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Das Verhalten Anderer dir gegenüber beeinflusst dich in deinem Leben. Was ist, wenn das Verhalten sich negativ auf dein Glück ausübt? Emelie ist von außen eine starke Frau, doch immer wieder muss sie mit den schwarzen, dunklen Mächten in Ihrem Kopf kämpfen. Ihre Unsicherheiten und Ängste hindern sie daran, das Glück zu erkennen. Selbst, als der attraktive Musiker in ihr Leben tritt und alles versucht, sie vom Gegenteil zu überzeugen, ist es für Emelie schwer zu glauben, was er sagt. Kann der tätowierte Ire sie von seiner Liebe überzeugen oder ist er so, wie alle anderen? Hat ihre Umwelt genügend Einfluss auf ihr Ich? Oder wird ihre Angst alles wieder zerstören
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Seitenzahl: 432
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Es war an einem kalten Januarabend, als ich durch den tiefen Schnee stapfte und den Winter verteufelte. Mode war einfach nicht für den Winter gemacht oder hatte wirklich jemand schon mal schöne Winterschuhe gefunden? Für mich war Winter die schlimmste Jahreszeit überhaupt. Zu kalt für Ballerinas, zu nass für Halbschuhe. Irgendwie kam die kalte Jahreszeit wie Weihnachten immer zu überraschend. Plötzlich lag Schnee und ich hatte noch keine Winterschuhe gefunden. Im Prinzip gab es keine schönen Winterschuhe. Stylisch, warm und rutschfest. Irgendwie waren es drei Adjektive, die nicht zusammen passen wollten. Jedenfalls wenn man die Meinung der Schuhindustrie betrachtete, oder warum waren alle schönen Winterstiefel nicht rutschfest und alle rutschfesten Stiefel, als würde man in der Antarktis wandern wollen?
Halb schlitternd kämpfte ich mich durch den Matsch in Richtung des irischen Pubs. Insgeheim verfluchte ich Marie, dass sie mich überredet hatte, doch die warme Wohnung zu verlassen um die Band ihres neuen Freundes zu sehen. Vielmehr wäre ich direkt nach Hause gefahren und hätte mir eine große Portion Spaghetti mit Bolognese gemacht und irgendeine langweilige TV Show im Bett angeschaut.
„Emmy!“, winkte sie bereits freudestrahlend, als sie mich erblickte. Mühelos schien sie sich auf mich zu zu bewegen. Ihr glattes braunes Haar sah wie immer umwerfend aus, ihr Strahlen schien im Schnee noch mehr zu leuchten. Der hellbraune Vintage-Fellmantel flatterte leicht im Wind. Es schien, als wäre der Winter ihr gut gewogen und sie wirkte wie eine Schneekönigin, in dem grauen Matsch der Stadt. Nicht wie ein halb verfrorener Yeti, so wie ich mich fühlte. Das Leben war manchmal ungerecht.
„So schön, dass du gekommen bist!“, lächelte sie mich an. „Komm, Ben fängt gleich an zu spielen!“ Energisch zog sie mich durch die Eingangstür des Pubs. Ich stampfte den Schnee von meinen schweren Stiefeln ab und folgte ihr in den warmen Vorraum der Bar. Das Gemurmel der Menge konnte man bis nach draußen hören und die Hitze schlug mir entgegen, als sie die Tür aufmachte. Marie schüttelte einmal kurz ihr Haar und es lag perfekt. Meine Mütze konnte es schaffen, stundenlanges föhnen, glätten und aufpolieren innerhalb von einer Minute zu ruinieren. Seufzend striff ich sie ab und fuhr durch meine blond gefärbten Haare.
„Emmy, wie schaffst du es immer, so toll auszusehen!“, fragte mich Marie ehrlich aufrichtig. Mit einem Schmunzeln schüttelte ich über meine beste Freundin den Kopf. Sie sah nicht nur atemberaubend aus, sondern war auch noch unglaublich lieb und nett, niemandem wollte sie je etwas Böses oder ein schlechtes Wort über einen anderen verlieren. Im Grunde war sie perfekt. Die perfekte beste Freundin. Manchmal war genau das sehr anstrengend.
„Das ist lieb von dir, aber ich fühle mich heute wie ein aufgeblasener Pfannkuchen!“, murmelte ich und zog meinen Mantel aus. Nach dem desaströsen Ende meiner Beziehung mit meiner großen Liebe, hatte ich anstelle wie alle anderen durch meinen Liebeskummer abzunehmen, 10 kg zugenommen und ich spürte jeden einzelnen Kilo, überall kniff es und ich konnte mich einfach nicht aufraffen abzunehmen. Im Gegenteil, es war, als würde jeder Bissen sich von der Kalorienzahl verdoppeln und ohne Widerspruch auf den Hüften festsetzen.
„Du siehst so toll aus Emmy. Das Kleid ist wie immer großartig!“ Ich lächelte und strich über mein schwarzes einfaches Kleid.
„Danke dir, du schaust auch wunderschön aus!“ Sie war so elfengleich, auch wenn sie nur eine Jeans und ein schlichtes schwarzes Shirt trug. Marie wirkte wie jemand aus den Frauenmagazinen, die Fashionblogger, die einfach in perfekter Pose durch die Straßen liefen und zufällig fotografiert wurden. Ganz einfach, ganz simpel, kein stundenlanges im Spiegel betrachten und tausende Fotos später, mit hundert verschiedenen Filtern. Nein, das war alles natürlich und normal.
„Lass uns etwas trinken und dann erzähl mir alles von deinem neuen Freund!“, versuchte ich das Thema von mir abzulenken.
Wir drückten uns an den Engländern und Iren vorbei, die lautstark den Pub in Beschlag nahmen. Ich war immer wieder beeindruckt, dass es so viele von ihnen in München gab. Es war, als würden sie unterirdisch von der Arbeit eine Strecke direkt zum Pub nehmen, ohne abzubiegen oder andere Orte aufzusuchen.
Wir bestellten uns beide Cider und gingen damit zurück zu unserem Tisch.
„Sein Name ist Ben und er ist so toll. Groß, breite Schultern, sexy und wahnsinnig lieb. Kennst du diese Momente, wenn es auf einmal klick macht? So fühlt sich das mit Ben an!“ Ich nickte und ließ es zu, dass ich für einen Augenblick an meinen Ex Freund dachte. An all die positiven Dinge, die wir miteinander erlebt hatten und für diesen Moment wurde ich wieder wehmütig.
„Und er spielt in einer Band?“
„Ja, aber nur aus Spaß, eigentlich ist er Software Entwickler für eine kleine Firma. Ach er ist so toll. Du wirst ihn mögen!“ Marie hatte noch nie eine schlimme Trennung hinter sich, noch nie schweren Liebeskummer und irgendwie hangelte sie sich von einem tollen Freund zum Nächsten. Am Ende waren es die Männer, die mich verzweifelt anriefen um zu wissen, was passiert war. Dann war ich diejenige, die die Scherben der zerbrochenen kleinen Männerherzen aufkehrte und versuchte zu retten, was zu retten war.
Am Ende hörte ich von ihnen nur ein „Ich wundere mich, warum du keinen Freund hast.“ oder auch beliebt „Eigentlich bist du die perfekte Frau. Warum hast du nur keinen Freund?“ Der ultimative Stich im Herzen, der sich bei jedem Mal wie eine Anklage anhörte. Warum konnte ich es nicht schaffen, dass jemand mich toll fand, wo doch mein Wesen so toll war. Warum hatte ich dann also keinen Freund.
