Lassiter 2639 - Kenneth Roycroft - E-Book

Lassiter 2639 E-Book

Kenneth Roycroft

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Beschreibung

Der Stahlgesang der Eisenbahnräder war monoton, vom gleichbleibenden Rhythmus der Schienenstöße begleitet. Der Personenzug der St. Joseph & Denver City Railroad durchfuhr ebenes Land in Nebraska mit hoher Geschwindigkeit. Es schien, als wollte der Lokführer Anlauf nehmen für die südöstlichen Hügel, auf die das Gleis zuführte.
Die sechs Clerks im Postwagen sahen nichts von der Landschaft. Schweigend arbeiteten sie an ihrem Sortierpult. Danny, der kraushaarige Laufbursche, war auf ein Melasse-Fass geklettert und spähte durch das einzige Fenster, ein kleines quadratisches Guckloch. Es befand sich hoch oben in der rechten Wand des Wagens. Danny musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um hinausblicken zu können.
Plötzlich begann der Junge zu gestikulieren. "Der Colonel!", rief er aufgeregt. "Da draußen! Da reitet er!" Im selben Moment waren Geräusche an der Tür zum hinteren Perron zu hören. Die Männer erstarrten vor Schreck.


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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Colonel Skrupellos

Vorschau

Impressum

ColonelSkrupellos

von Kenneth Roycroft

Der Stahlgesang der Eisenbahnräder war monoton, vom gleichbleibenden Rhythmus der Schienenstöße begleitet. Der Personenzug der St. Joseph & Denver City Railroad durchfuhr ebenes Land in Nebraska mit hoher Geschwindigkeit. Es schien, als wollte der Lokführer Anlauf nehmen für die südöstlichen Hügel, auf die das Gleis zuführte.

Die sechs Clerks im Postwagen sahen nichts von der Landschaft. Schweigend arbeiteten sie an ihrem Sortierpult. Danny, der kraushaarige Laufbursche, war auf ein Melasse-Fass geklettert und spähte durch das einzige Fenster, ein kleines quadratisches Guckloch. Es befand sich hoch oben in der rechten Wand des Wagens. Danny musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um hinausblicken zu können.

Plötzlich begann der Junge zu gestikulieren. »Der Colonel!«, rief er aufgeregt. »Da draußen! Da reitet er!« Im selben Moment waren Geräusche an der Tür zum hinteren Perron zu hören. Die Männer erstarrten vor Schreck.

Es begann mit einem Kratzen, rasch gefolgt von einem Schaben. Sekunden später setzte ein Hämmern ein – laut genug, um das Räderrollen des Zuges zu übertönen. Die Clerks im Postwagen wussten, dass diese Geräusche nicht von dem Colonel und seinen Männern herrührten.

Doch der Colonel war seinerseits genau im Bilde, wer sich da draußen an der gut verriegelten Tür zu schaffen machte.

Eisenbahnräuber.

Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Der Colonel verfügte über Informanten und Verbindungsleute in jedem Saloon und jedem Bordell im Umkreis von fünfzig Meilen. Das bedeutete, überall in diesem Gebiet hatte er seine stellvertretenden Augen und Ohren. Ihm entging nicht, womit bier- und whiskyselige Halsabschneider prahlten, oder was sie sich zuflüsterten.

Deshalb waren der Colonel und seine Getreuen zur Stelle, keine Frage. An diesem Tag und diesem Ort würden sie erneut unbarmherzig zuschlagen. Wieder einmal würden Banditen lernen müssen, dass Verbrechen sich nicht lohnten.

Für die Einwohner der Countys rund um den Eisenbahnknotenpunkt Kearney Junction war der Colonel ein Wohltäter. Seine Aktionen gegen die Gesetzlosen waren in aller Munde. Und weil er stets kompromisslos und rücksichtslos handelte, nannten die Leute ihn »Colonel Skrupellos«. Seinen richtigen Namen – Rupert Gorman – kannte kaum jemand.

Es waren nur ein Dutzend Männer, die unter der Führung des Colonels ihre Einsätze ritten – so, wie sie es zuletzt als Kavalleristen während der Indianerkriege getan hatten. Nach deren Ende waren sie der staatlich verordneten Reduzierung der Truppenstärke zum Opfer gefallen und aus der Armee entlassen worden.

Womit sie anschließend ihr Brot verdient hatten, blieb im Dunkeln. Es gab jedoch Gerüchte, nach denen sie selbst zu jener Kategorie der Gesetzlosen gehört hatten, die sie jetzt so wirkungsvoll bekämpften.

