Lennox und die Schrecken von Kabuul: Das Zeitalter des Kometen #35 - Jo Zybell - E-Book

Lennox und die Schrecken von Kabuul: Das Zeitalter des Kometen #35 E-Book

Jo Zybell

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Beschreibung

von Jo Zybell Der Umfang dieses Buchs entspricht 116 Taschenbuchseiten. Eine kosmische Katastrophe hat die Erde heimgesucht. Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Die Überlebenden müssen um ihre Existenz kämpfen, bizarre Geschöpfe sind durch die Launen der Evolution entstanden oder von den Sternen gekommen, und das dunkle Zeitalter hat begonnen. In dieser finsteren Zukunft bricht Timothy Lennox zu einer Odyssee auf … Ein Überfall und der Schmerz in ihrer verletzten Hand zwingen Marrela dazu, die Stadt Kabuul aufzusuchen. Die Menschen hier benehmen sich sehr seltsam. Zunächst ist es wichtig, dass ihre Hand versorgt wird, der Heiler gibt ihr einen seltsamen Tee, sie wird von Visionen und Halluzinationen heimgesucht. Was ist SAK, und was geschieht mit ihr und den anderen?

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Seitenzahl: 122

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Jo Zybell

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Inhaltsverzeichnis

Lennox und die Schrecken von Kabuul: Das Zeitalter des Kometen #35

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Lennox und die Schrecken von Kabuul: Das Zeitalter des Kometen #35

von Jo Zybell

Der Umfang dieses Buchs entspricht 116 Taschenbuchseiten.

Eine kosmische Katastrophe hat die Erde heimgesucht. Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Die Überlebenden müssen um ihre Existenz kämpfen, bizarre Geschöpfe sind durch die Launen der Evolution entstanden oder von den Sternen gekommen, und das dunkle Zeitalter hat begonnen.

In dieser finsteren Zukunft bricht Timothy Lennox zu einer Odyssee auf …

Ein Überfall und der Schmerz in ihrer verletzten Hand zwingen Marrela dazu, die Stadt Kabuul aufzusuchen. Die Menschen hier benehmen sich sehr seltsam. Zunächst ist es wichtig, dass ihre Hand versorgt wird, der Heiler gibt ihr einen seltsamen Tee, sie wird von Visionen und Halluzinationen heimgesucht. Was ist SAK, und was geschieht mit ihr und den anderen?

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER LUDGER OTTEN

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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1

Eine Stadt? Auf den Knien rutschte Marrela über den blanken Fels, näher an den Abgrund. Donner grollte. Der Himmel über dem Talkessel war schwarz. Dunst hing über dem, was sie für Dächer hielt.

Wieder zuckten Blitze, greller diesmal, und jetzt sah sie deutlich die Ruinen, Kuppeln, Türme und Mauern. Ja, eine Stadt. Oder besser: die Überreste davon. Rückwärts rutschte sie vom Abgrund weg. Um die Überreste von Städten machte man besser einen Bogen.

Im Stumpf ihres kleinen Fingers klopfte der Schmerz. Drei Wochen war es her, dass Moogan ihn abgeschnitten hatte.

Dreckskerl! Hinter ihr blökte das Kamshaa. Auf ihr Schwert gestützt, stemmte Marrela sich hoch und drehte sich um. Fremde standen um ihr Reittier!

Sie waren zu viert; junge Kerle, wie es aussah. Der heftige Wind zerrte an ihren weiten Kleidern – schmutzige Mäntel, zerrissene Hosen und Kopftücher. Ein greller Blitz riss ihre Gesichter aus dem Halbdunkel. Sie grinsten, lauerten gierig.

Der Donner polterte wie Steinschlag durch den Himmel.

»Gib her, was du hast!«, rief die kleinste der vier Gestalten.

Eine Frauenstimme. Rapushnik blökte. Das Kamshaa versuchte zurückzuweichen, doch ein untersetzter Bursche hielt es am Halfter fest. Es hob den Schwanz, etwas klatschte auf den Fels.

Dampf stieg hoch, den der Wind auseinander riss. »Na los, mach schon!«, zeterte die Frauenstimme.