Eigentlich sollte ich mich nicht beschweren, bevor ich mit meinem Ex zusammen war, hatte ich eine freie Auswahl an One-Night-Stands. Ich konnte sie nicht mehr abzählen, es war so entspannend, keine Gefühle, nur Sex und es war gut. Dann verliebte ich mich zum ersten Mal und alles was danach kam, war nur noch Sex mit Gefühl. Das Schlimmste, was einem wohl passieren kann. Sex mit Liebe. Doch irgendwie hatte ich es nicht gelernt, wie man in eine Beziehung rutschte, nicht sofort mit einem Mann zu schlafen und stattdessen einfach mal zuerst reden, sich kennen lernen. Irgendwie hatte ich im Laufe der Jugend diese Lektion verpasst, vermutlich war ich zu diesem Zeitpunkt betrunken und in den Armen eines gut aussehenden, beziehungsverweigerndem Musiker, der seine Musik essenzieller fand, als seine Freundin. Daher konnte ich gar nicht wissen, wie man Beziehungen einging.
Es war auch nicht so, dass ich hässlich war, ich fand mich an guten Tagen sexy, an schlechten Tagen annehmbar. Meine Haare waren fast weißblond gefärbt, meine Augen groß und hellblau, meine Lippen relativ voll, meine Brüste groß und meine Hüften breiter. Mein Hintern hatte fast Kardashian Ausmaße und ich mochte Marilyn Monroe so sehr, dass ich den gleichen Style trug. Die Zeit, in der Frauen, noch Frauen waren, war meine Stilepoche. Ich liebte Bleistiftkleider, Petticoat und Swingkleider in fast jeder Farbe, meistens aber rot oder schwarz. Meine liebste Stilepoche waren die 40er und die 50er Jahre.
Der andere Grund warum ich das Gefühl hatte Marilyn Monroe näher zu sein als andere, waren die Männer. Männer wollten mich erobern, aber sobald sie mich hatten, waren sie schnell wieder weg. Sex auf jeden Fall, Beziehung, nein! Das war mein Leben und es nervte mich oftmals.
„Oh oh, in fünf Minuten geht es los, ich bin schon so aufgeregt!“, kniff mir Marie in den Arm. Ich lächelte aufmunternd.
„Was spielt er denn für ein Instrument?“- „Bass!“
Bevor die Band begann zu spielen, holte ich für Marie und mich noch ein Bier. Wir hatten die perfekte Sicht auf die Bühne und Maries Aufregung übertrug sich langsam auf mich selbst. Ich lächelte, als ich sie dabei ertappte, wie sie sich nervös durch die Haare fuhr und mit dem Fuß wippte, an den Fingernägeln knabberte und an den Bierdeckeln fummelte. Es war fast zum Neidisch werden. Sie wirkte einfach glücklich verliebt. Ein Gefühl, woran ich mich kaum noch erinnern konnte.
Erst kam der Drummer auf die Bühne, er wirkte etwas wie der große Bruder von Harry Potter, dann der Bassist. Er sah gut aus, groß, kurze blonde Haare, die wie zufällig verwuschelt waren, einen leichten Bart. Sein Kinn männlich, seine Augen wach und interessiert, sein Lächeln sympathisch. Er wirkte wie ein Model und passte perfekt zu Marie. Sie waren wie ein perfektes Instagram Account. Als mein Blick auf seinen Freund fiel, winkte Marie aufgeregt. Er lächelte schüchtern und nickte ihr kurz zu. Ich musste über diese ganze Szenerie einfach nur kichern. Es war unglaublich süß, wie die Beiden miteinander umgingen.
Dann trat der Sänger auf und ein leichtes Raunen schien durch die weiblichen Zuschauer zu gehen. Verständlich, er war atemberaubend schön.
Groß, schwarze Haare, die bis zu den Schultern gingen und sich leicht lockten, sein Gesicht wurde von einem schwarzen Vollbart umrandet und die Augen waren dunkel, sein Blick konzentriert und ernst. Seine schwarze Jeans war hauteng und hatte Löcher an den Knien, sein schwarzes Shirt deutete seinen durchtrainierten Körper an, die Arme waren von oben bis unten an beiden Seiten tätowiert. Für einen Moment raubte es mir schier den Atem. Er war genau der Mann, den ich mir in meinen Träumen vorstellte. Sein Blick striff durch das Publikum, er zwinkerte einem Mädchen in der ersten Reihe zu und präsentierte dann das schönste Lächeln, was ich jemals gesehen hatte. Er legte sich die Akustik Gitarre um die Schulter, setzte sich auf einen Barstuhl und atmete einmal tief durch. Er war der perfekte Superstar.
Der große Bruder von Harry Potter schlug den Takt an und dann hörte ich eine ruhige, leicht raue, tiefe Stimme, die voller Gefühl war. Sie klang traurig, als hätte er schon viel im Leben durchgemacht. Alles um mich herum verschwand in der Melodie und der Stimme, die dieser gutaussehende Mann wiedergab. Das Lied handelte von einer Frau, seiner großen Liebe, die er vergötterte und den Himmel zu Füßen legte, seine Liebe betrog ihn und zerbrach ihn sein Herz in tausend kleine Splitter. Aus der Trauer davon wollte er sich umbringen. Damit sprach er mir aus dem Herzen, aus meinem Leben, er sprach meine Gefühlslage an. Meine Gedanken schwammen auf seiner Stimme dahin, in den Schmerz und der Trauer.
„Sind sie nicht toll?“, fragte mich Marie aufgeregt, wobei sie mir in den Arm kniff und mich damit zurück in die Realität holte.
„Wer ist der Sänger?“, murmelte ich, ohne den Blick von ihm nehmen zu können. Er schaute kurz hoch und sah mich direkt an. Etwas in meinem Magen fing an zu kribbeln und als hätte er mich bei etwas ertappt, schaute ich leicht beschämt weg. Ich spürte sein Lächeln.
„Das ist Aiden!“, fing sie an zu lachen. „Genau dein Typ oder?“ Ich nickte nur kurz. Leider. Er war genau der Typ von Mann, der mich im Leben niemals beachten würde. Also ja, genau mein Typ Mann. „Er ist Single!“, zwinkerte sie und das nächste Lied begann und zog mich wieder mit in die Stimmung. Traurig, verzweifelt und melancholisch.
Es ging um eine Nacht, in der er seine Ex Geliebte mit einem Neuen traf und wie er sich daraufhin aus Verzweiflung betrank. Ich spürte seine Emotionen, die sich auf mich übertrugen. Das Gefühl, zu wissen, dass mein Ex mit einer neuen Frau im Bett lag, sie liebte, ihr die schönsten Wörter zuflüsterte, mit Blicken anlächelte, sie küsste und für sie mehr Gefühle hatte, als er jemals für mich hatte. Tränen schossen mir in die Augen und der Kloß steckte tief im Hals. Ich hasste ihn so sehr dafür, dass er mein Herz gestohlen hatte. Ich hasste mich dafür, dass ich es zugelassen hatte, dass ich mich hingegen all meiner Zweifel auf ihn eingelassen hatte, nur damit meine Skepsis bestätigt wurde.
Unbeobachtet strich ich eine Träne aus den Augenwinkeln und sah hoch. Der Sänger blickte mich an, während seine Worte verzweifelt klangen, beschämt sah ich zur Seite und lächelte kurz. Ein intimer Moment zwischen ihm und mir.
Eigentlich war ich niemand, der in der Öffentlichkeit weinte, jedenfalls, bevor ich meinen Ex kennenlernte. Seitdem war es mir egal, wo mir Tränen kamen und wer mich dabei sah. Wie viele Tränen hatte ich in einer vollen U-Bahn in der Hauptverkehrszeit geweint und niemand hatte sich darum gekümmert. Die Anonymität der Großstadt.
