Der Waldviertler. Visionen einer Regionalwährung - Alexander Glück - E-Book

Der Waldviertler. Visionen einer Regionalwährung E-Book

Alexander Glück

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Beschreibung

Die österreichische Regionalwährung "Der Waldviertler" zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Freigeldprojekten in Europa. In diesem Aufsatzband ziehen die Initiatoren und Wegbegleiter Bilanz: Wie sind Freigeldprojekte gedacht und wie müssen sie konstruiert sein, damit sie funktionieren? Dabei zeigt sich: Vorhaben wie dieses gelangen früher oder später an eine Stelle, wo sich der Weg gabelt und sich die Leute unterschiedlich entscheiden. Dieser Pluralität trägt das Buch Rechnung, denn in ihm werden die Standpunkte, deren Wert gerade in ihrer Verschiedenartigkeit liegt, gleichberechtigt nebeneinandergestellt. Damit ist "Der Waldviertler. Visionen einer Regionalwährung" sowohl Dokumentation als auch Leitfaden: Welche Überlegungen und Strategien bei der Errichtung eines Freigeldprojekts notwendig sind, welche Schwierigkeiten auftreten können, wie man sie meistert und wie man das ganze Vorhaben in andere Bereiche weiterentwickeln kann, berichtet dieses Buch aus erster Hand.

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Ähnliche


Regionalgeld aus dem Waldviertel – Zahlungsmittel im Alltag

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Teil: Visionen

Gerhard Dogl: Wir hatten einen Traum

Manfred Stattler: Die Waldviertler Regionalwährung – eine Zumutung!

Elisabeth Eckhart: Es war ein besonderer Moment

Karl Immervoll: Das gute Leben ist möglich

Teil: Fachaufsätze

Veronika Spielbichler: Wörgl und das Waldviertel

Tobias Plettenbacher: Regionalwährungen

Matthilde Stanglmayr: Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Regionalwährungen

Rudo Grandits: Versuch einer Förderung

Karl Immervoll: Das gute Leben und der Waldviertler

Alexander Glück: Freigeld – die Lösung der Wirtschaftskrise?

Dokumentation

Infostand auf der Minimesse 2012 –Geldbaum (Crassula ovata)

VORWORT

Freigeld als Modell der Europolitik?

VON

ALEXANDER GLÜCK

Geld ist immer Vereinbarungssache, das kann man im Casino genauso erleben wie beim Monopoly. Seit den neunziger Jahren greifen regionale Initiativen verstärkt die Ideen von Silvio Gesell und anderen Vordenkern auf, die bereits vor Jahrzehnten ein „gesundes“ Geld erfanden. Inzwischen scheint auch die EZB auf den Geschmack zu kommen – mit einem gewichtigen Unterschied.

Freigeld funktioniert so: Ein Verein druckt seine eigenen Geldscheine, hinterlegt den Gegenwert in Euro und gibt die Scheine in Umlauf. Angeschlossene Betriebe, Handwerker und Geschäfte akzeptieren sie wie Geld. Benutzer können dieses Geld aber nur regional verwenden. Horten sie es, so müssen sie eine Gebühr bezahlen, die regionalen Projekten zugutekommt. Während Waren mit der Zeit verderben, so die Grundidee, muß auch das Tauschmittel an Wert verlieren. Das so konzipierte „Schwundgeld“ verliert im Quartal 2–3 % seines Wertes, durch ein Märkchen wird es wieder aufgeladen. Wenn man Geld als Infrastruktur ansieht, fällt für seine Benutzung eben eine Gebühr an.

Diejenigen, die sich an solchen Freigeldprojekten beteiligen, finden dieses System ganz gut und richtig, denn sie wissen, daß Geld umlaufen muß, um die Dienstleistungs- und Warenkreisläufe in Schwung zu halten. Normales Geld, wie wir es kennen, war bisher untrennbar mit der Zinswirtschaft verbunden. Geld auszugeben, das man nicht hat, brachte Verlust. Geld, das man hat, nicht auszugeben, brachte Gewinn. Die Leute, die Geld benutzen wollten, mußten deshalb eine Mehrleistung zugunsten derjenigen erwirtschaften, die Geld nicht gemäß seinem ursprünglichen Zweck benutzen wollten. Dies führte dazu, daß herkömmliches Geld dazu neigte, sich irgendwo anzuhäufen, während es woanders fehlte.

