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Thea und Bruno Johannsson

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Beschreibung

Philosophen beschäftigen sich auch mit Fragen, die einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht zugänglich sind. Man nennt diesen Bereich Metaphysik. Thea und Bruno wenden sich in dem vorliegenden Band insbesondere den Themen Liebe, Geist, Gut und Böse, Leben nach dem Tod, Schöpfung, Evolution und Gott zu. Es wird deutlich, wie philosophische, theologische und einzelwisenschaftliche Fragen in spannender Wechselbeziehung zueinander stehen. Die aufgeworfenen "letzten Fragen" können auch als "erste Fragen" aufgefasst werden, deren Antworten bewusst oder unbewusst als Axiome in alle Forschung eingehen. Ganz entgegen dem Zeitgeist unternimmt insbesondere Bruno den Versuch, ein philosophisches Gesamtsystem in universaler Perspektive zu skizzieren. "Ich wusste gar nicht, dass Philosophie so verständlich sein kann." (Helmuth Müller, Redakteur bei Radio Darmstadt).

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Dieses Buch

Ist eine Einladung zum Mitdenken und Nachdenken über den Stellenwert von Philosophie, ihre Leistungsfähigkeit und ihre Grenzen. Der Leser wird ermutigt, das Motto des österreichischen Philosophen Karl R. Popper zu realisieren, das da lautet:

„Jeder Mensch ein Philosoph.“

Durch die von den Autoren modifizierte sokratische Hebammenmethode kann der Leser die Geburt von Gedanken verfolgen, wie sie in einer Mischung aus logischer Disziplin und spontaner Reaktion entstehen. Er kann innehalten und seinen eigenen Eingebungen nachgehen. Hier wird er nicht mit fertigen Ergebnissen konfrontiert, sondern in einen ergebnisoffenen und verständlichen Diskurs eingebunden. Vielleicht regt das seinen Appetit an, sich auch mit klassischen Philosophen zu beschäftigen. Aber wichtiger ist uns, dass er sich seine eigene Meinung bildet. Wenn er möchte, kann er seine diesbezüglichen Gedanken mit uns teilen. Dies wäre unkompliziert über unsere Website mit dem folgenden Link möglich:

https://theaundbruno.jimdo.com/kontakt.

FSC R Logo

Thomas von Aquin gewidmet, der eine Brücke geschlagen hat zwischen der christlichen Tradition und Aristoteles.

Inhalt

Vorwort

Dialoge

Liebe – eine universelle Macht?

Geist – gibt es ihn, gibt es ihn nicht?

Schluss aus oder geht es weiter nach dem Tod?

Ein altmodisches Paar: Gut und Böse?

Schon entschieden. Evolution oder Schöpfung?

Gott – Realität oder Illusion?

Exkurs

Interview von Helmuth Müller mit Thea und Bruno Johannsson zum Thema Gott – Realität oder Illusion?

Vorwort

Wir folgen auch in diesem vierten Band unserer Dialoge dem Motto „jeder Mensch ein Philosoph“, das dem österreichischen Philosophen Karl R. Popper zugeschrieben wird. Dieses Motto ist besonders plausibel, wenn es sich wie in diesem Band um Fragen handelt, die uns alle bewegen oder einmal bewegt haben: Gott, Liebe, Tod, Gut und Böse, Universum usw. Alle Menschen haben einen mehr oder weniger reflektierten und begründeten Standpunkt in diesen Dingen. Wir könnten deshalb den Satz Karl Poppers für dieses Buch wie folgt ergänzen: „Jeder Mensch hat eine Welt-Anschauung.“ Nach ihr trifft er bewusst und/oder unbewusst seine Entscheidungen.

Unser Dialogverfahren basiert auf der „Hebammenmethode“ des griechischen Philosophen Sokrates, die von seinem Schüler Platon überliefert wurde. Um diese Methode an unsere persönliche Situation anzupassen und für die Wahrheitsfindung noch ergiebiger zu gestalten, haben wir sie in mehrfacher Hinsicht modifiziert zu einem „gleichberechtigten, konstruktiven und zweiphasigen Dialog über eine These“. Dazu findet der Leser am Ende des ersten Bandes dieser Reihe „Spielregeln der Gesellschaft“ einen Essay von Bruno, der das Wie und Warum näher erläutert und begründet.1. Im 2. Band unserer philosophischen Dialoge wird in dem Interview mit Helmuth Müller, dem Redakteur von Radio Darmstadt, ausführlich über unsere Methode diskutiert.2

Die Tatsache, dass es sich bei den Texten dieser Reihe um nur formal geglättete Live-Dialoge handelt, hat für den Leser einen Pferdefuß: Trotz der Beseitigung von Füllwörtern und ähnlichen Entgleisungen beim gesprochenen Wort bleibt die sprachliche Qualität der Texte mangelhaft, wenn man eine durchschnittliche Schriftsprache zum Maßstab nimmt. Dafür bitten wir den Leser um Verständnis. Es ist der Preis für die Authentizität der Live-Dialoge, die wir erhalten wollten.

Unser Ansatz könnte es dem Leser erleichtern, unbefangen seine eigenen Ansichten den hier geäußerten gegenüber zu setzen – schließlich hat er es hier nicht mit „Fachphilosophen“ zu tun3 - und damit zu einem im Geiste Mitphilosophierenden zu werden. Nicht nur, wenn ein Leser ein Aha-Erlebnis hat und einen für ihn neuen Aspekt entdeckt, sondern auch wenn er meint: „Das sehe ich aber ganz anders, weil …“ hätte dieses Buch seinen Zweck erfüllt.

Auch Helmuth Müller fühlte sich dieses Mal wieder dazu angeregt, selbst in ein philosophisches Gespräch mit dem Philosophenpaar zu dem gerade behandelten Thema und einigen seiner besonderen Anliegen einzutreten. Dieses Interview war so umfangreich, dass er daraus eine zweite Sendung gestalten konnte. Wir danken ihm und Radio Darmstadt für diese Arbeit. Helmuth Müller war auch dieses Mal wieder davon angetan, dass Philosophie so verständlich sein kann, was er von der Universitätsphilosophie nicht gewöhnt war. Wir hoffen, dass ihm zumindest ein Teil der Leser dieses Buches zustimmen wird. Über Kommentare, Stellungnahmen, Kritiken – positive und negative – aus Leserkreisen würden wir uns freuen. Sie könnten im Internet über www.theaundbruno.jimdo.com/kontakt erfolgen. Solange es unsere Kapazität nicht übersteigt, würden wir auch darauf antworten.