Nach sechs Liedern signalisierte ein lautes Klatschen und ein leichtes Kreischen, das die Show zu Ende war. Die Musiker lächelten zufrieden und packten ihre Instrumente zusammen. Ich beobachtete den Sänger und bemerkte, wie sich die Damen, denen er öfter während der Show zugezwinkert hatte, sofort um ihn scharten. Mit einem Lächeln um seine Lippen widmete er sich intensiv den aufgeregten Mädels. Gegen junge, schöne Mädchen, die ihn mit großen Augen anklimperten und ihre Brüste entgegenstreckten kam ich nicht im Geringsten an, nicht an diesem Tag, nicht mit den Gedanken an meinen Ex.
Marie umarmte stürmisch ihren Ben und drückte ihm einen Kuss mitten auf den Mund.
„Babe!“, strahlte er über beide Ohren.
„Du warst so großartig!“, zog sie ihn zu sich herunter und küsste ihn erneut. Ich atmete einmal tief durch und setzte ein Lächeln auf. Das Lächeln, welches ich Jahrelang geübt und perfektioniert hatte. Ein Lächeln, was bedeutete, es ging mir super, ich hatte keine Probleme. Insgeheim wünschte ich mir, ich hätte auch jemanden, den ich umarmen konnte, der mich küsste und sagte, wie sehr er mich vermisst hatte. Ein Stich in der Magengegend, ich war in der Realität angekommen.
„Ben, darf ich dir meine beste Freundin Emelie vorstellen. Emmy, dass ist Ben!“, sie schien so unglaublich verliebt, dass es fast weh tat.
„Hallo Emelie! Marie hat mir schon so viel von dir erzählt!“, sein irischer Akzent war stark, machte ihn aber so unglaublich sympathisch. Er hatte eine tiefe sonore Stimme und in seinem Lächeln steckte so viel Energie, dass man gleich gute Laune bekam.
„Nenne mich einfach Emmy. Ich freue mich auch. Ihr wart wunderbar!“, nickte ich in Richtung Bühne.
„Danke schön.“, er hatte Marie noch immer im Arm und flüsterte ihr etwas ins Ohr, bevor sie wie ein kleines Schulmädchen kicherte.
„Darf ich dir Thommy vorstellen!“, kam nun der Drummer an unseren Tisch. Er war fast so groß wie ich, hatte kurzes braunes Haar und eine typische schwarze Hipster Brille. Thommy wirkte eher wie der kleine Bruder, den ich nicht hatte.
„Hi, ich bin Emmy!“, lächelte ich freundlich und gab ihm die Hand.
„Hallo Emmy, ein schöner Name, zu einer schönen Frau sehr passend!“ Ich nickte nur und trank einen großen Schluck Bier, um nicht antworten zu müssen. An manchen Tagen hatte ich kein Gespür für Komplimente und an vielen Tagen konnte ich sie nicht verstehen.
„Wow, Aiden ist ja wirklich begehrt!“, nickte Marie kichernd zu dem heißen Mann. Der stand umringt von den Damen und sie alle versuchten sich ins rechte Licht zu rücken, damit er sich nur um sie kümmerte und sich unsterblich in sie verliebte. Frauen waren meistens so einfach zu verstehen, so schnell zu durchschauen. Sie wollten im Prinzip nur eines, den Traumprinzen, den Ken, der ihnen die Welt zu Füßen legte. Wir wollten die Prinzessin aus den Märchen und Filmen sein.
„Tja Sänger...!“, murmelte ich nur kurz und stand auf. „Möchte jemand noch ein Cider?“ Alle nickten und ich machte mich auf den Weg zur Bar. In meinem Leben hatte ich viele Musiker kennen gelernt und viele beobachtet, oft in die Welt der Musikszene eingetaucht und dabei Beobachtungen gemacht, die sich, egal aus welcher Musikrichtung sie kamen, ähnelten. Sänger und Leadgitarristen waren die, die von den Mädels umringt wurden. Bassisten und Drummer waren entspannt und nahmen die Frauen, die die Sänger und Leadgitarristen übrig ließen.
Als ich mit dem Bier an den Tisch kam, stand der heiße Mann dabei.
„Danke Emmy!“, strahlte mich Thommy über beide Ohren an. Ich nickte kurz und zwängte mich an den großen dunkelhaarigen Typen vorbei, damit ich Marie und ihrem Ben das Bier hinstellen konnte.
Ohne ein Wort zu sagen, nahm sich der Sänger mein Bier, zwinkerte mir kurz zu und trank mein Glas fast zur Hälfte leer. Überrascht blickte ich ihn mit großen Augen an.
„Ich hatte dir kein Bier mitgebracht. Das war meins!“ Er stellte das Bier ab und lächelte mich mit einem strahlenden Lächeln an, er hatte dunkle Augen, die mich kurz musterten, dann fuhr er sich mit der Hand über den Bart.
„Oh, ähm, das tut mir leid, hier!“, stellte er mir das halbleere Bier hin. „Ich hol dir ein Neues!“ Mit diesen Worten war er in der Menge verschwunden und ließ mich verwirrt und leicht wütend stehen. Es war mir egal, ob er gut aussah, sein Verhalten war dennoch unhöflich.
„Also Emmy, was machst du so?“, stellte sich nun der Drummer wieder neben mich.
„Ich arbeite für ein Start-up Unternehmen und du?“
„Ach wie toll. Ich arbeite für einen Automobilkonzern als Ingenieur!“, mit stolzer Brust, schob er sich die Brille wieder auf die Nase. Es sollte sicherlich intelligent wirken, verfehlte jedoch auf mich seine Wirkung.
„Okay. Und die Musik ist dann quasi dein Hobby?“, fragte ich ihn. Er nickte.
„Klar, ansonsten könnten wir uns das Leben hier in München gar nicht leisten.“ Thommys Akzent war leicht bairisch, also schien er kein Ire wie Ben zu sein.
„Verständlich!“ Tommy begann ungefragt von seinem Leben, seinen Hobbies und was er privat machte, zu erzählen. Nach einer Weile stellte mir der Sänger einfach nur ein neues Bier vor die Nase und strahlte mich stolz, wie ein kleiner Junge an.
„Bitte sehr!“ Ich dankte ihm kurz mit einem Nicken und versuchte Tommy weiter zu zuhören. Es war schwer, da die Lautstärke des Pubs seine Worte verschlangen. Im Prinzip war es auch nicht weiter schlimm, ich hatte keine Energie seinem Monolog zu folgen und beobachtete desinteressiert die Anderen. Die Hoffnung war, dass es Thommy bemerkte und mich in Ruhe ließ, doch anscheinend fand er seine Geschichte so spannend, dass er meine Ablenkungen nicht realisierte oder einfach ignorierte. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie Marie mit Ben herumknutschte und Aiden von einer Blondine in Beschlag genommen wurde.
Aiden wirkte abseits der Bühne noch immer selbstsicher, aber dennoch schien um ihn herum eine besondere Aura zu liegen. Die Aura des Sängers einer Band. Mysteriös, sexy, melancholisch und einen leichten Hauch von einem Bad Boy. Die perfekten Attribute für jede Frau, von spätpubertierenden Teenagern bis hin zu Studentinnen. Die Blondine drückte ihm ihre Brüste gegen den Arm und strahlte ihn von unten nach oben an. Klimperte mit den Wimpern und drehte sich eine Strähne um den Finger. Dann schürzte sie die Lippen und hauchte ihm etwas zu. Aiden schien diese schlechte Flirterei gar nicht mitzubekommen, sondern ließ seinen Blick durch die Bar schweifen.
