Kulturreportagen aus Niederösterreich - Alexander Glück - E-Book

Kulturreportagen aus Niederösterreich E-Book

Alexander Glück

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Beschreibung

Das vorliegende Buch enthält Berichte aus dem Kulturleben Niederösterreichs, wie es sich dem interessierten Zeitgenossen vor 15 bis 20 Jahren dargeboten hat. Damit wird ein repräsentativer Querschnitt von Initiativen, Vereinen, Personen, Projekten, Institutionen und Entwicklungen geboten, die in diesem Zeitraum in Erscheinung getreten sind und in weiterer Folge, teilweise bis heute, das kulturelle Geschehen in Niederösterreich bestimmt und geprägt haben. Manche Ereignisse, etwa das Hochwasser vom August 2002 mit seinen weitreichenden Folgen, wurden gerne aus der Erinnerung verdrängt. Andere begannen mit großen Hoffnungen und haben, wie der groß angekündigte Pferdesportpark Ebreichsdorf, viele Menschen enttäuscht. Bei manchen, wie der Initiative im Schloß Thürnthal, der Bibliothek der Provinz oder der Waldviertler Schuhwerkstatt, gingen die Dinge einfach weiter ihren Gang, wogegen sich andere zum Zeitpunkt meines Berichts am Beginn von etwas Großem befanden (Charles Alexander Joel wurde einige Jahre nach meinem Interview international anerkannter Stardirigent) oder leider bereits kurz davor, etwas Großes zu beschließen (Günter Brödl verstarb im Jahr nach unserem Gespräch). Unter denen, um die sich diese Berichte drehen, befinden sich Theaterbühnen, Schriftsteller, Regisseure, Denkmalschützer, Schloß-Renovierer, Initiativen und Einzelkämpfer, historische und zeitgenössische, zukunftsweisende und anachronistische, anerkannte und befehdete Projekte und dabei vor allem Menschen, die sich bei ihrem Tun etwas denken und die damit große Erfolge haben oder auch grandios scheitern.

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Seitenzahl: 345

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Historisches

Napoleon zwischen Wien und Brünn. Zweihundert Jahre nach Austerlitz stellte man Schlachtgetümmel nach – ein Lokalaugenschein (2005)

Münzenschatz in Amstetten: Zeugen der Geschichte (2010)

Falschgold aus dem Bezirk Hollabrunn! Goldmünzen mit Kupferkern – Prägestätte unauffindbar (2012)

Kulturthemen

Brückenschlag ins Ungewisse. Viele Niederösterreichische Gemeinden haben Partnerstädte in Osteuropa (1999)

Vom Sauerwasser zum Aromaelixier. Heimischer Essig: Niederösterreich ist nicht nur ein Land des Weins (2000)

Zeitmessung mit Licht und Schatten. Ein Streifzug durch die Geschichte der Sonnenuhren (2001)

Geister auf der Bühne. Inszenierungen mit den Virtuellen. Nichts ist mehr echt. Wohin? (2003)

Gerne unter sich: Vereine in Niederösterreich. Nicht nur der Breitensport ist satzungsmäßig organisiert (2005)

Gehen im MAK die Uhren anders? Vollrechtsfähigkeit, Öffnungszeiten: Angriff der Querulanten (2005)

Moderne Kunst in alten Mauern. Das Niederösterreichische Landhaus beherbergt einen ambitionierten Kunstraum (2006)

Vom Arbeiter- zum Volkstheater. Das Stadttheater Berndorf bringt heuer „Halali“ (2007)

Landschaft und Städtebau

Sinnbild der Verschwiegenheit. Die Kartause Mauerbach nimmt sich der Pflege alter Rosensorten an (2000)

Charme des Verfalls? Schloß Thürnthal und die Folgen: Eine private Initiative wird zum Prüfstein der Denkmalpflege (2001)

Die Konservierung des Alten. Wirtschaftsgeschichte im Spiritusglas: Das Piestingtal als Museum seiner selbst (2001)

Lebensader mit Tücken: Der Wienfluß früher und heute (2002)

Streiten wie die Bürstenbinder. Die Bagger sind im Kopf: Ein Wasserturm bringt Hainburg zum Kochen (2002)

Ad huc stat (Wahlspruch Friedrichs des Schönen, der die Kartause Mauerbach stiftete, dt.: „Noch steht er.“) (2002)

Verschimmelt und verschwammelt. Hochwasser: Die kulturellen Schäden sind kaum ermeßbar (2002)

Im Schatten der Haubitzen. 65 Jahre Truppenübungsplatz Allentsteig – wie geht es weiter? (2003)

Gegen die Veröder. Niederösterreichs Stadtkerne sollen wieder lebendiger werden (2003)

Pferdesportpark bekommt Heu und Hafer vom Bauernhof. In Ebreichsdorf bringt ein Projekt neue Chancen für Bauern (2003)

Ebreichsdorf wird das Wasser abgegraben. Regionalentwicklung auf Kanadisch: Moorverlust? (2004)

Die Schicksale der Denkmäler. Eine Ausstellung in Mauerbach zeigt Kriegsschäden und ihre Behebung (2005)

Grenzüberschreitende Thaya-Erstbefahrung. Regionalprojekt mit romantischer Kanufahrt besiegelt (2005)

Personen

Vor 75 Jahren starb Franz Kafka (1999)

Kafka in Kierling: kränkelt das Erbe? Gedenkstätte im ehemaligen Sanatorium steht im Verdacht der Lieblosigkeit (2005)

Mit langem geduldigem Blick. Der Schriftsteller Hans Raimund und die österreichische Literatur (1999)

Ein Suhrkamp des Waldviertels. Richard Pils und seine „Bibliothek der Provinz“ (1999)

Der Erfinder des Ostbahn-Kurti. Über den Alltag und das Werk des Günter Brödl (1999)

Das Bild Thomas Bernhards. In der Bibliothek der Provinz erschien ein Bildband, der den Autor würdigt (1999)

Kannten Sie Torberg? Vor zwanzig Jahren starb der Autor der „Tante Jolesch“ (1999)

Fortschritt für Fußgänger. Die Waldviertler Schuhe erobern Österreichs Füße (1999)

Weit davon entfernt, nur der Bruder eines Popstars zu sein. Charles Alexander Joel erlernte in Wien den Beruf des Dirigenten (2000)

Inszenierung und Interpretation. Dieter O. Holzinger und die Arbeit jenseits der Aufführung (2000)

Zwischen Sinn und Wirklichkeit. Der Dichter Ferdinand Schmatz und die Arbeit am Inhalt (2000)

Neues von Komarek. Man darf gespannt sein: Polt wird verfilmt (2000)

Der Konservator. Peter König steht an der Spitze des niederösterreichischen Denkmalschutzes (2001)

Denkmalschutz – wie geht es weiter? Ein Gespräch mit Dr. Peter König, dem neuen niederösterreichischen Landeskonservator (2001)

Subtile Quintessenz. Johanna Imagoa und ihre Arbeit als Puppenspielerin (2001)

Hommage an einen Irren. Adolf Wölfli reist ins Chaos, und das Donaufestival macht Seelenschrägnis erfahrbar (2001)

Perchtoldsdorf: Private Sommerspiele unter neuer Intendanz. Wolfgang Löhnert, der gemeinnützige Veranstalter (2002)