August 2019 Thea und Bruno Johannsson

1 Vgl. Bruno Johannsson (2017): Die Hebammenmethode modifiziert. Essay, in: Thea und Bruno Johannsson: Spielregeln der Gesellschaft. Was uns zusammenhält und auseinandertreibt. Philosophische Dialoge Band 1 in der Edition Sokrates, BoD, Norderstedt, S. 232 ff.

2 Vgl. Thea und Bruno Johannsson (2018): Der Weg zur Wahrheit holprig und schmal? Philosophische Dialoge Band 2 in der Edition Sokrates, BoD, Norderstedt, S. 203-213.

3 Thea Johannsson ist Studienrätin a.D. in den Fächern Deutsch und Geschichte, Bruno war als Diplomvolkswirt in Forschung und Lehre tätig und hat während seines Studiums Philosophie und Theologie als Nebenfächer belegt. Nach Renteneintritt sind daraus „Hauptfächer“ geworden.

Liebe – eine universelle Macht?

B: Heute ist Donnerstag der 25.11.2004 und wir diskutieren heute eine These von Bruno. Diese lautet: Die Liebe ist Grundprinzip von Sein und Sollen. Thea hat das Wort für die erste Verständnisfrage.

T: Da habe ich große Verständnisschwierigkeiten. Liebe als Grundprinzip der Ethik hätte mir sofort eingeleuchtet. Aber inwiefern ist Liebe für dich das Grundprinzip des Seins?

B: Das genau ist der gewagtere Teil der These. Ich bin mir selbst nicht ganz sicher. Es ist mehr eine Vermutung, die ich in den Raum stellen möchte, um sie auf diese Weise gemeinsam zu durchdenken. Der Grundgedanke ist der, dass das, was die Wirklichkeit ausmacht, die Realität, das, was manche Philosophen als Sein bezeichnet haben, alles was ist, dass das von Geist durchflutet ist. Dieser Geist bewirkt, dass alles, was geschieht in einer gewissen Hinsicht unter Kontrolle ist. Derjenige, der es kontrolliert oder der es „in der Hand hält“, wie es so schön heißt, das ist ein Gott der Liebe. Und da Er alle Dinge, die geschehen, auf diese Weise in Bahnen lenkt und im Griff hat - auch das Böse wohlgemerkt - möchte ich die Vermutung äußern, dass in der Tat das, was ist, letztlich von Liebe geprägt ist.

T: Da du von einer christlichen Philosophie ausgehst, einer Philosophie, die sich auf christliche Lehren stützt und du diese als Ausgangspunkt nimmst, leuchtet mir ein: Wenn man von der Voraussetzung ausgeht, dass man alles, was ist, einem liebevollen Schöpfer verdankt und folglich die Liebe das ist, was als Grundprinzip dem Ganzen zu Grunde liegt, so gilt: Ohne diese Liebe, ohne den Schöpferwillen, könnte es nicht existieren. Aber wenn man die These noch umfassender auffasst, gilt diese Sache, dass die Liebe das Grundprinzip ist, auch für den Schöpfer selbst, der dann auch, und sogar in potenziertem Maße, ein Sein ist? Kann man auch von Ihm sagen, dass Liebe das Grundprinzip ist und wenn ja wessen Liebe zu wem?

B: Ich habe ganz bewusst Begriffe verwendet, die auch in der Philosophie so ein kleines bisschen vorkommen, zum Beispiel das Prinzip Sein und Sollen und auch den Begriff „Grundprinzip“, wobei mir einfällt, dass der Begriff Grundprinzip schon eine Doppelung ist, denn das lateinische „principium“ heißt eigentlich Grundlage, Anfang. Von daher wäre ich schon bereit, die These wie folgt zu ändern: Die Liebe ist Prinzip von Sein und Sollen. Damit würde sie noch etwas straffer. Du hast die Frage aufgeworfen nach dem, der diese Liebe ins Spiel bringt. Das ist indirekt eine Frage nach dem Ursprung alles Seins, also auch nach dem Ursprung Gottes. Ich möchte insofern meine Aussage zeitlich etwas einengen und sie nicht gleich beziehen auf alle Äonen der Vergangenheit, auch nicht auf ein Äon, wo vielleicht Gott noch nicht Gott war, was nicht ganz ausgeschlossen ist. Ich möchte mich beschränken auf die Zivilisation dieses Planeten, auf diese Schöpfung, die nach meiner Auffassung eine von Milliarden oder zumindest Millionen existierender Zivilisationen ist. Als diese Schöpfung stattgefunden hat, war der Schöpfer schon Gott und war von Liebe durchdrungen Er war ein Wesen, das man nur verstehen kann auf der Grundlage von Liebe. Das Prinzip Gottes selbst ist Liebe. Johannes sagt: „Gott ist Liebe.“ Und wenn du mit Recht sagst, dass auch Gott ein Teil des Seins ist, dann ist eben auch dieser Teil des Seins von Liebe geprägt, von Liebe durchdrungen.

T: Wenn man seine Existenz voraussetzt, muss er ein Teil des Seins sein. Wenn auch das Prinzip, das Gott zu Grunde liegt, Liebe ist, möchte ich meine Frage wiederholen: Wessen Liebe zu wem ist hier gemeint und liegt dem Sein Gottes zu Grunde?

