Lebensglück und Lebensqual - Siegfried Binder - E-Book

Lebensglück und Lebensqual E-Book

Siegfried Binder

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  • Herausgeber: TWENTYSIX
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Max ist das Kind des Bäckermeisters Wendel. Seine Mutter stirbt, als er drei Jahre alt ist. Sein Vater heiratet erneut, Max hasst sie, was auf Gegenseitigkeit beruht. Er wird pervers. Eine Polizistin erlöst ihn von seiner Abartigkeit. Sie und ihre gemeinsame Tochter sterben auf tragische Weise. Er verzweifelt, wird Vagabund, sucht die Wahrheit und findet sie im Daseinssinn des Lebens.

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Seitenzahl: 60

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Inhaltsverzeichnis

Lebensglück und Lebensqual

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Lebensglück und Lebensqual

Er war ein erwünschtes Kind. Er wurde im Juli 1970 geboren. Verwandte und Bekannte begrüßten ihn freudig und bewunderten ihn. Sie schwadronierten. Er hat die Haare seiner Mutter und die Augen seines Vaters, die kleine Nase von der Oma und den schmollenden Mund vom Opa. Die Eltern waren hocherfreut und gaben ihm den Namen Max. Er litt darunter sein Leben lang, denn er wollte nicht zu den Großen der Weltgeschichte und nicht zu den Witzfiguren von Wilhelm Busch zählen. Als Kleinkind entwickelte er sich zeit- und normgerecht. Er lernte das Sehen, das Erkennen, das Greifen, das Stehen, das Laufen und das Sprechen. Wenn er Hunger hatte, weinte er, wenn er sich wohl fühlte, plapperte er vor sich hin. Seine Notdurft verrichtete er als Baby in den Windeln, danach auf dem Töpfchen. Seine Eltern glaubten, es sei eine Liebesgabe, er war sich dessen nicht bewusst. Seine Mutter verstarb an Lungenkrebs, als er drei Jahre alt war. Max vermisste ihre Liebe und Fürsorge und wurde ein schwieriges Kind. Er hatte Schlafstörungen, er weinte oft, stotterte zeitweise und nässte ein. Sein Vater, Herr Alois Wendel, war von Beruf Bäckermeister. Er sprach mit niemanden über den Tod seiner Frau. Wenn die Rede darauf kam, wendete er sich ab und verließ die Fragenden, um seine Rührung nicht zu zeigen. Er hatte ein weiches Herz und hatte seine Frau über alles geliebt. In seinem Wesen war er freundlich, offen und hilfreich. Er genoss hohes Ansehen in der Kleinstadt und vertrat die Interessen seiner Gilde im Stadtrat. Der Tod seiner Frau veränderte auch ihn. Er wurde still, nachdenklich und zurückhaltend, nahm an keinen Freudenfeiern teil oder sagte sie ab. Sein Arbeitsrhythmus veränderte sich nicht. Er stand frühmorgens um zwei Uhr auf, fuhr mit dem Fahrrad in sein Geschäft, frühstückte dort und kam gegen Mittag nach Hause. Nach dem Mittagessen legte er sich schlafen, stand nach einer Stunde auf und ging in seinen Garten. Sein Hobby war die Rosenzucht und er war sehr stolz darauf, dass er von höchster Stelle für seine neuen, gezüchteten Farbkombinationen Urkunden und Auszeichnungen erhalten hatte. Er liebte Max, spielte und schmuste mit ihm oft und sah ihn als Vermächtnis der Verstorbenen an. Er las ihm Märchen vor und achtete darauf, dass sie erzieherische Intentionen hatten. Er überlegte, welche Selbstbestätigung findet Hans im Glück mit seinen Geschenken, wie tief muss man fallen, wenn man wie die Frau des Fischers gierig ist oder wie sich die Hässlichkeit in Überlegenheit verwandelt im „Das hässliche Entlein.“

