Lassiter Sonder-Edition 5 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sonder-Edition 5 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Er lag in dieser Nacht am Rande des Mesquite-Dickichts, wo sich die wilden Rinder versteckten. Scheu wie Gespenster und doch wild wie Wölfe waren diese Longhorns mit ihrem Einschlag von spanischem Blut. Es wimmelte in diesem Dickicht davon wie Fliegen auf einem räudigen Hund.
Ein wilder Longhorn-Bulle war das gefährlichste Tier in Süd-Texas, besonders für einen Mann zu Fuß. Deshalb hatte Lassiter sein Pferd sehr sorgfältig angehobbelt und gesichert. Damit sollte alles in Ordnung sein; der Menschengeruch und das Feuer würden die Rinder fernhalten. Außerdem gab es in der Nähe kein Wasser, das die Tiere während der Nacht als Tränke benutzen könnten. Aber es war nicht die Angst vor wilden Longhorns, die ihn veranlasste, die letzte Patrone aus seinem Gurt in die Trommel seines Colts zu schieben ... unter den Hammer, wo er üblicherweise eine leere Kammer ließ.


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Seitenzahl: 196

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

WENN LASSITER KÄMPFT

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

Vorschau

Impressum

WENN LASSITER KÄMPFT

von Jack Slade

Er lag in dieser Nacht am Rande des Mesquite-Di‍ckichts, wo sich die wilden Rinder versteckten. Scheu wie Gespenster und doch wild wie Wölfe waren diese Longhorns mit ihrem Einschlag von spanischem Blut. Es wimmelte in diesem Dickicht davon wie Fliegen auf einem räudigen Hund.

Ein wilder Longhorn-Bulle war das gefährlichste Tier in Süd-Texas, besonders für einen Mann zu Fuß. Deshalb hatte Lassiter sein Pferd sehr sorgfältig angehobbelt und gesichert. Damit sollte alles in Ordnung sein; der Menschengeruch und das Feuer würden die Rinder fernhalten. Außerdem gab es in der Nähe kein Wasser, das die Tiere während der Nacht als Tränke benutzen könnten. Aber es war nicht die Angst vor wilden Longhorns, die ihn veranlasste, die letzte Patrone aus seinem Gurt in die Trommel seines Colts zu schieben ... unter den Hammer, wo er üblicherweise eine leere Kammer ließ.

Dieser Roman erschien erstmals im Jahr 1970 als Lassiter-Taschenbuch Nr. 5 als Übersetzung aus dem Amerikanischen. Originaltitel: A Hell Of A Way To Die

Lassiter hatte keine Lebensmittel, und seine Wasserflasche enthielt gerade noch genug Flüssigkeit, um damit die Nüstern seines Pferdes zu befeuchten. Das machte ihm auch keine Sorgen; er hatte noch eine halbe Flasche Tequila in seiner Deckenrolle. Die Tatsache, dass er pleite war, beunruhigte ihn auch nicht weiter. Geld wurde immer über Land transportiert – mit der Postkutsche, in Frachtwagen, von einer Armee-Ambulanz oder durch Kuriere. Letzten Endes würde er schon jemanden finden, dem er das Geld abnehmen könnte.

Was ihm dagegen schwer zu schaffen machte, war die Tatsache, dass ihm die Munition bis auf sechs Patronen ausgegangen war. Das war ein bisschen knapp zum Überleben; ein verdammt winziges Kapital, mit dem sich nicht mehr allzu viel anfangen ließ.

Und was noch schlimmer war... Lassiter befand sich auf Jessups Land – und Jessup hatte für Fremde auf seinem Besitz nicht viel übrig. Von Leuten, die die Empire-Ranch überqueren wollten, verlangte er eine Art Pass; gerüchtweise verlautete, dass alle, die keinen solchen Pass hatten vorweisen können, verschwunden waren... dass seine Vaqueros Befehl hatten, jeden Fremden bei Sicht und ohne Warnung zu erschießen.