Sein Blick blieb auf mir hängen, als er mich beim Mustern erwischte. Ich kicherte über den Versuch der Blondine seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Die junge Frau folgte seinem Blick und bedachte mich mit einem wütenden Blick, der mir sagen sollte, dass ich nicht das Recht hätte ihn anzusehen und sowieso keine Chance hatte. Das amüsierte mich erst recht. Verwundert blickte Aiden zwischen ihr und mir. Räuspernd nahm ich einen Schluck, nickte ihm zu und drehte mich lächelnd um.
„Warum hast du gelacht?“, stand er plötzlich vor mir. Von nahem sahen seine Augen noch dunkler und tiefgründiger aus. Ich konnte sogar ein paar Lachfältchen erkennen. Er musterte mich intensiv, stützte seine Hand auf den Bartisch neben mir und trank einen Schluck von seinem Bier.
„Ach, nichts weiter!“, winkte ich ab. Die Blondine stemmte ihre Arme in die Hüfte und betrachtete mich missbilligend.
„Nein, ernsthaft, warum hast du gelacht? Hast du mich ausgelacht?“, er wirkte verunsichert, versuchte aber mit seinem Lächeln dies zu überspielen. Ich lächelte ihn aufmunternd an und bemerkte für eine Sekunde, etwas an ihm, was ich nicht einordnen konnte.
„Oh Gott, nein auf keinen Fall. Ich habe nur die offensichtliche Flirterei deiner Bekannten belächelt.“, nickte ich mit dem Bier in der Hand zu der Blondine, die sich nun zu Aiden trollte.
„Aiiiiden, können wir dann gehen? Hier ist es ganz schön laut.“, legte sie ihren Arm um seine Hüfte und sah mich gewinnlächelnd an. Er sah kurz zu ihr und dann zu mir.
„Ich komme nach, geh du schon mal vor. Manuela“-„Monika!“, korrigierte sie ihn künstlich lachend. „Mmh...okay!“, ignorierte er den Fehler sichtlich und sah mich immer noch an, ohne sich um sie zu kümmern.
„Ja aber bleib nicht zu lange bei denen!“, strich sie zum Abschied noch mal über seine Tattoos am Arm. Es schien ihn nicht zu stören, dass sie ging und schon gar nicht, dass sie sauer schien. Ich sah ihr hinterher, wie sie wutentbrannt zu ihren Freundinnen an den Tisch ging. Es war offensichtlich, dass sie über mich sprechen würde und sie würde nicht erwähnen, dass ihr Schwarm sich nicht darum scherte, dass sie da war. Nein in ihren Worten war er so verliebt in sie. Die Mädchen lauschten gespannt über ihre Geschichten und kicherten ab und an. Es war irgendwie süß und erinnerte mich an meine Teenager Jahre. Ich lächelte ihr zu und trank einen Schluck Bier.
Thommy hatte sich nun zu Aiden gesellt und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Aiden betrachtete mich schweigend, während er Tommy zuhörte. Es war mir unangenehm, sehr unangenehm. Vermutlich dachte er sich, wenn ich dünner wäre, dann hätte ich Beziehungspotential und das es schade darum war. Sein Blick war durchdringend und ich fühlte mich für einen Moment nicht wohl in meiner Kleidung und mit meinem kaum vorhandenen Selbstbewusstsein.
Schweigend versuchte ich nicht ganz verunsichert zu wirken, sondern trank mein Bier aus, rutschte von dem Barhocker und nahm meine Jacke. Es war besser, wenn ich ging, bevor er noch etwas Arrogantes und Gemeines zu mir sagen konnte.
Als ich vor die Tür trat, schlug mir die Eiseskälte mit voller Wucht entgegen, konnte damit aber die aufkeimenden Tränen abkühlen. Ich steckte den Schal tiefer in meine Jacke und drehte mit trockenen Fingern eine Zigarette, als ich nach Feuer suchte, hielt mir jemand die Flamme unter die Zigarette.
Um das Feuer vor Wind zu schützen, hielt ich kurz die warme Männerhand und bildete eine Kuhle. Ich zog daran und blies den Rauch wieder aus und sah hoch in die die dunklen Augen des Sängers. Der stand in einer Lederjacke vor mir und lächelte.
„Warum bist du gegangen?“, sein Akzent war genauso stark wie Maries Freund Ben. Er klopfte sich eine Zigarette aus seiner Schachtel und zündete sich diese an.
„Mir war warm und ich wollte eine rauchen!“, murmelte ich kurz, bevor ich die Türsteher beobachtete, die wiederum uns beobachteten. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, es fühlte sich an, als würde er mir tief in die Seele blicken und ich konnte es nicht ertragen, wenn jemand herausfinden würde, wie ich wirklich dachte. Ich wollte nicht als die depressive, traurige Frau gelten, die ich war. Diese Frau war anstrengend, für andere uninteressant. Es hätte bedeutet, jemand müsste sich außerhalb seiner Wohlfühlzone für etwas anderes, als sich selbst kümmern. Es war auch zu viel verlangt, jemanden Fremden zu sagen, wie man sich fühlte und schon gar nicht jemanden, den man toll fand.
„Deine Freundin steht auf meinen Bruder!“, erwähnte Aiden. Ich verlagerte meine Aufmerksamkeit von den Türstehern, die nun sich um ein streitendes Pärchen kümmerten, zu dem großen gutaussehenden Mann vor mir.
„Passiert!“ Sie waren also Geschwister. Irgendwie hätte man es nicht erahnen können. Sie wirkten auf den ersten Blick unabhängig voneinander.
„Ja, irgendwie passiert das. Ich heiße übrigens Aiden!“, er hielt mir freundlich seine Hand hin.
„Emelie! Aber jeder nennt mich Emmy!“, drückte ich seine warme männliche Hand.
„Freut mich Emelie!“ Seine braunen Augen funkelten, als er mit seinem tausend Watt Lächeln mir entgegen trat. Emelie klang von seinen Lippen wie heiße Schokoladensauce, die auf einer Kugel Eis hinunterlief, sexy und erotisch.
„Das Konzert war schön, die Lieder waren sehr emotional!“, lächelte ich kurz um die Stille zu vermeiden. „Ich weiß!“ Er strich sich eine Strähne aus den Augen und grinste. Seine Überheblichkeit überraschte mich etwas und automatisch zog ich meinen Kopf zurück. Es war wie eine Wand, gegen die ich gelaufen war.
„Vermutlich hörst du das die ganze Zeit!“, zog ich eine Augenbraue leicht angewidert hoch.
„Ja, das haben schon viele gesagt.“
„Na dann.“, murmelte ich und schnippte die Zigarette weg. „Ich wollte nur nett sein!“
„Ich weiß es, weil ich dich...“, wollte Aiden beschwichtigen, doch er wurde jäh von Thommy unterbrochen. „Hey kommt ihr noch mit? Wir wollen ins Dinermite auf einen Burger gehen!“ Thommy sah mich erwartungsvoll an, während Marie und Ben eng umschlungen und strahlend hochkamen. Manchmal waren glücklich verliebte Paare zum Kotzen.
„Ja klar, ich bin dabei!“, nickte Aiden und sah sich kurz um. „Wartet hier, ich hole nur schnell meine Gitarre!“, dann verschwand er nach unten in den Pub.
Thommy gesellte sich zu mir und sah mich fragend an.
„Was ist mit dir Emmy? Möchtest du mitkommen, einen leckeren Burger vertilgen und dann noch ein Bierchen?“ Es klang verlockend und ich hatte nichts weiter vor. Auf der anderen Seite hatte ich keine Lust auf Marie und Ben, deren Verliebtheit mir hart ins Gesicht knallte. So sehr ich sie liebte, aber irgendwann war es nur unfair, wie sie es immer schaffte, dass sich alle in sie verliebten. Während ich einfach nur einsam und verzweifelt war.