Vorwort

Das vorliegende Buch enthält Berichte aus dem Kulturleben Niederösterreichs, wie es sich dem interessierten Zeitgenossen vor 15 bis 20 Jahren dargeboten hat. Damit wird ein repräsentativer Querschnitt von Initiativen, Vereinen, Personen, Projekten, Institutionen und Entwicklungen geboten, die in diesem Zeitraum in Erscheinung getreten sind und in weiterer Folge, teilweise bis heute, das kulturelle Geschehen in Niederösterreich bestimmt und geprägt haben. Manche Ereignisse, etwa das Hochwasser vom August 2002 mit seinen weitreichenden Folgen, wurden gerne aus der Erinnerung verdrängt. Andere begannen mit großen Hoffnungen und haben, wie der groß angekündigte Pferdesportpark Ebreichsdorf, viele Menschen enttäuscht. Bei manchen, wie der Initiative im Schloß Thürnthal, der Bibliothek der Provinz oder der Waldviertler Schuhwerkstatt, gingen die Dinge einfach weiter ihren Gang, wogegen sich andere zum Zeitpunkt meines Berichts am Beginn von etwas Großem befanden (Charles Alexander Joel wurde einige Jahre nach meinem Bericht international anerkannter Stardirigent) oder leider bereits kurz davor, etwas Großes zu beschließen (Günter Brödl verstarb im Jahr nach meinem Bericht). Unter denen, um die sich diese Berichte drehen, befinden sich Theaterbühnen, Schriftsteller, Regisseure, Denkmalschützer, Schloß-Renovierer, Initiativen und Einzelkämpfer, historische und zeitgenössische, zukunftsweisende und anachronistische, anerkannte und befehdete Projekte und dabei vor allem Menschen, die sich bei ihrem Tun etwas denken und die damit große Erfolge haben oder auch grandios scheitern.

Die Beiträge bringen Menschen, Dinge und Themen wieder ins Bewußtsein, die für Niederösterreich wichtig geworden sind. Sie zeigen, was sich in Niederösterreich getan hat und laden dazu ein, herauszufinden, was daraus geworden ist: Vieles geriet im wechselhaften Tagesgeschehen aus dem Blick, obwohl es sich gelohnt hätte, die weitere Entwicklung mitzuverfolgen. Daraus ergibt sich eine kurzweilige und informative Zusammenschau niederösterreichischer Kultur-Streiflichter, zugleich aber auch eine Möglichkeit, nachzusehen, womit eine Initiative oder ein Kulturschaffender seinerzeit angetreten oder in welchem Zusammenhang jemand früher im niederösterreichischen Kulturleben in Erscheinung getreten ist. Dazu gibt es außerdem eine Reihe historischer Rückbezüge, die auch für die Kulturarbeit unserer Zeit hilfreich sein können, wenn es beispielsweise um eine neue Bearbeitung der Napoleonischen Kriege geht oder man das computerunterstützte Theater weiterentwickeln möchte.

Nicht zuletzt soll der Aufsatzband aber auch eine Würdigung des so außerordentlich reichen und reichhaltigen Kulturlebens in diesem Bundesland sein, das nicht nur jedem Interesse entgegenkommt, sondern zugleich eine beachtliche Differenzierung hinsichtlich der gestellten Ansprüche erlaubt. Vom Kleinstreit rund um Bürgerideen und unzulänglichen Sammlungskonzepten über die sehr persönliche Ausformung von Theaterwelten und verläßlichen Kontinuitäten im Denkmalschutz bis hin zur gerade startenden Dirigentenkarriere – hier kann man vieles davon noch einmal wiederfinden und nachlesen. Das lohnt sich vor allem dann, wenn eine Sache damals erst am Anfang stand und entweder zu einem richtig großen Wurf oder zu einem veritablen Flop werden sollte. Bekanntlich weiß man das vorher nie so genau. Nehmen Sie diese Beiträge und ihre Protagonisten beim Wort: Voller Tatendrang und Lebenslust werden Pläne und Projekte umrissen, und doch war in diesen Momenten niemandem klar, was daraus noch werden würde. In vielen Fällen war aber schon zum Zeitpunkt des Berichts einiges erreicht, so etwa Inszenierungen, literarische Werke oder Ergebnisse im Denkmalschutz.

Ich bin bei diesen Berichten nicht von vorgefaßten Meinungen ausgegangen, sondern habe versucht, die Gedanken und dabei auch die Selbstinszenierung der Menschen so einzufangen, wie sie aus ihnen herauszuholen waren. Manchmal liegt zwischen bierernster Kulturberichterstattung und der Ironie des Skeptikers nur eine sehr feine Linie, und wenn Sie beim Lesen der einen oder anderen Stelle das Gefühl haben, sie gerade übertreten zu haben, so liegen Sie wahrscheinlich richtig. Das schließt es ja nicht aus, den Personen, über die ich in diesen Beiträgen geschrieben habe, grundsätzlich mit wohlwollender Zugewandtheit begegnet zu sein.

Diese Veröffentlichung wurde vom Land Niederösterreich gefördert, wofür ich mich an dieser Stelle bedanken möchte, insbesondere bei Frau Julia Stattin für die perfekte Abwicklung.

Historisches

Napoleon zwischen Wien und Brünn Zweihundert Jahre nach Austerlitz stellte man Schlachtgetümmel nach – ein Lokalaugenschein (2005)

Die Schlacht bei Schöngrabern fand bei unwirtlichem Wetter statt. Der November hatte mit Nachtfrösten und Nieselregen Einzug gehalten, die Soldaten mußten in Gewaltmärschen große Strecken bewältigen. Bei dem Hollabrunner Revival des Jahres 2005 war davon nichts mehr zu spüren: Anfang August bei herrlichem Wetter durchgeführt, war das zwischen Einkaufsnacht und Volksfest aufgezogene Kostümspektakel Teil des ländlichen Erlebnissommers.

Friedensdenkmal Austerlitz

Ob geschichtliche Stoffe durch solche Statistenaufmärsche adäquat dargestellt werden können, steht dahin – als ein kleiner, schon sichtlich erschöpft wirkender Trupp kaiserlicher Soldaten den örtlichen Stadtoberen Meldung machte, ein paar marodierende Franzosen festgenommen zu haben, zeigt sich die zusammengelaufene Menge durchaus enttäuscht. Da standen sie oben am Balkon des Marktplatzes, die schlaffen Stadt- und Dorfvorderen, und leierten vorgeschriebene Texte herunter: über die drohende Gefahr, über das Hoffen auf einen guten Ausgang. Zackig war davon nichts, und deshalb hat Österreich wohl vor zweihundert Jahren auch verloren. Und das „Marodieren“ der Franzosen? Dem einen oder anderen Landfräulein haben sie in den Hintern gekniffen. Die Tragik des Krieges, sie entsetzt und läßt in die Euphemismen flüchten.