B: Damit unterstellst du einen bestimmten Liebesbegriff, bei dem du eine Beziehung voraussetzt zwischen einem der liebt und einem der geliebt wird. Das ist sehr nahe liegend und ist auch in den vergangenen Jahrzehnten Bestandteil meines Liebesbegriffs gewesen. Ich sagte, diese These hier ist etwas gewagt insofern, als sie hinausgeht über das, was ich bisher überhaupt gedacht habe. Es ist also auch für mich eine gewagte These, bei der ich noch nicht weiß, wie sie hält und was dabei herauskommt, wenn man über sie nachdenkt. Insofern ist deine Frage eine Provokation im positiven Sinn, darüber nachzudenken. Das Ganze ist eine sehr geheimnisvolle Sache und ist nichts, das man so ohne weiteres beweisen kann, vielleicht noch nicht einmal mit der Heiligen Schrift belegen kann. Aber meine Antwort auf deine Frage wäre die, dass man die Liebe, das Wesen der Liebe, nicht in allererster Linie als Merkmal einer Beziehung sehen muss, vielleicht auch nicht sehen soll, sondern als eine Grundstruktur des Seins. Dahin geht auch die These. Ich möchte etwas gewagt ausmalen, wie ich es mir vorstelle. Dir ist das als meine Meinung schon bekannt. Viele Leute glauben nicht daran, aber ich glaube daran, dass es eine feine Materie gibt, die wir als Geist bezeichnen. Diese feine Materie gibt es in verschiedenen Varianten. Sie hat möglicherweise eine Masse und ein Volumen, zumal wenn sie in großer Menge auftritt. Diese Materie gibt es auch in elementarer Form. Ein Geistelement muss man sich vorstellen wie einen Chip. Das ist ein Element, das ein Programm trägt. Und die Grundstruktur dieses Chips ist die Liebe. Das ist mein Grundgedanke.

T: Jetzt machst du es mir ein bisschen schwer, weil sich die Sache in den Schwanz beißt. Um deine These zu verstehen versuche ich, deinen Begriff von Liebe mit der Frage „Wer liebt wen?“ herauszufinden. Wenn du sagst, Liebe wird definiert als Grundprinzip des Seins: Dann ist es klar. Dann muss natürlich die These stimmen. Dann ist sie eine Tautologie ohne viel Aussagewert.

B: Es mag sein, dass wir eine tautologische Struktur im Spiel haben. Das will ich nicht ausschließen. Wir bewegen uns im Moment zu den ersten Prinzipien hin, zu den Grundlagen des Seins. Dass man in diesem Bereich sehr schnell zu einem Zirkelschluss kommt, ist nahe liegend. Davon muss man sich nicht gleich abschrecken lassen. Das ist keine schöne Sache für unsere Logik, aber ich gehe ohnehin davon aus, dass die menschliche Logik hier letztendlich versagt, um es zu verstehen, und dass wir uns nur herantasten können. Es kann sein, dass man bei diesem Herantasten plötzlich feststellt: ‚Jetzt bewege ich mich tautologisch.’ Das ist noch nicht etwas, was mich beunruhigt, sondern etwas, womit ich eher rechne, wenn ich es mit solchen Dingen zu tun habe, weil es schwierig ist, zu sagen, was ist zuerst. Und diese Frage steht im Raum.

T: Bei der Frage nach den Ursprüngen kommen wir immer in sehr schwieriges Fahrwasser, das ist richtig. Versuchen wir mal, ob wir uns bei der Frage nach dem Sollen etwas schneller einigen können. Ist für dich das Sollen in etwa gleichzusetzen mit ethischen Forderungen?

B: Genauso ist es. Das ist das, wo auch ich mich auf sicherem Boden fühle, nämlich dass man die christliche Ethik auf den Boden der Liebe stellen sollte, wenn es um die Frage geht: Wie soll ich mich verhalten als Mensch? Aber vielleicht darf ich an der Stelle einen Bogen schlagen zwischen Sein und Sollen, der vielleicht das Sein etwas erhellt. Wenn ich sage, dass das, was wir vorfinden, letztlich auf der Liebe eines Schöpfers beruht, und zwar nicht nur in seinem Jetzt-Sein, sondern auch in seinem Gewesen-Sein und in seinem zukünftigen Sein, dann heißt das, dass die ganze Entwicklung von Liebe geprägt ist. Damit stellt sich die Frage, welche Rolle der Mensch dabei spielt? Eine mögliche Antwort wäre: Wenn ein Mensch die Einstellung der Liebe erlangt, dann kann er an der gesamten Entwicklung des Universums mitwirken. Dann ist er in Harmonie mit dem, der die ganze Sache leitet, nämlich mit Gott, und kann eine produktive Rolle in diesem Prozess spielen. Das wäre vielleicht eine Begründung des Gebotes der Liebe, wie es Jesus gegeben hat, nämlich dass wir dadurch, dass wir diese Einstellung erlangen, von diesem Geist durchdrungen sind, mit Gott in Harmonie gelangen und auf diese Art und Weise an seinem Werk produktiv mitwirken können.

T: Wir sind etwas gegenläufig in unseren Bewegungen. Du denkst an die Ausblicke und Erweiterungen, die deine These, wenn sie sich als solide erweist, bringen könnte, während ich noch dabei bin, die These selbst abzuklopfen - möglichst im kleinen Bereich -, um zu sehen, wie haltbar sie ist. Zunächst gebe ich dir darin Recht: Auch ich würde als ethischmoralische Anforderung nur akzeptieren, was sich letztlich auf die Liebe zurückführen lässt. Dabei sage ich allerdings, dass es möglich ist, ethische Anforderungen als persönliches Lebensmotto zu stellen oder sich ihnen zu öffnen, die nicht von der Liebe geprägt sind. Im zweiten Teil deiner These sagst du, dass die Liebe die Grundlage allen Seins ist. Nach der christlichen Lehre existiert auch der Widersacher. Wir sind uns wohl ziemlich einig, dass er die Liebe sowohl zu Gott als auch zu den Menschen weitgehend abgestreift hat und eher das Gegenteil will. Heißt das, dass man ihm das Sein absprechen muss?

B: Kluge Frage. Mit der habe ich in gewisser Weise gerechnet, beziehungsweise dieses Problem habe ich ein bisschen schon vor Augen gehabt. Ich kann nur versuchen, darauf ganz grob zu antworten. Vielleicht muss man darauf dann noch weiter eingehen. Der Grundgedanke ist der, dass der liebende Schöpfer gesagt hat: ‚Um Liebe in dieser Schöpfung, in dieser Zivilisation, zu ermöglichen, muss ich ihr Freiheit geben, insbesondere dem Menschen. Wenn ich ihm Freiheit geben will, muss ich ihm eine Alternative bieten.’ Mit anderen Worten: das Böse ist in der Welt, auf der Erde, im Universum, damit Freiheit bestehen kann und die Freiheit ist eine Voraussetzung für die Liebe. Ohne Freiheit gäbe es keine Liebe. Zum Wesen der Liebe gehört, dass man nicht dazu zwingen kann.