„Ach nein, ich fahr nach Hause, ich möchte noch etwas machen!“, entschuldigte ich mich.
„Oh nein, komm schon Emmy, du musst mitkommen, es wird sicher lustig!“, löste sich Marie von Ben und kam auf mich zu. „Bitte, bitte, bitte!“ Ich blickte hinter ihr, wie Aiden mit zwei Mädels im Schlepptau hochkamen. Die Blondine und ihre ebenso heiße Freundin.
„Komm schon Emmy!“, nickte auch Thommy mir aufmunternd zu. Ich willigte seufzend ein.
„Okay, aber nur auf ein Bier!“, murmelte ich und folgte der Gruppe schweigend, während Tommy neben mir lief und von dem neuen Star Wars Film schwadronierte. Marie und Ben liefen händchenhaltend und Aiden war mit seinen zwei gackernden Mädchen beschäftigt.
Als wir uns alle an einen Tisch gesetzt hatten, kam uns schon eine Kellnerin auf Rollschuhen entgegen. Das Dinermite gehörte zu meinen Lieblingsburgerladen, da das Interior einem 50er Jahre Diner glich und die Bedienungen auch entsprechend sich angepasst hatten.
Wir orderten alle Burger und Bier, während Aidens Begleitung sich jeder einen Salat bestellte.
„Wir verzichten Abends auf Kohlenhydrate!“, erklärte die Blondine stolz, während sie mich giftig anblickte. Ich ahnte, was sie dachte und seufzte innerlich auf.
Ich rutschte etwas tiefer in den Sitz und hoffte, dass man mich einfach in Ruhe ließ.
„Emelie, was machst du eigentlich beruflich?“, seine tiefe sonore Stimme riss mich aus der Unsicherheit. Er wirkte vollkommen ruhig, in sich gekehrt und ignorierte die Versuche von der Blondine namens Monika, die an ihn rückte und ihre Hand auf seinen Oberschenkel legte.
„Ich arbeite für ein Start-up Unternehmen in der Fashionbranche!“
„Echt, wie toll. Was machst du da?“, er beugte sich zu mir vor.
„Ach ich gehöre zum Buying Team. Ich stelle die Angebote zusammen!“ Wir schienen so langsam auf ein sicheres Terrain zu kommen. Meine Arbeit war das Wichtigste, das Einzige, was ich vorweisen konnte. Für mich gehörte meine Arbeit zu meinem Leben. Es war alles, was ich hatte, worauf ich stolz war.
„Cool!“, seine dunklen Augen durchdrangen mich unaufhörlich, dann lächelte er und lehnte sich zurück. Er legte den Arm um die Blondine, doch als sie sich an ihn anschmiegen wollte, rückte er unmerklich ab. Während sie ihn mit leuchtenden Augen von unten nach oben ansah, war sein Blick immer noch an mir gehaftet. Ich fühlte mich unangenehm in seinem Blickfeld und sammelte nervös imaginäre Salzkrümel von den Pommes auf. Aiden beobachtete die Szene amüsiert.
„Was machst du eigentlich?“, sah ich ihn endlich fragend an. Die Blondine kicherte laut auf.
„Er ist natürlich Musiker!“, schnalzte sie missbilligend mit der Zunge, warf ihr Haar nach hinten und sah Aiden triumphierend an. Er schien das Ganze vollkommen zu ignorieren und beugte sich wieder zu mir vor.
„Ich mache Musik und bin Tätowierer!“, nahm er nicht seine Augen von mir. Es war ein angenehmes, warmes Gefühl und gleichzeitig verunsicherte er mich mit seiner Coolness und seiner Attraktivität.
„Ah okay, nett!“
„Hauptsächlich bin ich aber Musiker, das tätowieren mache ich nebenher!“ Ein Lächeln huschte über seine Lippen und ich nickte leicht.
„Das ist doch schön!“ Aiden fing leicht an zu lachen und schüttelte den Kopf. Dann betrachtete er mich erneut intensiv und öffnete gerade den Mund, um mir zu antworten, als Thommy sich einmischte und meine Hand berührte.
„Emmy, hast du eigentlich schon den neuen Star Wars gesehen?“ Irritiert blickte ich auf seine Hand, die nun auf meiner ruhte. Körperkontakt mit halb fremden Menschen war für mich immer unangenehm, doch ich wollte nicht zickig wirken und blickte Thommy in seine grauen Augen. Er lächelte und wirkte mit sich zufrieden. Dann sah ich zu Aiden, der hatte sich nun seiner Blondine im Arm gewidmet. Sie lachte, während er ihr etwas ins Ohr flüsterte. Dabei spielte er mit einer Haarsträhne von ihr. Ihre Hand lag auf seinem Oberschenkel. Sie wirkten wie ein schönes Paar. Es überraschte mich, dass mir der Gedanke kam, wie wir beide zusammen wohl aussehen würden und schüttelte den Kopf. Lachhaft. So jemand wie er würde niemals mit mir zusammen zu sein.
„Nein, habe ich nicht.“ wandte ich mich nun wieder zurück zum Drummer. Er fing an zu lächeln und rückte näher an mich heran.
„Magst du ihn noch sehen?“, fragte er weiter. Ich erahnte, worauf er hinauswollte. Mühsam schmunzelnd räusperte ich mich und versuchte so nett wie möglich zu sein.
Mit meiner tiefen, netten, weichen Stimme, die ich benutzte, wenn ich mit Behörden oder in Meetings sprach, sagte ich: „Nein, tut mir leid Tommy, aber ich interessiere mich nicht für Star Wars.“ Tommy nickte, leicht enttäuscht, aber es schien ihn nicht abzuschrecken.
„Nicht schlimm. Übrigens spielen wir Morgen wieder in einem Pub!“ Der Versuch Nummer zwei. Ich nickte kurz und biss in meinem Burger, damit ich nicht antworten musste. Tommy schien es aber nicht zu bemerken, sondern redete einfach weiter. Das vibrieren meines Handys ließen mich aus dem Gespräch aussteigen.
Die Nachricht war von Marie, die mit Ben schräg gegenüber saß. „Soll ich dich da rausholen?“ Ich musste Lächeln und blickte kurz zu ihr. Sie tat so, als sei nichts, betrachtete schmachtend Ben und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Nein, das ist schon okay, ich geh dann auch gleich!“, schrieb ich zurück.
„Von deinem Freund?“, fragte Tommy mich neugierig. Plötzlich war es still, ich spürte auch, dass Aidens intensiver Blick auf mir ruhte.
„Nein...also...na ja...ähm...“, fing ich an zu stottern und schob das Handy wieder in die Handtasche. Eigentlich wäre es der perfekte Moment um Thommy loszuwerden. „Nein, es war nur ein sehr guter Freund.“
„Ach okay, schön.“, lächelte Thommy und wandte sich kurz seinem Getränk zu. Aiden kramte etwas Geld aus seiner Hosentasche und warf die Scheine auf die Tischmitte. Die Blondine strahlte über beide Ohren, als Aiden aufstand, sein Haar zurückstrich und die Jacke anzog.
„Wir sehen uns!“, nickte er den Jungs zu. „Emelie“, blickte er mich an und lächelte. Es war wirklich schon fast anzüglich, wie er meinen Namen nannte. „War nett dich kennen gelernt zu haben.“ Dann drehte er sich um und ging aus die Tür. Die Blondine lächelte nur kurz und rannte ihm hinterher.
Niemanden schien es zu stören, was gerade passiert war. Aber es war nun der perfekte Moment, das ich gehen konnte. Ich stand auch auf und ging hinter die Bank von Marie, umarmte Sie kurz und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Mach es gut Schatz, wir schreiben uns!“, lächelte ich sie an und winkte den Anderen.
