Leben in Gott - Swami Vishnudevananda Giri - E-Book

Leben in Gott E-Book

Swami Vishnudevananda Giri

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Beschreibung

Ein Leben, das voll und ganz der Suche und der Erfahrung des Höchsten gewidmet ist. Ein spiritueller Meister aus der Advaita-Tradition, Swami Vishnudevananda Giri, beschreibt in seiner Biographie die wichtigsten Ereignisse in seinem Leben, die Einfluss auf die Wahl seines spirituellen Weges hatten. Er erzählt über seine verschiedenen Lehrer und über die Begegnung mit seinem Wurzelguru. Das Buch ist voll von Beschreibungen mystischer Erfahrungen. Der Leser begegnet der faszinierenden Welt eines spirituellen Praktikers, der seine Realisation dank seinem unglaublichen Streben und seinem festen Glauben an den gewählten Weg schon in jungen Jahren erreicht hat.

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INHALT

Mein ICH ist nicht der Verstand

Kindheit als Kosmos

Die Glückseligkeit des Lebens und die große Mutter

Statuen am Meer

Loslösung von der Welt - Kraftort - Samadhi

Jugend. Kosmos. Liebe

Leben und Dienst an der Hochschule für Marine

Wie ich meinen Satguru kennenlernte

Abschluss und Jahre des Dienstes

Retreat

Sechster Monat des dritten Jahres im Einzel-Retreat

Dies ist die kausale Welt

Letzte Entdeckung: Samsara ist Nirvana

Das Prinzip der mystischen Übertragung

Begegnungen mit göttlichen Wesen

Materialisierung des Mangala-Sutras

Besichtigung eines Vimanas

Vimana-Flug jenseits der Erde

Prüfung durch die Göttin Tara

Besuch einer Göttin im Ashram „Divya Loka“

Ein freundschaftliches Duell mit einem unsterblichen Daoshi

Darshan der Königin der Dakinis

Der Segen der Göttin Kali

Darshan einer tantrischen Göttin

Übertragung eines non-dualen Tantras

Darshan des heiligen Manjushrimitra

ANHANG

Spezielle Unterweisungen und Lieder

Über den Autor

MEIN ICH IST NICHT DER VERSTAND

Einige meinen, ich sei der Verstand,

und sie analysieren meine Theorien.

Andere halten mich für einen Körper,

und sie reden über mich als Körper,

wie ein Schuster jemand nach seinen Schuhen beurteilt.

Wieder andere sprechen von mir als einer Persönlichkeit.

Manchmal loben sie und manchmal lästern sie über mich.

Ich bin nicht böse auf sie, denn ich weiß,

wie schwer zu verstehen es ist, wer ich wirklich bin.

Schließlich kann niemand das verstehen,

solange er nicht in der Tiefe des Samadhi

sich selbst oder Gott erkennt -

was für Advaita dasselbe ist,

und solange sein Verstand sich nicht beruhigt

und in der Quelle des Seins aufgelöst hat.

Ich bin nicht der Verstand, ich habe mit dem Verstand nichts zu tun.

Kein einziger Gedanke oder Begriff, keine Theorie oder Philosophie

haben mit mir etwas gemeinsam,

aber du kannst das nicht sofort verstehen,

deshalb präsentiere ich mich als einen sehr raffinierten Verstand,

als kluge Methode, um dich zum Nicht-Verstand,

zur Weisheit zu führen.

Ich bin die Stille, ich bin kein Wort,

kein einziges Wort berührt mich,

aber ohne Worte wirst du mich nicht hören.

Also benutze ich viele Worte, Lieder, Mantras,

um dir zu helfen, zu mir zu kommen,

zu dem, der jenseits davon ist.

Ich bin kein Körper, ich habe keine Form,

aber du kannst nicht bei jemandem lernen,

der keine Form und keinen Körper hat.

Also benutze ich die Form und den Körper,

als geschickte Methoden, um dir zu helfen,

die Form aufzulösen, deine Bindung an die Form aufzugeben,

die Weisheit (Jnana) zu erkennen.

