchen gepackt und hielt mich fest. Ich sog die Luft zwischen meinen Zähnen ein und murmelte nur vorsichtig.

„Au, au, au. Sonnenbrand. Bitte loslassen.“

„Mach das nicht nochmal.“ drohte sie mir, während sie mich ziehen ließ.

„Siehst du, Alter! Auf DIE Frau muss keiner aufpassen. Das schafft die schon selbst.“ kommentierte Dennis lachend und spielte auf seine Bemerkung an, dass ich auf Pia aufpassen sollte um meine Besitzansprüche deutlich zu machen. Ich kam zu Pia, Raffi und Chris zurück und sie lachten hart über die Szene. Nur Pia nahm mich tröstend in den Arm und strich sanft über meinen geplagten Nacken. 

Wir schleppten uns wieder den Berg hoch und er fühlte sich diesmal gar nicht so steil an, weil ich durch mein Gespräch mit Chris abgelenkt war. 

„Wie kommt man dazu, alleine zu verreisen?“

„Ach, ich bin eh oft so ein Eigenbrötler. Ich hab ein paar Kumpels gefragt, ob sie mitkommen wollen, aber irgendwie konnten wir uns auf kein Ziel einigen. Dann hab ich einfach beschlossen, es alleine zu versuchen.“

„Ich finde das total beeindruckend. Ich hätte mich das nicht so einfach getraut. Für uns war es aber auch echt schwer, uns auf was zu einigen. Sechs Leute, sechs Ideen. Wir haben dann einfach den Katalog genommen und per Zufallsprinzip eine Seite aufgeschlagen. Und das war hier.“ sagte ich.

„Ich habe mich schon gewundert, was so eine Truppe wie ihr im Aktivurlaub zu suchen hat. Nichts für ungut, aber bis auf Alex und euren anderen Mitbewohner macht ihr alle nicht den Eindruck, dass ihr auf sowas steht.“

Wow, das war ziemlich direkt. Ich fühlte mich etwas angegriffen, dass man uns die Unsportlichkeit so offen ansah. Ich war etwas verdutzt. Aber Pia verteidigte uns.

„Naja, Abenteuer und aktiv sein hat ja nicht immer was mit Sport zutun. Du wirst uns schon noch von unserer Action-Seite kennen lernen. Mach dich auf was gefasst!“ sagte sie forsch und fuchtelte mit erhobenem Zeigefinger vor Chris Gesicht herum.

„Hört, hört! Ich kann es kaum abwarten zu erfahren, was damit gemeint ist.“ lachte er uns an.. 

„Du wirst unsere Qualitäten noch kennen lernen. Nur so viel vorweg: Wir werden meist erst gegen Abend aktiv.“ versuchte Raffi zu erklären.

Chris lachte vor sich hin, während wir gemächlich wieder den Hang hinauf gingen. 

Die Infoshow war sehr aufschlussreich. Die verschiedenen Touren wurden vorgestellt und der generelle Tagesablauf erklärt. Es gab ein Frühstück wie heute, eine Lunchtüte und abends immer warmes, frisch gekochtes Essen. Wir erfuhren einige Tipps, was in der Umgebung gut zu erreichen war und wo wir selbst etwas unternehmen konnten. Danach konnte man sich für die Touren einbuchen. Pia und ich wollten auf jeden Fall die zwei Kanutouren machen und Klettern trauten wir uns auch zu. Alex hatte natürlich die selbstmörderischsten Aktivitäten heraus gesucht und wollte sich die nächsten Tage mit Paragliding, Canyoning und Wildwasserschwimmen in Gefahr bringen. Dennis war total begeistert von ihren Plänen und trug sich direkt mit ein. Die zwei hatten sich echt gefunden. 

Beim Abendbrot saßen wir alle zusammen an unserem Tisch und genossen die kühler werdende Luft, während die Sonne langsam am Horizont verschwand. Der Himmel wurde glutrot und das ganze Camp wurde in ein rotes Licht getaucht. Ich stand etwas abseits vom Tisch, als sich Pia vor mich stellte. Ich legte einen Arm um sie, während ich mit der anderen meine Zigarette rauchte. Wir sahen uns einfach verträumt den Sonnenuntergang an und lächelten vor uns hin. 

„Boah, ist das schön!“ sagte sie.

„Du bist schön.“ erwiderte ich leise. 

