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Als die beiden maskierten Reiter ihre Pferde aus dem Schutz des Ufergebüschs trieben, fiel der zwanzigjährige Hank Hilton dem Kaltblüter, der den Farmwagen zog, abrupt in die Zügel, und das Tier hielt augenblicklich an. Neben Hank saß seine Schwester Claire auf dem Wagenbock. Sie kamen von Bunkerville, der kleinen Stadt am Virgin River, wo sie Vorräte eingekauft hatten. Unter der löchrigen Plane des Fuhrwerks transportierten sie alles, was vier schwer arbeitende Menschen auf der Farm für einen Monat benötigten: Mehl, Zucker, Salz, Kaffee, Tabak, Fleischkonserven und mehr. Jetzt schauten die Geschwister in die Mündungen von Colt-Revolvern, die auf sie gerichtet waren. "Absteigen!", kommandierte einer der Maskierten mit klirrender Stimme. "Aber etwas plötzlich!"
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Shotgun-Claire
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
von Pete Hackett
Als die beiden maskierten Reiter ihre Pferde aus dem Schutz des Ufergebüschs trieben, fiel der zwanzigjährige Hank Hilton dem Kaltblüter, der den Farmwagen zog, abrupt in die Zügel, und das Tier hielt augenblicklich an.
Neben Hank saß seine Schwester Claire auf dem Wagenbock.
Sie kamen von Bunkerville, der kleinen Stadt am Virgin River, wo sie Vorräte eingekauft hatten. Unter der löchrigen Plane des Fuhrwerks transportierten sie alles, was vier schwer arbeitende Menschen auf der Farm für einen Monat benötigten: Mehl, Zucker, Salz, Kaffee, Tabak, Fleischkonserven und mehr.
Jetzt schauten die Geschwister in die Mündungen von Colt-Revolvern, die auf sie gerichtet waren.
»Absteigen!«, kommandierte einer der Maskierten mit klirrender Stimme. »Aber etwas plötzlich!«
Es klang in den Ohren der Geschwister wie eine Botschaft von Unheil und Verderben.
Claire schüttelte zuerst ihre Erstarrung ab. »Was wollt ihr von uns? Geld haben wir keines, und mit den Waren, die wir befördern, könnt ihr nicht viel anfangen.«
»Hast du was an den Ohren?«, fauchte der Wortführer der beiden Banditen. Beim Sprechen blähte sich das Halstuch, das er bis unter die Augen hochgezogen hatte, etwas über seinem Mund. »Ich habe gesagt, dass ihr absteigen sollt. Macht schon!«
»Wer bezahlt euch für diesen Überfall?«, fragte Claire aufgebracht und couragiert. »Ist es Big Steven Brewster? Macht er jetzt Nägel mit Köpfen, nachdem sein Terror erfolglos war?«
Ihr Bruder saß schweigend neben ihr. Seine Augen flackerten nervös. Er hatte die Zähne zusammengebissen. Seine Züge wirkten verkrampft.
»Ich zähle jetzt bis drei, Lady!«, stieß der Sprecher des Duos hervor. »Wenn ihr bei drei nicht abgestiegen seid, schießen wir euch vom Bock. – Eins!«
»Wir sollten nichts herausfordern, Claire«, raunte Hank seiner Schwester zu.
»Zwei!«, ertönte die unerbittliche Stimme des Maskierten.
»Okay, okay!«, rief Claire. »Darf ich wenigstens meinen Pompadour mitnehmen? Er liegt hinter dem Sitz auf dem Wagen.«
»Von mir aus. Aber denk dran, Lady, dass auf euch zwei Sechsschüsser gerichtet sind.«
»Natürlich. Ich bin ja nicht lebensmüde.«
Nach diesen Worten erhob sich Claire und kletterte über die Rückenlehne des Wagenbocks. Sie stellte sich dabei ziemlich unbeholfen an.
Die beiden Maskierten lachten amüsiert.
Claire stürzte regelrecht auf die Ladefläche des Fuhrwerks. Die Maskierten brüllten vor Lachen.
Als die Fünfundzwanzigjährige hochkam, hielt sie eine verkürzte doppelläufige Schrotflinte an der Hüfte. Beide Hähne waren gespannt.
Sie feuerte in der Zeitspanne, die bei den beiden Maskierten zwischen Erkennen der Gefahr und Reagieren lag. Zweimal donnerte die Shotgun.
Die Detonationen verschmolzen ineinander und klangen wie Kanonendonner.
