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Leah Mare Dorion: "Meine künstlerische Tätigkeit hat die Heilung und die heilsame Darstellung des Wissens, der Lehren und der Spiritualität der indigenen Frauen zum Thema. Ich liebe es, indigene Frauen so schön und natürlich wie möglich darzustellen, da sie als erste Lehrerinnen und Spenderinnen des Lebens in unserer Kultur gelten."
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Seitenzahl: 48
Veröffentlichungsjahr: 2019
ist eine kanadische Künstlerin, aber nicht irgendeine. Sie ist eine Métis.
Dieses französische Wort bedeutet „Mestize" (Halbblut) und wird etwa wie [MEHtie] gesprochen. Die Métis gibt es in Kanada (und den USA) etwa seit der Mitte des 17. Jahrhunderts, als sich europäische Trapper (Fallensteller), Pelzhändler und Händler jeglicher Art aus Frankreich, England, Schottland, den Orkneys indianische Frauen der Cree, Odjibwa, Anishinabe nahmen. Deren Kinder waren dann Mischlinge, wobei diese Bezeichnung ohne jede negative Bedeutung, die die Bezeichnung bei dem einen oder anderen haben mag, zu verstehen ist. Die Métis bildeten allmählich eine eigene ethnische Gruppe; in Kanada lebten 2006 etwa 390 000 Métis (1,7 Prozent der Bevölkerung Kanadas), die dort seit 1982 als indigenes Volk anerkannt sind. Sie werden von den indianische sogenannten First Nations (Erste Völker) unterschieden, gelten aber auch als Ureinwohner Kanadas.
Ein ganz einzigartiges Phänomen ist die Sprache, die die Métis entwickelten; sie wird Michif [gesprochen: MItschif ] genannt. Es ist eine Mischsprache aus Französisch und der Sprache der indianischen Cree, und zwar mischten die Heranwachsenden die Grammatik von den Cree sprechenden Müttern mit dem Vokabular von den Französisch sprechenden Vätern. Dadurch kam es zu der einzigartigen Erscheinung, daß das Mitschif über zwei Klangsysteme und zwei Morphologien gleichzeitig verfügt. Im Jahre 2006 gaben über 13 000 Métis in Kanada an, noch eine indianische Sprache (überwiegend Cree) zu beherrschen.
Leah Dorion bekennt sich mit Stolz zu ihrer Métis-Herkunft; das Symbol der Métis, die liegende Acht, findet man in sehr vielen ihrer Bilder.
In Kanada (und auch in den USA) gehen viele geografische Namen auf indianische Bezeichnungen zurück. Die Provinz Saskatchewan [ßc-SkÄTSCHc-uahn] in Zentralkanada ist nach dem Fluß dieses Namens benannt; der aus dem Cree abgeleitete Name bedeutet etwa Schnell fließender Fluß. In der Mitte der Provinz vereinen sich der Nördliche und der Südliche Saskatchewan, die wiederum zahlreiche Nebenflüsse haben, die eine ganze Reihe großer und kleinerer Seen durchfließen oder speisen. Alle Gewässer sind für ihren Fischreichtum bekannt. Die indianischen Stämme dieser Region lebten zum großen Teil vom Fischfang; wenn die Männer mit ihren Kanus zum Fang hinausfuhren, blieben Frauen und Kinder am Ufer zurück, und in ihrer Sprache wurde der Ort Nipowewin, das heißt „Warteplatz", genannt. 1748 entstand eine Siedlung mit Namen Nipawin; die Stadt Nipawin hatte im Jahre 2016 etwa 4400 Einwohner.
Hier wurde Leah Marie Dorion 1970 geboren.
Aufgewachsen ist sie aber in der gut 100 km westlicher gelegenen Stadt Prince Albert (2016: etwa 36 000 Einwohner). Die Stadt Prince Albert (Stadtrecht seit 1885) wurde tatsächlich nach dem Ehemann der Königin Victoria von Großbritannien, Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, benannt. Es ist die drittgrößte Stadt in der kanadischen Provinz Saskatchewan, und der Prince-Albert-Nationalpark befindet sich nach kanadischem Maßstab gleich vor der nördlichen Haustür.
