Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Drei Menschen, deren Lebenswege sich kreuzen, gehen fehl in der Liebe, scheitern im Leben, verlieren sich im Hass und machen sich und ihre Umwelt zu Opfern. Ihre Geschichte bietet dennoch eine Lösung für Liebeskonflikte an.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 118
Veröffentlichungsjahr: 2019
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Die Handlung dieser Erzählung sowie die davorkommenden Personen sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Begebenheiten und tatsächlich lebenden oder bereits verstorbenen Personen wären rein zufällig.
Prolog
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Es ist schwierig, die Geschichte von Verbrechen nachzuzeichnen. In der Stille, Abgeschiedenheit und Vertrautheit wird dem Psychologen oft Vergangenes berichtet, gebeichtet und mit ihm besprochen, das ein Verbrechen zum Inhalt hat und beim Therapeuten häufig Abwehr, negative Affekte und Widerwillen evoziert. Doch der Verbrecher ist ein Mensch mit einem Schicksal, mit Konflikten, mit Gefühlen. Was er erzählt, ist keine weltfremde Konstruktion und keine Fiktion, sondern existentielle Realität. In der schönen Literatur ist das Versagen, die Unvollkommenheit, das Fehlverhalten und das Verbrechen das meistbehandelte Thema, weil darin die Schwäche und die Anfälligkeit des Menschen für das Böse und den Irrtum am schärfsten sichtbar werden. Es ist üblich, dem Leser diese Geschichten als spannendes Ratespiel, als Täterjagd, als Erotik oder als Opfermythos anzubieten, um entsprechende Bedürfnisse zu befriedigen. Sie folgen einem Klischee und sind bald vergessen. Lesen bedeutet mehr, nämlich mit zu fühlen und zu verstehen, befördert die Lust zum Nachdenken und zur Innenschau, heißt, die Irrationalität und Absurdität unseres Daseins zu begreifen.
Die Parteilichkeit und Wertegebundenheit des Autors geht dabei verloren. Die Gefühlswelt seiner Protagonisten wird von ihm seziert und der Leser erfährt nicht, wie sehr er bei der Wiedergabe scheinbar unmenschlicher oder menschlicher Handlungen selbst emotional beteiligt war. Die vorliegende Erzählung beruht auf wahren Begebenheiten und ist in Teilen drastisch, roh und grausam.
Von daher bedrückend, sie intellektuell und emotional anzunehmen und zu verstehen.
Es war an einem Sonntag im Oktober des Jahres 1976, als sich Bernd entschloss, mit seiner Mutter ein Winzerfest in Königswinter aufzusuchen. Er wollte seiner Mutter eine Freude bereiten. Nicht aus Liebe zu ihr, sondern aus dem Bedürfnis heraus, von ihr dafür geliebt zu werden. Seit früher Kindheit an buhlte er darum, von ihr Gesten der innigen Verbundenheit zu erhalten. Er wohnte im Hause seiner Tante, die in Königswinter sesshaft war und nichts dagegen hatte, dass ihre Schwester einige Tage zu Besuch gekommen war. Die Mutter von Bernd war krank, sein Vater war bereits verstorben. Beim Frühstück bat Bernd freundlich und beschwörend:
„Mama, wir gehen heute Abend zusammen zu einem Winzerfest, es wird Dir gefallen.“
Die Angesprochene tat erschrocken:
„Mein Kind, das ist nichts für mich. Ich bin zu alt dafür. Geh‘ allein oder mit Tante Gretel und vergnügt Euch.“
„Nein Mama, man ist nie zu alt für die Freuden des Lebens. Du würdest mir einen großen Gefallen erweisen.“
„Mein Junge, was würde wohl Papa sagen. Es wäre ihm bestimmt nicht recht.“
„Ganz im Gegenteil, er hört uns zu und schüttelt mit dem Kopf über Dich.
Er mochte das Vergnügen.“
„Was werden wohl die Leute sagen, wir haben Papa erst vor 11 Monaten beerdigt.“
„Was sollen sie schon sagen. In Schleswig kennen Deine Bekannten keine Winzerfeste. Erzähle ihnen, das seien eine Art Erntedankfeste.“
Rede und Widerrede zogen sich eine Weile hin, dann gab sich Frau H. geschlagen.
„Aber nur bis zehn Uhr, dann gehen wir nach Hause.“
Im Festsaal herrschte großer Trubel. Die Weinkönigin gab sich die Ehre, eine Band spielte auf, ein Showmaster unterhielt die Gesellschaft. Zu später Stunde wurde getanzt und gesungen. Man trank die Weine der Region und speiste, was die Küche anbot.