Immerhin gab es alte Männer in schmucken Uniformen zu sehen und Tschaikowsky zu hören, wenn auch letzteres nur relativ kurz. Am darauffolgenden Wochenende konnten interessierte Zivilisten ein Heerlager besichtigen, unweit Hollabrunns hinter einem Rübenacker errichtet – da, wo sonst im Lenz die Feldfrucht um Wärme ringt. „Napoleon“ stand auf den pfeilförmigen Schildern an der Straße. Am Eintrittspunkt mußte man eine Anstecknadel für fünf Euro kaufen. Darauf stand „Land um Hollabrunn“. Bis zum Horizont reiner Acker, vollgestellt mit Strohballen: darauf eine Zeltstadt aus weißem Linnen, mit Kochstellen, Tischen und Bänken, dazwischen einträchtige Soldaten mit österreichischen, französischen und russischen Uniformen. Auch Frauen, reichlich sogar, alle wahrscheinlich von der Marketenderey, na hups, schon wieder ein Euphemismus. „Geraubte Sabinerinnen“ werden es schon nicht gewesen sein.

Und es gab Marschmusik vom Band, englisch kommentiert. Die Soldaten und Frauen sprachen Tschechisch miteinander. Einige übten den Umgang mit dem Vorderlader. Einer schoß sich mit einem Vierpfünder in die Hand. Hoppala. Andere spielten Boule mit Kanonenkugeln – weniger gefährlich. Für Essen und Trinken war gesorgt. Ein örtlicher Baumeister zuckte aus, weil man ihm sein Clubbing nicht genehmigt hatte. Er beklekkerte daraufhin sein teures Auto mit Buntlack. Es stimmt schon: „Hollabrunn hat’s!“

Hier wurden Gewehrkugeln gegossen, dort wurden auf einer Esse Kerzenständer geschmiedet, die sind bekanntlich nicht gerade kriegswichtig. Wieder woanders gab es Filzmützen, Met oder Bücher. Und dahinten war ein Stand für die Rekrutenaufnahme: Da konnten die Kleinen sich im Enthaupten feindlicher Strohpuppen messen. Und im Bogenschießen. Sogar eine Kanone lud zum lustigen Wehrsport ein. Wer’s schaffte, bekam eine Medaille und wurde in die kaiserliche Armee aufgenommen. Väter mit Klobrillenbart konnten ihren Gschrappen Schwertlein aus Holz kaufen – und Bögen, wahlweise in „stark“ oder „schwach“. Dazwischen holte man sich mal ein Langos oder ein Bier, nichts war hier so absent wie der Krieg.

Plötzlich, eine Durchsage. Auch die war nicht dem Duktus der Veranstaltung angepaßt. Da wurde nur ganz trocken darauf hingewiesen, daß sich die Darsteller um viertel Sieben zur Essensausgabe einzufinden hätten. Wiederholung auf Tschechisch. Viel besser hätte ein feuriger Aufruf geklungen, in der Art von: „Soldaten! Zur Stärkung für die Anstrengungen des kommenden Tages wollet Ihr Euch zu Sonnenuntergang bei der Proviantmeysterey einfinden, auf daß Ihr dort verköstiget werdet! Helf Gott – es könnte Euer letztes Nachtmahl seyn!!“ (Wiederholung auf Russisch, für Böhmen nicht unverständlich) – Später sah man die Darsteller mit kleinen Frischhaltebeuteln herumlaufen. Darin befanden sich ein paar Scheiben Salami und Käse. Dazu gab es eine Semmel. Wenigstens die karge Verpflegung war also gnadenlos authentisch.

Aber wessen wurde da eigentlich gedacht? Wer hat noch die Einzelheiten des Dritten Koalitionskrieges im Gedächtnis? Kaum eine Epoche hat Europas Geschichte stärker geprägt als die Franzosenzeit (Revolutionskriege 1792–99, Napoleonische Kriege 1799–1815). Gerade Österreich – als erbittertster Gegner Frankreichs – wurde dabei zum maßgeblichen Weichensteller der Geschichte.

Der Dritte Koalitionskrieg wurde durch den Einmarsch österreichischer Truppen (Iller-Armee) unter dem nominellen Kommando des vierundzwanzigjährigen Erzherzogs Ferdinand und unter dem de facto-Kommando des Generals Karl Mack Freiherr von Leiberich in Bayern ausgelöst. Die Österreicher kapitulierten schon am 20. Oktober 1805 in Ulm; Oberitalien und Tirol wurden von den österreichisch-russischen Truppen geräumt. Die Koalitionsheere wurden durch Napoleons Truppen bis Linz und Graz zurückgedrängt. Ein erster großer Zusammenstoß der Armeen zwischen Dürnstein und Förthof bei Stein kostete sechstausend Soldaten das Leben, gleichzeitig nahmen die von Italien und der Steiermark vordrängenden Franzosen erstmals die wichtige Donaubrücke in Wien ein. Und zwar kampflos.

Kutusows russisches Korps machte (da er der eingeschlossenen Armee von Macks in Ulm nicht helfen konnte) in Braunau auf dem Absatz kehrt und zog sich über Linz, Amstetten, St. Pölten, Krems und Hollabrunn nach Mähren zurück, um sich dort mit den Resten der österreichischen Nordarmee unter Kienmaier und Kolowrat sowie der 2. und 3. russischen Armee unter Buxhövden und Bennigsen mit der Garde unter Großfürst Konstantin zu vereinigen. Damit die Streitmacht nicht in einen Zangengriff der von Westen und Süden kommenden Franzosen genommen werden konnte, setzte sich eine riesige Kolonne von etwa dreißigtausend Mann bei äußerst schlechtem Wetter nach Znaim in Bewegung. Der Weg führte über die alte Heerstraße über Hadersdorf, Straß, Hohenwarth, Ebersbrunn, Großmeiseldorf, Gettsdorf, Frauendorf, Sitzendorf, Grabern und Jetzelsdorf. Die österreichischen Truppen waren zum guten Teil bereits nach Brünn geflohen. Als die Russen nachfolgten, vereinigten sich die Armeen, um sich bei Austerlitz Napoleon zu stellen.

Damit die russische Armee sich kampflos nach Znaim begeben konnte, wurden einige Nachhut-Truppen in Hollabrunn und in Guntersdorf verschanzt. Sie hatten die Aufgabe, die Franzosen möglichst lange hinzuhalten. Der russische Befehlshaber Bagration verfügte über achttausend Mann, Napoleons Schwager Murat schob eine Streitmacht von 30.000 Mann übers Land. Das Gefecht am 16. November begann um 17.00 Uhr – also bei beginnender Dunkelheit – und endete um ca. 23.00 Uhr. Es standen zwei französische Korps (rund 40.000 Mann) etwa 8.000 Russen und einem kleinem österreichischen Kontingent von nicht bekannter Stärke gegenüber.

Soldatendenkmal bei Hollabrunn

Französischerseits wurden zwei Divisionen und Teile der Kavalleriereserve ins Gefecht gebracht, namentlich die 3. Division Legrand IV. Korps, 1. Division Oudinot V. Korps (Grenadiere) und Teile der 2. Division Gazan V. Korps. Als am 16. November aus der Senke von Schöngrabern die Franzosen zum Angriff anrannten, schlug ihnen heftiges Artilleriefeuer der Russen entgegen. Auf russischer Seite fielen 1.200 Mann, bei den Franzosen fast zweitausend. Schöngrabern, Grund und Guntersdorf waren vernichtet, unzählige Zivilisten, die zwischen die Fronten geraten waren, getötet. Wie immer, waren die Landfrauen auch hier Opfer kampfmüder Soldaten aller Seiten. Immerhin war das Ziel der Russen erreicht, die Hauptarmee hatte sich ungestört absetzen können. Und mittlerweile saßen Zar und Kaiser im Austerlitzer Schloß, um sich auf die große Dreikaiserschlacht vorzubereiten. Europas Kriegsherren hatten noch immer nicht genug.