Regionale Währungsvereine wollen seit rund zwanzig Jahren zurück zum „gesunden Geld“. Sie drucken Gutscheine, die im regionalen Kontext die Funktion eines Zahlungsmittels erfüllen sollen. Und damit dieses „Freigeld“ schön im Umlauf bleibt, schmelzen gehortete Beträge spürbar zusammen: Am meisten hat man von diesem Geld, wenn man es bald wieder ausgibt. Dies führt dazu, daß diejenigen, die sich damit bezahlen lassen, sich beeilen, sich damit zügig wieder etwas anderes zu kaufen. Das Geld bleibt im Fluß, wechselt viel häufiger seinen Besitzer und setzt dadurch ein Vielfaches an Kaufkraft frei. Und es fließt nicht ab. Weltweit gibt es derzeit gut 2.700 solcher Ortswährungen und Verrechnungssysteme, sie heißen „Kirschblüten“, „Triestingtaler“, „Rheingold“ oder „Hansemark“. Mit ihnen kauft man beim Bäcker ein, der geht damit zum Müller und der Müller zum Schuster. Der Geldumlauf wird stets mit einem eingebauten Negativzins (Demurrage) gesichert.

Schon um 1900 gab es in Bielefeld freies Geld. Seit es den Euro gibt, hat man in Bielefeld den „Bethel-Euro“. Seit 70 Jahren gibt es in der Schweiz das WIR-System, zu dem etwa sechzigtausend Firmen gehören, die ihre Geschäfte untereinander mit dem Buchgeld „WIR“ verrechnen. Das bedeutendste historische Beispiel ist die österreichische Erfolgsgeschichte von Wörgl. 1932 wurde in dem kleinen Tiroler Städtchen ein Freigeldprojekt begonnen – mit gewaltigem Erfolg. Das Freigeld bestand in „Arbeitsbestätigungen“ zu 1, 5 und 10 Schilling. Während der Wirtschaftskrise senkte man damit die Arbeitslosigkeit um 16 %, während sie in Österreich um 19 % stieg. In den 13 ½ Monaten bis zum Verbot setzte jeder Freischilling das 73fache seines Werts an Waren und Dienstleistungen um. Der „richtige“ Schilling bewegte im selben Zeitraum nicht einmal das 9fache seines Werts. Während die Nationalwirtschaft aufgrund der Krise gelähmt war, sprang das Freigeld von einem Projekt zum nächsten, über der Gemeinde ging ein warmer Regen aus Steueraußenständen nieder. Dies sind historische Fakten, die belegt und nachprüfbar sind. Zumindest die Beflügelung des örtlichen Wirtschaftstreibens dürfte auch heute noch funktionieren. In den USA führten zwischen 1932 und 1937 mehrere hundert Gemeinden und Städte Freigeldvarianten ein, sogenannte „Scips“. Diesmal war es Franklin D. Roosevelt, der auf Druck großer Finanzinstitute die erfolgreichen Projekte untersagte. In Deutschland wurden zwischen 1929 und 1931 diverse Freigeldprojekte begonnen, unter anderem in Berlin, Gera, Schwanenkirchen und Ulm. Alle wurden nach kurzer Frist durch die Reichsregierung untersagt. Die Gegenwart, ebenfalls krisengebeugt, sieht allerorten neue Freigeldprojekte entstehen.