Bernd und seiner Mutter wurde ein Tisch zugewiesen, an dem bereits eine ältere Dame und ein junges Mädchen saßen. Man stellte sich vor, kam ins Gespräch und fand sich nach einiger Zeit sympathisch. Frau M. begleitete ihre Tochter Steffi. Sie wollte ihre 18jährige Tochter im Auge behalten und nicht den weltlichen Gefahren aussetzen. Anfangs beobachtete Bernd das junge Mädchen misstrauisch. Er war darauf gefasst, bei ihr einen Ausdruck von Bosheit oder Verschlagenheit auf ihrem Gesicht zu entdecken. Aber sie zeigte davon nichts, war immer freundlich und unbekümmert ihm gegenüber. Sie ging öfter zur Tanzdiele, bewegte sich dort solo anmutig und graziös, klatschte in die Hände und sang ungezwungen die aufgespielten Schlager mit. Bernd gefiel, wie sie sich den Freuden der Situation hingab. Es bestärkte ihn in dem Gefühl, dass sie unkompliziert ist. Am Tisch tauschte man allgemeine Informationen aus und tratschte über dies und jenes. Bernd plauderte aus, dass er Krankenpfleger und 46 Jahre alt sei und sich zu einer Fortbildung in Königswinter befinde. Steffi fand alles spaßig, kicherte und lachte und erzählte frei und offen von sich. Sie sei Schwesterschülerin und werde in einem Essener Krankenhaus ausgebildet. Das wiederum belustigte Bernd ungemein:
„Es ist nicht zu glauben. Sie leben in Essen, dieser schmutzigen Kohlestadt. Ein Wunder, dass Sie blonde Haare haben und weiße Haut und nicht schwarz sind.“
Es war nicht der Wein, der ihn zu dieser Äußerung veranlasste. Denn gleich darauf bekannte er:
„Und ich wohne in Gelsenkirchen. Es ist die schmutzigste Stadt des Ruhrgebiets. Dort arbeite ich im Marien-Krankenhaus. Wir teilen uns also das gleiche Schicksal.“
Da fühlten sich die beiden sehr nahe und der Abend verlief in heiterer Stimmung. Man trank auf Brüderschaft, Bernd tanzte reihum mit den Damen. Wenn er zur Tanzfläche ging, stolzierte er wie ein Kranich, steif und ungelenk wie ein Kranich. Steffi musste ihn jedes Mal zum Tanzen auffordern, schmiegte sich beim Tanz an ihn und lebte ihr Temperament ungestüm und bewegungsfroh aus. Gegen 23 Uhr bestand die Mutter von Bernd darauf, das Fest zu verlassen. Die vereinbarte Zeit sei gekommen. Bernd willigte ein und zögerte den Abschied noch einige Minuten hinaus. Steffi bat um die Telefonnummer von Bernd, dann verabschiedete man sich mit dem Versprechen, voneinander zu hören. Steffi war eine vitale Frohnatur. Sie lachte gern, hatte viele Freunde, zeigte sich jeder man gegenüber aufgeschlossen und hatte nichts gegen flüchtige Intimbeziehungen einzuwenden. Sie bewohnte in Essen eine kleine Wohnung und hielt an ihrem selbstgesteckten Lebensziel fest. Sie wollte Krankenschwester werden, später heiraten und zwei Kinder bekommen. Bis zur Erfüllung ihres Traumes genoss sie das Leben. Nahm die Gegebenheiten als selbstverständlich hin, freute sich über jede Kleinigkeit und ließ sich von Versagungen und Enttäuschungen nicht tiefer beeindrucken. Sie dachte nicht über sich nach, machte sich keine Gedanken über den Sinn des Lebens und forschte nicht nach Ursachen, Bedingungen und schicksalhaften Zusammenhängen.
Sie meinte, es gebe eine höhere Macht, die unser Leben bestimme, hielt aber alle Religionen für überholt und überflüssig. Im Umgang mit Patienten war sie freundlich und hilfsbereit, ihre Vorgesetzten bescheinigten ihr Fleiß, Verlässlichkeit und Pflichtbewusstsein. Man konnte ihr nichts Böses nachsagen. Ihrem schlichten Gemüt und ihrer Bereitschaft, jedem dienstbar zu sein, verdankte sie einen breiten Freundeskreis, in dem sie Anerkennung fand. In ihrer Gegenwart fand Trübsal keinen Platz, Frohsinn und Lebenslust blühten durch sie auf wie unter wärmenden Sonnenstrahlen.
Zwei Monate nach dem Weinfest in Königswinter fiel ihr nach Dienstschluss der Zettel mit der Telefonnummer von Bernd zufällig in die Hände. Sie überlegte nicht lange und wählte die Nummer. Bernd meldete sich.