T: Da gebe ich dir Recht. Und gerade dieser Gedanke ist es, der mich an deiner These zweifeln lässt. Denn deine These impliziert: Auch derjenige, der sich dem Bösen zuneigt, hat noch ein Quäntchen Liebe in sich; denn andernfalls müsste er aufhören zu existieren, wenn deine These stimmt. Dann müsste ihm das Sein nicht mal entzogen werden. Wenn die Liebe die Grundlage des Seins ist, hieße das, dass das Nichtsein eintritt, sobald die Liebe weg ist.

B: Schwierige Frage. Wir müssen heute irgendwann auch mal Schluss machen. Das ist eine ganz heiße Sache. Die würden wir keinesfalls irgendwie verdrängen wollen, aber können sie vielleicht heute nicht lösen. Hier ist die Sache auch für mich etwas geheimnisvoll. Ich suche nach einer kurzen Formel, um es zu beantworten, weiß aber nicht, ob ich heute diese Formel finde. Auch das Böse dient dem Guten. Und folglich erfüllt es einen guten Zweck. Derjenige, der böse ist, verfolgt diesen guten Zweck nicht, aber der, der hinter ihm steht, der Schöpfer, verfolgt diesen guten Zweck.

T: Das heißt also, dass es nicht auf die Liebe des Seienden ankommt. Dieses kann auch existieren, ohne irgendwelche Liebe zu haben. Sondern es kommt darauf an, dass etwas von Gott geliebt wird, damit seine Existenz möglich wird. Wäre das die These?

B: Das kann sein. Es führt aber noch ein bisschen woanders hin. Die Frage muss man gelegentlich noch einmal aufwerfen. Es geht mehr darum, dass das Drama, das sich abspielt, aus irgendwelchen Gründen auch Spannung haben soll oder, wie ich vorhin sagte, auch Freiheit haben soll und dass deshalb der Dramaturg das Böse eingebaut hat. Aber der Dramaturg handelt in einer liebevollen Absicht, im Interesse des Publikums, um dieses Gleichnis zu bringen.

T: Mir geht es hier nicht um die Absichten Gottes. Mir geht es darum, wo die Liebe ist, die die Grundlage von allem ist? Und in diesem Fall heißt das, dass du sagen würdest: Bei Gott ist sie in jedem Fall. Selbst wenn er dem Bösen Lebensfähigkeit verleiht, tut er das zu einem guten Zweck. Er baut es als Dramaturg ein und hat somit eine Art von Liebe und Sinngebung auch bei diesem Akt. Er will die Existenz des Negativen aus welchen Gründen auch immer und hat damit auch ein gewisses Wohlwollen ihm gegenüber. Und jetzt frage ich noch einmal: Ist es die Liebe, die der Schöpfer zu den Dingen hat, die die Grundlage von deren Existenz bildet, oder müssen sie die Liebe auch in sich haben, um existent zu sein?

B: Das ist die ganze Sache auf die Spitze getrieben. Mit Recht! An der Stelle wird es wirklich sehr schwierig. Ich meine, ganz klar, dass man dann auch über den ersten Teil meiner These entsprechend nachdenken muss. Ich will eine kurze Antwort versuchen, und dann sollten wir vielleicht die ganze Sache beenden. Es wird uns sowieso weiter beschäftigen. Wenn ich ein weiteres Gleichnis heranziehen darf und die Liebe mit dem Licht vergleiche oder der weißen Farbe, dem Weiß, und das Böse mit dem Schwarz, dann sehe oder ahne ich in diesem Modell, dass das Weiße dem Schwarz irgendwie zu Grunde liegt. Man kann es vielleicht auch mit der Theorie der Gegensätze begründen, dass das Weiß vielleicht nur deshalb weiß ist, weil es das Schwarz gibt. Oder nehmen wir ein anderes Beispiel, nehmen wir These, Antithese und Synthese. Der Gedanke ist, dass Gegensätze nötig sind, um ein bestimmtes Werk zu vollbringen. Der Geist dieses Werkes oder der Geist der Synthese durchdringt notwendigerweise These und Antithese: Er muss beide durchdringen, obwohl zwischen These und Antithese ein Gegensatz besteht, wie er größer gar nicht sein kann. Aber es gibt etwas, was sie beide durchdringt. Oder einfacher gesagt: Wenn jemand fragt, wie kommt denn das Böse in die Welt, da wäre eine kurze Erklärung, die den Betroffenen natürlich verblüffen würde: Wegen der Liebe Gottes. Und zu der Antwort stehe ich. Obwohl sich das Böse, wenn es das wüsste oder wenn es das könnte, dagegen wehren würde, aber es ist doch vom Guten durchdrungen. Es ist von Gott gehalten, beherrscht und gelenkt, und der Herrscher durchdringt es. Aber es stimmt, dass es unterhalb der Synthese die These und die Antithese gibt. Lass uns heute mal dabei stehen bleiben.

B: Heute ist Freitag der 26. November 2004, und wir sind noch in der Fragephase. Thea hat das Wort.

T: Du gestattest mir, dass ich am Anfang unseres Gesprächs rekapituliere, wie ich den Stand unseres Gesprächs sehe und was ich glaube, von Deiner These begriffen zu haben.

B: Gewiss.

T: Danke. Wir waren uns ziemlich einig, bei der These „Die Liebe ist Grundprinzip des Sollens“. Auch ich habe zugestimmt, dass alles Sollen, das ich als verbindlich anerkenne, sich irgendwo auf die Liebe zurückführen lassen muss, damit ich es anerkenne. Wobei ich offen lasse, ob es nicht Vorstellungen anderer gibt, die sich nicht auf die Liebe zurückführen lassen, aber die würde ich nicht als verbindlich anerkennen. Das war also der Punkt, wo wir einig sind.