Örtliche Unternehmer, Handwerker, Händler und Dienstleister haben sich schnell an dieses System gewöhnt und machen mit – wo sie dabei sind, bekommen sie praktisch automatisch zusätzliche Kundschaft, weil ja jeder immer auf dem Sprung ist, sein Freigeld gleich wieder auszugeben. Ganz unbemerkt hat sich die Idee mit dem Negativzins bis in die EZB herumgesprochen, wo sie sich inzwischen etabliert hat.

Denn auch anerkannte Kapazitäten sprechen bereits offen davon, daß „einige Funktionen des heutigen Geldsystems dazu neigen, sich zu widersprechen“, wie es der frühere belgische Zentralbankmanager Bernard Lietaer formuliert hat. An eine Reform des Euro nach Gesell-Muster glaubte noch vor einigen Jahren niemand, auch nicht bei den regionalen Initiativen. Doch nur dann könnte das Freigeld-Konzept wirklich greifen, behauptete Friedrich Baumann, der für den Westallgäuthaler eine Machbarkeitsstudie durchgeführt hat. „Eine natürliche Wirtschaftsordnung mit zinsfreiem Geld, wie sie von Silvio Gesell vorgeschlagen wurde, funktioniert nur als offizielle Währung“, sagt Baumann. Schön und gut, aber seit Basel II bekommt man bei einer Bank fast überhaupt keinen Kredit mehr.

Ausstellung „Zehn Jahre Waldviertler Regionalwährung“

In verschiedenen Ländern Europas laufen aktuell mehrere Dutzend Freigeldprojekte. Viele Systeme wurden bereits wieder aufgegeben oder sie gingen in anderen auf. Ihre durchschnittliche Lebensdauer betrug knapp unter fünf Jahre. Ihre Wirkung liegt möglicherweise in einem Effekt, mit dem die Veranstalter überhaupt nicht gerechnet haben: Denn was die EZB seit einiger Zeit mit den Zinsen veranstaltet, weist zahlreiche Merkmale der Freigeldprojekte auf – nur mit dem Unterschied, daß man es da nicht mehr als löbliche Errungenschaft einer örtlichen Wirtschaftsinitiative ansieht, sondern als eine die Massen enteignende Maßnahme des früheren Goldman-Sachs-Mitarbeiters Mario Draghi. Auch die EZB hat verstanden, daß Negativzinsen zu einer höheren Umlaufgeschwindigkeit des Geldes beitragen können. Aber zwischen den äußeren Enden des Euro-Währungsraums und angesichts der vertikalen Staffelung des Geldvermögens kann beim besten Willen nicht von regionalen Wirtschaftskreisläufen auf Augenhöhe gesprochen werden.

Vergleichen wir einmal: Gemeinsames Ziel der Freigeldprojekte ist es, geschlossene Wirtschaftskreisläufe zu etablieren und die Wirtschaft vor Ort zu fördern, um nicht zuletzt zur Sicherung der Arbeitsplätze beizutragen. Hierfür belegt man eine kontrollierbare Geldmenge mit einer Benutzungssteuer, also einem Straf- oder Negativzins. Ziel der EZB-Geldpolitik ist es, die Wirtschaft zu beleben, indem Geldumlaufgeschwindigkeit und Inflation erhöht werden. Um das zu erzwingen, belegt die Zentralbank die von ihr kontrollierte Geldmenge mit Negativzinsen als Strafe für alle, die es nicht ausgeben. Soweit ist das nichts anderes – der Hauptunterschied liegt jedoch darin, daß der Euro trotz Negativzinsen weder in die Wirtschaftskreisläufe vordringt noch regionale Wertschöpfung befeuert: Es bleibt in den Metropolen und bei den Banken hängen oder sammelt sich in Anlageformen an, die zunehmend Blasen bilden. Wobei oft übersehen wird, daß Geld, das zum Beispiel in den Immobilienmarkt oder in Aktien fließt, ja nicht dort bleibt, sondern von dort aus ebenfalls weitergegeben wird. Aber die Menschen an der Basis sehen davon nun einmal nichts – weder auf dem Lohnzettel noch im Ausbau der Infrastruktur, weder im Bildungswesen noch in Fragen der öffentlichen Sicherheit, des öffentlichen Nahverkehrs oder des sozialen Wohnbaus. Es fließt einfach ab und nur wenige wissen, wohin. Daran ändert sich auch durch negative Zinsen nichts, und deshalb kann der Euro, auch wenn er die Freigeldprojekte nachahmt, niemals ihre positiven Effekte erzielen.