In Prince Albert am Nördlichen Saskatchewan lebt Leah Dorion heute noch.
Sie ist dort am Gabriel-Dumont-Institut für indianische Studien und angewandte Forschung, Inc. (GDI) tätig. Als Lehrerin am GDI hat sie akademische Abschlüsse auf den Gebieten des Studiums der Urbevölkerung und der Bildung.1
Das GDI wurde 1980 gegründet, um den pädagogischen und sozialen Bedürfnissen der Saskatchewaner Métis- und Nicht-Status-Indianergemeinschaft2 zu dienen. Das GDI bietet eine Vielzahl von anerkannten Bildungs-, Berufs- und Kompetenzausbildungsmöglichkeiten für die Métis der Provinz in Zusammenarbeit mit der Universität von Regina, der Universität von Saskatchewan, dem Saskatchewan Institute of Applied Science and Technology und den verschiedenen Regionalhochschulen der Provinz an. Als vollständig von Métis geleitete Bildungs- und Kultureinrichtung ist das GDI in Kanada einzigartig. Das Institut entwickelt Métis-spezifische Lehrpläne und historische Publikationen, bietet Arbeitsmarktschulungen und Arbeitsvermittlungsdienste an. Die oberste Aufgabe des Instituts ist die Förderung der Erneuerung und Entwicklung der Métis-Kultur.
Das Institut wurde nach dem Métis Gabriel Dumont (1837-1906) benannt, einem Anführer der Metis-Büffeljager, der weder lesen noch schreiben, aber sechs Sprachen sprechen konnte. Im Jahr 1873 wurde seine Position als Anführer formalisiert, als er zum Präsidenten der kurzlebigen lokalen Regierung gewählt wurde, die von den Métis im südlichen Teil von Saskatchewan gegründet wurde. Berühmt wurde er als Anführer der kleinen Metis-Streitkräfte während des sogenannten Nordwest-Aufstandes von 1885 gegen die Regierungstruppen.
In der Einleitung ihrer Master-Arbeit schreibt Leah Dorion:
„Mein ganzes Leben habe ich versucht zu verstehen, was es bedeutet, eine Métis zu sein. Meine Mutter hat englisch/irische Vorfahren aus der Landwirtschaft, und mein Vater ist ein Cree sprechender Métis, ursprünglich von Cumberland House, so daß ich verschiedene kulturelle Vorgehensweisen in der Kindererziehung erfahren habe. Es gab bei meinen Eltern einige Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede in der Kindererziehung. Mit dem Beginn meiner Mutterschaft suchte ich nach der traditionellen Art der Kindererziehung bei den Cree und Métis, um diese Traditionen in meine eigene Kindererziehung einzubeziehen. Mein Interesse an diesem Thema veranlaßte mich, Lehrer zu suchen, die mir dieses Wissen über Kindererziehung geben konnten, damit ich meinen Sohn in einer gut ausgeglichenen Art und Weise erziehen konnte und ihm schon in seinem frühen Leben ein Gefühl für die Identität von Metis geben konnte. Ich selbst hatte dagegen bis zu meinem frühen Erwachsenenalter Schwierigkeiten, meine Métis-Identität zu verstehen. Bei meiner Suche nach traditionellem Kindererziehungswissen stieß ich auf eine schöne Metapher in der Sprache der Cree, die die Verbindung zwischen dem Anbau von Pflanzen und dem Aufziehen von Kindern herstellt. Impliziert in dieser sprachlichen Metapher ist die Erwartung, daß Cree- und Métis-Eltern an einem synergetischen Wachstumsprozeß mit ihren Kindern teilnehmen."
Nach dem Auftreten von postpartalen Depressionen3 begann sie zu malen, und die Themen, die sie dabei erforschte, entsprachen ihrem Wunsch nach Heilung. Sie sagt:
„Ich fing an, das Malen zu benutzen, um zu heilen und Schönheit in mein nicht so schönes Leben zu bringen. Das hat mich wieder ins Gleichgewicht gebracht. Als ich die Heilweisen meines Volkes wieder erlernte, begann ich, diese Themen zu malen, so daß meine Malerei zu einem echten Ausdruck meines Heilungsprozesses und meines kulturellen Lernens wurde."