Lassiter hatte keinen Pass.

Falls er Jessups Reitern in die Quere laufen sollte, nur noch mit sechs Patronen ausgerüstet, dann...

Ist schon eine komische Sache mit diesen Patronen, dachte er. Ein bisschen Messing, ein bisschen Blei, ein Hauch von Pulver... eine Kugel war nichts – und eine Kugel war alles. Für Lassiter bedeutete ein Mangel an Kugeln genauso viel wie ein Mangel an Blut.

In seinem Kampf mit den Rurales hatte er viele Kugeln verbraucht. Dass nicht allzu viele davon ihr Ziel verfehlt hatten, war jetzt auch kein Trost mehr. Und doch konnte er bei der Erinnerung daran ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken. Er nahm einen herzhaften Schluck aus der Tequila-Flasche. Sie hatten ein leichtes Ziel geboten, diese Rurales, waren auf flachem Gelände ausgeschwärmt, während er sich auf höher gelegenem Territorium zwischen Felsen wie in einer Festung verschanzt hatte.

Aber es wäre doch besser gewesen, wenn er den Kneipenwirt in Villa Acuna nicht mit dem Revolver zusammengeschlagen hätte, nur weil der Mann sich geweigert hatte, ihm Kredit einzuräumen. Auf der anderen Seite hatte ihn die Haltung dieses Mannes maßlos wütend gemacht.

Lassiter war restlos pleite gewesen. Na und? War Marie, mit der er gerade zusammengelebt hatte, nicht eine der meistbeschäftigten Huren der Stadt? Das Geschäft war lediglich zwischen zwei Zahltagen ein bisschen flau gegangen... mitten im Monat, wenn keine Gringos über den Fluss kamen. Jedenfalls, so dachte Lassiter jetzt, war es ja eigentlich auch gar nicht das Geld gewesen. Francisco hatte ihn von Anfang an nicht leiden können.

Lassiter nahm noch einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Francisco hatte die Gelegenheit benutzt, die Rurales auf ihn zu hetzen. Lassiter hatte schleunigst über den Rio verschwinden müssen, direkt auf Jessups Empire. Die Rurales hatten nicht gewagt, ihm dorthin zu folgen, und das war nicht nur eine Frage der Grenze gewesen. Und wer weiß, so überlegte Lassiter weiter, ob Francisco nicht doch noch seine Rache bekommen wird, falls ich in nächster Zeit mit Jessups Boys zusammentreffen sollte.

Lassiter war jedoch nicht der Mann, sich über solche Dinge groß den Kopf zu zerbrechen. Ein Mann lebte von einem Tag auf den anderen... von Kugel zu Kugel. Er hatte längst begriffen, dass es auf dieser Welt nur zwei Arten von Menschen gab – Wölfe und Hasen. Wer kein Wolf war, wurde gefressen.

Als Lassiter den Tequila zur Hälfte ausgetrunken hatte, stand er vom heruntergebrannten Feuer auf... ein großer, breitschultriger, schmalhüftiger Mann, fast einsneunzig groß, mit einem Körper, der fast nur aus Muskeln und Sehnen bestand. Sein Gesicht hätte von einem Holzschnitzer aus Hartholz gefertigt sein können.

Lassiter breitete seine Decken auf dem Boden aus, behielt den Colt in der Faust und legte sich schlafen.

Das Geräusch weckte ihn kurz vor Anbruch der Morgendämmerung.

Er warf die Decken ab, sprang auf und hielt den Colt schussbereit in der Hand. Obwohl er sofort hellwach war, wusste er noch nicht, was ihn so jäh aus dem Schlaf gerissen hatte. Doch dann hörte er dieses Geräusch erneut... und da wusste er es.

Es kam aus einer Entfernung von höchstens einer Meile, und es brachte sein Nackenhaar zum Sträuben.