Auf die kurze Distanz hatten die Schrotladungen kaum Streuung.
Die beiden Maskierten wurden von den Pferden gerissen, als hätte sie die Faust des Satans getroffen. Die Pferde scheuten erschreckt, stiegen und bockten und wieherten.
Claire war in eine Wolke aus Schwarzpulverrauch gehüllt. Hank saß wie zu Stein erstarrt auf dem Wagenbock. Lediglich seine Mundwinkel zuckten, und es brach über seine Lippen: »Gütiger Gott!«
Claire stellte die Shotgun weg, kletterte wieder auf den Wagenbock und sprang leichtfüßig auf den Boden. »Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns von jedem Strauchdieb die Vorräte wegnehmen ließen?«
Sie beugte sich über einen der reglosen Männer am Boden, dessen Brust von den Sauposten regelrecht zerfetzt war, zog ihm das Halstuch vom Gesicht – und prallte zurück.
»Grundgütiger! Das ist Jacob Brewster!«
Jetzt kam Leben in Hanks Gestalt. Behände stieg er vom Fuhrwerk und schaute in das bleiche Gesicht des Toten.
»Tatsächlich«, keuchte er. »Es ist Jacob.« Er war fassungslos, jeder Zug seines Gesichts verriet Entsetzen.
Währenddessen hatte Claire den anderen Leichnam demaskiert. »Und das ist John Cassidy, einer der Schnellschießer, die Brewster beschäftigt.«
Claire richtete sich auf. Ihr Gesicht hatte sich entfärbt. Ihr war die Tragweite dessen, was sich hier abgespielt hatte, voll und ganz bewusst.
Big Steven Brewster würde den Tod seines zweitältesten Sohnes nicht einfach so hinnehmen. Und die Umstände, unter denen Jacob gestorben war, spielten für ihn keine Rolle. Er würde die Angelegenheit auch nicht dem Gesetz überlassen.
Claire dachte im Moment auch nicht darüber nach, was Jacob Brewster und seinen Begleiter bewogen hatte, sie wie zwei Straßenräuber zu überfallen. Sie behielt jedoch einen klaren Kopf und wandte sich an ihren Bruder.
»Bring die Vorräte nach Hause, Hank, und sag Pa und Ma, was passiert ist. Ich reite zurück in die Stadt und melde den Vorfall dem Sheriff.«
Hank bewegte sich wie ein Schlafwandler.
Claire wartete, bis das Fuhrwerk anrollte, dann schwang sie sich auf eines der Pferde der beiden Getöteten, zerrte es herum und hämmerte dem Tier die Absätze ihrer groben Schuhe in die Seiten.
Das Pferd streckte sich und galoppierte den Weg zurück, den Claire und ihr Bruder gekommen waren.
✰
Lassiter befand sich auf der staubigen Reit- und Fahrstraße, die parallel zu einem schmalen, nahezu ausgetrockneten Arroyo, dessen Namen Lassiter nicht kannte, nach Norden führte. Er befand sich in Nevada, allerdings lediglich einen Steinwurf von der Grenze entfernt.
Lassiter ritt auf der Spur dreier Banditen, dreier brutaler Mörder, die in Arizona gesucht wurden und auf deren Köpfe insgesamt zweitausend Dollar ausgesetzt waren.
Sie hatten bei Tucson mit zwei weiteren Komplizen einen Zug angehalten, um die Passagiere auszurauben. Es war zu einer Schießerei gekommen, bei der der Lokführer, der Heizer, ein Schaffner sowie zwei Passagiere getötet worden waren. Ebenso waren zwei der Banditen gestorben. Sie wurden als Angehörige der Jackson-Gang identifiziert.
Brad Jackson war Rancher gewesen. Durch den Eisenbahnbau hatte er viel Land verloren, das man ihm einfach weggenommen hatte. Das verbleibende Weideland war durch den Schienenstrang geteilt worden, und so hatte Jackson der Southern Pacific Railroad den Krieg erklärt. Er hatte sich selbst zum Desperado degradiert, eine Handvoll Gleichgesinnter um sich geschart und begonnen, Züge zu stoppen und die Reisenden auszurauben. Die Eisenbahngesellschaft sollte in Verruf kommen, und die Reisenden sollten es sich zweimal überlegen, ehe sie ein Ticket lösten.
Schließlich kam es zu den Morden. Brad Jackson und seine beiden verbliebenen Komplizen waren von Stunde an vogelfreie Mörder.