Pia drehte sich um und zog meinen Nacken zu ihrem Gesicht. Ihre Lippen schwebten nur einige Zentimeter vor meinem Gesicht, als sie mir noch einmal tief in die Augen sah. Dann küsste sie mich leidenschaftlich. Sie drückte ihren Körper fest an mich. Ich ließ sie einfach tun, was sie wollte und gab mich ihr hin. Ich umschloss ihren Kopf mit meinen Händen und vergrub sie in ihren Haaren. Ich wollte, dass dieser Kuss nie endet. Aber nach und nach kamen wir wieder im Hier und Jetzt an. Ich hörte wieder die Musik und sah die Menschen, die um uns herum saßen und sich unterhielten. Ich sah, wie Sarah uns abschätzig ansah und mit den Augen rollte. Wir genossen noch die letzten, roten Sonnenstrahlen und gingen dann wieder zu den Anderen an den Tisch. 

„Wie war euer erster Tag im Abenteuercamp?“ fragte Sascha in die Runde.

„Voll gut.“ fing Raffi an, zu erzählen. „Wir waren am Strand und haben den See eingeweiht. Es war echt witzig. Toby hat sich voll den Sonnenbrand geholt.“ 

„Ja, echt witzig…“ nickte ich ironisch vor mich hin. 

Raffi grinste mich frech an.

„Ich war im Nachbardorf, da hinter dem Hügel.“ erzählte Sascha und zeigte auf einen Berg. „Es ist echt schön dort. Man kann einkaufen und Souvenirs shoppen. Nächste Woche findet ein Jazzfestival dort statt.“

Das klang wirklich cool und ich nahm mir vor, auch unbedingt einen Ausflug dahin zu unternehmen. Sarah saß beteiligungslos auf der Bank und trank einen Apfelwein. Diese Zurückhaltung war eigentlich nicht ihre Art.

„Sarah? Wo warst du eigentlich? Wir wollten dich fragen, ob du mit zum Strand kommst, aber haben dich nicht mehr gesehen.“

Sarah schreckte aus ihrer Gedankenwelt auf und richtete sich auf ihrem Platz auf. Sie versuchte gefasst zu wirken und ihre gewohnte Haltung einzunehmen. 

„Ach, echt? da war ich wahrscheinlich noch im Bad. Ich hatte nachher nach euch Ausschau gehalten, aber ihr wart alle verschwunden. Ich hatte angenommen, dass ihr mich nicht dabei haben wolltet.“ 

Sie lächelte, als ob sie einen Witz gemacht hatte, aber an der Art, wie sie ihren Blick abwendete, konnte ich sehen, dass etwas nicht mit ihr stimmte. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, ihre Mimik zu deuten, aber ich konnte nichts erkennen. 

„Nein, das ist doch Quatsch, Sarah! Wir haben echt noch gewartet, um dich zu fragen. Das war wirklich keine Absicht!“ entschuldigte uns Alex. 

„Oh, okay. Ist schon gut.“ versuchte Sarah gefasst zu wirken. 

Aber ich konnte sehen, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sie versuchte, das zu unterdrücken, aber kam nicht dagegen an. Sie stand schnell auf und ging schnellen Schrittes zu den Zelten herunter. Alex rief ihr noch „Warte!“ hinterher und rannte ihr nach. Was war mit Sarah los? Hatten wir sie so verletzt damit, dass wir sie nicht gefragt hatten oder steckte etwas Anderes dahinter? Alle am Tisch waren sehr nachdenklich, sagten ein paar Minuten gar nichts. Raffi unterbrach unser Schweigen mit einem theatralischen Gähnen.

„Ich geh mal schlafen.“ sagte er trocken und verließ unseren Tisch.

„Ich werde mich auch mal in die Heia auf machen.“ klinkte sich Chris ein.

Dennis war schon direkt nach dem Essen verschwunden.

„Was denkt ihr, was mir ihr los ist? Ist sie sauer, weil wir nicht auf sie gewartet haben?“ fragte Pia Sascha und mich nach Rat. 

Ich zuckte mit den Schultern. Vielleicht gab es wirklich etwas anderes, was sie beschäftigte. 

„Keine Ahnung.“ gab Sascha zu. „Sarah ist schwer zu verstehen. Sie ist immer so darauf bedacht, die Haltung zu bewahren und nicht zu verletzlich rüber zu kommen, dass ich kaum einschätzen kann, was sie ärgert und was ihr egal ist.“