Ein langgezogener, grässlicher Schrei unendlicher Qual. Eine Pantherkatze oder ein Jaguar in der Brunft? Nein, nicht hier. Das war eben eine menschliche Stimme gewesen.

Dann verblasste dieser Laut und wurde von einem anderen Geräusch übertönt, das noch furchteinflößender war... vom Blöken der wilden Longhorns.

Lassiter warf noch ein paar trockene Zweige auf die restliche Glut des Lagerfeuers und fachte es zu neuem Leben an. Dann lauschte er, ob sich der Schrei noch einmal wiederholen würde. Außer dem Brüllen der Rinder war jedoch nichts zu hören.

Lassiter beschloss, sich nicht mehr hinzulegen. Nachdem er das Feuer zu heller Flamme geschürt hatte, hobbelte er sein Pferd los, einen großen Braunen, den er vor etwa zwei Monaten in der Nähe von San Antonio gestohlen hatte. Dem Tier gefielen die Geräusche genauso wenig wie ihm. Es spitzte die Ohren, tänzelte nervös und blähte witternd die Nüstern.

Lassiters Mund war ausgetrocknet. Er legte ein kleines Steinchen unter die Zunge, wartete, bis er genügend Speichel im Mund hatte, und nahm dann einen Schluck aus der Tequila-Flasche. Schade, dass er keinen Tabak mehr hatte. Er hockte neben dem Feuer, hielt die Zügel des Pferdes in einer Hand und wartete auf den Tagesanbruch.

Der menschliche Schrei, den er vorhin gehört hatte, ließ ihm keine Ruhe. Natürlich ging ihn diese Sache überhaupt nichts an. Auf der anderen Seite könnte es aber auch nichts schaden, sich ein bisschen umzusehen. Er befand sich im wildesten, entlegensten Teil von Jessups Empire. Reiter dürften sich hier draußen wohl kaum aufhalten. Und Lassiter war nun einmal ein Mann, der gern allen Dingen auf den Grund ging. Schließlich konnte man ja nie wissen, ob sich irgendeine Sache nicht doch als profitbringend herausstellte.

Aber verdammt noch mal... wenn er doch bloß ein paar Patronen mehr hätte!

Der Himmel wurde heller. Die Morgendämmerung schimmerte durch das dichte Laub der Bäume und Mesquitebüsche.

Lassiter rollte seine Decken zusammen, befestigte sie am Sattel und bestieg sein unruhiges Pferd. Aus dem Busch war immer noch das Blöken der Rinder zu hören. Äußerst vorsichtig ritt Lassiter los; er hatte keine Lust, von einem wilden Bullen angegriffen zu werden. Er erreichte ein ausgetrocknetes Flussbett, das sich wie ein Tunnel durch das Dickicht wand. Hier kam das Pferd leichter voran. Lassiter zog den Colt. Das Pferd scheute und wollte nicht weiter. Lassiter musste die Sporen benutzen.

Und dann sah er sie vor sich, diese Masse von Rinderleibern in allen Regenbogenfarben... weiß, braun, schwarz, gescheckt. Eng zusammengedrängt, so dass ihre Hörner zusammenschlugen, wenn sie die Köpfe in den Nacken warfen, um dieses schreckliche Blöken hören zu lassen. Ein Teil von ihnen schien irgendetwas auf dem Boden anzugreifen. Jedenfalls gingen verschiedene Tiere immer wieder mit den gesenkten Hörnern darauf los. Sie waren so verrückt nach Blut, dass sie Lassiter weder kommen hörten noch ihn witterten. Alle schienen versessen darauf zu sein, zu zertrampeln, was immer sich dort zwischen ihnen auf dem Boden zu befinden schien.

Lassiter beobachtete sie eine Weile und versuchte herauszubekommen, was die Rinder so wild gemacht hatte.

Die Herde drängte durcheinander, verlagerte allmählich etwas ihren Standort und...