Die Bande hatte sich nach Nevada abgesetzt. Sie hinterließ immer wieder Spuren. Die letzte Spur, auf die Lassiter am Abend zuvor gestoßen war, waren die kalte Asche eines Lagerfeuers, die Knochen zweier Präriehunde sowie frischer Pferdedung gewesen.
Lassiter ritt über eine Anhöhe und sah in der Senke, durch die die Straße führte, fünf Reiter sowie ein Fuhrwerk, das von zwei Pferden gezogen wurde und auf dem zwei Särge standen. Er fiel seinem Pferd in die Zügel und beobachtete den Zug.
Bei einem der Männer handelte es sich um einen Gesetzeshüter. Matt schimmerte der Sechszack an seiner linken Brustseite.
Mit einem Schenkeldruck trieb Lassiter sein Pferd an. Im Schritttempo ritt er den Abhang hinunter und den Reitern sowie dem Gespann entgegen. Als er auf zwei Pferdelängen heran war, hob der Gesetzeshüter die rechte Hand und rief: »Stopp!«
Der makabre Zug kam zum Stehen. Auch Lassiter parierte sein Pferd.
»Wohin des Wegs, Stranger?«, rief der Mann mit dem Stern an der Weste.
»Nach Norden. Ich bin hinter drei Kerlen her. Es sind Eisenbahnräuber und Mörder. In Arizona werden sie steckbrieflich gesucht.«
»Sind Sie Kopfgeldjäger?«
»Nein. Ich reite für das Gesetz. Mein Name ist Lassiter.«
»Aha«, machte der Sheriff. »US-Deputy-Marshal, wie? Na schön. Überfälle auf die Eisenbahn sind Bundessache. Ich bin Sheriff Archer aus Bunkerville. Die Stadt liegt weiter nördlich am Virgin River. Ich bin mit zwei Leichen auf dem Weg zu einem der größten Rancher im Valley. Einer der Toten ist sein Sohn. Er und ein weiterer Mann haben in der Art und Weise von Strauchdieben versucht, einem Geschwisterpaar, dessen Eltern am Fluss eine Farm betreiben, ein Fuhrwerk mit Vorräten für einen ganzen Monat abzujagen.«
»Das hört sich nach Weidekrieg an, Sheriff«, sagte Lassiter.
»Nun, Big Steven Brewster ist nicht erbaut darüber, dass sich am Fluss einige Heimstätter niedergelassen und Farmen gegründet haben. Vor allem die Farm der Hiltons ist ihm ein Dorn im Auge, nachdem Gordon Hilton sein Farmland mit Stacheldraht gegen die Weidegründe der SB-Ranch abgegrenzt hat. Brewsters Rinder müssen nun weite Umwege laufen, um zur Tränke zum Fluss zu gelangen. Seit einiger Zeit terrorisiert Brewster Gordon Hilton. Immer wieder wird der Zaun niedergerissen. Dann laufen Rinder auf das Farmland und zertrampeln die Mais- und Weizenfelder.«
»Wie es aussieht, haben sich die Geschwister das Fuhrwerk nicht wegnehmen lassen«, konstatierte Lassiter.
»Sie haben Claire Hilton und ihren Bruder Hank mit ihren Revolvern bedroht. Claire konnte sie jedoch überraschen und erschoss sie mit ihrer Schrotflinte. Nun, es war Notwehr. Jacob Brewster und John Cassidy waren maskiert und drohten, die Geschwister zu erschießen. Ich vermute, sie wollten Claire und ihrem Bruder die Vorräte wegnehmen, um sie zu vernichten. Ein weiterer Akt des Terrors der SB-Ranch gegen die Hiltons.«
»Befürchten Sie nicht, dass dieser Großrancher seinen Sohn rächt?«, fragte Lassiter.
»Das ist sogar so sicher wie das Amen in der Kirche. Ich habe Claire daher geraten, für eine Weile aus dem Landstrich zu verschwinden, bis sich die Wogen wieder geglättet haben, die Jacob Brewsters Tod aufgeworfen hat.«
»Der Rancher wird seine Wut an ihren Eltern und ihrem Bruder abreagieren«, vermutete Lassiter.
»Ich werde ihn warnen«, versetzte der Sheriff mit hartem Unterton. »Alles spricht dafür, dass Claire mir den Vorfall wahrheitsgemäß geschildert hat. Jacob Brewster und Cassidy hatten sich die Halstücher über die Nase gezogen und mit dem Colt in der Faust die Geschwister aufgehalten. Es war Selbstverteidigung, als Claire schoss. Sollte Brewster das Gesetz in die eigene Hand nehmen wollen, werde ich ihm auf die Zehen treten.«
»Wenn es dann nicht zu spät ist«, sagte Lassiter.