Die genannten Verlustzahlen werden in der Literatur kontrovers diskutiert. Wenn man dem Historiker Karl Bleibtreu (um 1900) glauben darf, dann wurden etwa 700 Franzosen verwundet, gefangengenommen oder getötet. Etwa 3.000 Russen fielen oder wurden verwundet, 1.800 gerieten in Gefangenschaft. Diese Zahlen wurden in der historischen Geschichtsschreibung aus Propagandagründen immer wieder nach oben revidiert.

Friedensdenkmal bei Austerlitz (Detail)

Heute kann man vor dem restaurierungsbedürftigen Landschloß in Slavkov u Brna (Austerlitz) ein Ensemble aus Pappfiguren bewundern: Der Kaiser Franz I. unterschreibt da gerade den Friedensvertrag. Vom weiträumigen, etwas gespenstischen Schloßpark her rückt eine französische Reisegruppe an. Nicht nur wegen der aktuellen Themenausstellung – Napoleon ist dort immer noch der Staatsheld schlechthin, in Austerlitz muß man als guter Franzose einmal gewesen sein. Drinnen gibt es Napoleon-Nippes, Medaillen und Postkarten, Bilder des knubbeligen Despoten in unmöglichen Posen. Links im weitläufigen Entrée steht eine Napoleon-Figur, durch die man sein Gesicht stecken kann. Das hat was. Und mundgeblasene Champagnergläser aus dem schönen grünen Waldglas.

Ein paar Kilometer westlich, man fährt regelrecht über die blutgetränkten Äcker Mährens, kommt man nach Prace, wo es ein Friedensdenkmal gibt. Das wurde hundert Jahre nach dem furchtbaren Gemetzel zum Gedenken an die gefallenen Österreicher, Russen, Mähren und Franzosen errichtet. Steinern und mit erstarrter Miene schaut da ein jeder der vier Volksangehörigen in eine andere Himmelsrichtung, stolz zwar, auch würdevoll, aber doch nicht recht versöhnlich. Hoch ragt die Spitze des Mals in den Himmel, von hier aus hat man einen weiten Blick über das Land, auf dem der müde Sommerregen hängt. Ein kleines Grüppchen blasierter Touristen rückt an und stellt sich vor die in das Monument eingelassene, sehr schöne Kapelle. „Muuh!“ ruft einer hinein, es hallt. Er grinst seine Begleiter an, dann nochmal: „Haalo!“ Es hallt wieder. Wie schön. Er trägt ein graues Unterhemd, das die behaarten Oberarme frei läßt. Seine Frau wirkt in der weißen Jogginghose schwabbelig. Wessen sollten sie gedenken?

Die Ortschaften um Austerlitz zehren im Jubiläumsjahr von der Dreikaiserschlacht. Im nahen Brünn ist davon kaum noch etwas zu spüren, da gibt es wieder anderes, wenngleich die Napoleonischen Kriege sich auch dort für immer in die Stadtgeschichte eingebrannt haben. Fährt man von dort nach Süden zur österreichischen Grenze, überrollt man Kilometer für Kilometer historischen Boden. Dem sensibleren Reisenden rollen da noch einmal vor dem inneren Auge die russischen Kolonnen entgegen, während der Schnee fällt. Eine Kriegskultur, in der die Regimenter auf dem Schlachtfeld gegeneinandergeworfen wurden, war in vielem fairer als die heutige – wenngleich sie bis zur Maßlosigkeit menschenverachtend war. Kein Rotes Kreuz kümmerte sich um die Verwundeten. Das besorgten damals die Unverwundeten, sofern sie es noch konnten. Heute gibt es einen perfekten Sanitätsdienst, der jedoch keineswegs Ausdruck gelebter Nächstenliebe, sondern fester Bestandteil der Kriegsmaschine ist. Und heute erklärt man sich nicht mehr den Krieg, sondern man fällt einfach mit Bombern ein.

Geschichtsspektakel in der Art von Karl May-Festspielen können kaum den vielen Aspekten geschichtlicher Wirklichkeit gerecht werden. Das eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema nach wie vor aktuell ist, steht außer Frage und die Art der Aufbereitung bewegt nach wie vor die Gemüter.

Nahezu alle der ehrenamtlichen Darsteller finden den Weg über ein Studium der Geschichte in die Napoleonik. Sie recherchieren das Zivilleben, die Zusammenhänge der politischen Machtspiele, die wechselseitige Verknüpfung der Herrscherhäuser im damaligen Europa und die damit verbundenen Gebietsansprüche, aber auch über die daraus resultierenden kriegerischen Auseinandersetzungen. Manche von ihnen finden den Zugang zur Geschichte über das Tun – das Interesse am Lagerleben, am Exerzieren, an der Ausrüstung läßt sie mit der Zeit weit in die Historie vordringen, wie dies auch bei den immer populärer werdenden Mittelaltermärkten der Fall ist.

Auf diese Weise wird zwar mit einigen Kompromissen und Abstrichen, aber dennoch sehr differenziert an die Thematik herangegangen. Die Darsteller sehen es als Ihre Aufgabe an, das Publikum umfassend über die historischen Hintergründe zu informieren – durch Einzelgespräche, durch Erklärung vor einem Forum, durch Informationsveranstaltungen und ähnliches. Das Nachstellen der Geschichte am historischen Ort ist eine geeignete, wenn auch nicht ideale Möglichkeit, geschichtlich interessierte, aber in vielen Bereichen unkundige Zuschauer zu informieren. Darin sehen die Darsteller eine besondere Aufgabe und eine große Verantwortung. Wer das weiß, kann von solchen Veranstaltungen profitieren. Und für die Kleinen ist so eine Gaudi allemal besser als ein Computerspiel, bei dem es darum geht, dutzendweise gesichtslose Aggressoren zu zermetzeln. Das echte Leben findet eben noch immer auf dem Kartoffelacker statt.

Münzenschatz in Amstetten: Zeugen der Geschichte (2010)

Wer einen Vierkanthof besitzt, der schon die Napoleonischen Kriege miterlebt hat, der sollte bei Grabungen aufmerksam sein: An vielen Schauplätzen der Auseinandersetzungen verbreiteten die Soldaten Angst und Schrecken, und große Teile der Zivilbevölkerung wurden, wenn nicht getötet, so doch beraubt, vertrieben oder mißhandelt. So dürfte es auch jenem Kleingreinsfurther Bauern ergangen sein, der um 1805 genau dort lebte, wo heute Karl Wurz wohnt.