„Ja, wer ist dort?“
Sie war verwundert. Er meldete sich nicht mit Namen. Sie gab sich zu erkennen.
„Hier ist Steffi. Kannst Du Dich noch an mich erinnern?“
„Nein, kann ich nicht.“
„Wir waren zusammen auf dem Winzerfest in Königswinter. Klickt es jetzt bei Dir?“
„Ja, natürlich, die Schwesternschülerin.
Wie geht es Dir?“
„Gut. In sechs Monaten lege ich das Examen als Krankenpflegerin ab. Ich lerne fleißig. Und denke manchmal an das schöne Winzerfest zurück. Und wie geht es Dir?“
„Ich habe Ärger mit unserem Verwaltungschef und mit meinen Kollegen. Ich werde gemobbt, aber ich halte durch. Mir kann das Leben nichts mehr anhaben. Ich ärgere mich und schlage zurück.“
„Das ist gut so. Lass Dir nichts gefallen. Im Leben muss man kämpfen, sonst geht man unter. Wie wäre es, wenn wir uns am Samstag in Essen treffen? Von Gelsenkirchen nach Essen ist es ja nur ein Katzensprung. Oder hast Du schon etwas anderes vor?“
„Nein, habe ich nicht.“
„Prima, treffen wir uns um 15 Uhr auf dem Bahnsteig der S-Bahn?“
„Und was dann?“
„Weiß ich nicht. Es wird uns schon etwas einfallen.“
Bernd versuchte sich an Steffi zu erinnern. Er hatte sie beim Winzerfest getroffen. Ihr offenes Wesen hatte ihn angezogen. Sie hatte einen knabenhaften Körper und sehr jugendliches Gebaren. Er wusste noch, dass er zugestimmt hatte, sich mit ihr zu treffen. Da er aber bereits zu den Gealterten zählte, sie zu den Heranwachsenden und von daher ein Verhältnis nicht in Frage kam, hatte er sein Versprechen schnell vergessen. Darüber hinaus belasteten ihn seine bisherigen Erfahrungen mit Frauen. Sie hatten seine Zuneigung ins Lächerliche gezogen und ihn früher oder später verlassen. Nun trat ein junger Mensch auf ihn zu, den Alternden, brachte sich selber dar, überraschte ihn und machte ihn stolz. Er entschloss sich, die Verabredung einzuhalten.
Wie vereinbart trafen sich Steffi und Bernd am Hauptbahnhof Essen, schlenderten durch die Einkaufsstraßen der Altstadt, unterhielten sich in einem Café in der Limbecker Straße und sahen sich den neuesten Film im CinemaxX an. Es war ein auffälliges Paar. Er hatte eine Körpergröße von 188 cm, sie von 161 cm. Er war fast 25 Jahre älter als sie und hatte bereits ergraute Haare, sie hatte eine schlanke, kaum weiblich geformte Figur. Man hätte sie als Vater und Tochter halten können. Sie gingen Hand in Hand spazieren und keiner von ihnen hätte sagen können, wie es zu dieser Vertrautheit gekommen war. Es war kurz vor Mitternacht, als sie den Filmpalast verließen, angeregt von der Erotik des Films. Der dunkle Bezirk des Menschen war bei ihnen angefacht und sie schritten wie selbstverständlich zu ihrer Wohnung. Sie himmelte ihn an und fand alles, was er sagte, cool. Ihr gefiel dieser gesetzte Mann. Vor drei Jahren kannte sie einen gleichaltrigen Jüngling, dessen Jungenhaftigkeit ihr sehr anstrengend gewesen war. Zwischen ihnen gab es dauernd Streitgespräche und sie mochte nicht, dass er sie immer nur sehr kurz, wenn auch heftig, liebte. Jetzt war ihr Gesicht errötet von Wollust, ihr Körper signalisierte Begehren und sie schmolz mit jedem Schritt dahin wie der Schnee im warmen Regen. Sie suchte den Körperkontakt zu ihm und schaute mit verliebten Augen zu ihm auf. Das Pärchen erreichte das Wohnhaus, betraten ihr Reich und kamen durch einen kleinen Flur in das Wohnzimmer. Liebliche Bildchen, viele Nippes, verschnörkelte Möbel, Deckchen und zwei Vasen mit Mohn und Rosen, die einen Reigen miteinander zu vollführen schienen, zierten es. Ein Leuchter brannte und tauchte das Zimmer in dämmriges Licht. Sie schenkte ihm etwas Alkoholisches ein. Er wehrte ab, fühlte sich beklommen und wiederholte mehrmals, er dürfe seinen Zug nicht verpassen. Auch habe er tagsüber nur wenig gegessen und vertrage Alkohol nur schwer. Sie bereitete ihm zwei Wurstbrote zu. Während er aß, verschwand sie hinter dem Vorhang, der ihr Bett vom Wohnzimmer trennte. Er hörte sie hantieren, dann zog sie den Vorhang auf. Sie war splitternackt. Ihre Augen waren blank und fordernd, ihm rieselte ein Schauer über den Rücken. Sie fragte:
„Was ist? Bist Du müde?“
Was sollte er antworten? Er brachte mühsam hervor:
„Ich bin etwas überrascht.“
Er spürte sein Verlangen, ihm wurde heiß und kalt, er hörte:
„Nun komm schon.“
Er tat es, ließ sich halb entkleiden, legte sich im Bett zu ihr. Er hatte das Gefühl, als ob er neben Alkohol noch hochpotente Aphrodisiaka eingenommen hätte. Er schaute in ihre Sternenaugen, streichelte ihr schwarzes Haar, befühlte mit Lust ihre Brüste, nahm ihr Gesicht in seine Hände, zog sie zu sich und küsste sie. Sie legte sich in Position und erwartete ihn. Eine große Unsicherheit überkam ihn, was er nun tun sollte. Er fürchtete, wie so oft in seiner früheren Ehe zu versagen. Ihr weicher Körper schmiegte sich an ihn. Unentschlossen und unsicher streichelten seine Hände den jungen Leib, wurden fiebriger bis zu jenem Punkt, an dem er willenlos und wie trunken im Strudel leidenschaftlicher Begierde in wilder Verzückung in sie eindrang und sie liebte. Seine Gespielin verwandelte sich zu einem Engel, kam leise und zärtlich, Mund und Lippen zauberten ihm ungeahnte Kräfte, sie hob und senkte sich wie auf Flügeln, schrie atemlos in die Nacht und nahm ihm alle Angst und Schrecken der Vergangenheit. Der Liebesblitz hatte ihn getroffen. Sein Herz brannte, löschte alle bösen Erfahrungen aus und tauchte ihn in ein Meer inneren Glücks ohne Ufer. Am frühen Morgen, Steffi schlief noch, trat er wie neu geboren ins Leben. Ihm war, als ob er unter einem blühenden Baum läge und ein Vogel sänge, die Blumen dufteten und Insekten summten. Er sah den Himmel in blauer Reinheit und hörte himmlischen Gesang. So träumte er wohl eine Stunde lang vor sich hin, rührte sich nicht und fürchtete das Erwachen. Es kam und mit ihm die Profanität des Tages. Steffi fragte, wie er geschlafen habe, verließ das Bett und ging sich duschen. Danach warf sie sich einen Morgenmantel über und forderte ihn auf aufzustehen. Er duschte im Bad, zog sich an und setzte sich an den Tisch in der Küche. Steffi hatte bereits das Frühstück zubereitet. Alles vollzog sich wie in geübter Routine eines alten Ehepaars. Er beobachtete sie, sie beobachtete ihn. Sie waren sich körperlich nahe gekommen, aber seelisch fremd geblieben. Sie fragte, um die peinliche Beziehungslosigkeit zu überbrücken:
„Heute ist Sonntag. Wollen wir etwas gemeinsam unternehmen?“
Er antwortete:
„Ja, gern. Was schlägst Du vor, Essen ist mir unbekannt.“
„Nun, wir könnten zum Grugapark oder zum Folkwang Museum oder zur Zeche Zollverein gehen, oder ...“
Sie überlegte noch, als er erklärte:
„Mich interessiert die Zeche Zollverein. Ich war noch nie unter Tage.“
„Dann müssten wir nach Bochum zum Deutschen Bergbaumuseum fahren. Dort können wir an einer Bergbauführung teilnehmen, die von ehemaligen Bergleuten geleitet wird. Man wird durch Strecken in einer Tiefe von 20 Metern geführt und bekommt einen Einblick in die Technik und Maloche der Kohleförderung.“
„O ja, das ist etwas für mich. Es wird Zeit, dass ich die Arbeit der Menschen meiner neuen Heimat anschaulich kennenlerne.“ Er zögerte und fügte für sie überraschend hinzu:
„Ich habe mich entschlossen, bei Dir zu bleiben. Wir passen zusammen, das hat die Nacht gezeigt. Ich werde die Wohnung und meine Arbeitsstelle in Gelsenkirchen kündigen. Deine Wohnung ist für uns beide groß genug. Mein Haushalt ist klein, ich bringe ihn in meinem VW unter.“