Indes gab es Vermutungen, dass der Colonel und seine kleine, eingeschworene Truppe sich nur scheinbar geändert hatten. Hinter vorgehaltener Hand flüsterten die Menschen, dass Gorman und seine Kämpfer die Outlaws nur deshalb ins Jenseits beförderten, um ihnen ihre Beute abzunehmen.

Und was gab es daran schon auszusetzen? Zum einen unterstützte der Colonel die Gesetzeshüter, die gegen die marodierenden Banden von Outlaws aller Art schon seit langem nichts mehr auszurichten vermochten. Zum anderen musste eine so erfolgreiche kleine Truppe auch von irgendetwas leben.

Niemand schenkte den County-Sheriffs und den US-Marshals noch Gehör, wenn sie darauf hinwiesen, dass Selbstjustiz gemäß der Verfassung der Vereinigten Staaten verboten war. Die Sternträger wurden nicht müde, darauf hinzuweisen, dass das Gewaltmonopol in den Händen des Staats und seiner Vertreter lag. Nirgendwo sonst.

Doch die Erfolge des Staats im Kampf gegen das Verbrechen überzeugten die Bürger allem Anschein nach nicht. Deshalb rannten Männer wie Rupert Gorman bei ihnen offene Türen ein.

Letzten Endes war der Colonel auch ein Wohltäter. Er ließ neue, moderne Schulen für die Kinder bauen, und er finanzierte öffentliche Bibliotheken. Aber auch das Vergnügen kam unter seiner Ägide nicht zu kurz. So beteiligte er sich an Tanzhallen und Theatern und übernahm teilweise auch deren komplette Finanzierung, sofern es sich um gewinnbringende Unternehmen handelte.

Für die Menschen in den Countys zählte vor allem aber die Tatsache, dass Colonel Skrupellos und seine Männer für Recht und Ordnung sorgten. Und diese Aufgabe, die sie sich selbst gesetzt hatten, erledigten sie überaus zuverlässig – mit erklärlicher militärischer Präzision.

Dennoch gab es keine garantierte Sicherheit für die Clerks im Postwagen. Verirrte Kugeln waren stets ein unkalkulierbares Risiko, das auch der Colonel nicht ausschließen konnte. Ebenso konnte es passieren, dass nicht alle Outlaws zuverlässig getötet wurden. Unter Umständen war deshalb der eine oder andere von ihnen noch in der Lage, das Feuer auf die Postangestellten zu eröffnen.

Schließlich kam es oft genug vor, dass ein Angeschossener es mit letzter Kraft schaffte, seinen Sechsschüsser zu ziehen und abzudrücken.

Danny mochte an einen solchen Fall nicht denken. Zwar gab es einen Waffenschrank im Postwagen, doch in der Dienstanweisung des General Post Office – kurz GPO – wurde empfohlen, die in dem verschlossenen Schrank enthaltenen drei Revolver und zwei kurzläufige Schrotflinten möglichst nicht zu benutzen.

Denn Unbewaffnete, so empfahl der Arbeitgeber der Clerks weiter, hätten eine wesentlich größere Überlebenschance als solche, die Banditen mit der Waffe in der Hand gegenübertraten. Hinzu kam, dass notorische Outlaws erfahrungsgemäß besser mit ihren Sechsschüssern umgehen konnten als friedliebende Normalbürger, hieß es in den dienstlichen Ratgebern.

Blass vor Angst sprang Danny von seinem Platz auf dem Fass. Er war der Erste, der die Verhaltensmaßregeln befolgte. Auf dem kurzen Weg, den er zurückzulegen hatte, haspelte er den entsprechenden Passus in Gedanken herunter.

In Gefahrensituationen hat der GPO-Mitarbeiter unverzüglich eine sichere Deckung aufzusuchen. Ist eine solche nicht vorhanden, hat der Mitarbeiter sich in Horizontallage auf den Fußboden zu begeben und den Kopf zwischen den Armen zu bergen.

Danny warf sich in die vordere Ecke des Postwagens. Es war der für ihn vorgesehene Zufluchtsort hinter einem Stapel Transportkisten.

»Und dann kann der Mitarbeiter nur noch beten«, wisperte er zu sich selbst. Seine Lippen berührten die rauen Bodendielen, und er dachte an Elsies süßen Mund. Würde er die sanften und so gefühlvollen Lippen seiner Versprochenen jemals wieder küssen können?

Seine Kollegen nahmen ihre Fußbodenplätze ganz in seiner Nähe ein. Keine fünf Sekunden verstrichen, bis die sechs Clerks weit vorn, vor den Posteingangsschränken auf dem Boden lagen.