Wurz wollte unlängst etwas umgestalten und stieß beim Graben auf den bescheidenen Besitz seines Vorgängers: zwei Taler und einen Haufen Scheidemünzen, alle aus der Zeit von 1734 bis 1802, einst vergraben in einem alten Topf. Nun ist ein Topf mit 284 Kupfer- und sieben Silbermünzen kein besonders wertvoller Fund, und auch zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts konnte man dabei schwerlich von einem Vermögen sprechen. Der Wert des Fundes liegt abseits der Marktkategorien, denn durch seine Geschlossenheit, die genau dokumentierten Fundumstände und die geschichtlichen Zusammenhänge wird er zum bereden Zeitzeugen, dessen ideeller Wert das Amstettener Stadtarchiv in helles Entzücken versetzt. Und das mit Recht, denn die Fundliste gibt Aufschluß über das, was in diesem Fall ein Einwohner oder Bauer vor zweihundert Jahren in Sicherheit bringen konnte – zugleich aber auch über die Zusammensetzung eines womöglich typischen Bargeldbestands zwischen Klassik und Romantik.

Der besondere Nutzen der Archäologie für die Wissenschaft liegt immer in den Zusammenhängen und Wechselbeziehungen der Fundstücke zueinander. Ein einzelnes Kreuzerstück aus dem achtzehnten Jahrhundert ist etwas ganz nettes, aber es gibt in dem allermeisten Fällen keine besonderen Auskünfte. Weitaus mehr kann man an sogenannten Horten ablesen, und das hat für die Beantwortung kleiner und größerer Fragen eine besondere Qualität, die über den Informationsgehalt der nahezu identischen Massenprägungen hinausweist. Es ist dem besonnenen Abwägen des Finders zu verdanken, daß diese Informationen nun verfügbar sind; Informationen, die über die Summe der Einzelstücke hinausgehen. Und das ist eben auch ein gutes Beispiel dafür, wie Numismatik zur Aufklärung geschichtlicher Dunkelstellen beitragen kann, wenn man sie nur läßt. Der Fund der Münzen wurde im Juli 2007 gemacht, doch erst im September wandte sich der Finder an den Historiker Prof. Dr. Heimo Cerny. Danach wurde der gesamte Münzhort von insgesamt 291 Münzen dem archäologischen Betreuer der Stadt, Oberstudienrat Gunther Hüttmeier, zur Reinigung, Begutachtung und Inventarisierung übergeben. „Der Fund ist in seiner Gesamtheit und Menge sowie im Rahmen des historischen Hintergrundes (ein vermutliches Verbergen der Ersparnisse vor den anrückenden französischen Einheiten 1805 oder auch vor den sich zurückziehenden brandschatzenden russischen Verteidigern) als relativ beachtenswert einzustufen“, erklärt Archivleiter Josef Plaimer.

Der Leidenschaft des Anfang 2006 bestellten Archivars ist es zu verdanken, daß immer mehr Amstettener das Stadtarchiv mit interessanten Dingen beschenken: beispielsweise mit Notgeld, Bildern, Dokumenten und Aufzeichnungen. Karl Wurz war deshalb ebenfalls schnell davon überzeugt, daß es das beste ist, den Fund dorthin zu geben, wo er von größtem wissenschaftlichen Nutzen ist, nämlich im Kontext mit der Geschichte Amstettens.

Für den Fund selbst war der Zufall entscheidend. Karl Wurz wollte vor seinem Hof, zusammen mit seinem Sohn, ein Fundament für Gartenmöbel anlegen, als sie beim Graben auf den Schatz stießen. Der Tontopf, in dem die Münzen ursprünglich vergraben worden sind, kam nur noch als Fragment zum Vorschein, allerdings mit einer Töpfermarke der Jesuiten. Die stark korrodierten und verschmutzten Münzen erforderten 36 Arbeitsstunden, bis sie wieder lesbar waren. Der Aufwand hat sich gelohnt: Vor allem die Silbermünzen sehen jetzt wieder richtig gut aus, man kann die Beschriftungen fast aller Münzen lesen und gewinnt trotzdem einen Eindruck davon, wie sich Münzen während zweier Jahrhunderte unter der Erde verändern. Viele Epochen gingen seither vorüber: die Romantik, das Biedermeier, die gesamte Industrialisierung und das ganze zwanzigste Jahrhundert mit seinen kriegerischen Düsterkeiten, schließlich auch die wechselvolle Geschichte ab 1945, der Kalte Krieg und die Öffnung Osteuropas, die Einigung Europas und das Jahrhundertverbrechen von Amstetten.

„Die Darstellung der Fundsituation durch Herrn Karl Wurz, den Besitzer des Münzhortes, der bei der Auffindung anwesend war, läßt darauf schließen, daß der Münzhort ursprünglich an der späteren Auffindungsstelle vergraben worden war“, heißt es in der von Gunter Hüttmeier verfaßten Dokumentation. „Als Vergrabungszeit kommt unter Berücksichtigung des Terminus postquem am ehesten die Zeit der Franzosenkriege während der Regierung des Kaisers Franz II. zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Frage, hierbei insbesonders der 5. Koalitionskrieg gegen Napoleon im Jahre 1805, in dessen Verlauf erstmals der Durchmarsch feindlicher französischer Truppen durch den Amstettner Raum erfolgte.“

Damals kam es bei Amstetten zu einem größeren Gefecht zwischen den zurückweichenden Russen unter Kutusow und den vorrückenden Franzosen, während auch der Ort geplündert und zu großen Teilen niedergebrannt wurde. Dieses Ereignis forderte mehrere hundert Tote und fand sogar in Tolstojs „Krieg und Frieden“ Erwähnung. Nach dieser unglücklichen Zeit begann der Aufschwung Amstettens. Mitte des Jahrhunderts wurde der Sitz der Bezirkshauptmannschaft hierher verlegt, und die Stadt bekam ein eigenes Gefängnis sowie mit der Kaiserin-Elisabeth-Westbahn eine moderne Verkehrsanbindung.

In der Folgezeit stieg hier mehrmals der Kaiser, nach Bad Ischl reisend, ab. Schulen wurden errichtet, viele Menschen fanden Beschäftigung. Der kleine Scheidemünzenfund in Kleingreinsfurth hingegen entstammt Zeiten, in denen Amstetten noch ein relativ bedeutungsloses Nest und überdies den Launen marodierender Krieger ausgesetzt war. Geht man von der Richtigkeit der Annahme aus, daß es sich bei dem Fund um die Barschaft eines im Angesicht des Krieges verzweifelten Bäuerleins handelt, so ist die Zusammensetzung des Bestands für den Geldumlauf der damaligen Zeit recht aufschlußreich.

Der Schatz gliedert sich in sieben Münzen aus Silber oder mit Silberummantelung sowie 284 kupferne oder verkupferte Münzen. Besonders interessant sind dabei die Silberstücke: je ein Taler von Karl VI. aus den Jahren 1734 und 1737, eine Münze von Joseph II aus dem Jahre 1787 sowie vier Stücke von 1802, ausgegeben von Kaiser Franz II. An den letztgenannten, jüngsten Münzen läßt sich auch ablesen, wann der Bestand frühestens vergraben worden sein kann. Doch auch die Kupfermünzen sind nicht ohne, immerhin findet sich dabei ein Dreigroschenstück vom polnischen König Stanislaus II. August Poniatowski aus dem Jahre 1766. Neben einigen Münzen aus den sechziger Jahren gibt es auffallend viele aus den Jahren 1780 bis 1800. Ob diese Häufung der Prägejahre rein persönliche Gründe hatte oder einen Rückschluß auf die Prägejahre der seinerzeit umlaufenden Münzen zuläßt, könnte im Vergleich mit anderen Münzhorten aus dieser Zeit (und Gegend) geklärt werden.