Und dann fluchte Lassiter unterdrückt vor sich hin. Es lag nicht in seiner Absicht, eine kostbare Kugel zu verschwenden, aber als er sah, was dort zwischen den stampfenden Rinderhufen lag, feuerte er instinktiv eine Kugel über die Köpfe der Tiere hinweg.

Der Schuss trieb die Rinder auseinander. Die wildesten Tiere stürmten ins Dickicht, aber andere wirbelten herum, senkten die Köpfe, reckten die Schwänze in die Höhe und nahmen die Herausforderung an.

Lassiter schrie aus Leibeskräften, um auch die restlichen Tiere zur Flucht zu veranlassen. Einige machten auch kehrt und verschwanden im Mesquitegestrüpp. Nur ein paar Bullen blieben zurück, hielten die Köpfe angriffslustig gesenkt, rollten wild mit den Augen und scharrten mit den Vorderhufen im Boden.

Aber jetzt konnte Lassiter deutlich erkennen, was im ausgetrockneten Flussbett lag... und da verbrauchte er noch eine Kugel. Das verscheuchte auch die letzten Rinder... alle bis auf eins.

Kohlrabenschwarz, fast reinrassiges spanisches Blut, mit hohem Rumpf, dickem Hals, kurzen Hörnern... so stand es da und starrte Lassiter aus tückisch funkelnden Augen an. Die gespaltenen Hufe schleuderten Sand über die Schultern. Drohend schüttelte es die Hörner mit den schwarzen Spitzen, stieß ein dumpf grollendes Röhren aus und ging zum Angriff über.

Lassiter riss das Pferd herum. Das aufgescheuchte Tier stieg auf der Hinterhand in die Luft und beschrieb eine Pirouette. Der Bulle stürmte mit gesenktem Kopf vorbei. Sein rechtes Horn verfehlte nur knapp den Bauch des Pferdes. Der gereizte Bulle bremste seinen Schwung ab, machte kehrt und griff von neuem an. Lassiter hatte Mühe, sein Pferd unter Kontrolle zu behalten, das seitwärts ausbrechen wollte. Lassiter feuerte, verfehlte aber, weil ihm das auskeilende Pferd das Ziel verdarb. Der Bulle stürmte wieder knapp vorbei, machte sofort kehrt und kam mit gesenkten Hörnern zurück. Lassiter war aus dem Sattel gesprungen, hielt die Zügel mit der linken Hand umkrampft und brachte mit der rechten den Colt in Anschlag.

Diesmal drang das Geschoss dem Bullen zwischen die Augen. Seine Beine knickten ein, doch das Tier wurde vom eigenen Schwung noch ein Stück fortgerissen. Erst knapp drei Meter von Lassiter entfernt brach es zusammen.

Lassiter behielt den Colt schussbereit in der Hand. Sein Blick suchte das Gestrüpp ab. Doch im Moment schien es keine neue Bedrohung zu geben. Er fluchte wütend vor sich hin. Vier Kugeln verbraucht! Und die Schüsse dürften meilenweit zu hören gewesen sein. Er hatte sich hier auf ein dummes Spiel eingelassen... auf ein verdammt dummes Spiel.

Lassiter brachte sein Pferd einigermaßen zur Ruhe, dann führte er es am Zügel um den toten Bullen herum zu der Stelle hinüber, die im Umkreis von gut drei, vier Metern blutrot gefärbt war. Mitten in diesem riesigen roten Fleck lag das, was die Rinder zertrampelt hatten. Während Lassiter auf den Boden starrte, wollte sich ihm der Magen vor Übelkeit umdrehen. Ein eisiger Schauer rieselte ihm den Rücken hinab.

Es war eine höllische Art für einen Mann, so zu sterben.

Lassiter hatte schon viele Männer gesehen, die bei einer Rinder-Stampede zertrampelt worden waren. Aber dabei hatte es sich jedes Mal um einen sehr schnellen und kurzen Tod gehandelt. Dieser Mann hier war jedoch eines sehr langsamen Todes gestorben... von einem Genie an Grausamkeit in Szene gesetzt und bewerkstelligt.