Ich bin nicht die Regeln und die Disziplin des Yoga,

nicht Praktiken, nicht Bemühen,

aber du kannst das nicht sofort verstehen,

deshalb verwende ich Praktiken, Regeln, Anstrengungen des Sadhana,

als geschickte Methoden,

um dir zu helfen, die Weisheit zu erreichen,

das Transzendente, das jenseits all dessen ist.

Ich bin nicht die Askese, nicht der Verzicht, nicht die Verleugnung,

nicht das Nachgeben, nicht das Wünschen, nicht die Zuneigung,

aber als geschickte Methoden benutze ich dies alles,

um dich zur Erkenntnis dorthin zu führen, wo es das alles nicht gibt.

Ich bin nicht die Handlung, nicht der Handelnde,

nicht die Ergebnisse des Handelns, und nicht derjenige, der dies nutzt,

aber du begreifst dies nicht.

Also spiele ich vor, als würde ich etwas tun,

und Ergebnisse zu bekommen,

um dich dorthin zu führen,

wo es weder einen Handelnden noch Handlungen,

weder Früchte noch Konsequenzen gibt.

Du fragst, wo ich zu spielen, dieses Lila vorzuführen, gelernt habe?

Ich werde antworten:

Nicht ich spiele, sondern Bhagavan spielt durch diesen Körper,

Dieser Körper ist sein Vehikel, Medium und Herold,

seine Zunge, Augen, Arme und Beine.

Nur Bhagavan kann spielen.

Spielen ist sein Wesen,

das Ich als Person und der Verstand verschwinden.

Es gibt kein Ich, aber du verstehst das nicht sofort,

deshalb benutze ich das Wort „ich“,

und tue so als wäre ich auch eine Person,

um dir zu helfen, zu diesem Paradox,

dem Unerklärbaren, dem Höchsten zu kommen,

das jenseits des Ichs liegt.

Swami Vishnudevananda Giri

KINDHEIT ALS KOSMOS

Seit meiner Kindheit habe ich den Kosmos und alles, was damit zusammenhängt, geliebt. Meine Generation wuchs in den 70er und 80er Jahren mit ständigen Fernsehsendungen über den Start von Raumschiffen, internationalen Raumstationen und heldenhaften Kosmonauten und Astronauten auf, die den Weltraum erobern. Weltraum-Science-Fiction und Science-Fiction-Literatur über die Erforschung anderer Planeten waren ein beliebtes Thema unserer Gespräche auf dem Hof und in der Schule. Jules Verne, Alexander Belyaev, Isaac Asimov, Arkadi und Boris Strugatzki, Kir Bulytschоw, Ray Bradbury – diese Bücher haben eine ganze Generation meiner Altersgenossen geprägt. Die kommunistische Ideologie brachte trotz all ihrer Übertretungen den Geist des Fortschritts in den Menschen zum Ausdruck und förderte die aktive Erforschung des Weltraums.

In der Schule erzählte uns der Geschichtslehrer, dass in 20 Jahren der Kommunismus vollständig aufgebaut sein würde, dass bald Stützpunkte und Raumstationen auf dem Mond, dem Mars, der Venus und anderen Planeten errichtet würden und dass es eine dauerhafte Transportverbindung zwischen dem Mond und der Erde geben werde und wir als jüngere Generation uns darauf vorbereiten müssen.

Damals war niemand über solche Dinge überrascht, jeder sagte es, jeder glaubte es und hielt es für selbstverständlich. Andererseits habe ich selbst die Welt der Menschen und die irdische Realität immer als etwas sehr Kindisches empfunden, und als ich aufwuchs, wollte ich ernsthaft Kosmonaut werden, von der Erde wegfliegen, um andere Welten zu erkunden und den grenzenlosen Weltraum zu betrachten. Das Weltall mit seiner kosmischen Kälte, Unendlichkeit und Jenseitigkeit entsprach am besten meinem inneren Seelenzustand. Daher war die Wand über meinem Schreibtisch mit Porträts von Yuri Gagarin und anderen Kosmonauten, Fotografien des Sternenhimmels, des Mondes und anderer Planeten des Sonnensystems bedeckt.