„War nett mit euch, aber ich muss morgen früh raus!“, verabschiedete ich mich von den Anderen. Ich bemerkte, wie Thommy gerade aufstehen wollte, ignorierte das einfach und ging schnellen Schrittes auch aus dem Restaurant.
Als ich auf die Straße kam, zog ich meinen Mantel etwas enger und schlug den Kragen hoch. Dann blickte ich nach rechts und links und entschied mich für die linke Seite.
Mit Musik in den Ohren, dachte ich über den Abend nach, wie nett die Musik und wie gutaussehend der Sänger war. An einer Straßenecke, bemerkte ich, wie Aiden und die Blondine miteinander redeten.
Sie lehnte an der Wand und er stand ganz dicht bei ihr, blickte zu ihr herunter, während seine Hand an der Wand hinter ihr abstürzte. Ihr Fuß war angewinkelt und ihr Knie somit direkt an seinem Schritt. Sie sah ihn verführerisch an, während er sich lächelnd zu ihr runterbeugte. Die Blondine sagte etwas und er nickte, beugte sich tiefer zu ihr herunter. Kurz bevor er sie küsste, hupte ein Auto neben mir. Er blickte hoch und entdeckte mich. Ich lächelte kurz und ging weiter. Das Ganze wollte ich mir nicht weiter geben.
Ich wartete auf meine U-Bahn, als sich neben mir Aiden gesellte. Überrascht blickte ich mich um, keine Blondine in Sichtweite. Er hatte seine Hände in den Jackentaschen und lächelte verschmitzt zu mir.
„Wo musst du hin?“, fragte er mich, als hätte ich ihn nicht vorher fast beim Knutschen erwischt.
„Nach Schwabing. Giselastraße!“
„Perfekt, da muss ich auch hin! Stört es dich, wenn ich dich begleite?“ Ich schüttelte irritiert den Kopf, atmete kurz durch. Er würde mich nie toll finden und ich hätte nicht im Geringsten eine Chance. Er stand auf die schlanken, schönen Mädchen, nicht auf mich.
Die U-Bahn fuhr ein und wir wählten eine Sitzbank. Er nahm mir Platz gegenüber, streckte sich etwas und legte dann ein Bein auf sein anderes, dabei rutschte die schwarze enge Jeans etwas hoch und rote-pink karierte Socken tauchten auf. Ich musste lächeln, weil es einfach so absurd war, dieser heiße Rocker mit den pinken Socken.
„Wo ist denn deine Begleitung hin?“, fragte ich ihn. Ich hätte darauf wetten können, dass er mit ihr nach Hause fahren würde, um sie mit allen Regeln der Kunst zu verführen.
„Nach Hause!“, murmelte er kurz. Die U-Bahn hielt an und eine Gruppe mit jungen Mädchen kamen herein, zwei setzten sich direkt neben uns und die anderen auf die leere Bank daneben. Es dauerte nicht lange, ehe sie den heißen Mann bemerkten. Leise kicherten sie und fingen an ihn anzustarren. Ich verstand es, er war wirklich gutaussehend, aber ihn schien es gar nicht aufzufallen, sondern er blickte zu mir.
„Ich hätte ernsthaft gedacht, dass du sie nach Hause nimmst. Ihr wirktet vorhin so vertraut an der Straße!“ Aiden schüttelte nur mit dem Kopf und blickte mich an, sagte dazu aber nichts. Er nahm aus seiner Jackentasche seine Zigarettenschachtel, holte eine Zigarette heraus und klemmte sie sich hinters Ohr. Ich beobachtete ihn amüsiert und schüttelte den Kopf.
„Was?“, fragte er mich.
„Na ja ich frag mich, wie lange du das einstudiert hast!“ Aiden blickte mich lange an und überlegte wohl, was er darauf antworten sollte.
„Entschuldige bitte. Es sollte nicht...“- „Nein, ist schon in Ordnung. Entschuldige dich nicht Emelie!“ Er beugte sich nun vor und stützte seine Unterarme auf seine Knie, runzelte die Stirn und seine Finger berührten leicht mein Knie. Ich spürte seine Wärme sofort an der Stelle und in meinem Bauch fing es an zu kribbeln. Eines der Mädchen seufzte leise auf. Er blickte zu dem Mädchen und schenkte ihr ein schönes Lächeln. Daraufhin wurde sie rot und sah sofort zu Boden. Das nahm die Schärfe aus der Situation und ich setzte mich etwas auf, damit seine Finger nicht meine Knie berührten.
„Nächste Station Giselastraße!“ ertönte es blechernd aus dem Lautsprecher. „Das ist dann wohl unsere!“, räusperte sich Aiden. Ich nickte und wir standen langsam auf.
Schweigend fuhren wir die Rolltreppe hoch und stiegen die Treppen auf die Straße.
„Ich muss da lang!“, nickte ich. Er sah kurz zur Straße runter und zündete sich die Zigarette an.
„Gut, dann begleite ich dich noch ein Stück!“ Fieberhaft überlegte ich, über was wir reden konnten, doch es schien Aiden nicht annähernd zu stören, dass wir es nicht taten. Ich beobachtete ihn von der Seite. Er hatte so ein schönes Gesicht, mit dem dunklen etwas langen Vollbart und den schwarzen Haaren. Fasziniert studierte ich ihn. Es war schon unfair, wie gut manche Menschen aussahen. Er blickte zu mir und lächelte. Als hätte man mich beim Lügen ertappt, sah ich sofort zu Boden.
„Vorsicht!“, ermahnte mich Aiden, doch da war es zu spät. Ich stolperte über einen schwarzen Stein und strauchelte leicht. Aiden hielt mich fest und konnte mich so vor dem Fallen hindern.
„Oh man!“, seufzte ich auf, während er mich noch immer im Arm hielt und fing an zu Lachen. „Echt blöd gelaufen!“, murmelte ich und rieb mir kurz meinen Knöchel. Ich war beim Versuch nicht zu fallen leicht umgeknickt. Aiden betrachtete mich und sah zum Knöchel herunter, dann fing er auch an zu lachen. Er hielt mich länger, als er musste, aber es gefiel mir irgendwie.
„Hast du dir wehgetan?“ Ich schüttelte den Kopf und er ließ mich los. „Nein, nein keine Sorge. Mir geht es gut. Nur etwas überrascht!“, kicherte ich immer noch und wir liefen weiter. Als wir vor meiner Haustür ankamen, blieben wir stehen. Ich zündete eine Zigarette an und blickte zu ihm hoch. Im Licht der Straßenlaterne wirkte er noch schöner, als hätte er einen Weichzeichner. Er nahm sich die Zigarette von seinem Ohr und zündete sie sich an.
„In welchem Tattoostudio arbeitest du denn?“, fragte ich nun, damit endlich mal eine Unterhaltung in Gang kam.
„Ach im Einstich. Ein Kumpel und mir gehört das Studio!“ Ich nickte. Eigentlich hatte ich keine Ahnung von dem Studio. Ich hatte in meinem Freundeskreis als Einzige kein Tattoo und es auch nicht vor. Natürlich hatte ich lange überlegt mich tätowieren zu lassen, aber dann hatten plötzlich wirklich alle eins und es wurde langweilig.
„Okay!“ Ich zog an meiner Zigarette. Es war einfacher mit einem Stein zu reden, als mit ihm. Ich schnipste die Zigarette weg und holte meinen Schlüssel aus der Tasche. „Danke noch einmal für das Nachhause bringen!“, lächelte ich ihn an. Er nickte, kam auf mich zu. Für einen Moment dachte ich, er würde mich leidenschaftlich küssen. Doch er beugte sich zu mir herunter und gab mir ein Küsschen auf die Wange.