Als menschlich waren nur noch die beiden in Stiefel steckenden Füße zu erkennen, die aus der frisch abgezogenen Rinderhaut hervorragten, in die der Mann eingewickelt worden war. Und diese Füße waren – wie Lassiter feststellen konnte – außerdem noch gefesselt. Der restliche Körper oberhalb der Stiefelschäfte war von den Hufen und Hörnern der Rinder zu einer formlosen Masse zertrampelt und zusammengestampft worden.

Lassiter erinnerte sich an diesen grässlichen Schrei, den er gehört hatte, während er sich in der näheren Umgebung nach irgendwelchen Spuren außer den zahllosen Abdrücken der Rinderhufe umsah. Jemand hatte diesen armen Teufel an Händen und Füßen gefesselt und in eine frische, noch blutige Rinderhaut eingewickelt. Um ganz sicherzugehen, hatte man dann noch Eimer voll heißen Longhorn-Blutes über ihm und rund um ihn herum ausgekippt... daher der riesige blutrote Flecken auf dem Sandboden. Anschließend hatte man ihn seinem Schicksal überlassen, um hier eines grausamen Todes zu sterben.

Das dürfte einige Zeit in Anspruch genommen haben, dachte Lassiter angewidert. Der Mann hatte bestimmt reichlich Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was ihm bevorstand, bevor die wilden Longhorns ihn gefunden und ihren Blutdurst an ihm gestillt hatten.

Ja... es musste ein langsamer und sehr qualvoller Tod für diesen Mann gewesen sein.

Lassiter stieg wieder in den Sattel. Er wollte so schnell wie möglich von hier verschwinden. Plötzlich zügelte er jedoch noch einmal seinen Braunen und starrte auf das Brett, das jemand zwischen die Äste eines Mesquite-Strauchs gerammt hatte. Ein weißes Brett, wahrscheinlich von einer Munitionskiste. Mit roter Substanz, die aber bestimmt keine Farbe war, hatte jemand darauf gemalt: SCHICK DAS NÄCHSTE MAL EINEN MANN!

Instinktiv wollte Lassiter danach greifen, doch dann zuckte er zurück, als könnte er sich die Finger daran verbrennen.

Nein... keine Sekunde länger an diesem Ort! Er war schon idiotisch genug gewesen, sich von seiner Neugier hinreißen zu lassen, überhaupt hierher zu kommen. Keinerlei Profit. Im Gegenteil – vier Kugeln verbraucht, eins von Jessups Rindern tot, ein Mann ermordet. Der tote Bulle allein würde für Jessup Grund genug sein, Lassiter zu hängen.

Er gab seinem Braunen die Sporen. Das Tier schnaubte unruhig, trottete aber gehorsam den Weg zurück, den es vor kurzem gekommen war. Das Pferd war froh, dem widerlichen Blutgeruch entrinnen zu können.

Lassiter ritt in scharfem Galopp nach Westen, hielt aber dabei jederzeit sorgfältig Ausschau. Vielleicht war er nicht der einzige gewesen, der auf dieses grausige Schauspiel aufmerksam geworden war. Er hielt sich ständig dicht am Rande des Mesquite-Gestrüpps. Wenn er ein bisschen Glück hatte, konnte er bis Sonnenaufgang schon die Empire-Ranch hinter sich haben und auf der Straße nach Double Springs sein. Er trieb seinen Braunen zu schnellerer Gangart an.

Dann hörte er diesen Laut, der ihm nur allzu vertraut war... eine Kugel pfiff haarscharf an seinem Kopf vorbei.

Lassiter drehte sich im Sattel um und stieß einen Fluch aus.