Zwei der Kerle traten vor. »Bist du taub?«, blaffte einer von ihnen, ein dürrer hohlwangiger Mann mit langen schwarzen Bartfransen. Auf einmal brach sich das Leuchten des abziehenden Gewitters auf blanken Klingen, die sie in Händen hielten: der Bärtige einen Krummsäbel, sein größerer, aber genauso dürrer Komplize ein langes Messer.

»Hier ist mein Schwert«, zischte Marrela. Sie packte ihre eigene Klinge mit beiden Händen und wuchtete sie hoch.

»Mehr habe ich nicht, holt es euch.«

Zwei, drei Atemzüge lang geschah gar nichts. Bis der Große mit dem Messer unruhig von einem Bein auf das andere zu treten begann. Die beiden Bewaffneten sahen sich kurz an.

Widerstand schien nicht zu ihren alltäglichen Berufserfahrungen zu gehören. »Was wartet ihr noch«, krähte hinter ihnen das junge Weib. »Soll etwa ich ihr den Kopf abschneiden?«

Rapushnik blökte und warf den Schädel in den Nacken. Die hohe, keifende Stimme der Frau machte ihn nervös. Er fing an zu tänzeln und rammte den Kerl, der ihn festhielt, mit der Flanke. Obwohl ziemlich stämmig und kräftig gebaut, strauchelte der, konnte sich aber am Zügel festhalten. »Blödes Vieh!« Er trat nach Rapushnik. Das Kamshaa hob erneut den Schwanz. Wieder klatschte es, wieder stieg Dampf auf.

»Wirf das Schwert her, und die Rückenkralle schnallst du auch gleich ab.« Der Bärtige streckte die Linke aus. »Und dann kannst du abhauen.« Mit einer Kopfbewegung deutete er Richtung Abgrund.

»Holt es euch, sag ich.« Jetzt erst fiel Marrela auf, dass sie den Dialekt der Räuber ohne Schwierigkeiten verstand. »Holt euch Schwert und Kralle.« Sie sprach leise, gerade so laut, dass die Räuber sie trotz des fernen Donnergrollens und der Windböen verstehen mussten.

»Na los!« Der Bärtige stieß seinen Komplizen mit dem Ellenbogen an. »Nimm es ihr ab, und dann runter mit ihr!«

»Nicht nur Schwert und Kralle!« Die keifende Räuberbraut begutachtete Marrelas Mantel auf dem Kamshaa-Sattel und das Bündel mit den Decken und dem Proviant vor Rapushniks erstem Höcker. »Nehmt auch die Kleidung. Und das Haar schneidet ihr auch ab. Lässt sich alles versilbern.« Sie steckte den nackten Fuß in den Steigbügel und versuchte sich in den Sattel zu schwingen, doch der Kamshaa-Bulle tänzelte hin und her.

»Versilbern. Sehr gut, Bergar.« Wieder stieß der Bärtige den hoch gewachsenen Messermann mit dem Ellenbogen an. »Jetzt mach schon.«

»Wieso ich?«

»Wieso nicht du?«

»Sie ist fast nackt.« Der Messermann hatte einen blonden Ziegenbart, und in seinen Schneidezähnen klaffte eine große Lücke. »Na und?«

»Mein Calli sagt, ich darf nackte Frauen nicht mal anschauen.«

»Spinnst du?« Der Krummschwertträger runzelte die Stirn.

»Sie trägt einen Lendenschurz und Stiefel, außerdem ist sie tätowiert! Bist du blind?«

»Werdet ihr wohl endlich eure Arbeit erledigen!« Das keifende Weib trat von hinten nach den beiden Kerlen. »Mir knurrt der Magen und kocht das Blut!« Sie stieß sie mit den Fäusten voran. »Ich will endlich nach Kabuul hinunter! Los jetzt!«

Die Männer hoben Messer und Säbel und stürzten sich auf Marrela. Die holte aus, wich blitzschnell zur Seite und schlug gleichzeitig zu. Ihr Schwert erwischte den Bärtigen am Hals.

Ein hässliches Geräusch, als würde Zeltwand reißen, ein Gurgeln und Röcheln – sein Säbel knallte auf den Fels, sein halb abgetrennter Kopf fiel ihm in den Nacken, und während er stürzte, bespritzte eine Blutfontäne seinen Komplizen.