Dass sie dies nicht nur wegen der Dienstvorschrift taten, wussten sie alle – auch Danny. Und wenn es wirklich der Colonel war, den er gesehen hatte, standen ihre Chancen gut, den Überfall mit halbwegs heiler Haut zu überstehen.

Die Dienstvorschrift des General Post Office war nun einmal nicht geeignet, Outlaws abzuwehren, die harmlosen Menschen nur deshalb nach dem Leben trachteten, weil sie dafür sorgten, dass Postsendungen an die richtigen Richtungen gelangten.

Persönliches Pech der Clerks in den Postwagen der Railroad Companys war es, dass sich unter den Sendungen in ihrer Obhut oftmals Wertsachen und Bargeld befanden. Das Pech konnte sich rasch zur Katastrophe auswachsen, wenn Eisenbahnbanditen Wind von der wertvollen Fracht bekamen.

Sheriffs und US-Marshals schafften es nicht, das ausufernde Problem der Railroad-Raids aus der Welt zu schaffen. Im Buffalo County und im benachbarten Kearney County aber sah die Sache anders aus.

Denn hier, im südlichen Nebraska, galten Recht und Gesetz. Das war die feste Überzeugung der Einwohner. Und von dem Grund für diese Tatsache waren sie nicht weniger fest überzeugt.

Ebenjener Grund war der Colonel, der sich hier niedergelassen hatte. Und er und seine Männer taten das, was sie am besten konnten. Sie sorgten für Ordnung.

Eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen sie zu dem Zweck. Wirksame Maßnahmen. Wirksamer als all die Gesetze der Vereinigten Staaten und des Bundesstaates Nebraska waren ebenjene Maßnahmen, die der Colonel durchsetzte. Sein Wort hatte Gewicht. Sein Handeln zeitigte durchschlagende Erfolge.

»The Colonel's Law«, wie es längst genannt wurde, war zum Inbegriff von Recht und Ordnung geworden. Die Banditen, die an diesem Tag den Zug von Kearney Junction, Nebraska, nach St. Joseph, Missouri, überfielen, hatten allem Anschein nach noch nichts davon gehört.

Wie in den meisten Fällen kamen sie aus einer anderen Gegend und glaubten, leichtes Spiel zu haben. Dass ihre Eisenbahnfahrt auf direktem Weg in die Hölle führte, ahnten sie nicht.

Für den Postjungen Danny und seine älteren Kollegen boten die geheimen Anweisungen des Colonels zumindest gute Überlebenschancen. Deshalb befolgten sie diese Anweisungen bedingungslos und machten sich auf dem Boden so flach, wie sie nur konnten.

Das Hämmern endete. Gleich darauf auch die Schabegeräusche. Eine beklemmende Stille kehrte ein. Dabei war es keine wirkliche Stille. Das Räderrollen von Stahl auf Stahl und das »Klank – klank – klank...« der Schienenstöße war zu einer derart vertrauten Geräuschkulisse geworden, dass die Männer sie fast nur noch im Unterbewusstsein wahrnahmen.

Der Zug erreichte die erste, noch mäßige Steigung im beginnenden Hügelland. Die Geschwindigkeit des Zugs nahm mit anhaltender Steigung langsam aber stetig ab.

Es geschah hundert Yard vor der flachen Kuppe, die mit Büschen und vereinzelten Bäumen bewachsen war.

Dumpf krachend explodierte die Dynamitladung, die die Outlaws draußen angebracht hatten. Zwei eiserne Riegel platzten drinnen vom Türrahmen weg und fielen hart polternd zu Boden. Splitter und zerborstene Holzteile wirbelten ins Innere des Postwagens.

Die Banditen waren vermutlich in dem dahinter angekuppelten Personenwagen in Deckung gegangen, zumal sie von den Passagieren keine Gegenwehr zu befürchten hatten.

Im vorderen Bereich des Postwagens landeten die Trümmerteile polternd auf dem Boden. Erst jetzt stürmten die Outlaws von dem Personenwagen her über die Perrons und drangen in den Postwagen ein. Sie waren zu viert, zwei weitere blieben auf den Perrons als Wache zurück. Alle hatten ihre Halstücher als Masken bis über die Nasen hochgezogen.

»Runter! Auf den Boden!«, brüllten die Eindringlinge überflüssigerweise. »Keiner rührt sich!« Ihre Stimmen klangen dumpf unter den Masken. Splitter und Bretterstücke knackten und barsten unter ihren Stiefeln, während sie weiter vordrangen.