Nach einem Jahr des Todes seiner Frau gab Herr Wendel eine Annonce in der Stadtzeitung auf, in der er eine Hauswirtschafterin suchte, die sein Haus in Ordnung halten und die Erziehung von Max überwachen sollte. Es meldeten sich einige Frauen, er entschied sich für Hiltrud Becker. Sie war geschieden, hatte eine Tochter namens Janet und war sechzehn Jahre jünger als er. Er ehelichte sie nach einem halben Jahr nicht aus Liebe, sondern weil sie zuverlässig, ordentlich und sparsam war. Sie zog allerdings ihre Tochter vor, Max war der Sündenbock. Sie hatte an ihm dauernd etwas auszusetzen. Max sprach sie allerdings nicht mit Mama an, obwohl sie dies von ihm forderte. Er nannte sie Hiltrud und sie war darüber tief gekränkt. Wenn Janet klagte, er spiele nicht mit ihr, werfe den Tennisball absichtlich gegen ihren Kopf, helfe ihr nicht bei den Schularbeiten, nehme sie nicht in Schutz vor anderen Jungen, er gehe nicht mit ihr zur Schule, dann schimpfte sie Max aus und gab ihm sogar Ohrfeigen. An einem Waschtag stieß Max versehentlich einen Eimer mit Wasser um. Das Wasser ergoss sich über den Flur. Hiltrud ergriff ihn und tauchte seinen Kopf in einen Bottich mit Wasser. Er bekam keine Luft und glaubte, sie wolle ihn ersticken. Sie tauchte ihn immer wieder, er zappelte, trat mit seinen Beinen an ihre Schienbeine, riss den Bottich von seinem Ständer und konnte sich so befreien. Sie schrie, er hat mich getreten und schlug mit einem Schrubber auf ihn ein. Er konnte fliehen.

Max war zwölf Jahre alt, als Janet ihn beschuldigte, er habe ihren Schal aus Seide gestohlen und die Pralinen gegessen, die sie zu ihrem Geburtstag von ihren Vater geschenkt bekommen habe. Sie klagte ihrer Mutter das angetane Unrecht, die Stiefmutter stürmte in das Zimmer von Max. Er lag schon zu Bett. Sie riss die Bettdecke fort und schlug mit einem Holzlöffel auf ihn ein. Sie war außer sich und brüllte:

„Lass die Janet in Ruhe, sie hat dir nichts getan. Was ist mit dir bloß los? Erziehe ich hier einen Verbrecher? Ich werde aus Dir einen anständigen Bürger machen.“

Es gelang ihm, die Stiefmutter abzulenken, entwischte ihr und sprang aus dem Fenster. Er hetzte in blinder Angst aus dem Haus, durch den Garten, über Wiesen und Äcker hin zur Eder. Ihm rumorte es im Kopf, ich will nicht mehr leben, sie soll an meinem Grab überlegen, was sie mir angetan hat. Er war von diesem Gedanken besetzt und erschüttert und malte ihn in allen Facetten aus.

In der Nacht hatte es leichten Frost gegeben. Das Wasser des kleinen Flusses war mit einer dünnen Eisschicht bedeckt. Er sprang vom Ufer aus in die Mitte des Flusses, die Eisdecke des Flusses brach krachend auseinander und er versank im Wasser. Er konnte zwar schwimmen, das Wasser war aber eiseskalt. Die Kälte umspülte ihn und in wenigen Sekunden verschlug es ihm den Atem und bereitete ihm schreckliche Schmerzen. Er konnte sich nicht mehr bewegen, war steif und starr. Max schrie laut um Hilfe, es war nur ein hilfloses Krächzen und keiner hörte ihn. Seine Sinne schwanden. In Erinnerung blieb ihm nur noch, wie seine leibliche Mutter auf ihn zu schwamm, ihn in die Arme nahm, ihn küsste und wiegte. Sie liebkoste ihn, wie er sich das früher vorgestellt hatte, wenn er ihre Fotos ansah und er sich in Träumereien verlor. Sie flüsterte ihm ins Ohr:

„Hier ist es friedlich und schön, komm zu mir.“

Er fühlte sich an ihrem Körper sanft aufgehoben und wollte in Ewigkeit so verweilen. In dieser Verzückung schlug er schlug die Augen auf, um die Ewigkeit zu erkunden. Er blickte in ein freundliches Angesicht, das ihn anlächelte. Das Gesicht sprach zu ihm im warmen Tonfall:

„Na du kleiner Ausreißer, wir haben dich wieder. Wirst du nochmals ausreißen?“ Es war eine Krankenschwester. Er konnte nur murmeln: „Es ist alles in Ordnung.“

Und schlief wieder ein. Nach Stunden kam er wieder zu sich, rätselte, habe ich meine Mutter gehört, war es die Fantasie oder die Wirklichkeit? Er zweifelte an seinem Verstand, schaute sich um, orientierte sich und erkannte, dass er in einem Krankenhaus lag. Vater und Stiefmutter saßen vor seinem Bett. Hiltruds erste Worte waren:

„Du machst uns nur Sorgen und Kummer. Wir wollen hoffen, dass Du Dich besserst. Du bist und bleibst ein Taugenichts!“

Max schwieg, um sich und seine Lage über die Hintergründe des Geschehens nicht noch zu verschlechtern.