»Brewster wird es sich zweimal überlegen, ob er auf Claires Eltern losgeht. Das Problem ist, dass Gordon Hilton seine Farm nicht einfach verlassen und alles dort sich selbst überlassen kann. Ich kann ihm nur raten, das Gewehr nicht mehr aus der Hand zu legen, aufzupassen wie ein Schießhund und nicht lange zu fragen, sondern zu schießen, wenn er sich bedroht fühlt. Brewster aber werde ich warnen. Ich zerre ihn vors Gericht, wenn den Hiltons auch nur ein Haar gekrümmt wird.«
»Wenn ich der Straße folge, wo lande ich dann?«, erkundigte sich Lassiter.
»In Bunkerville, wo wir herkommen.«
»Vielleicht hole ich Jackson und seine beiden Kumpane in Ihrer Stadt ein, Sheriff. In meiner Satteltasche befinden sich die Steckbriefe des Trios. Sie werden sie sehen wollen, sollte ich die Banditen in Ihrer Stadt stellen.«
»Falls sich die drei in Bunkerville befinden, dann warten Sie, Lassiter, bis ich wieder in der Stadt bin. Ihnen ist sicher bekannt, dass Sie als US-Deputy-Marshal ohne meinen Segen in meiner Stadt nicht agieren dürfen. Ich kann Sie sogar festnehmen, wenn Sie sich nicht daranhalten.«
Lassiter nickte. Er ließ den Gesetzeshüter in dem Glauben, Bundesmarshal zu sein. »Ich weiß Bescheid, Sheriff«, sagte er, dann zerrte er sein Pferd zur Seite, damit der Sheriff, seine Begleiter und das Fuhrwerk ihren Weg fortsetzen konnten.
✰
Eine halbe Stunde später erreichte er Bunkerville. Es war eine richtige, wenn auch keine große Stadt. Die meisten Häuser an der breiten Mainstreet hatten falsche Fassaden und überdachte Vorbauten. Es gab Gehsteige aus Holzbohlen. Hinter den Häusern befanden sich Corrals, Koppeln und Pferche für Pferde, Kühe, Schafe und Ziegen, aber auch Scheunen und Stallungen.
Es ging auf den Abend zu. Die Sonne stand schon tief und würde innerhalb der nächsten Stunde hinter der Felsenkette im Westen versinken. Die Schatten waren lang und wuchsen schnell über die heiße Fahrbahn, auf der um diese Zeit kaum etwas los war. Die Handwerker und Geschäftsleute der Stadt hatten ihre Werkstätten und Läden geschlossen und den Feierabend angetreten.
Lassiter sah ein paar Passanten auf den Gehsteigen.
Er ritt ein großes Gebäude an. Es war vollständig aus Holz errichtet, und auf seinem Giebel stand mit riesigen Lettern »Livery Stable« geschrieben.
Im Wagen- und Abstellhof saß Lassiter ab und führte das Pferd am Kopfgeschirr über die Lichtgrenze unter dem Tor in die Düsternis des Stalles.
Er erkundigte sich beim Stallmann, ob drei Reiter angekommen waren. Der Bursche verneinte.
Lassiter nahm seine Satteltaschen und die Winchester, warf sich die Satteltaschen über die Schulter und verließ den Stall.
Er bekam im Hotel ein Zimmer, wo er seine Satteltaschen und das Gewehr hinterlegte. Sodann suchte er einen Barber Shop auf, der auch über einen Baderaum verfügte, nahm ein Bad und ließ sich rasieren.
Auch der Barbier verneinte Lassiters Frage, ob ihm die drei Banditen aufgefallen waren.
Allem Anschein nach hatte das mörderische Trio um Bunkerville einen Bogen gemacht, oder es hatte schon vor der Stadt die Richtung gewechselt.
Lassiter nahm im Saloon ein Abendessen ein und blieb danach noch sitzen, um in aller Ruhe ein Bier zu trinken. Hin und wieder zündete er sich einen Zigarillo an und rauchte.
Im Saloon war nicht viel los. Es war ein Wochentag, und die Cowboys und Farmer aus der Umgebung blieben zu Hause. Das würde sich gewiss am Wochenende ändern.