Bei dem zweiten Teil der These - Liebe ist Grundprinzip des Seins - wurde es viel schwieriger. Zunächst habe ich anerkannt: Wenn man von christlichen Grundlehren ausgeht, dann geht alles Geschaffene auf die Liebe des Schöpfers zurück. Aber ich habe die Frage aufgeworfen, wie es denn mit dem Schöpfer selbst ist, ob auch für seine Existenz die Liebe das Grundprinzip ist.

Es ist dann klar geworden, dass für mich Liebe immer eine Beziehung ist. Das bedeutet, es muss jemanden geben, der liebt, und jemanden oder etwas, der oder das geliebt wird. Ich hatte gefragt, wer denn im Fall Gottes der Liebende und wer der oder das Geliebte ist. Wir waren auf die Frage gestoßen, ob es reicht, dass alles seine Grundlage in der Liebe Gottes hat oder ob auch alles, was existiert, irgendwo selbst ein Fünkchen Liebe in sich haben muss, um existieren zu können. Letzteres würde implizieren, dass auch der Widersacher, der nach christlicher Auffassung das Böse will, irgendwo noch ein Fünkchen Liebe habe müsste, weil er sonst nach dieser These gar nicht existieren könnte.

B: Das war deine Zusammenfassung? Hast du neue Fragen?

T: Am Ende des Gesprächs kam dein Exkurs über These, Antithese und Synthese, von dem ich aber noch nicht hundertprozentig begriffen habe, inwiefern er Antwort auf meine obige Frage sein sollte.

B: Ich hatte betont, dass die These auch für mich etwas neu und abenteuerlich ist, so dass auch ich mich nur herantasten kann, zumal ich nicht etwa stundenlang darüber nachgedacht habe. Natürlich verfolgen einen diese Gespräche doch etwas und man hat gelegentlich noch einmal einen Gedanken dazu, der einem heute vielleicht gar nicht wieder einfällt. Es geht darum, möglicherweise auch hier eine Paradoxie zu verstehen, also etwas, was mit menschlicher Logik gar nicht vollständig erfasst werden kann. Natürlich will ich mich nicht herausreden und sagen: „Es ist eine Paradoxie und folglich können wir es nicht erklären.“ Ich will mich dieser Paradoxie, die ich hier vermute, die noch gar nicht klar definiert ist, etwas annähern. Ein Versuch war die Sache mit These, Antithese, Synthese. Ich will noch ein anderes Beispiel nehmen. Wir haben in der Heiligen Schrift oder an anderer Stelle diese Formulierung: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg!“ Weißt du zufällig wo das in etwa steht? Ist das bei Paulus?

T: Ich glaube, es ist Paulus. Aber ich kann es nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen.

B: Wir haben Leben und Tod als zwei Gegensätze. Die Menschen erfahren diesen Gegensatz nicht nur in der Form, dass sie eine Zeit lang leben und dann sterben, sondern auch in der Form, dass sich der Tod schon in Form der Krankheit in das Leben hineinschleicht und gewissermaßen sich selbst vorbereitet. Wir sagen, dass der Mensch sterblich sei. Obwohl er lebt, trägt er die Sterblichkeit mit sich herum. Es kann ihn jede Sekunde erwischen, wenn die Umstände entsprechend sind. Somit beruht unsere Existenz in einer gewissen Hinsicht auf einem Gegensatz: Das Leben ist in uns - zumal wenn wir geistig neugeboren sind, wie es Jesus zu Nikodemus gesagt hat - und der Tod ist in uns, in der Form, dass wir - wie manche Autoren sagen - die Sterblichkeit von Adam geerbt haben. Obwohl zwei Gegensätze in uns sind, existieren wir. Wobei ich aber eigentlich deine Frage beantworten möchte. Ich habe sie etwas aus den Augen verloren. Kannst du sie schnell mal wiederholen?

T: Ob es für dich reicht, dass sozusagen alles in der Liebe Gottes seine Grundlage hat oder ob alles Existierende auch noch Liebe in sich haben muss?

B: Das wäre sozusagen der Funke Liebe, der auch noch im Widersacher enthalten ist oder auch nicht.

T: Enthalten sein müsste, wenn du diese Frage bejahst und sofern man ihm Existenz zuspricht.

B: Das sind Dinge, über die ich in dieser zugespitzten Form noch gar nicht nachgedacht habe, obwohl ich über den Widersacher schon relativ viel nachgedacht habe. Ich kann es auch nicht so spontan beantworten. Das ist für mich nicht etwas, wo es auf der Hand liegt, es so oder so zu beantworten. Ich nähere mich mal in der Form an, dass ich es so formuliere: Auch der Widersacher wird irgendwie von Gott akzeptiert, also von dem liebenden Gott, respektiert auch in seinem Machtbereich, den er ihm möglicherweise selbst zugestanden hat. Er hat ihm eine Rolle zugeordnet, auch wenn der Widersacher diese gar nicht annimmt oder vielleicht nicht kennt oder durchschaut. Das alles glauben wir als Christen mehr oder weniger. Vielleicht gehen wir kurz zu Goethe, zum Faust, in die Einleitung, wo der Widersacher sagt: „Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern und hüte mich, mit ihm zu brechen.“ Goethe hat hier die Vorstellung suggeriert, dass auch der Widersacher den Chef, den Alten, also Gott respektiert, in gewisser Hinsicht. Jedenfalls halte ich diesen Gedanken nicht für abwegig. Ich kann mir nicht so richtig vorstellen kann, dass im Dunkel, das wir als Symbol für den Widersacher nehmen, irgendwo ein Fünkchen Licht ist, und wir trotzdem sagen: Es ist dunkel. Vielleicht lässt sich meine These dadurch noch halten, dass ich sage: So wie Leben und Tod gleichzeitig in einem Wesen sind, so ist in den Gegensätzen Licht und Dunkel etwas, was noch umfassender ist. Und es wäre letztendlich die Liebe des Schöpfers, von der es umfangen ist. Sie umfasst das Dunkel und macht es sich nutzbar. Dieses Dunkel ist sogar ganz und gar unerlässlich, um bestimmte Zwecke der Schöpfung zu erreichen. Die Vermutung wäre also, dass die Liebe nicht im Widersacher selbst ist, sondern dass er von der Liebe umfangen ist. Das wäre ein Bild. Lassen wir das vielleicht so stehen?