Ich stellte auf Basis der Zeichnungen der Zeitschrift „Junger Techniker“ ein Teleskop her, um stundenlang den Himmel, den Mond und die Sterne zu beobachten. Ich betrachtete dies als meine Zukunft, weil ich spürte, dass die irdische Realität nichts für mich war. Sie kam mir langweilig, fade und bedeutungslos vor. Von den Filmen mochte ich nur Science Fiction, wo es um Kosmos, außerirdische Wesen und grenzenlosen Raum ging. Meine Freunde und ich diskutierten stundenlang darüber, wie wir zu anderen Planeten gelangen werden, wie wir das außerirdische Leben erforschen und möglicherweise gegen außerirdische Kreaturen kämpfen werden. Auf der Erde zu bleiben, wie ein kleiner Mensch zu leben, nach irdischem Glück zu suchen – diese Aussicht hat mich überhaupt nicht angezogen. Gleichzeitig begann ich, Fantasy-Geschichten zu schreiben und sie an die Zeitschriften wie den „Pfadfinder“ zu senden. Damals ahnte ich noch nicht, dass ich bald den endlosen Raum in mir selbst entdecken und wirklich ein echter Weltraumwanderer werden würde und dafür keine Flugschule, kein Trainingszentrum für Kosmonauten, keine Rakete oder Raumanzüge brauchen würde ...

Wie fing es mit dem Mystischen in meinem Leben an?

Es war 1973. Ich wurde sechs. Ich lebte in einer Wohnung eines fünfstöckigen Gebäudes am Ort meiner Geburt, der Stadt Lozovaya in der Nähe von Charkow. Es war keine besondere Stadt, aber sie hat mich damals sehr angezogen. Womit? Mit den lebhaften Gerüchen, dem Leben der einfachen Leute, mit einer Art kindlicher Naivität der Provinz. Mit dem großen Bahnhof, mit der Eisenbahn, der Brücke darüber, mit dem ständigen Hupen der Signalhörner der Züge und der Stimme des Zugansagers.

Ich war naiv und die Stadt war naiv mit mir.

Der Staub auf dem Bürgersteig nach dem Regen im Sommer roch großartig. Meine Mama liebte mich mit ganzer Seele. Und mein Vater fuhr mich gerne mit dem Fahrrad zum Kindergarten. Meine Oma, die Mutter meines Vaters, die ich sehr liebte, kam oft mit Geschenken aus einem zwanzig Kilometer von der Stadt entfernten Dorf zu uns. Fast alle unsere Verwandten lebten in dieser Stadt – meine Großtante, meine Tanten, Onkel, Paten, Cousins. Auch die Freunde meines Vaters, die ich nicht wirklich kannte, aber sie alle kannten mich gut, was mich damals wunderte. Mein Vater arbeitete in einer Druckerei, meine Mutter studierte Buchhaltung und arbeitete als Kranführerin.

Aus irgendeinem Grund waren wir zu dieser Zeit alle voller grundloser Freude und Begeisterung. Ich erinnere mich noch gut an den 31. Dezember 1973, weil ich an diesem Tag ohne Erlaubnis meiner Eltern zum ersten Mal einen Knaller unter dem Weihnachtsbaum abfeuerte und mir die Hand verbrannt habe. Mein Vater beschimpfte mich, obwohl ich bereits sehr verängstigt und enttäuscht war, aber die Situation wurde durch die Ankunft meines Onkels, des Bruders meiner Mutter, am Neujahrstisch geglättet. Er schenkte mir ein paar Anstecknadeln, die später Hooligan-Kinder im Kindergarten mir wegzunehmen versuchten. Ich erinnere mich, wie die ganze Familie nach dem Neujahrfest lange brauchte, um alle Dinge in großen gestreiften Stoffbeuteln zu sammeln und sich auf den Umzug vorzubereiten, und es hat mir sehr gefallen.