Auf dem Vorbau erklangen polternde Schritte, dann erschienen der Kopf und die Schultern eines Mannes über den geschwungenen Rändern der Pendeltür. Er stieß die Türflügel auseinander und betrat den Schankraum.
Es war Sheriff Archer.
Hinter ihm schlugen die Türflügel knarrend und quietschend aus.
Der Gesetzeshüter steuerte den Tisch mit Lassiter an.
»Man hat mir im Hotel verraten, dass ich Sie hier finde, Lassiter«, sagte der Sheriff, als er vor dem Tisch angehalten hatte. »Ich habe mir sagen lassen, dass die drei Banditen, hinter denen Sie her sind, nicht in Bunkerville aufgetaucht sind.«
»Ich denke, sie sind, ehe sie die Stadt erreichten, nach Westen abgebogen«, erwiderte Lassiter. »Zurück werden sie kaum geritten sein. Nach Osten konnten sie sich nicht wagen, denn sie werden sich hüten, die Grenze zu Arizona zu überschreiten. Nach Norden sind sie offensichtlich auch nicht gezogen, denn dann hätten sie gewiss Ihre Stadt angeritten, Sheriff.« Dann wechselte er das Thema. »Wie war es auf der Ranch, zu der Sie den toten Ranchersohn gebracht haben?«
»Erst war Big Steven schockiert, dann hat er seinen Schmerz hinausgebrüllt, und am Ende hat er blutige Rache geschworen«, antwortete der Gesetzeshüter. »Ich habe ihn eindringlich gewarnt und ihm geraten, das Ergebnis meiner Untersuchung des Vorfalls abzuwarten. Morgen reite ich zu den Hiltons und höre mir an, was Hank Hilton, Claires jüngerer Bruder, zu erzählen hat. Denn befrage ich noch einmal Claire, falls sie es nicht schon vorgezogen hat, die Farm zu verlassen. Und wenn ich zu dem Ergebnis komme, dass es sich hier um einen Fall von Notwehr handelt, wird Brewster das schlucken müssen, ob es ihm gefällt oder nicht.«
»Und wenn er es nicht schluckt?«, fragte Lassiter.
»Dann wird er die Konsequenzen tragen müssen.«
»Davon werden die Farmer, wenn sie dann tot sind, nichts haben.«
»Gordon Hilton darf seine Familie und seinen Besitz mit der Waffe in der Hand verteidigen. Er hat einen Sohn, der alt genug ist, um zu kämpfen. Ich kann mich nicht auf seiner Farm postieren und darauf warten, dass Brewster seine Sattelwölfe schickt.«
»Ich schätze, Sheriff, Sie gehen hier ziemlich rauchigen Zeiten entgegen, und Sie werden es nicht verhindern können. Ihnen bleibt wahrscheinlich nur, hinterher die Scherben zusammenzukehren.«
Es klang wie ein schlechtes Omen.
✰
Am darauffolgenden Tag verließ Lassiter Bunkerville. Er ritt den Weg zurück, den er am Tag zuvor gekommen war, bis er die abzweigende Straße erreichte, die nach Westen führte.
Ein hölzerner Wegweiser, von dem die Farbe schon abblätterte, wies darauf hin, dass die Straße nach Logandale führte und die Entfernung bis zu der Stadt dreißig Meilen betrug.
Lassiter schonte sein Pferd. Die Banditen hatten allenfalls einen Tagesritt Vorsprung, und sie hatten keine Ahnung, dass ihnen ein Mann auf den Fersen war, der die Ausdauer eines Bluthundes, die Härte von Stahl und die unumstößliche Entschlossenheit, dem Gesetz Geltung zu verschaffen, in sich vereinte.
Wahrscheinlich fühlten sich die drei Halunken sicher.
Der Agent der Brigade Sieben kam um die Mitte des Nachmittags in Logandale an. Diese Stadt war größer als Bunkerville, und sie schien auch viel lebhafter zu sein. Es gab eine City Hall, einen General Store, eine Bank und mehrere Saloons. Sogar über eine Tanzhalle verfügte die Stadt.
Einem großen Saloon, man hatte ihm den Namen Horseshoe-Saloon gegeben, waren ein Spielsalon und ein Hotel angegliedert. Auch der Mietstall gehörte demselben Besitzer – oder besser gesagt derselben Besitzerin.
Ihr Name lautete Destiny Hilton. Er stand auf den Holztafeln, die über den Eingängen der Etablissements und über dem Tor des Mietstalls angebracht waren.