Gegenwärtig laufen in Deutschland und Österreich noch unter 130 000 Regioeinheiten um. Wie die Süddeutsche Zeitung herausfand, sieht die Bundesbank derzeit keine Gefahr für den Euro und geht nach Auskunft eines Sprechers nicht gegen die Regio-Initiativen vor. Solange die Zwergwährungen Vereinssache sind und sich im Mikrorahmen bewegen, kann sie das auch gar nicht.

Der Nebeneffekt der Freigeldprojekte lag sicher darin, breitere Bevölkerungskreise auf die Art und Funktionsfähigkeit desjenigen Geldsystems einzustimmen, das die gegenwärtigen Probleme lösen könnte. Wie wahrscheinlich das ist, zeigt sich beispielsweise an dem Beschluß der japanischen Regierung, Barvermögen zu besteuern, sowie an den Negativzinsen im Euroraum, die bereits von den ersten Banken an die Sparer weitergegeben werden. Doch weder in Japan noch im Euroraum hatten diese Maßnahmen bisher die gewünschten Effekte.

Abschiedsfest 2017

Freigeld kann nur dann dauerhaft positiv wirken, wenn es längerfristig Bestand hat. Aus verschiedenen Gründen kann ein solches Projekt enden, meistens aufgrund mangelnder allgemeiner Akzeptanz. Diejenigen, die das Freigeld benutzen und daraus Nutzen ziehen sollen, müssen es „verstehen“, sie müssen seine Vorzüge schätzen. Nicht einmal das staatliche Geld wird von seinen Benutzern verstanden, seine Akzeptanz beruht nicht auf Überzeugung, sondern auf Zwang. Regionalgeld wie der Waldviertler können nur freiwillig benutzt werden, und jede einzelne Verwendung setzt wieder ein aktives Bejahen dieser Idee voraus. Man darf es den Menschen nicht verübeln, wenn sie diese Überzeugung nicht jeden Tag aufbringen, denn das gute Leben ist zwar möglich, will aber auch erst einmal errichtet werden.

Elf Jahre funktionierende Regionalwährung in einer Gegend Österreichs, der man es nicht gerade leicht macht, ist äußerst respektabel. Der Waldviertler strahlt als Modell in die Zukunft aus, die mit ihm gemachten Erfahrungen können als Beispiel für neue und andere Konzepte dieser Art genutzt werden. Er konnte zeigen, wie aktuell die Ideen der Freigeld-Erfinder auch heute noch sind: Statt aus dem Geschichtsbuch kann man nun unmittelbar von den Menschen in der Region um Heidenreichstein erfahren, welchen Wert und Zweck diese Form der örtlichen Zusammenarbeit hat. Dieser Ertrag ist unbedingt bewahrenswert, weswegen die Geschichte dieses Projekts aus Sicht der Initiatoren und Wegbegleiter dokumentiert werden soll.

Der Sinn dieses Buches ist also nicht, den Waldviertler „zu den Akten zu legen“, sondern ganz im Gegenteil die Erinnerungen und Erfahrungen, die mit ihm verknüpft sind, weiterzugeben, damit sie zu einem späteren Zeitpunkt weiterwirken können. Es geht nicht darum, die Asche zu bewahren, sondern die Flamme weiterzugeben. Daß die hier versammelten Beiträge ganz und gar nicht homogen sind, ist dabei ein wesentlicher Vorteil, denn gerade darin zeigt sich auch das Ringen der Ideen, aus dem die Waldviertler Regionalwährung entstanden und an dem sie wohl auch gereift ist. Auf der einen Seite steht die ideologisch aufgeladene Utopie, der Traum von einer besseren Welt – auf der anderen geht es um die Frage, was machbar und vertretbar ist. In einigen Beiträgen treten die Endpunkte dieser Dualität besonders deutlich zutage. Es soll dabei dem Leser überlassen bleiben, welchem Standpunkt er zuneigt und wie er die Argumente bewertet, das Gesamtbild wird sich jedoch erst dann erschließen, wenn man beide in den Blick nimmt.