Der Große brüllte vor Entsetzen, fuchtelte ziellos mit seinem langen Messer herum und war ein leichtes Ziel für die Schwertfrau von den Dreizehn Inseln: Mit einem einzigen Hieb ihrer Klinge spaltete sie seinen Schädel. Er stürzte über seinen zuckenden Komplizen, und gemeinsam hauchten sie ihr Leben aus.

Das Räuberweib hing halb auf dem Kamshaa-Sattel, blickte über die Schulter zurück und konnte nicht glauben, was ihre Augen sahen. Zwei Atemzüge lang brachte sie keinen Ton heraus. Erst als ihr letzter Komplize zwei leichte Säbel zückte und auf Marrela losging, stimmte sie ein ungeheuerliches Wutgeheul an. »Mach sie fertig, Kara Bin Lapai! Hau sie in Stücke!«

Der stämmige Bursche schien nicht im Geringsten beeindruckt von dem, was Marrela mit seinen Komplizen angestellt hatte. Im Gegenteil: Die Wut stachelte ihn an. Seine Klingen zerschnitten pfeifend die Luft, prallten klirrend auf Marrelas Langschwert, und mit leichtfüßigen Schritten und Sprüngen brachte er sich immer wieder aus der Reichweite der schweren Waffe.

Seine Angriffslust überraschte Marrela nicht, seine Wendigkeit umso mehr, denn dem massigen und schweren Körper hatte sie eine derartige Beweglichkeit nicht zugetraut.

Eine krasse Fehleinschätzung. Sie hatte Mühe, seine plötzlichen Vorstöße von der Seite zu parieren, befand sich sogar, ehe sie sich versah, in der Defensive, und brauchte ihre ganze Kraft, um seine wütenden Angriffe abzuwehren. Der Schmerz im Stumpf ihres kleinen Fingers pochte qualvoll.

Das Räuberweib, inzwischen im Sattel, feuerte ihren Komplizen unentwegt an. »Schlag sie tot, Kara Bin Lapai! Hau sie in Fetzen! Schlitz sie auf …!« Sie schrie sich heiser, ihre Stimme überschlug sich, doch ihr Gekeife ließ nicht nach. Es fachte Marrelas Zorn an: Sie hasste diese Frau auf einmal und wünschte sich nichts sehnlicher, als sie endlich zum Schweigen zu bringen.

Der Zorn gab ihr Kraft. Der nächste Treffer gegen den Untersetzten gelang ihr und gleich noch einer – und was für einer! Die Wucht des Hiebes riss ihm beide Waffen aus den Händen. Seine Säbel wirbelten durch die Luft und verschwanden im Dämmerlicht.

Marrela registrierte nicht, wie sie auf dem Fels aufprallten, denn der Wegelagerer tauchte unter ihrem nächsten Hieb ab und warf sich mit seinem schweren Körper gegen sie. Marrela blieb die Luft weg. Panik durchfuhr sie, und das Blut rauschte ihr in den Ohren.

Schon wieder so ein blitzschneller Vorstoß, diesmal weniger von Wut als von Verzweiflung und Todesangst getrieben.

Marrela stolperte, prallte erst gegen die hintere Flanke ihres Reittiers und stürzte dann rücklings auf den Felsboden. Beim Versuch, sich abzurollen, entglitt ihr das Schwert.

Der Mann warf sich auf sie und begann sie zu würgen.

Unter ihrer Schulter und ihrem linken Arm wurde es warm, es stank nach Kamshaa-Kot. Kreischend vor Triumph sprang das Weib vom Sattel auf Marrelas linke Hand.

Die Frau vom Volk der Dreizehn Inseln schrie vor Schmerz.

Sterne tanzten vor ihren Augen, einen Atemzug lang verlor sie den Überblick. Der Fremde hockte mit gespreizten Beinen auf ihr. Seine Hände ließen ihren Hals los, und sie rang keuchend nach Luft. Das Räuberweib – mochte Orguudoo es verschlingen! – kniete jetzt auf ihren Fingern und beugte sich über sie. Marrela spürte eine Hand an ihrer Rechten, sah plötzlich einen Säbel in einer Männerfaust und warf sich im buchstäblich letzten Moment herum. Sie hörte, wie die krumme Klinge durch Fleisch und Knochen fuhr, ertastete statt ihres Schwerts einen Steinbrocken, griff zu, holte aus und traf den Kerl an der Schläfe.