T: Lassen wir das Bild so stehen. Die These ist für dich, wie ich, gehört habe, ein tastender Versuch, nicht eine feste Überzeugung. Ich nehme an, ich habe mit meinen Fragen schon gezeigt, dass man gerade bei dieser These an bestimmte Grenzen kommt. Man muss sehr umfassend nachdenken, wenn man diese These wirklich ernst nehmen will. Es ist für mich eine sehr interessante Vorstellung, dass du Gott und den Widersacher auf einer Ebene ansiedelst, indem du Gott mit dem Licht und dem Guten und den Widersacher mit dem Dunkel und dem Bösen identifizierst. Und dass du die Liebe auf einer Ebene ansiedelst, die noch jenseits von Gut und Böse ist. Damit käme die Sache, die du über These, Antithese und Synthese und über das Paradox gesagt hast, ins Spiel. Aber damit sind wir in einem Bereich, der wahrscheinlich der menschlichen Vorstellungskraft enthoben ist. Würdest du mir da zustimmen, oder meinst du, dass die menschliche Vorstellungskraft sich auch noch dahin tasten kann?

B: Sicherlich sollte man das nicht übertreiben. Wir sollten vielleicht darüber nachdenken, ob wir es sogar dabei bewenden lassen, weil schon in der Fragephase viel gesagt worden ist, was meinetwegen auch zur Kritik an dieser These oder zur Verteidigung dieser These angeführt werden könnte. Wir sollten überlegen, ob wir hier noch weiter nachdenken wollen oder ob wir es dabei bewenden lassen. Du kannst dann auch für dich überlegen, ob du noch weitere Fragen formulieren möchtest.

T: Ich würde sagen, diese These ist in der Tat so grundlegend, dass man entweder ein gesamtes philosophisches Weltgebäude darauf errichten muss und sehen muss, ob es möglich ist, diese These in sich widerspruchsfrei durchzuhalten, was eine enorme Arbeit wäre, oder dass man es einfach bei der Feststellung, dass diese These diesen Charakter hat, bewenden lässt und sagt: Gehen wir zu etwas anderem über. Das sind die beiden Möglichkeiten, die ich hier sehe. Welche würdest du vorziehen?

B: Wir sollten es vielleicht nicht so aus dem Handgelenk entscheiden. aber ich stimme dir völlig zu, dass es hier um eine Basisthese für ein ganzes philosophisches System gehen könnte. Der zweite Teil der These über das Sollen ist quasi eine Basisthese für die Ethik und der erste Teil ist eine Basisthese für die Ontologie, also für die Lehre vom Sein. Das ist von mir von vornherein so gesehen. Von daher ist es auch nicht unbedingt erforderlich, jetzt darüber weiter nachzudenken, weil wir nämlich immer wieder darauf zurückkommen werden.

T: Ich würde nicht sagen, dass es eine Basisthese ist, sondern dass es eine sein könnte. Wenn es gelingt, darauf eine Theorie widerspruchsfrei aufzubauen, so wäre dies ein Erweis nicht ihrer Wahrheit, aber ihrer tatsächlichen Eignung als Basisthese.

B: Klar. Ich schlage vor, wir lassen es heute dabei. Ich verzichte auf ein Schlusswort. Wir überlegen in Ruhe, ob wir hieran noch weiter arbeiten wollen oder ob wir es dabei bewenden lassen. Und du kannst dir inzwischen schon deine nächste These überlegen.

B: Heute ist der Samstag der 27. November 2004. und wir wollen unser philosophisches Gespräch fortsetzen. Ich muss zugeben, dass ich in der Zwischenzeit, also seit gestern, doch ein bisschen mehr als sonst über diese Dinge nachgedacht habe und schon den Wunsch habe, dass wir das Gespräch zumindest noch heute zu meiner These fortsetzen. Ich glaube, wir hatten auch gestern den Eindruck, dass da noch eine Frage offen ist.

T: Du hattest angedeutet, dass du meine Definition von Liebe mit einem Fragezeichen versehen wolltest. Meine Definition beinhaltete, dass Liebe auf jeden Fall eine Art von Beziehung ist, bei der die Voraussetzungen sind: Einer, der liebt, und einer oder etwas, das geliebt wird. Und da bin ich wirklich sehr neugierig auf deine Definition von Liebe. Ich hatte gedacht, das wäre wirklich eine Mindestvoraussetzung für Liebe überhaupt und es ginge nur um die Frage, welcher Art die Beziehung sein könnte. Aber wenn du nicht einmal dem zustimmst, bin ich auf deine Definition von Liebe sehr gespannt.