Mein eigener Zugang zu diesem Thema begann vor etlichen Jahren mit Fachbeiträgen über Regionalwährungen, für die ich seinerzeit auch gründlich über den Waldviertler recherchierte. Einige Zeit lang war ich auch Mitglied und vermutlich die einzige Akzeptanzstelle für den Waldviertler in Hollabrunn, wohin allerdings sein Umlaufradius nicht reichte. Über die Jahre blieb ich diesem Projekt immer innerlich verbunden. Die Möglichkeit, die hier vorliegende Gesamtschau des Projekts publizistisch begleiten zu dürfen, habe ich deshalb sehr gerne aufgegriffen.

VISIONEN

Wir hatten einen Traum

VON

GERHARD DOGL

Ja, was war mein Traum – meine Motivation – , gemeinsam mit Heini Staudinger und Karl Immervoll die Waldviertler Regionalwährung ins Leben zu rufen? In erster Linie haben mich die Idee der Negativzinsen und das historische Beispiel von Wörgl fasziniert. Nach dem Grundsatz von Silvio Gesell, wonach Geld, das wie Ware gehandelt wird, bei längerer Lagerung auch wie Ware an Wert verlieren soll und dies dazu beiträgt, dass Geld viel schneller zirkuliert und dadurch rasch die Lebensumstände der Menschen in dieser Gemeinschaft verbessert.

Was geschah, als das Experiment in Wörgl internationale Beachtung fand und sich gezeigt hat, dass es bestens funktioniert? – Es wurde verboten. – Warum durfte es nicht sein, dass ein System, dass in der damaligen Not allen beteiligten Menschen ein wenig mehr Wohlstand brachte, weitergeführt wird? Wollten die Finanzmächtigen, die meistens auch die Politik bestimmen, verhindern, dass dieses System Schule macht und ihr Geldsystem, dass nur einer kleinen Minderheit an der vermögenden Spitze dient, in Frage stellt?

Ausgehend von diesen Überlegungen hatte es für mich etwas Revolutionäres – im Sinne von mehr Gerechtigkeit – mit der Einführung einer Regionalwährung dieses System der Negativzinsen in bescheidenem Rahmen wieder aufleben zu lassen. Ziel war es natürlich nicht, den Euro zu ersetzen, sondern ein zusätzliches regionales Zahlungsmittel auf Gutscheinbasis einzuführen, um die regionale Wirtschaft zu fördern und damit Arbeitsplätze zu erhalten oder auch neue zu schaffen. Mein Credo war, dass mit der Zeit in unserer Region ein besseres Leben für alle möglich ist, wenn zumindest 10 Prozent der Menschen zur Teilnahme bewegt werden können und diese einen Teil ihrer Ausgaben mit der Regionalwährung begleichen. Anfangs konnten wir großes Interesse wecken und viele Menschen motivieren, aber der Organisations- und Betreuungsaufwand war hoch, da sich die Idee nicht in dem Maße wie gehofft von selbst weiterverbreitet hat.