Er würde es nicht schaffen. Dort hinten, auf dem Kamm einer kleinen Bodenwelle, etwa eine halbe Meile entfernt, zeichneten sich die Silhouetten von fünf Reitern scharf gegen den Morgenhimmel ab.

Kein Zweifel... Jessups Vaqueros!

Lassiter hatte zwei Möglichkeiten. Zurück in den Busch, um sich dort zu verstecken. Aber der Braune war kein Busch-Pferd. Die Verfolger würden ihn sehr schnell aufgestöbert haben. Auf der anderen Seite... Lassiter hatte sich damals gerade diesen Braunen ausgesucht, weil er ein sehr schnelles und ausdauerndes Tier war. Vielleicht könnte er sich darauf verlassen und den Jessup-Reitern entkommen.

Eins stand jedenfalls fest: Auf einen Kampf durfte er es auf gar keinen Fall ankommen lassen. Nicht mit nur zwei Patronen im Colt. Er rammte dem Braunen sehr hart die Sporen in die Weichen. Das Tier streckte sich unter ihm. Lassiter duckte sich tief über den Hals des Pferdes.

Und der Teufel soll dich holen, dachte Lassiter, während er auf das Trommeln der Pferdehufe lauschte, wenn du jetzt stolperst!

Aber der stämmige Braune war sicher auf den Beinen; der Boden flog unter seinen Hufen dahin.

Lassiter entspannte sich etwas.

Die anderen hatten die Verfolgung aufgenommen, wie ihm ein Blick über die Schulter zurück verriet; aber er hatte eine gute Chance, ihnen zu entkommen. Und er bot kein Ziel; es dürfte verdammt schwer sein, ihn zu treffen.

Vor sich sah er die Einmündung einer Bodensenke auftauchen. Sie würde ihm Zuflucht gewähren und ihn außer Reichweite seiner Verfolger bringen. Wenn es ihm gelang, die Grenze von Jessups Weide zu erreichen, würde man wahrscheinlich die Verfolgung aufgeben.

Der Braune verringerte den Abstand zur Bodensenke. Nervös und leicht reizbar mochte dieses Pferd sein, aber es war ein guter Renner; reines Vollblut. Jessup züchtete auch gute Pferde, aber er würde bestimmt lange suchen müssen, um ein Tier zu finden, das dem Braunen an Schnelligkeit gewachsen oder gar überlegen war.

Noch zwei, drei Minuten, dann würde Lassiter in der Bodensenke in Sicherheit sein.

Und dann gab es einen Laut, der sich wie Händeklatschen anhörte.

Der Braune wieherte nervös auf und kam aus dem Tritt.

Ein weiterer Schuss krachte... nicht von hinten, sondern von vorn!

Als der Braune unter seinem Reiter zusammenbrach, hatte Lassiter gerade noch Zeit, die Füße aus den Steigbügeln zu reißen und sich seitwärts aus dem Sattel zu werfen. Dann sah er die zweite Reitergruppe aus eben dieser Bodensenke auftauchen, von der er sich Rettung versprochen hatte.

Lassiter schlug sehr hart auf dem Boden auf und überschlug sich mehrmals. Für einen Moment blieb ihm die Luft weg; um ihn herum war plötzlich nur noch leere Dunkelheit. Doch dann rappelte er sich vom Boden auf und wollte instinktiv nach seiner Waffe greifen. Er ließ es bleiben, als ihm seine Situation voll zum Bewusstsein kam. Vier Reiter kamen aus der Senke auf ihn zugeritten, fünf von hinten. Er konnte sie nicht alle töten.

Er hatte sich erwischen lassen.

Lassiter rang keuchend nach Luft und hob langsam beide Hände hoch über seinen Kopf.

Unter den neun Reitern befand sich ein einziger Amerikaner. Er ritt an der Spitze der Gruppe, die aus der Senke kam... und er hielt eine Winchester auf Lassiter gerichtet.