Das Räuberweib schrie wie von Sinnen, sprang auf und rannte davon. Ihr Komplize gab nicht einen Ton mehr von sich – der Säbel rutschte ihm aus der schlaffen Hand, er selbst kippte stumm zur Seite und schlug dumpf auf dem Fels auf.

Schwer atmend drehte sich die Frau von den Dreizehn Inseln auf den Bauch und stemmte sich hoch auf die Knie. Sie atmete schwer, ihre Lungen pfiffen. An ihrer Linken brannte und klopfte der Fingerstumpf.

Rapushnik wandte seinen Schädel und blinzelte zu ihr herunter. Er grunzte. Marrela stand wankend auf. Ihr Blick fiel auf den Boden. Dort lag eine abtrennte Frauenhand neben ihrem Schwert. Sie spähte in die Richtung, in die das Räuberweib geflohen war. Jämmerliches Geschrei verlor sich nach und nach in der Ferne.

2

Sie hatte keine Schmerzen und schrie dennoch. Die Gewitterwolken verzogen sich, aber der Himmel wurde um keine Spur heller. Sie lief und schrie und stöhnte, bis der Abend ging und die Nacht kam. Schatten huschten hin und her.

Gebüsch, kahle Äste, der Stamm eines Baumes – sie lehnte mit dem Rücken dagegen und rutschte zu Boden. Ihre Zunge war so schwer, und sie fror entsetzlich.

Die Schatten huschten nicht mehr, sie standen jetzt aufrecht, wuchsen und wuchsen und wuchsen …

»Wer seid ihr? Ich bin verletzt, ich besitze nichts, überhaupt nichts!« Die Schatten kamen näher, langsam, Schritt für Schritt. »Ich bin nur die arme Bergar, ich hab gar nichts, nur meinen Körper … ehrlich … Wollt ihr Liebe? Wir können uns einigen …«

Die Schatten waren zu dritt. Sie verwandelten sich, je mehr sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten, wurden schwarze Pelzkerle, bekamen spitze Schnauzen, schmale, rötlich glühende Augen, Schnurrhaare und große Ohren …

»Ich habe nichts, ehrlich … nur ein Messerchen, ein klitzekleines Messerchen …« Sie griff unter ihren Mantel. »Ich schenk‘s euch …« Sie wollte nach dem Säbel greifen, wollte ihn zücken, wollte aufspringen und auf die erste Taratze einschlagen und das Biest in Stücke hacken. Und wahrhaftig, sie sprang auf, griff nach dem Knauf des Säbels – doch sie griff ins Leere … denn da war nichts zum Greifen.

Voller Entsetzen starrte sie auf den Griff des Säbels. Er ragte aus der Scheide an ihrem Gurt: der Knauf aus grün angelaufenem Kupfer, der Griff von schwarzen Lederriemen umflochten, die Glocke aus schwarzer Bronze. Der Säbel – da hing er an ihrer Hüfte unter ihrem Mantel, aber sie konnte ihn nicht ziehen!

Die drei Taratzen waren bis auf sechs Schritte heran. Die erste ließ sich auf die Vorderläufe herab und bleckte die Zähne.

Sie konnte nicht ziehen, sie konnte nicht einmal den Griff berühren, jedenfalls nicht mit den Fingern ihrer rechten Hand!

Da waren keine Finger mehr, und auch keine Hand. Da war nur noch ein schwarz verkrustetes Handgelenk, eine blutende Wunde …

Panik füllte ihr Hirn mit Eis. Sie schrie noch lauter, denn jetzt erst, im Augenblick der Erkenntnis, flammte der Schmerz auf, und mit ihm abgrundtiefer Schrecken: keine Hand mehr!

Nie wieder greifen mit der Rechten! Nie wieder einen Säbel führen, nie wieder …

Ihr wurde schwarz vor Augen, sie taumelte gegen den Baumstamm und brach zusammen. Die erste Taratze schnappte nach ihrem Stiefel, riss sie weg vom Baumstamm und hin zu den anderen beiden Schwarzpelzen.