Funde wie dieser Münzenschatz aus Amstetten zeigen die Numismatik in ihrer reinsten Form: Nicht um die Spekulation auf hohen Wert geht es hier, sondern um das unmittelbare Erleben von Geschichte. Einzelstücke können das in dieser Intensität nicht leisten. Es ist zu hoffen, daß die Vorgehensweise des Finders Schule macht. In den Weiten des Handels wären aus den Kreuzern doch nur anonyme Massenstücke ohne genaue Provenienz geworden.

Falschgold aus dem Bezirk Hollabrunn! Goldmünzen mit Kupferkern – Prägestätte unauffindbar (2012)

Anfang März 2008 ging die Meldung durch die Medien, daß Österreichs erste Münzfälscherwerkstatt aufgeflogen sei. Nur: Ganz richtig ist das nicht, denn schon etwas früher wurden auf dem Gebiet des heutigen Österreich Münzen nachgemacht – und zwar im großen Stil. Der Tatort: einige Äcker unweit der Bezirkshauptstadt Hollabrunn im Weinviertel. Die Tatzeit: zwischen 250 und 50 v. Chr. Und die Bedeutung: immens. Denn was man dort sicherstellen konnte, wirft nicht nur ein ganz neues Licht auf das Münzwesen der Keltenzeit, sondern gibt auch spannende Einblicke in eine Welt, in der Münzen keineswegs die Funktion eines Zahlungsmittels hatten. Die Funde geben einige Antworten und werfen viele neue Fragen auf.

Unter der Bezeichnung Roseldorf verbirgt sich mehr als ein schnöder Ausgrabungsort: Hier befand sich einst die größte Keltensiedlung auf dem Gebiet des heutigen Österreich, eine der größten von ganz Mitteleuropa und eine echte Metropole der damals besiedelten Welt. Auf einer Fläche von 22 ha fand man nicht nur – erstmals in Österreich – einen Kultbau, sondern auch eine große Menge keltischer Münzen. Der Kultbau wurde mittlerweile unter Anwendung alter Originaltechniken im musealen Kontext rekonstruiert. An der Anlage gab es Schüttgräben, die mit allerhand Resten der keltischen Zivilisation verfüllt waren, nur: Münzen enthielten diese Gräben nicht. Auch das Heiligtum enthielt keine Münzen – dieser seltsame Befund ist von besonderer Bedeutung, wenn man der Frage nachgehen will, welche Funktion die gefundenen Münzen hatten. Die schiere Menge gefundener Münzen, die aus dem fruchtbaren Boden Niederösterreichs geholt wurden, ist allemal sensationell: Bis heute hat Prof. Günther Dembski, Leiter des Münzkabinetts des Kunsthistorischen Museums, ungefähr 1.400 Stück wissenschaftlich erfaßt. „Etwa ebensoviele sind jedoch verlorengegangen“, erklärt der Experte.

Man darf sich die Roseldorfer Münzfunde nicht wie die Hebung eines Schatzes vorstellen, womöglich in Kisten mit Hunderten Münzen darin. Die meisten Stücke lagen einfach im Boden, und so erklärt sich auch, auf welche Weise 1.400 wertvolle alte Stücke verlorengehen konnten. Josef Pfeifer, Obmann des Vereins „Forum Platt“, erläutert den schleichenden Münzraub: „Erst seit 1991 steht das ganze Gelände unter Denkmalschutz. Davor gingen Leute, die nicht zur Bergung historischer Münzen befugt waren, mit Metallsuchgeräten über die Felder und holten sich, was sie fanden.“ Zunächst handelte es sich wohl um Zufallsfunde, dann sprach sich der Münzreichtum der Roseldorfer Umgebung herum. Über Jahrzehnte sammelten Hobbyarchäologen und Glücksritter die wertvollen Kunstschätze ab. Es liegt auf der Hand, daß der kulturgeschichtliche Wert der Münzen ihren Materialwert vielfach übertrifft: Deshalb ist es so überaus wichtig, daß die Wissenschaft zusätzlich zur Münze auch die Fundsituation genau dokumentieren kann. Zahllose Keltenmünzen aus Roseldorf sind auf diese Weise verschollen, vernichtet oder zu jener anonymen und geschichtslosen Münz-Masse geworden, die man bei vielen Händlern kaufen kann – mit Expertise zwar, aber doch abgeschnitten von der eigenen Geschichte, abgeschnitten auch vom Kontext ihrer Fundstelle.

Bei der wissenschaftlich dokumentierten Ausgrabung liegen die Dinge anders: Man hat einen richtigen keltischen „Stadtplan“ entwickelt, auf dem Straßen, Häuser und Befestigungsanlagen zu sehen sind. Die Münzstätte konnte man jedoch noch nicht lokalisieren; lediglich die ungeheure Menge der aufgefundenen Münzen legt den Schluß nahe, daß hier im großen Stil Münzen hergestellt worden sind. Die vermutete keltische Prägeanstalt diente gleichzeitig der Fälschung von Münzen – und zwar der eigenen.

Die Keltenzeit begann im Verlauf des 5. Jahrhunderts v. Chr. Viele keltische Stämme rangen miteinander um die Vorherrschaft; schon bald gehörten sie zu den wichtigsten barbarischen Völkern der damaligen Welt. An der Wende zum 4. Jh. v. Chr. kamen die Kelten ins Donaugebiet und Karpatenbecken, einige drangen sogar bis in die heutige Türkei vor. Zu Beginn des 3. Jh. v. Chr. erreichte das Keltengebiet seine größte Ausdehnung, es reichte von Irland bis Kleinasien. Für das Römerreich begann eine Zeit langer und zäher Kämpfe.

Die Keltensiedlung Roseldorf, gegründet um 300 v. Chr., war in der Zeit von etwa 250 bis 50 v. Chr. aktiv und prosperierte etwa dreißig Jahre, nachdem die Kelten vor Delphi gescheitert waren. Bald wurden auch die Kelten in Kleinasien (Galater) vernichtend geschlagen, so daß sie sich in den mittleren Donauraum zurückzogen. In diesem Bereich war Roseldorf eine eher am Rande gelegene Großsiedlung. Ab dem späten 2. Jh. v. Chr. wurden die Kelten von Norden durch die Germanen bedrängt, um 60 v. Chr. im östlichen Donauraum durch die Daker. Im heutigen Tschechien wurden die keltischen Boier um 25 v. Chr. ebenfalls durch Germanen unterworfen. Bis auf letzte Rückzugsgebiete in Irland und Brittannien war die keltische Kultur zerrieben.

Die keltische Siedlung in Roseldorf war in dieser Zeit ein wichtiges Wirtschafts- und Handelszentrum der Region. Man betrieb hier Land- und Forstwirtschaft, verarbeitete Arsen und Glas, fertigte Gegenstände aus Metall und Knochen, nicht zuletzt befaßte man sich intensiv mit der Herstellung von Münzen. Die in den letzten Jahren freigelegten Tempelbauten legen Zeugnis von der religiösen Bedeutung dieser Siedlung ab.