Lassiter wartete geduldig, beide Arme in die Luft gestreckt. Die vier Reiter hielten drei Meter von ihm entfernt an. Der Gringo schob sein Gewehr in den Sattelschuh, stieg ab und zog seinen Colt. Er war groß und hager, hatte ein Habichtgesicht und grausame, gelblich schimmernde Augen. Er ließ seinen Blick an Lassiters langer Gestalt auf und ab wandern.

»Okay«, knurrte er schließlich und richtete die Mündung des Colts auf Lassiters Gürtelschnalle. »Lass deine Artillerie fallen... aber hübsch langsam, Freundchen!«

Lassiter senkte den rechten Arm. Der Waffengurt polterte zu Boden.

Inzwischen waren auch die anderen fünf von hinten herangekommen und bildeten einen Halbkreis um Lassiter. Er starrte in eine ganze Anzahl von Waffenmündungen.

Der Mann mit den Falkenaugen sagte: »Lucio...! Durchsuchen! Aber gründlich. Messer oder sonstige versteckte Waffen.«

»Keine«, sagte Lassiter, aber die Hände des Mannes namens Lucio tasteten ihn bereits ab.

»Nada«, bestätigte der Vaquero.

»Okay.« Der gelbäugige Mann schob den Colt ins Holster zurück. Er holte ein Zündholz aus der Hemdtasche und klemmte es zwischen die Zähne. »Mein Name ist Jonas. Ich bin auf diesem Abschnitt hier Weideboss für Jessup. Und wer zum Teufel bist du?«

»Lassiter.«

Der Name schien Jonas gar nichts zu sagen.

Lassiter hatte es auch nicht erwartet. In diesem Teil von Texas war er noch nicht bekannt.

»Tja, also, Lassiter...«, sagte Jonas. »Du hältst dich unbefugt auf fremdem Besitz auf. Niemand darf Empire-Land ohne Pass betreten. Hast du einen Pass?«

»Nein«, sagte Lassiter.

»Dann wirst du Ärger kriegen.« Jonas spuckte das Zündholz aus.

»Wovor bist du davongerannt?«

»Vor Leuten, die auf mich geschossen haben.«

»Du bist schon gerannt, bevor auf dich geschossen wurde«, stellte Jonas fest und sah in die Richtung, aus der Lassiter gekommen war. »Wir haben das Brüllen der Rinder im Busch gehört. Dann vier Schüsse. Kurz darauf sahen wir dich. Du wolltest dich aus dem Staube machen, als wäre der Leibhaftige persönlich hinter dir her. Was ist da hinten passiert?«

Lassiter schwieg einen Moment, dann sagte er: »Dort hinten liegt ein toter Mann... aber ich habe ihn nicht getötet. Jemand hatte ihn in eine frische Rinderhaut eingewickelt und Longhornblut über ihn gegossen. Dann hat man ihn den wilden Rindern überlassen, um von ihnen zertrampelt zu werden. Das ist die höllischste Art für einen Mann, zu sterben. Ich hatte etwa eine Meile entfernt mein Lager aufgeschlagen und habe die Rinder brüllen hören. Da wollte ich nachsehen, was dort los war. Ein Bulle ging auf mich los. Ich musste ihn erschießen. Dann hielt ich es für besser, zu verschwinden.«

Jonas starrte ihn an. »Was...?«

»Ich kann euch zeigen, wo ich gelagert habe. Wenn ihr was vom Spurenlesen versteht, könnt ihr meine Angaben leicht nachprüfen. Ich müsste ja ein gottverdammter Narr sein, erst einen Mann umzubringen und dann seelenruhig in der Nähe zu kampieren.«

Jonas gab keine Antwort. Stattdessen drehte er sich stirnrunzelnd um und band seine lederne Reata, das mexikanische Lasso, vom Sattel los. Er schüttelte eine Schlinge zurecht und warf sie Lassiter über den Kopf, dann zog er sie fest um dessen Hals zusammen.