B: Ich will nicht sagen, dass ich dem nicht zustimme, zumal man beim Definieren von Begriffen eine gewisse Freiheit hat. Aber im Zusammenhang mit diesem Gespräch sind mir doch im Nachhinein einige Gedanken gekommen, die darauf hindeuten, dass ich meine Definition von Liebe, die du schon von vielen früheren Gesprächen her kennst, möglicherweise etwas ändern werde. Allerdings muss ich sagen, wenn ich zurückblicke, wie ich in den vergangenen Jahrzehnten Liebe definiert habe, dann hätte ich nicht als Oberbegriff "Beziehung" gewählt, sondern den Oberbegriff "Einstellung", also die Einstellung eines Subjektes. Dann könntest du natürlich sagen - und in der Tat war das bei mir so enthalten - eine Einstellung zu wem? Und damit hat man schon indirekt eine Beziehung angesprochen. Ich hatte in der Vergangenheit Liebe sehr vornehm definiert als das Wollen des Wohls eines anderen Etwas. Dieses andere Etwas kann die eigene Person sein, dann ist es die Eigenliebe, es kann Gott sein, dann wäre es die Gottesliebe, es kann der Nächste sein, dann wäre es die Nächstenliebe. Es kann natürlich auch ein Tier sein, dann wäre es Tierliebe. Diese Definition, die sich bei mir über Jahrzehnte gehalten hat, wird möglicherweise wieder zur Sprache kommen, wenn wir über Ethik sprechen. Im Zusammenhang mit der Seinslehre, der Ontologie, ist mir ein anderer Gedanke gekommen, und zwar Liebe zu definieren als das Wollen von Freude. Etwas sehr gespreizt ökonomisch definiert: das Wollen eines Maximums von Freude. Durch diesen Maximierungsansatz der Ökonomen kommt ein gewisser Druck in die ganze Sache rein. Es steckt darin das Wollen von Fortschritt im Hinblick auf mehr Freude. Ein anderes Wort für Freude wäre Zufriedenheit, Glück und auch das Wort kommt hier durchaus wieder ins Spiel. Was hier neu ist, ist der Bogen, den ich schlage zu dem Begriff Freude. Wenn ich mir ein vollkommenes Wesen, Gott, vorstelle, dann ist es ein Teil meiner Gotteserkenntnis, dass Gott erfüllt ist von diesem Wollen von Freude. Dieses Wollen ist aber gar nicht bezogen auf ein bestimmtes Etwas, sondern auf das All. Es ist sozusagen ein Wollen von Freude bezogen auf das ganze Universum, auf seine ganze Schöpfung. Darin steckt natürlich sein Wollen von Freude in Bezug auf meine Person, in Bezug auf deine Person, in Bezug auf die Menschen, in Bezug auf die Tiere, in Bezug auf unsere ganze Zivilisation. Aber es ist eine Art Zustand. Das Wesen ist völlig erfüllt von diesem Wollen und dieses dringt nach außen. Das ist das Licht, das von Gott ausgeht und das alles durchdringt. Und jetzt kommen wir wieder zu der Lehre von These und Antithese und zu der Lehre der Gegensätze: Um Freude zu wollen, muss ich Leid akzeptieren, um das Gute zu wollen, muss ich das Böse haben, muss ich seine Existenz im Universum akzeptieren. Damit habe ich das Problem ein bisschen gelöst, das dadurch entstanden ist, dass du sagtest, Liebe sei eigentlich eine Beziehung. Da stecken Milliarden oder Billionen Beziehungen drin in diesem universalen Wollen von Freude. Aber es ist der Zustand eines Wesens. Es ist der Geist, der in Gott ist und der von ihm ausgeht. Dieser Geist ist programmiert auf „Freude wollen“. Wir nähern uns der Lösung des Problems, das wir hatten, als wir gesagt haben: Wenn auch im Widersacher noch ein Fünkchen Liebe sein soll, dann ist das keine ganze Dunkelheit, dann ist da irgendein Lichtfunke. Dann wäre der geheimnisvolle Gedanke - wir waren uns einig: Wir bewegen uns an den Grundlagen des Daseins - dass in der Tat das Wesen des Bösen letztlich zu begründen ist mit dem Wollen von Freude seitens des Schöpfers. Das Böse ist auch von diesem Wollen unsichtbar durchflutet. Das Böse muss an sich böse bleiben, aber es ist trotzdem eingebaut in Seine Schöpfung und damit dient es der Freude, ohne es zu wollen.

T. Ich würde sagen, dass deine Ausführung nichts wesentlich Neues zu dem bringt, was wir abschließend gestern festgestellt haben. Denn auch bei Gott habe ich vorausgesetzt, dass er alles liebt, und daher die Freude oder das Wohl dessen will, das geliebt wird. Da würde ich mit dir übereinstimmen, dass das in einer Liebesbeziehung steckt. Nur glaube ich, dass es bei Gott so ist, dass er den Fortschritt noch wichtiger nimmt als die Freude, wobei man natürlich sagen kann, Fortschritt ist langfristige Freude. Aber auf jeden Fall wäre auch das eine Beziehung. Dass, wie du gesagt hast, Gottes Beziehung dann nicht nur auf einige wenige Dinge geht, sondern auf alles, was ist, das hatte ich sowieso vorausgesetzt. Insofern finde ich, hast du zwar spezifiziert, was du unter Liebe verstehst, aber die Spezifizierung hat das, was wir vorher gesagt haben, nicht ausgehebelt, nämlich dass Liebe eine Beziehung ist. Das auszuhebeln war auch sicherlich nicht deine Absicht.

B: Es war nicht meine Absicht das auszuhebeln, aber es hat mich logisch etwas gestört. Ich möchte es noch anders formulieren. Wir tasten uns mit der Sprache an das Sein heran und stellen immer wieder fest, wie unsere Sprache versagt, um gewisse Dinge darzustellen. Außerdem stellen wir einerseits fest, dass die Sprache mehrdeutig ist und andererseits, dass sie auch mehrere Zugänge sucht zum Sein, also zur Wahrheit. Und so habe ich schon seit langem vor Augen - ich glaube sogar schon seit den siebziger Jahren - dass ich bestimmte Zusammenhänge sprachlich darstellen kann durch ein Verbum, also z. B. durch das Verbum "lieben". Ich kann aber andererseits in der deutschen Sprache auch sagen: ‚er hat Liebe‘. Dann stelle ich mir mehr einen Zustand vor. Ich sehe also nicht die Zeit, in der etwas passiert, und sage, das, was da passiert, ist lieben, sondern ich stelle mir ein Wesen vor, das Liebe in sich hat. Ich kann etwas dynamisch sehen im Zeitablauf, ich kann es aber auch statisch sehen. Eigentlich sind das nur zwei Aspekte ein und derselben Sache. Ähnlich ist es mit dem Glauben. Den Glauben kann ich als eine Art Tätigkeit betrachten. Dann ist er etwas, das im Zeitablauf stattfindet. Wenn wir an Joseph Smith denken - gerade an die "Vorlesung über Glauben", die du übersetzt hast – so wird dort und auch an anderer Stelle in der Heiligen Schrift Glauben mehr als ein Zustand gesehen. Ich habe öfter bei Gesprächen über Glauben versucht deutlich zu machen: Wenn jemand Glauben an Jesus Christus hat, dann heißt das nichts anderes, als dass er von einem bestimmten Geist erfüllt ist. Er befindet sich in einem bestimmten Zustand, der natürlich dann im Zeitablauf zu einem bestimmten Verhalten führt. Und genauso ist es mit der Liebe: Da ist der Geist der Liebe in jemand und das führt dann zu entsprechenden Verhaltensweisen.