Der Frühling ist gekommen. Der lang erwartete Umzug fand statt. Meine Familie, das heißt mein Vater und meine Mutter, sind zusammen mit mir auf Anraten meiner Tante, der Cousine meines Vaters, von Charkow in die berühmte Stadt Sewastopol gezogen. Mein Vater sagte, dass wir hauptsächlich meinetwegen umgezogen sind, da er glaubte, ich müsse in einer anständigen und großen Stadt studieren und mich entwickeln, und meine Heimatstadt Lozovaya war seiner Meinung nach zu einfach und zu klein dafür. Ich mochte die neue Stadt, aber die Gegend selbst war nicht sehr gut. Es war ein altes Viertel mit Privathäusern und engen Gassen, fünf Kilometer vom Meer entfernt. Das Haus war alt, aber ich mochte es, weil es auf einem Hügel stand. Es gab mehrere Schuppen, und oben, im zweiten Stock, gab es einen großen Innenhof mit einem Weinberg und einem schönen Blick auf die Stadt von oben. Darüber hinaus begann mein Vater, mit Begeisterung das Haus umzubauen und zu renovieren. Er plante, den Weinberg zu erweitern und eigenen Wein herzustellen. Mein Vater stellte für mich ein Reck in den Hof und hängte einen Boxsack daran, damit ich sportlich aufwachsen konnte.

Mein Vater trat in eine Militäreinheit ein, um als Michman (Stabsbootsmann) an der Basis von Torpedobooten als Leiter eines Chemielagers zu dienen. Beim ersten Mal war ich überrascht, ihn in einer Militäruniform zu sehen. Die Mutter bekam einen Job in einer Radiofabrik. Ich lernte schnell die einheimischen Kinder kennen. Wir hatten unsere Lieblingsplätze zum Spielen – Wiesen zwischen Bäumen. In einer Lichtung befand sich ein großer Felsbrocken. Wir spielten Fußball und andere Spiele wie auch Wettkampfspiele für Abzeichen, Münzen und Bonbonpapier. Nach einer Weile wurde ich eine Art Kommandeur, da ich ständig etwas erfand. Manchmal saß ich nach den Spielen auf dem großen Stein auf unserer Wiese und die Kinder setzten sich neben mich. Als ich auf dem Stein saß, erzählte ich ihnen völlig unerwartet vom Weltraum, von anderen Welten, dem Universum, der Unendlichkeit in uns, dass unsere Welt sehr begrenzt ist und dass es andere Welten gibt und dass alle Menschen bedeutungslos leben, da sie nicht danach streben, diese innere Unendlichkeit zu verstehen. Ich forderte sie auf, über die Unendlichkeit nachzudenken, obwohl es so schien, als hätte ich selbst mit meinen Gedanken nicht wirklich verstanden, wovon ich sprach. Ich fühlte es nur in mir und dachte nicht darüber nach.

Zu anderen Zeiten nahm ich eine große Nadel oder einen Dorn, durchbohrte meine Hand und sagte: „Seht ihr, es tut mir nicht weh, weil ich ein Yogi bin.“ Die Kinder hörten, wie man sagt, mit offenem Mund zu. Ich selbst habe nicht wirklich darüber nachgedacht, warum ich das alles sage. Es passierte alles ganz natürlich, von selbst. Niemand in unserer Familie hat jemals über Yogis oder andere Welten und die Unendlichkeit gesprochen.

Eines Tages saß ich nach einem Spiel am Rand der Lichtung und entspannte mich. Plötzlich öffnete sich mein Geist, als würde ich mich an etwas Vergessenes erinnern. Ich fühlte eine außergewöhnliche Einheit mit dem gesamten Universum und der Glückseligkeit, die in mir floss. Für eine Weile wurde ich die Lichtung, die Büsche, die Kinder, der Weg, die Häuser und alles, was ich sehen konnte. Es war so ungewöhnlich, dass ich erstarrte und Angst hatte, mich zu bewegen. Meine Freunde riefen mich zum Spielen, aber ich musste alleine bleiben, um diese Erfahrung nicht zu verlieren. Ich sagte, ich müsse nach Hause und ging in mein Zimmer. Die Eltern waren nicht zu Hause. Ich holte den Schlüssel aus dem Versteck hinter der Tür, trat ein und ging die Treppe hinunter. Der Zustand verschwand nicht, im Gegenteil, er vertiefte sich. Ohne ihn zu verlieren, spazierte ich im Hof herum und ging unter die Markise. Plötzlich erlebte ich mein Ich-Gefühl als etwas so Gigantisches, Globales, Unverständliches, Ewiges und Endloses, dass es mir den Atem raubte und in meinen Ohren hörte ich etwas wie ein Klingeln oder ein Pfeifen.