Aus numismatischer Sicht ist Roseldorf nicht nur aufgrund der Menge und Vielfalt der dort gefundenen Münzen von besonderer Bedeutung, sondern auch wegen der nachweislichen Herstellung von Fälschungen. Schon die frühen wissenschaftlichen Ausgrabungen im Jahre 2001 brachten zehn Stücke ans Licht, einen 1/24 Stater aus Gold mit einem Gewicht von 0,333 g, 8 kleine Silbermünzen, die jeweils weniger als 1 g wiegen und fast alle als Roseldorfer Typen angesehen werden, sowie eine halbe Bronzemünze. Durch den Vergleich mit datierbaren Fundschichten stellte sich schon damals heraus, daß die bisherige Datierung nicht stimmen konnte: Hatte man solche Keltenmünzen aus dem Donaugebiet bislang auf ca. 50 v. Chr. datiert, so lag nun der Schluß nahe, daß das Kleinsilber schon um 100 v. Chr. im Umlauf gewesen ist. Wozu, ist jedoch noch nicht ganz klar.

Münzen kamen im 7. Jh. v. Chr. im hellenisierten Lyderreich auf; die Griechen verbreiteten sie im ganzen Mittelmeerraum. Vorläufer waren kleine, zuweilen tropfenförmige Stücke aus Edelmetall. Aufgrund ihrer weiten Verbreitung, ihrem täglichen Gebrauch und ihrer signifikanten Merkmale gehören Münzen heute zu den allerwichtigsten Geschichtszeugen. Sie bestehen meist aus Gold, Silber oder Kupfer, man findet sie sowohl in Gräbern und Münzlagern als auch als Streufunde, in Stüttgräben oder zusammen mit anderen Fundstücken. Diese besonderen Zeitzeugen erlauben nicht nur die genaue Datierung ihrer eigenen Entstehungszeit, sondern auch die zeitliche Einordnung der übrigen Fundstücke. Daß hierbei sorgfältig vorgegangen werden muß, versteht sich von selbst: Es ist zwar verlockend, die gefundenen Stücke anhand chronologischer Vorausannahmen einzuordnen, aber es führt oft zu falschen Ergebnissen. Die Wissenschaftler dürfen die Fundstücke nicht isoliert betrachten, sondern müssen auch die Funddichte, -streuung und -zusammensetzung interpretieren, ohne dabei die großen geschichtlichen Zusammenhänge aus den Augen zu verlieren.

So läßt sich allgemein sagen, daß das Münzwesen der Kelten von Beginn an auf der Nachahmung griechischer Vorbilder basiert. Ausgehend von der Begegnung der Hochkulturen zeigt sich darin die allmähliche Selbstfindung des Keltenvolks. Aus allen Teilen des keltischen Siedlungsraums sind zahllose Beispiele dafür erhalten, wie man die fremden Vorbilder zunächst nur imitiert hat. Später entstanden wilde Entstellungen und inspirierende Mißverständnisse, Umdeutungen und zuletzt ganz eigenständige Gestaltungen. Dieses Werden der keltischen Münzbilder trägt erheblich zu der ungeheuren Faszination bei, die von diesem Bereich der Numismatik ausgeht. Der allerdings ist auch noch vergleichweise jung: Erst im frühen neunzehnten Jahrhundert verbreitete sich die Ansicht, daß man es hierbei wirklich mit Münzen zu tun habe. Die Bilder waren grob und schwer zu deuten; man schrieb die Barbarenmünzen zunächst Stämmen der Völkerwanderungszeit zu. Um 1850 begann man, die Münzen den Kelten zuzuschreiben. Da waren die ersten Funde großer Keltenschätze bereits hundert Jahre alt: 1751 hatte man bei Dachau 1.400 Goldmünzen gefunden, zwanzig Jahre später in Böhmen etwa 5.000 Stück. Bis auf wenige Stücke wurden sie alle eingeschmolzen, sodaß sie der Forschung heute nicht mehr zugänglich sind.

Frühe Zentren der keltischen Münzprägung lagen im Westen und im Osten. Die Vorbilder ihrer goldenen Erzeugnisse waren meist die Statere der Makedonenkönige Philipp II. (359–336 v. Chr.) und Alexander (336– 323 v. Chr.), die vorne mit Portraits der Götter Apollon und Athene verziert waren und auf der Rückseite ein Zweigespann bzw. die Siegesgöttin Nike trugen. Bei den Silbermünzen fand man Vorbilder in den Tetradrachmen des Königs Philipp (Zeuskopf und Reiterbild) sowie im römischen Denar (Romakopf und Reiterdarstellung). Der früheste Motivkatalog bestand also aus Köpfen und Pferdebildern. Doch allmählich verändern sich die Details: Nasen und Lippen werden spitzer, Augen werden größer, Hälse breiter. Nebensächliches wird zum Ornament, die Formensprache entwickelt sich zum eigenen Stil.

Nach und nach setzten sich die abstrakt-ornamentalen Bildelemente durch, die Formen verschwimmen zu eigenartigen Ziergebilden. Die Veränderungen der Motive haben Ursachen, die in der Produktionstechnik zu finden sind. Beim Stempelschnitt wurden Rundpunzen verwendet, weshalb sich das zuvor geschlossene Bild in Punktsysteme auflöst. Die sich immer deutlicher ausprägende Schüsselwölbung der Münzen verändert die Prägebilder zusätzlich; bald ist vorne nur noch ein Strichrand mit einem augenartigen Gebilde übrig und rückseitig acht Kugeln mit einer umlaufenden Zickzacklinie. Ein Lockenkranz kann sich da in die Rückenlinie einer Schlange verwandeln, ein Auge in einen Kopf. Das hat natürlich viel Spielraum für Interpretationen eröffnet.

Ebenso rätselt die Wissenschaft noch immer hinsichtlich der Verwendung solcher Münzen. Man weiß nicht, warum sie geprägt wurden und wozu sie gebraucht wurden. Vielleicht verwendete man sie einst für Tributzahlungen an Völker, die eigene Geldsysteme hatten, oder für den Einkauf bei den Griechen und Römern. Innerhalb der frühen keltischen Gesellschaft ist eine geldmäßige Verwendung jedenfalls weder belegbar noch wahrscheinlich. Aber der Austausch mit benachbarten Hochkulturen würde sowohl die Nachprägung fremder Münzen als auch die Fälschungen plausibel erscheinen lassen. Mit dem Übergang zur Stadtkultur bekommen Münzen auch im Keltenland die Funktion eines Tauschmittels, für diese Zeit sind entsprechende Differenzierungen belegt, woraus auf eine funktionierende Geldwirtschaft geschlossen werden kann. Gold und Silber in verschiedenen Wertstufen bildeten das spätkeltische Geld, lediglich über die Umrechnungsschlüssel wird noch diskutiert. Zudem umfaßte die Nachahmung fremder Münzen auch die Übernahme von deren Maßen und Gewichten. Die Wissenschaft hat sich deshalb darauf geeinigt, für die jeweiligen keltischen Prägungen einfach die Bezeichnungen der fremden nachgemachten Originale zu verwenden.

Mit all dem ist jedoch noch lange nicht belegt, daß dieses Geldsystem flächendeckend funktioniert hätte; vielmehr ist anzunehmen, daß es auf die Ballungsräume beschränkt blieb. Auf dem flachen Land lief alles noch über Tauschwirtschaft.