Regionalmarkt 2007

Da kamen neue Mitstreiter, die auch eine großzügige Förderung in Aussicht stellten, wie gerufen. Mit den finanziellen Mitteln kamen aber auch die Bestrebungen, den meiner Meinung nach wichtigsten Teil unseres Systems, den Negativzins, abzuschaffen, diesen monatlichen minimalen Wertverlust der Gutscheine, die nicht ausgegeben wurden. Übrig geblieben wäre nur mehr ein Gutscheinsystem wie viele andere auch. Deshalb fassten wir den Entschluss, auf die Förderungen zu verzichten und unser System in kleinerem Rahmen weiterzuführen. Wie schon seinerzeit in Wörgl wurde klar, dass solche Versuche, die das vorherrschende Zinssystem in Frage stellen, nicht erwünscht sind. In der Zwischenzeit zeigt sich immer mehr, dass unser Geldsystem nur für eine sehr kleine Minderheit unserer Gesellschaft von Vorteil ist. Durch den Finanzcrash 2008, der übrigens schon drei Jahre davor im Zuge unseres Regionalwährungskongresses von den teilnehmenden Experten vorhergesagt wurde, hat sich gezeigt, wie fragil und ungerecht dieses System ist. Die aktuellen Analysen zum zehnten Jahrestag der Krise bestätigen, dass mit riesigen Summen nur die Banken und die Vermögenden vor finanziellem Verlust gerettet wurden und diese seither noch mehr profitiert haben.

Eine zentrale Aufgabe unserer Initiative bestand darin, über unser Geldsystem und die Entstehung des Geldes zu informieren. Transparenz und Information sind der Schlüssel für positive Veränderungen. Wir brauchen hier nach wie vor eine intensive Phase der Aufklärung. Mit großem Interesse habe ich die Schweizer Vollgeld-Initiative verfolgt, wo im Juni 2018 über die Abschaffung des Buchgeldes abgestimmt wurde. Das System des Buchgeldes ermöglicht es, dass private Geschäftsbanken Geld selbst in die Welt setzen. Dies sollten aber nur die Zentralbanken dürfen. Trotz großer Gegenkampagne stimmten immerhin 24,3 % für die Vollgeld-Initiative.

In Österreich bietet die Genossenschaft für Gemeinwohl eine Plattform für Geldwirtschaft, die sich am Gemeinwohl ausrichtet. Leider ist die Gründung einer Bank, die dieses Gemeinwohl zum Ziel hatte, trotz langjähriger intensiver Vorbereitung letztendlich aus formalen Gründen von der FMA abgelehnt worden. Das zeigt wieder einmal, dass die Widerstände im Bereich der Geldwirtschaft sehr hoch sind, auch wenn es um kleine Veränderungen geht. Durch Information und Diskussion kann aber jeder zur Bewusstseinsbildung beitragen und dadurch den Boden für Initiativen in diesem Bereich aufbereiten.

Auch wenn unsere Regionalwährung nach elf Jahren eingestellt wurde, kann unser inhaltliches und organisatorisches Wissen von Vorteil sein, wenn es in Krisensituationen notwendig sein sollte, unsere Regionalwährung wiederzubeleben. Denn auch das war ein Ziel unserer Initiative: bei Krisen ein zusätzliches Zahlungsmittel zur Verfügung zu haben. Global gesehen brauchen wir für eine gute Zukunft ein Geldsystem, das möglichst vielen Menschen ein gutes Leben ermöglicht, nicht nur der sehr kleinen vermögenden Minderheit an der Spitze dieses Systems. Der Traum, mit Initiativen wie der Regionalwährung einen kleinen Beitrag auf dem Weg zu einem guten Leben für uns alle zu leisten, besteht weiter.

VISIONEN

Die Waldviertler Regionalwährung – eine Zumutung!

VON

MANFRED STATTLER

Für die meisten war und blieb der Waldviertler eine Zumutung. Während den einen die Kritik am Geld- und Finanzsystem nicht weit genug ging („was soll eine Alternativwährung, wenn sie 1 : 1 mit dem Euro funktioniert?“), wollten andere einfach keine weiteren Scheine in der Geldtasche haben, wollten vor allem keine Scheine, die mit der Zeit an Wert verlieren, und schon gar nicht Wertsicherungsmarken kleben und damit unliebsame Assoziationen mit Notzeit, Nachkriegswirtschaft oder scheinbar überkommenen Formen der Kundenbindung aus den siebziger Jahre aufkommen lassen.