Auf einmal war da ein Fauchen in der eisigen Nachtluft. Die Taratze ließ ihren Stiefel los, bäumte sich auf, fiel und blieb auf dem Rücken liegen. Der Knauf eines Messers ragte aus ihrer Hüfte.

»Weg von ihr!«, blaffte eine Frauenstimme. »Haut ab, tausendfach verfluchte Brut Orguudoos! Weg mit euch, sag ich!«

Die anderen beiden Taratzen ließen sich auf die Vorderläufe nieder und wichen zurück. Ihre Nackenfelle sträubten sich. Ein Schatten schob sich aus der Dunkelheit. Nein, zwei Schatten: ein Mensch und sein Reittier.

Und ein Schwert.

Die Frau! Die Frau, die sie überfallen hatten! Die Frau, die Ali Bin Kurt und Marco Bin Ali getötet hatte!

Ihr langes Schwert fuhr einem der beiden Schwarzpelze in die Schnauze. Das Biest kreischte erbärmlich, wälzte sich im Dreck, fiepte und fauchte, bis der zweite Hieb es erlöste. Die dritte Taratze huschte in die Nacht.

Die Frau ging in die Hocke und begutachtete den Armstumpf. »Armes Miststück!«

Ihr wurde wieder schwarz vor Augen. Sie träumte von ihrem Großvater. Zum tausendsten Mal durchlebte sie den Augenblick, in dem sie sich nach seiner Leiche bückte und ihm den Säbel abschnallte.

Als sie die Augen öffnete, schwebte Kara Bin Lapais Gesicht über ihr. Er blutete aus einer Wunde an der Schläfe. »Nimm sie und bring sie zu einem Medizinmann oder einem Göttersprecher«, hörte sie die raue Stimme der Frau sagen, die sie überfallen hatten. »Beeil dich, bevor ich es mir anders überlege!«

3

»Einen Heiler suche ich.«

Der Alte hörte für einen Moment auf zu kauen, runzelte die Stirn und neigte den Kopf, als wäre er schwerhörig.

»Einen Medikus. Einen Medizinmann.« Marrela deutete auf den Verband, mit dem sie ihre Linke umwickelt hatte.

»Schmerzen, verstehst du? Ich brauche einen Heiler, einen Göttersprecher.«

Das Gesicht des Alten hellte sich auf. »Da.« Er fing wieder an zu kauen, hob seinen klapperdürren Arm und deutete die Gasse hinunter. »Da, da. Götter. Da, da.« Wie es schien, verstand er endlich, doch ganz sicher war Marrela nicht.

»Götter, da, da …« Er zog sich an seiner rechten Krücke hoch, klemmte auch die linke unter seine Achsel und humpelte los.

»Da, da …« An den krummen Fassaden notdürftig geflickter Ruinen vorbei führte er Marrela die Gasse hinunter.

»Schlaf nicht ein, Pushnik.« Sie war mittlerweile zu dieser Kurzform des Namens übergegangen; es klang einfach besser.

Marrela zog ihr Reittier hinter sich her und rätselte, ob der Alte einen anderen Dialekt sprach als die Räuber vor zwei Tagen und sie deswegen nicht verstand, oder ob er einfach nur schwach im Geiste war. Rapushnik trottete brav an ihrer Hand, machte aber keine Anstalten, seine schaukelnden Schritte zu beschleunigen. Dennoch zeigte er sich an diesem Morgen von seiner zahmen Seite. Vielleicht spürte er, dass sie Schmerzen hatte.

Es war kalt. Von den hohen Bergen im Norden kamen die letzten Boten des Winters, der sich noch nicht geschlagen geben wollte, in den Talkessel herab. Die nächste Wolkenfront würde sicher Schnee bringen. Marrela hatte sich in einen weißen Fellmantel gehüllt. Dessen Zottelhaar war fettig, das Leder der Innenseite grau und weich. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals ein derart warmes Kleidungsstück getragen zu haben.

Abgesehen von jenen Pelzen, die man auf den Dreizehn Inseln aus der Haut von Seehunden machte.