Die Verteilerschränke und die Transportkisten waren bereits zum Greifen nah. Über den Halstuchrändern flackerten die Augen der Maskierten voller Gier und Vorfreude. Sie rechneten nicht mit Gegenwehr, kamen vermutlich aus einer Gegend, in der den Colonel keiner kannte.

Einen schnellen halben Schritt schafften sie noch, dann explodierte die Welt um sie herum. Zumindest war es der letzte Eindruck, den sie lebend wahrnahmen. Mörderische Schläge stoppten sie mitten in der Bewegung.

Mit ohrenbetäubendem Krachen durchschlugen die Projektile das Holz der Wagenwand und mähten die Eindringlinge nieder. Die Einschüsse schüttelten sie durch wie die Urgewalt von Sturmböen. Das Hämmern der Gatling Gun hörten sie schon nicht mehr.

Zwei, drei Schüsse lösten sich noch aus den Colts der Banditen. Letzte Reflexe ließen ihre Abzugsfinger zucken, obwohl sie bereits tot waren und hintenüber kippten. Die Kugeln aus ihren Sechsschüssern fuhren ungezielt ins Wagendach und richteten keinen weiteren Schaden an.

Die beiden Outlaws draußen auf dem Perron des Personenwagens kamen hoch. In fliegender Hast wollten sie auf das Gleisbett hinunterspringen. Doch sie schafften ihr Vorhaben nur ansatzweise.

Die Geschossgarbe der Maschinenkanone auf der Hügelkuppe endete nur für einen Moment. Das Laufbündel wurde lediglich einen oder zwei Inch weit geschwenkt, dann hämmerte die mächtige Waffe von neuem los.

Es schien, als würden die Einschüsse den zwei Banditen auf dem Perron zu Hilfe kommen und ihren Sprung beschleunigen. In hohem Bogen flogen sie über die Seitengitter der Plattform hinweg. Ihre leblosen Körper blieben am Fuß des abschüssigen Bahndamms liegen.

Die Gatling Gun verstummte. Lokführer und Heizer hatten unterdessen mitbekommen, was sich abspielte. Am Ende der langen Steigung wurde der Zug immer langsamer und kam schließlich auf der flachen Hügelkuppe zum Stehen.

Wieder befolgten die Clerks des GPO – ebenso wie die beiden Männer aus dem Führerstand der Lok – die bekannten Anweisungen des Colonels. Einer der Clerks rief den Passagieren im Pullmanwagen hinter dem Postwagen zu, auf ihren Plätzen zu bleiben und die entsprechende Order an die Leute in den restlichen Wagen des Zuges weiterzugeben.

Wie zum Appell nahmen Postmitarbeiter, Lokführer und Heizer an der rechten Seite des Gleises Aufstellung, unmittelbar unterhalb des Postwagens. Ehrfurchtsvoll lauschten sie dem Hufgetrappel, das sich gleich darauf näherte.

Der Colonel reckte seinen schweren Kavalleriesäbel himmelwärts. Dann, mit einem scharfen »Vorwärts!«, stieß er den Säbel waagerecht über den Kopf seines Rappen hinweg. Die breite Klinge blitzte im Schein der Oktobersonne.

Auf den Schlag gleichzeitig preschten die Reiter los. Dem Colonel an der Spitze folgten die Männer in Zweierreihe. Den Schluss bildete ein zweiachsiger Wagen, der von zwei Gespannpferden gezogen wurde. Die Ladefläche diente als Lafette für die fest verankerte und verzurrte Gatling Gun. Die dazugehörigen Munitionskästen waren ebenfalls für den Transport vergurtet.

Den Platz auf dem Bock neben dem Fahrer des Wagens hatte der Ladeschütze eingenommen. Seine Aufgabe war es, den Colonel beim Bedienen der Maschinenkanone zügig mit neuer Munition in Trommelmagazinen zu versorgen.

Denn kein Geringerer als der Colonel hatte sich das Recht vorbehalten, im Fall eines Einsatzes als Geschützbediener zu fungieren. Es gefiel ihm, die Funktion eines Artilleristen auszuüben, gerade weil er stets nur in der Kavallerie gedient hatte.

Das hatten sich seine Männer zusammengereimt, denn er sprach nie über seine Gedanken und Gefühle. Doch sie kannten ihn lange genug, um seine Empfindungen erahnen zu können.

In gestrecktem Galopp jagten Reiter und Gespannpferde über die ausgedehnte flache Hügelkuppe. Das flache Gestrüpp, das die Anhöhe überzog, war kein Hindernis für die Pferde, zumal das Wurzelwerk der Büsche dem sandigen Boden Festigkeit verlieh.