Lassiters Stimme klang ganz ruhig, als er nun fragte: »Willst du mich etwa hängen?«

»Das geschieht üblicherweise mit Leuten, die Jessups Rinder abknallen«, sagte Jonas. »Aber nein. Noch nicht. Erst werden wir uns dort ein bisschen umsehen. Lucio, gib ihm dein Pferd. Du kannst hinter mir aufsitzen. Los, steig auf, Lassiter.«

Lassiter stieg vorsichtig in den Sattel. Die Schlinge baumelte von seinem Hals herab.

Jonas schlang das andere Ende der Reata um sein Sattelhorn und schwang sich ebenfalls auf sein Pferd. Der Mexikaner stieg hinter ihm auf.

»Vorwärts!«, befahl Jonas. »Aber immer hübsch langsam! Eine falsche Bewegung, Lassiter, und ich breche dir das Genick.«

Sie ritten über die Prärie auf das Mesquitegestrüpp zu. Jonas hielt sich dicht hinter Lassiter. Er gab ihm gerade genügend Spielraum mit der locker gespannten Reata. Lassiter verhielt sich absolut passiv. Im Moment konnte er nichts unternehmen; das musste er akzeptieren. Alles sprach gegen ihn. Falls er noch einmal aus dieser Klemme herauskommen sollte, würde er in Zukunft seine Chancen sorgfältiger abwägen müssen. Er war in letzter Zeit ein bisschen zu sorglos geworden. Nicht immer war das Glück auf seiner Seite.

Nach einer Weile zeigte er nach vorn und sagte: »Da drin! Dort liegt der Tote... in einem ausgetrockneten Flussbett.«

»Yeah«, sagte Jonas.

Die Rinder hatten sich inzwischen wieder an dieser Stelle eingefunden. Ihr Blöken war deutlich zu hören.

»Du bleibst hier«, sagte Jonas. »Ich werde nachsehen.«

Er reichte das Ende der Reata einem seiner Vaqueros. Drei blieben zurück und ließen Lassiter nicht aus den Augen. Alle hielten ihre Waffen auf ihn gerichtet. Der Rest folgte Jonas ins Gestrüpp. Kurz darauf krachten mehrere Gewehrschüsse. Jonas vertrieb damit die Rinder, wie es Lassiter kurz zuvor auch getan hatte. Das Pferd unter Lassiter begann nervös zu tänzeln. Der Vaquero hielt die Reata geschickt auf ausreichende Distanz.

Es dauerte einige Zeit, bis Jonas wieder aus dem Busch auftauchte. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Seine Habichtaugen starrten Lassiter durchdringend an. Unter einem Arm trug er das Brett mit der roten Aufschrift.

»Du hattest recht«, sagte er mit einer Stimme, die sich wie geborstenes Eis anhörte. »Das ist die höllischste Art für einen Mann, zu sterben. Okay. Und nun zeige uns, wo du kampiert hast. Für eine Weile wirst du noch nicht hängen. Ich bin bevollmächtigt, jeden unbefugten Eindringling auf die mir passend erscheinende Art und Weise wieder loszuwerden. Aber der tote Mann dort im Busch war zufällig ein Deputy Sheriff und ein verdammt guter Freund von Old Man Jessup. Deshalb nehme ich an, dass Jessup selbst mit dir sprechen will, bevor er entscheidet, ob wir dich aufknüpfen... oder ob wir dich dem Gesetz übergeben, um die Sache ganz legal erledigen zu lassen!«

II

Jonas war eine Kämpfernatur. Sonst hätte Lassiter während des langen Rittes zur Ranch von Jessups Empire vielleicht eine Chance gehabt; so aber blieb ihm nichts weiter übrig, als sich vorerst resigniert in sein Schicksal zu ergeben.

Obwohl seine Lage im Moment alles andere als rosig oder gar beneidenswert war, empfand er doch so etwas wie einen leichten Anflug von Neugier.