Ich erstarrte und stellte mir die Frage: Was ist das Ich? Ich konzentrierte mich stark auf mein Ich und war mir einige Zeit sehr genau und deutlich bewusst: „Ich.“ „Das bin Ich.” „Ich bin!”

Als ich in diesem „Ich bin”-Moment war, sah ich seine allumfassende, alles durchdringende Subtilität, und als ich sie sah, trat ich sofort tiefer in sie ein. Ich spürte, wie sich diese Subtilität in mir ausdehnte und immer mehr Raum einnahm. Diese Ausdehnung hörte für weitere fünfzehn Minuten nicht auf. Sie rief Freude und Ehrfurcht hervor. Ich hatte keine Angst, sondern blieb einfach darin und genoss das Ungewohnte. Es kam mir sehr bekannt und wertvoll vor. Es schien, als hätte ich einfach vergessen, was ich immer wusste, und jetzt würde ich mich wieder erinnern.

Seit diesem Moment sind achtunddreißig Jahre vergangen, aber ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen. Dieses „Ich bin” hat sich überhaupt nicht verändert, ist nicht verschwunden, nur ist es viel flexibler, kraftvoller und tiefer geworden.

Diese Erinnerung eröffnete eine völlig neue Phase in meinem Leben. Ich fing an die Spiele andere Kinder und das Erwachsenenleben mit seinen Problemen und Werten von der Seite, von außen zu betrachten. Danach konnte ich nicht mehr derselbe bleiben. Nach dieser Erfahrung bin ich schnell, sehr schnell gereift. Alles, was sich zuvor in meinem kindlichen Geist angesammelt hatte, wurde befreit und für dieses neue und große Ich verlassen. Dieses Ich war die Essenz des gesamten Göttlichen im Universum. So fühlte ich mich. Von diesem Moment an, wo immer ich war, stand dieses „Ich bin” wie ein majestätischer Raum zwischen mir und der Welt und ging nirgendwo hin. Es gab allmählich, sanft und unauffällig die Richtung meines Lebens vor und drang in jede Ecke davon ein. Es begann mich sanft, aber streng und tapfer durch das Leben zu führen und trennte mich von all dem auf der Welt, was es nicht war. Es verstärkte sich jedes Mal, wenn mein Geist wieder mit Gedanken oder äußeren Dingen spielen wollte. Nichts konnte mich seitdem fesseln, da dieses „Ich bin” immer zwischen mir und jeder Erfahrung gestanden hat und ihre illusorische Natur aufzeigte. Ich bekam sozusagen meinen Prüfstein, mit dem ich jedes Gefühl, jedes Ereignis untersuchen konnte. Dies machte mich zu einem distanzierten Beobachter des Lebens. Anstatt das Leben zu erleben, fühlte ich mich wie jemand, der es beobachtet.

Es gab jedoch eine Frage, die mich noch einige Zeit beschäftigte: „Wie kann ich mit diesem neuen Zustand im Körper eines Kindes leben?“ Wie gehe ich zur Schule, lerne, benehme mich gegenüber meinen Eltern, mit diesem Etwas, das sich fest in mir niedergelassen hat? Immerhin war ich noch sehr jung, und was sich in mir herauskristallisierte, war viel mehr als meine Eltern, meine Schule, meine Freunde und überhaupt als die ganze Welt! Aufgrund der Leichtigkeit meines Charakters löste ich diese Frage intuitiv für mich ganz einfach: Ich begann, dieses Etwas immer und überall zu verbergen, so gut ich konnte. Um es geheim zu halten, habe ich gelernt, bei Bedarf fleißig verschiedene Rollen zu spielen – die eines guten Sohnes, eines idealen Grundschülers und dann eines Jung-Pioniers, eines Freundes, Sportlers usw. All dies schien mir ein lustiges geheimes Spiel zu sein, ähnlich dem Spiel der Spione, und ich liebte es zu spielen, ich liebte es sehr. Das Spiel, das geheim gehalten wurde, wurde schließlich für mich zur Hauptlinie in meinem Leben. Seitdem hatte ich gewissermaßen aufgehört, als Kind zu leben, und begann freudig und irgendwie überhaupt nicht mehr kindisch zu spielen. Das Spielen für andere begann mein Leben reibungslos zu füllen.