Auch die Herstellung der keltischen Münzen ist bis heute noch nicht restlos geklärt. Gesichert ist, daß man dafür Tonplatten mit eingetieften Mulden verwendet hat. In die Vertiefungen legte man das Rohmaterial, das dann auf irgendeine Weise geschmolzen wurde. Nach dem Guß konnte man die Schrötlinge nachbearbeiten. Für dieses Verfahren spricht, daß aus der Keltenzeit die Feinwaage belegt ist; sie erlaubte ein genaues Abwiegen des Materials vor dem Schmelzvorgang. Nach dem Schmelzen konnte man die Schrötlinge herausnehmen und noch warm unter dem Schlaghammer ausprägen. Sei es wegen der Temperatur oder der Legierung, jedenfalls waren etliche Schrötlinge so spröde, daß sich beim Prägen tiefe Risse bildeten. Vielleicht war das mit ein Grund, warum man irgendwann anstelle von Gold auch Kupfer verwendete und die Münzen anschließend mit einer dünnen Goldschicht überzog. Auch die Tributpflichten könnten für diese Fälschungen den Ausschlag gegeben haben. Technische Gründe waren es jedenfalls, die zur schnellen Veränderung der Prägebilder beigetragen haben, da sich mit jedem Stempel nur relativ wenige (deutlich weniger als 10.000) Münzen herstellen ließen. Schon in den frühkeltischen Siedlungen gibt es Belege für lokale Münzprägungen. Gefälscht wurde durch den Totalersatz von Gold durch Kupfer, also durch „Fütterungen“, wobei die Goldmasse durch ein billigeres Metall ersetzt wurde. Beim keltischen Falschgold aus Roseldorf ging man so vor, daß man zunächst einen Kupferkern goß, diesen dann mit einer Goldhaut verkleidete und anschließend alles zusammen prägte. Die Goldhaut war empfindlich und riß bei diesem Herstellungsverfahren gelegentlich auf.

Manche Münzen der Keltenzeit wurden über weite Strecken transportiert, und es gibt keine sicheren Anhaltspunkte, die helfen würden, bestimmte Münzbilder bestimmten Keltenstämmen oder -territorien zuzuordnen. Prof. Dembski fand in Roseldorf auch jüngere Typen aus England, die sogar noch nach Christi Geburt in Verwendung waren. Die hier gesicherten Münzen zeigen, daß Roseldorf früher ein wichtiger Handels- und Umschlagplatz war: Sie stammen aus dem Ostbereich, aus der Rheingegend, aus dem heutigen Bayern, Ungarn, Böhmen und anderen fernen Gegenden, sogar aus Syrakus und Karthago. Desweiteren fand man hier Münztypen, die man schon von anderen Fundorten kannte, in prägefrischer Qualität – ein sicherer Hinweis darauf, daß sie hier hergestellt wurden, ebenso wie die Fälschungen. Daneben wurden hier kleine Silbermünzen hergestellt, zu denen es in unserem Gebiet keine Parallelen gibt. Man hat sie mit Roseldorf I bis III bezeichnet und schnell festgestellt, daß etwa die nächsten Verwandten von Roseldorf I in Südfrankreich hergestellt worden sind.

Roseldorf bietet also ein ungeheuer breites Typenspektrum keltischer Münzen – und darunter auch so manches, was bis vor kurzem weltweit unbekannt war. Die teilweise äußerst exotischen Münzen belegen die Stellung dieser Siedlung in der damaligen Zeit, die hier hergestellten Stücke geben Einblick in das keltische Münzwesen und werfen Fragen nach dem Zweck der Fälscherei auf. Alles zusammen hat zu einer radikalen Korrektur der herrschenden Chronologie geführt. Dennoch: Die Münzstätte selbst blieb bis jetzt unauffindbar, und in den aufgefundenen Tempelbereichen fand man nicht ein einziges Münzlein. Sobald man in Roseldorf die ersten Grabstellen findet, wird sich zeigen, ob die seltsamen Münzen der Keltenzeit vielleicht als Totengeld gedient haben könnten. Auch dies könnte die Herstellung falscher Goldstücke erklären.

All diese Aspekte machen die Keltenmünzen aus Roseldorf zu sprechenden Geschichtszeugen, und wieder ist es die Numismatik, die Licht in das Dunkel der Geschichtsläufe zu bringen vermag. Ab 7. Juni kann man sich einen eigenen Eindruck machen, indem man die Ausstellung in Roseldorf 129 besucht, in der interessante Stücke aus den bisherigen Grabungen gezeigt werden. Auch das Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums stellt ab Anfang Juni Keltenmünzen aus Roseldorf aus. Ein Besuch dieser Ausstellungen lohnt sich auf jeden Fall.

Kulturthemen

Brückenschlag ins Ungewisse Viele Niederösterreichische Gemeinden haben Partnerstädte in Osteuropa (1999)

Zemun ist eine kleine, wenig bedeutende Ortschaft unweit Belgrad. Baranowitschi ist eine ebensolche, gelegen in Weißrußland. Beide haben gemeinsam, mit ihrerseits wenig bedeutenden Gemeinden in Niederösterreich partnerschaftlich verbandelt zu sein: Zemun mit Mödling, Baranowitschi mit Stockerau. Und Püspökladany mit Fischamend. Was auf den ersten Blick so einfach wirkt, ist jedoch teilweise nicht einmal in den zuständigen niederösterreichischen Gemeindeverwaltungen gegenwärtig, so daß man etwa aus dem Badener Rathaus erfährt, man könne auf Städtepartnerschaften gut verzichten, weil man ja mit seinen Kulturattraktionen anziehend genug sei. Dabei hatte das Badener Rathaus einmal behauptet, mit Odorhei/Udvarhely gute Kontakte zu pflegen.

Tatsächlich lassen sich bestehende, bestandene und bevorstehende Kooperationen zwischen den Städten verschiedener Länder nicht exakt erfassen. Der eine Grund ist prinzipieller Natur: Eine Städtepartnerschaft kommt formal erst dann zustande, wenn entsprechende Gemeinderatsbeschlüsse gefaßt worden sind. Daher würde diese eingeschränkte Zählung an allen Partnerschaftlichkeiten vorbeigehen, die ohne Gemeinderatsbeschluß zustande gekommen sind. Besuche, Hilfslieferungen, Kompetenztransfers und sportliche Freundschaftsspiele werden von zahlreichen Orten gepflegt, und Städtepartnerschaften sind es dennoch nicht.

Und als das Kommunalwissenschaftliche Dokumentationszentrum im Jahre 1997 den Versuch unternahm, die Städtepartnerschaften Niederösterreichs zu erfassen, wurde auf den ausgesendeten Erhebungsbögen allerlei eingetragen, was abseits des Formalkriteriums Gemeinderatsbeschluß so läuft, wodurch die Untersuchung reichlich unexakt geriet. Andererseits: Auf nacktes Zahlenmaterial kommt es auch gar nicht an. Vielmehr ist aus der Umfrage ersichtlich, daß die Gemeinden in Niederösterreich Freundschaft geschlossen haben mit anderen Städten und Gemeinden, und daß diese Freundschaften – mal mehr, mal weniger – mit Inhalt und Leben gefüllt wurden. Einige Beispiele sollen später näher betrachtet werden.