„Schlaf gut Emelie!“, dann drehte er sich um und ging in die Richtung, von der wir gekommen waren zurück. Verwundert sah ich ihm hinterher und schüttelte den Kopf. Wenn er nicht in der Straße wohnte, warum hatte er mich dann begleitet? Ich war verwirrt, als ich die 5 Stockwerke zu meiner Wohnung hochging. Dennoch war mein Magen in Aufruhr von diesem kleinen Kuss. Ich musste mich wirklich zusammen reißen. Er stand so oder so niemals auf mich.
Als ich gerade mit meinen Arbeitskollegen lachte und tratschte, blinkte mein Handy auf. Lachend blickte ich auf das Handy. Ich hatte eine Nachricht von einer unbekannten Nummer erhalten. Ich klickte den Whatsapp Icon an und öffnete die Nachricht und fing sofort an zu grinsen, als ich bemerkte, wer sie geschrieben hatte.
„Hi, für dich zur Info, wir spielen heute Abend im Eddy's! A“ Kurz und knapp, der Mann, der spärlichen Worte. Mein Herz schlug schneller, da hatte doch tatsächlich dieser gut aussehende, heiße Typ meine Nummer von Marie besorgt und mir geschrieben. Mein Kopf jedoch versuchte mir zu verdeutlichen, dass er vermutlich den Text einfach kopiert und all seinen Bekannten geschickt hatte. Aus diesem Grund antwortete ich nicht, sondern legte das Handy bei Seite und tratschte mit meinen Kollegen über die neuesten Gerüchte.
Ich hatte das Ganze vergessen, wurde aber auf den Weg nach Hause von Marie mit einer Nachricht erinnert. „Kommst du heute mit ins Eddy's?“
„Hey Emmy!“, umarmte mich Marie fröhlich, als ich zu ihr an den Tisch kam. Sie sah wieder so unglaublich bezaubernd aus, dass ich mir wie ein dicker hässlicher Elefant vorkam. Leise seufzte ich auf und versuchte das nagende böse Denken aus meinem Kopf zu schieben, in dem ich mich neben sie auf dem Barhocker setzte und einen Jack Daniels mit Cola bestellte.
„Wie war dein Tag?“, strahlte sie vollkommen verliebt zu Ben, der gerade auf der Bühne seinen Bass stimmte. Ich murmelte etwas und folgte ihrem Blick. Kein Sänger in Sichtweite, einzig Thommy fummelte an seinem Schlagzeug. Als er hochblickte, lächelte er, stand auf und sprang von der Bühne.
„Emmy!“, drückte er mir einen Kuss auf die Wange. „Was für eine Überraschung, schön, dass du da bist!“ Er ließ seinen Blick über mein Outfit gleiten und zog lächelnd eine Augenbraue hoch. „Wow, du siehst toll aus!“ Etwas überrumpelt und beschämt über die auffällige Musterung strich ich mir eine Strähne hinters Ohr. Es war mir immer unangenehm, wenn Menschen meine Kleidung begutachteten, es fühlte sich an, als würde der andere jede Fettzelle, jeden Pickel, jede Falte sehen können.
„Du bleibst doch nach unserem Auftritt noch auf ein Bier? Es ist Freitag, wir machen danach noch Party!“, Thommy klopfte auf den Bartisch und sah mich erwartungsvoll an. Irgendwie konnte ich nicht anders, als nicken.
„Sehr gut Emmy, dann freue ich mich!“ Er strich über meinen Arm und sprang voller Energie wieder auf die Bühne.
Marie sah mich grinsend an. „Er steht auf dich!“ Sie lachte und ich schüttelte den Kopf. Wenn alles so einfach wäre. Ich betrachtete Tommy und empfand nichts. Tief kramte ich in meinem Herz, doch seit der Trennung von meinem Ex Freund, empfand ich für niemanden irgendetwas. Es war, als hätte mein Ex Freund, bei der Trennung mich mitgenommen und die Hülle dagelassen. Ein leichtes Stechen ging mir durch den Magen und Tränen wollten sich hochbahnen. Ich vermisste ihn so unendlich.
Ein Rumoren ging leise durch die Bar und einige Mädchen kicherten. Marie und ich drehten uns nach dem Grund um. Da kam er rein, der Sänger, mit engen schwarzen Jeans, die einen Riss am Knie hatten, schweren Motorrad Boots, einer schwarzen Lederjacke, darunter ein schwarzer Hoody. Sein Bart umschloss sein Gesicht, eine schwarze Beanie auf dem Kopf. Seine Gitarre hing ihm über die Schulter. Er wirkte wie frisch aus der Coca Cola Light Werbung. Innerlich korrigierte ich meine Aussage, ich konnte Lust empfinden, aber für diesen sexy Typen, der nie im Leben auch nur Ansatzweise etwas von mir wollen würde. Genau für solche Männer konnte ich etwas empfinden. Die Mädels, an denen er vorbei ging, fingen an zu kichern und zu tuscheln. Es war, als würde er eine Spur aus gebrochenen Herzen hinterlassen, sobald er irgendwohin ging.
„Hey!“, gab er Marie einen Kuss auf die Wange. Sie schien auch einen kleinen Moment zu schmelzen, wandte sich dann aber wieder an ihren Freund, seinem Bruder. Aiden ignorierte mich und ging direkt hoch zu Tommy und schlug mit der Hand ein. Dann begrüßte er seinen ebenfalls gutaussehenden Bruder und stellte die Gitarre ab. Er ging an den Bühnenrand, zog seine Jacke und sein Hoody aus. Als er sich den Pullover über den Kopf zog, konnte man einen kleinen Moment nackte Haut über seiner Jeans sehen. Wie gebannt blickte ich auf das kleine Stück Haut, die ein Tattoo beherbergte. Ein Strich, der hinunter zu seinem besten Teil ging. Als er sich das T-Shirt wieder herunterzog, konnte man deutlich hören, wie die weibliche Gesellschaft, gemeinschaftlich aufseufzte. Auch ich konnte mir ein schweres Schlucken nicht verkneifen. Er schmiss die Sachen auf den Boden am Rand und bückte sich zu seinem Gitarrenkasten, holte die Gitarre hervor und strich kurz drüber.
„Wollen wir noch schnell eine rauchen?“, holte mich Marie lachend aus meinen Starren. Ich nickte und zog meine Jacke an.
„Jez, wie kann ein Mann so unglaublich sexy sein?“, lachte ich an der frischen Luft mehr über mich selbst. Marie schmunzelte und zuckte mit den Achseln.
„Also ich kann es nicht nachvollziehen, Ben ist viel hübscher!“ Ich lächelte und nahm sie in den Arm. „Du bist süß, wenn du verliebt bist!“ Marie verdrehte die Augen.
„Nein wirklich, Ben ist viel attraktiver, gut er hat nicht diese dunklen Haare und den Bart, auch nicht diesen...oh mein Gott...Oberkörper!“, sie seufzte schwer auf. „Letzte Woche hatte er sich vor mir das Shirt ausgezogen. Du glaubst es nicht, er sieht so sexy aus. Diese Tattoos, diese Muskeln...“ Lachend stand ich vor ihr. „Gut, ich versteh es, er ist wirklich sexy!“ Wir lachten nun beide.
„Warum lacht ihr?“, stand nun Ben vor uns fragend. Als wir ihn sahen, brachen wir in hysterisches Gekicher aus. Ben, der uns fragend ansah wirkte leicht verunsichert.
„Mädchengerede!“, riss sich Marie zusammen und drückte ihm kichernd einen Kuss auf den Mund. Dieser schlang seine Arme um die zierliche Brünette und zog sie enger an sich. „Mmh ich liebe Mädchengerede!“, nuschelte er glucksend. Ich drückte meine Zigarette aus und ließ die beiden Turteltauben alleine.