Ich war spontan von unglaublichem Glück erfüllt, das nie und nirgendwo verschwand. Mein Geist wurde sehr klar und nicht auf kindliche Art stark, mein Charakter veränderte sich auch, ich wurde fröhlich, flexibel, leer, distanziert und sehr unabhängig. Für mich waren Erwachsene als Autorität verschwunden.

Meine Energie veränderte sich ebenfalls – sie stieg oft stark nach oben und verursachte Hitze im Körper. Meine Eltern bemerkten dies, als ich manchmal zuckte und zitterte. Sie machten sich sogar Sorgen, weil sie dachten, ich hätte eine Störung, und brachten mich zu einem Arzt. Der Arzt machte die Instabilität in der Kindheit für alles verantwortlich und empfahl, ein Kiefernbad zu nehmen, den Körper mit Wasser zu therapieren und mit einem groben Handtuch abzureiben. Meine liebevolle und fürsorgliche Mutter hat mehrere Jahre lang (!) – vom siebten bis zehnten Lebensjahr – alle diese Verfahren und Empfehlungen für mich sorgfältig befolgt. Aber ich war absolut normal! Ich war übernormal. Ich spielte, manchmal amüsierte ich mich damit, dass ich beim Fußball und anderen Spielen den anderen Kindern absichtlich, aber unauffällig verlor. Ich habe Spielzeug mit ihnen getauscht, nicht zu meinen Gunsten, sondern um sie fröhlicher zu machen. Es war mir egal, ich war glücklich und blieb unerschütterlich im „Ich bin”-Raum. Jedoch spürte ich, dass um mich herum andere „Ich-bin-Wesen” waren, die eins mit mir waren. Und diese anderen Ichs wünschten sich etwas, wollten etwas, strebten danach, etwas zu bekommen. Ich dachte: „Warum sollte man ihnen nicht ein wenig davon geben, wenn wir alle eins sind?“ Aber ich hörte auf, auf den Felsbrocken zu klettern und den Kindern von der Unendlichkeit zu erzählen. Das neue Bewusstsein, das sich in mir öffnete, war zu unaussprechlich, transzendent und großartig. Es waren nicht mehr die Kinder, die von ihm hören mussten, sondern Erwachsene mit gesenktem Kopf, im Glauben, in der Ehrfurcht und in der Stille. Oder sie sollten davon gar nicht hören. Ich entschied mich dafür, ein gewöhnliches, spielendes Kind zu bleiben, das weise war. Ich denke, wäre ich jetzt, in unserer Zeit, ein Kind, würde man mich ein Indigokind nennen. Aber zu dieser Zeit, der Sowjetzeit, waren die Bezeichnungen für alle Kinder bereits vorbestimmt ...

Als ich, schon als Erwachsener, das Buch „Sei, was du bist“ von Bhagavan Sri Ramana Maharshi las, war ich verwundert und begeistert darüber, auch über die darin enthaltene Biographie von Sri Ramana. Das Buch beschrieb genau, was mir im Alter von sechs Jahren passiert war, wenn auch vielleicht nicht so radikal wie bei Sri Ramana. Aber es beschrieb nicht nur dieselbe Erfahrung, sondern verwies auf die gesamte traditionelle Philosophie und Methodik von Advaita, die sich um diese Erfahrung herum entwickelt hatte. Daher war es für mich keine Frage, Advaita als Lehre zu wählen oder nicht. Advaita hatte mich, ohne zu fragen, schon längst erwählt, selbst als Kind. Also hatte ich dabei nichts zu entscheiden.