So glich das Trommeln der Hufe einem anschwellenden Donner, als die Retter auf den haltenden Zug zujagten. Sie hatten kaum mehr als hundert Yard zurückzulegen. Der Colonel hatte die Distanz als ideale Reichweite der Gatling Gun ausgewählt.

Für die Wartenden beim Zug waren er und seine Männer von einem Trupp der US-Cavalry kaum zu unterscheiden. Eine Staubwolke, von den Pferdehufen aufgewirbelt, hüllte sie ein und verlieh ihnen den Anschein eines übernatürlichen Schwebens.

Die Sonnenstrahlen durchdrangen den Staub und ließen das Blau der Uniformen und die breiten gelben Biesen der Hosen leuchten. Weil sie der Armee nicht mehr angehörten, befolgten Rupert Gorman und seine Getreuen die Vorschriften und trugen keine Rangabzeichen mehr.

Die Lokomotive des haltenden Zuges stieß schnaufende und ächzende Laute aus und ließ kleine weiße Dampfwolken aufsteigen. Lokführer, Heizer und die Clerks aus dem Postwagen nahmen Haltung an, als die Reitertruppe vor ihnen zum Stehen kam.

Der Lokführer, ein vollbärtiger Mann mit rußgeschwärztem Gesicht, salutierte und ließ sich in schneidig-militärischem Ton vernehmen: »Sir! Melde außerplanmäßigen Halt des Personenzuges der St. Joseph & Denver City Railroad mit Bestimmungsbahnhof Kearney Junction. Halt wurde verursacht durch Überfall auf den Postwagen.«

»Ein Überfall, den Sie vereitelt haben, Sir!«, rief der Dienstälteste der Clerks völlig unmilitärisch. »Auf unserer Seite hat es keine Verluste gegeben, und die Outlaws haben ihr schändliches Tun nicht überlebt.«

Augenblicklich brachen die Clerks und die Eisenbahner in lauten Jubel aus. Dazu feierten sie den Colonel und seine Truppe, indem sie begeistert in die Hände klatschten. Bewundernde Blicke folgten Rupert Gorman, während er absaß und seine Männer mit einem Nicken anwies, zu tun, was sie zu tun hatten.

Die ehemaligen Kavalleristen ließen die Karabiner in den Scabbards stecken. Stattdessen zogen sie ihre langläufigen Army-Colts, als sie auszuschwärmen begannen.

Die Sechsschüsser schussbereit, näherten sich sechs der Männer der zerschossenen Seite des Postwagens in Halbkreisformation. Die übrigen sechs liefen um die Lokomotive herum und drangen auf die gegenüberliegende Seite des Postwagens vor.

Mit energischen Schritten ging der Colonel auf die Angetretenen aus dem Zug zu. Die scharfgeschnittenen Gesichtszüge des einstigen Offiziers spiegelten eiserne Härte und hellwache Energie.

Sein halblang frisiertes schwarzes Haar kontrastierte wirkungsvoll zu seinem breitkrempigen weißen Stetson. Sein dichter, sorgfältig getrimmter Schnauzbart reichte bis über die Mundwinkel hinab.

Rupert Gormans eisblaue Augen bestärkten das Bild eines Mannes mit unnachgiebigem Durchsetzungsvermögen. Dazu trugen auch die markant geformte, geradlinige Nase und die leicht hervortretenden Wangenknochen bei.

Die Kinnpartie des Colonels hatte nichts Kantiges, verlieh seinem Gesicht mit ihren sanft geschwungenen Konturen vielmehr etwas Anziehendes, das einen starken Gegensatz zu seinem Ausdruck von Härte vermittelte.

Auf Frauen hatte jene sanfte Partie seines Gesichts – zusammen mit dem Blau der Augen fraglos eine betörende Wirkung. Das mussten Männer, die ihm gegenüberstanden, neidlos zugeben.

Nichtsdestoweniger war über das Privatleben des Colonels rein gar nichts bekannt. Auch die Männer seiner Truppe, die ihn schon zu Kavalleriezeiten gekannt hatten, wussten nicht, ob ihr Vorgesetzter jemals verheiratet war oder auch nur eine Beziehung zu einer Frau gehabt hatte.

Niemals hatte er darüber gesprochen. Und auch heute stießen lästige Frager bei ihm auf eisige Ablehnung, wenn sie auch nur andeutungsweise versuchten, etwas über seinen persönlichen Hintergrund zu erfahren.