T: Du bist auf sprachliche Besonderheiten eingegangen, wobei ich dir Recht gebe: Es ist schon ein Unterschied, ob man sagt: ‚Ich liebe jemanden‘ oder ‚X liebt Y‘ oder ob man sagt: ‚Jemand hat Liebe‘. Da stelle ich mir Liebe eher vor wie einen Besitz, etwas das man hat und dann könnte man auch noch formulieren: ‚Jemand ist von Liebe erfüllt‘ oder ‚er ist liebevoll‘ und dann stelle ich mir ein Sein vor. Wir werden sicherlich das Gleiche bei Glauben finden. Für mich wäre interessant: Gibt es für dich auch den Fall, dass man sagt: X liebt X, also sich selbst, die Selbstliebe?

B: Ja, die ist voll und ganz enthalten. Wenn ich mir Gott vorstelle, der von Liebe erfüllt ist, dann bedeutet das, dass der Geist, der in Gott ist, - um es mal modern auszudrücken - auf Liebe programmiert ist. Ich würde sagen, da sind Elemente, feine Materie, die diesen Geistkörper ausmachen, die tragen ein Programm, die tragen quasi strukturierte Information, die als ein Basiselement die Liebesstruktur hat, also die Einstellung Freude zu wollen, um es mit meiner letzten Definition zu sagen. Es geht gar nicht anders, als dass dieses Wesen, das dem All mit dieser Einstellung gegenübertritt, auch sich selbst mit dieser Einstellung begegnet. Ein Wesen, das so von Liebe durchdrungen ist, muss auch sich selbst lieben. Notwendigerweise.

T. Ich habe ziemlich früh beim Abklopfen deiner These angefangen, auf den Widersacher zu schauen. Denn er und Gott, das sind die Extremfälle: Gott als Wesen, das wir uns als total erfüllt von Liebe zu allem Seienden vorstellen. In Bezug auf den Widersacher aber stellt sich die Frage: Ist das Böse das genaue Gegenteil, ist es bar jeder Liebe oder hat der Widersacher zumindest noch Liebe zu sich selbst? Das genaue Gegenteil wäre gar keine Liebe, sondern nur noch das Wollen von Zerstörung und Leid. Oder hat selbst in diesem Wesen Liebe noch den kleinen Fuß drin, dass er, wenn auch sehr verengt, nur sich selber liebt? Aber das wäre eine Frage nach der Struktur und dem Wesen des Bösen. Das sind die Fragen, in die man hineinkommt, und das liegt wahrscheinlich an dem Begriff "Grundprinzip" den du hier gewählt hast.

B: Wir wollen auch zu einem Ende kommen. Ich nehme an, eine weitere Session zu dieser These werden wir nicht unbedingt anpeilen. Ich will versuchen, ein vorläufiges Schlusswort zu formulieren. Vielleicht kannst du es dann als Schlusswort wenigstens akzeptieren, ohne dem unbedingt zustimmen zu müssen. Mir fällt gerade folgendes ein: Wir haben in der christlichen Lehre zur Geschichte der Menschheit den Grundgedanken, dass die eigentlichen Gegenspieler Jesus Christus und der Widersacher sind. Grob gesagt verkörpert Jesus Christus das Gute und der Widersacher das Böse. Dieses Verhältnis kann ich auf das Schema von These, Antithese und Synthese bringen, indem ich Jesus Christus als These, den Widersacher als Antithese und Gott Vater als Synthese sehe. Ein ganz grober Versuch, der mir gerade einfällt: Er ist sozusagen der, der alles umfängt, der Jesus Christus hervorgebracht hat und der Luzifer hervorgebracht hat, welcher dann gefallen ist und Satan wurde. Aber der Vater umfängt alles.

T: Wobei hier der interessante Fall einträte, dass die Synthese zeitlich vor der These und der Antithese da gewesen wäre.

B: Aber damit wird auch deutlich, dass man bei dem Schema der Gegensätze etwas braucht, was diese dann zusammenführt, gewissermaßen unter einen Hut bringt. Da hilft es uns, wenn wir sagen, dass in sich der Geschichte der Menschheit das Gute und das Böse zunächst als scheinbar unvereinbare Gegensätze buchstäblich gegenübertreten und sich auch bekämpfen. Das ist prophezeit. Und doch werden beide letztlich einem höheren Zweck untergeordnet. Allerdings gibt es eine kleine Schwäche in der Sache: In irgendeiner Form siegt das Gute. Allerdings wissen wir, dass das Böse nicht aus dem Universum verschwinden wird. Es wird nur von der Erde verbannt, aber es wird bestehen bleiben, so dass die Dreiheit von These, Antithese und Synthese eigentlich existent bleibt, möglicherweise auf ewig. Nur räumlich gesehen wird es eine Verschiebung geben.

T: Am Schluss hast du es wieder abgeschwächt. Ansonsten hast du dich stark auf Onesimus zu bewegt. Das war der christliche Denker, der die These aufzuwerfen wagte, dass es schließlich doch eine Allversöhnung geben wird. Er rechnete damit, dass Gott die Macht haben würde, selbst den Teufel zu erlösen.

B: Das lassen wir mal offen im Raum stehen. Es ist auch unabhängig von Onesimus, den ich in diesem Detail leider nicht kenne, mein Gedanke gewesen. Ich danke dir, dass du mich in Verbindung bringst mit einem aus der tiefen Vergangenheit. Die Frage ist, ob wir zumindest dieses Gespräch beenden sollten, weil es sonst vielleicht etwas zu anstrengend wird. Wir können darüber nachdenken, ob wir die These damit ruhen lassen. Ich muss sagen, das Gespräch war für mich außerordentlich fruchtbar und hat enorm viele Denkanstöße gegeben. Rein vom Gefühl her werde ich jedenfalls diese These weiter verfolgen. Die Dinge, die du durch deine Hebammenkunst quasi hervorgebracht hast, bestärken mich darin, zumal ich inzwischen auch erhebliche Beziehungen gesehen habe zu Denkansätzen, die ich schon früher hatte. Es ist nicht so, dass es unbedingt etwas Neues ist, aber vielleicht eine Erweiterung.