DIE GLÜCKSELIGKEIT DES LEBENS UND DIE GROßE MUTTER

Es war 1975. Ich wurde acht Jahre alt. Ich war in der zweiten Klasse der Schule Nr. 5. Auf Anraten meines Vaters hatte ich mich im Stadion „Möwe” in die Sambo-Judo-Gruppe des Meistertrainers Viktor Tikhonovich Belozerov angemeldet. In der Schule habe ich nur die Noten „gut“ und „ausgezeichnet“ bekommen, aber mein Verhalten war nicht sehr gut. Meine unbändige Energie führte zu ständigen Streichen und natürlich zu Einträgen in mein Tagebuch, die ich zusammen mit meinem Freund Kolya durch verschiedene geschickte Methoden gekonnt eliminierte. Streitigkeiten mit meinen Eltern waren für mich sinnlos. Er und ich hatten unseren eigenen besonderen geheimen Platz – eine Mulde und einen Busch auf einem Hügel auf dem Weg von der Schule nach Hause. Dort vergruben wir die aus den Tagebüchern gerissenen Seiten, die mit der roten Tinte der Lehrer bedeckt waren. Es gab Dutzende dieser Seiten! Die Lehrer und Eltern wussten wahrscheinlich nicht einmal davon, aber es war alles so einfach: Man kauft ein neues leeres Tagebuch, reißt alte Seiten heraus, löst die Büroklammern, fügt neue Seiten ein, schreibt den Stundenplan neu, legt alte Daten fest – und alles ist sauber! Kinder sind viel schlauer als Erwachsene, besonders wenn diese Kinder meditieren ...

Mein Geist war innerlich ruhig, aber meine enorme Energie suchte nach einem Ventil. Ich versuchte, im Schuppen meines Vaters selbst ein Flugzeug zu bauen, ignorierte alle Verbote und stieg immer wieder in die Schächte, Luftschutzbunker und unterirdische Gänge, die sich neben dem Haus befanden, plante eine Polarexpedition mit Hundeschlitten zum Nordpol, um nach Spuren des berühmten Polarforschers Roald Amundsen zu suchen. Ich ermutigte die Kinder, ein echtes Boot aus einem benachbarten Kindergarten an Gurten zu ziehen, es im Meer zu Wasser zu bringen, zu reparieren, mit Rudern und Waffen (Flaschen an Katapultgurten) auszurüsten und wie echte Piraten aufs Meer hinauszufahren, Schiffe anzugreifen, um sich ihre Schätze anzueignen und in einer Höhle zu verstecken (was wären Piraten ohne Schätze in Höhlen?). Die Jungs und ich wollten auf das Gelände der bewachten Radiofabrik gelangen, um ein Metallgehäuse und Teile zu bekommen und daraus einen riesigen Flugroboter mit Raketen in der Brust zusammenzubauen, wie bei dem Giga-Roboter aus dem damals kultigen japanischen Zeichentrickfilm „Ghost Ship“.

Meine Eltern mussten sich ständig über meine sprudelnde, überfließende Fantasie wundern.

Ich war auch gierig nach dem Lesen. Ich las unersättlich alle Bücher, die es in der Bezirks-Kinderbibliothek gab. Manchmal konnte ich an einem Abend ein Buch mit sechshundert Seiten durchlesen. Nach einem derartigen Lesen intensivierten sich meine Erfahrungen mit Meditation und Samadhi sofort, wenn ich mich danach irgendwo hinsetzte oder hinlegte.

Gerade deshalb las ich gerne Bücher. Die Bibliothekare bezeichneten mich als das am meisten lesende Kind in dem Bezirk und ich erhielt oft Preise von ihnen als bester Leser. Sie organisierten sogar so etwas wie Ausstellungen (Präsentationen, wie man heute sagen würde), an denen ich teilgenommen habe, bei denen ich im Unterricht mit Kindern sprach und über die Bücher erzählte, die ich gelesen hatte. Ich erinnere mich, wie ich über eine Reihe wundervoller Kinderbücher von Alexander Wolkow wie „Der Zauberer der Smaragdstadt“ und „Urfin Deuce und seine hölzernen Soldaten“ berichtete.