„Hey ich dachte schon, du wärst gegangen!“, kam mir Tommy entgegen, als ich meine Jacke auszog. „Nein nein, keine Sorge!“, lächelte ich ihn an.
„Gut, du musst bleiben!“, trank er einen großen Schluck aus seinem Bier und ging dann auf die Bühne. Aiden entdeckte ich bei einer Gruppe von jungen Frauen. Eine davon hatte es ihm besonders angetan. Die Brünette sah atemberaubend schön aus und ihre Brüste waren irgendwie unecht. Er stand einfach nur an einer Säule gelehnt, während sie ihm ihre Brüste quasi präsentierte, so tief war der Ausschnitt. Ungeniert blickte Aiden hinein, während sie mit einer Haarsträhne von sich spielte. Er sagte etwas und sie kicherte aufgeregt. Ben kam an den Beiden vorbei und klopfte ihm kurz brüderlich auf die Schulter. Aiden nickte, flüsterte der Frau etwas ins Ohr, während er dabei eine Haarsträhne von der Schulter strich. Dann drehte er sich um und unsere Blicke trafen sich für einen Moment. Als hätte man mich erwischt, sah ich direkt zu meinem Glas und versuchte nicht rot zu werden. Aiden ging an mir vorbei und direkt auf die Bühne. Marie und ich sahen uns kurz an und fingen wieder an zu kichern.
„Wer von den Beiden ist eigentlich älter?“, fragte ich nun Marie, während sich die Jungs besprachen.
„Aiden ist älter. Er ist übrigens so alt wie du!“ Ich nickte kurz. „Ben sagt immer, das Aiden auf ihn aufgepasst hat, als sie...“, dann brach sie ab, da die Band anfing zu spielen. Aidens tiefe, melancholische Stimme erfüllte die Bar. Ein Kribbeln fuhr über meine Haut und direkt in meinen Magen. Dann wurden die Song schneller und intensiver. Aiden schrie fast seinen Ärger ins Mikro. Überrascht beobachtete ich ihn, wie er wütend die Wörter hinausschrie, seine Knöchel wurden weiß, so sehr presste er die Hand ums Mikro. Der Song war voller Hass und Wut. Als er die letzte Silbe hervorbrüllte, sank er leicht zusammen, die Musik verstummte und er drehte sich um. Leicht geknickt wirkte er nun, zerbrechlich und sensibel. Man hatte den Wunsch ihn einfach in den Arm nehmen zu wollen. So wirkten auch die anderen Frauen in der Bar. Ihre Augen leuchteten.
Das nächste Lied war kraftvoll, aber fröhlicher und er strahlte über beide Ohren, feierte, sprang auf der Bühne herum, spielte mit Ben zusammen und freute sich.
Als die Band eine kurze Minute pausierte, holte ich mir ein Bier und machte es mir gemütlich. Ich saß fast direkt vor Aiden, nur vor mir waren noch ein paar Mädels, die ihn anhimmelten. Schmunzelnd beobachtete ich die jungen Studentinnen, die den Sänger offensichtlich mit ihren Blicken auszogen. Aiden trank einen Schluck Whiskey Cola, strich sich die Haare nach hinten und nahm seine Gitarre, räusperte sich kurz und flüsterte ins Mikrofon.
„Hi, der nächste Song ist ein Song aus Bens und meiner Heimat!“ Die Stimme klang erotisch, aufregend, heiser und sexy. Es war eine Stimme, die man ins Ohr beim Aufwecken geflüstert bekommen wollte. Ich seufzte leise auf und fing an meine Gedanken fließen zu lassen. Er nackt neben mir im Bett, wie er mir mit dieser Stimme einfach irgendwas erzählte, während ich sein...Ich sah zu Aiden, der mich mit einem verschmitzten Lächeln anblickte, sofort blickte ich weg und errötete. Es war, als hätte er meine Gedanken lesen können. Vermutlich schaute ich genauso, wie all seine weiblichen Fans von ihm vor der Bühne. Sein Lächeln wurde breiter und er schlug das Plektrum an die Gitarrenseite.
Er spielte eines meiner Lieblingslieder von den Pogues. Leise sang ich mit, während Aiden mich nun intensiv beobachtete. Es war, als würde er nur für mich singen, als würde er die Worte nur an mich richten. Als der Beat ansetzte, lächelte er noch einmal verschmitzt und blickte dann zu einem anderen Mädchen und machte sie mit seiner Stimme, seinem Aussehen und seiner Coolness verrückt. Ich musste es zugeben, er wusste genau was er machen sollte, damit ihm jede Frau verfiel.
Und man konnte sehen, dass er genau wusste, dass er jede von uns haben konnte, wenn er wollte. Nur würde er mich niemals haben wollen, dazu hatte er genug Auswahl. Er war in einem Süßigkeitenladen und hatte die Wahl, dann war auch klar, dass er niemals nach dem Kaugummi greifen würde. Traurigkeit überfiel mich. Der Song, in dem es um Liebe ging, wurde für mich zu einem traurigen Lied, der Gewissheit. Mein Ex Freund war nicht mehr da, niemand würde mir jemals sagen, dass er mich bis zum Ende lieben würde, dazu war ich es nicht wert. Tränen stiegen zu mir auf und ich versuchte sie zu unterdrücken und strich eine davon weg, als ich hoch blickte und Aiden mich besorgt ansah, während er „I just want to see you laugh not cry“ direkt zu mir sang. Das machte es noch schlimmer, als er „I love you till the end!“, ins Mikro raunte. Ich sprang von dem Barhocker, ungeachtet, dass mich jemand sehen würde. Vermutlich würde mich, bei Aiden auf der Bühne, eh niemand beachten. Ich ging hinaus ins Freie und zündete mir eine Zigarette an. Es ärgerte mich, dass ich noch immer so emotional reagierte, wenn es um das Thema Liebe ging. Wenn meine Gedanken automatisch zu meinen Ex-Freund gingen.
Als ich wieder unten war, war das Konzert zu Ende und die Jungs saßen an unserem Tisch, tranken Bier und unterhielten sich angeregt. Der Sänger, war natürlich, wieder mit seinen Fans beschäftigt, flirtend, lachend, antörnend.
„Sagt mal stört es euch eigentlich gar nicht, dass Aiden immer von den Mädchen umgeben ist?“, fragte ich leicht genervt in die Runde. Ben lachte und schüttelte den Kopf. „Ach manchmal ist es nervend, vor allem, wenn er mal wieder ein Herz gebrochen hat und seine Verflossenen mich nachts wecken, weil sie ihn anschreien möchten. Das nervt in der Tat, aber sonst, ich bin es gewohnt. Er bricht die Herzen, wie andere Schlösser!“ Ich lachte und Tommy nickte.
„Ja manchmal ist es anstrengend, aber auch mal positiv, für mich fällt immer eine ab!“ Tommy lachte über seinen eigenen Witz. Ich lächelte nur zustimmend und fand es eher traurig, als witzig.
„Ich kann mir gut vorstellen, dass er die Herzen der Mädchen bricht. Die Armen, wirklich!“, murmelte ich und betrachtete kurz sein Geflirte. Er sah auch einfach verdammt gut aus. Aiden blickte zu mir und zwinkerte mir kurz zu. Ich nickte und trank ein Schluck Bier. Marie blickte zu Aiden und dann zu mir. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, sie würde mich böse ansehen, doch dann lächelte sie wieder.
„Hat dir gerade Aiden zugezwinkert?“, lehnte sich Marie zu mir. Ich zuckte mit den Schultern. „Er flirtet doch nicht etwa mit dir?“ Sie wirkte einen kleinen Moment besorgt, doch ich schüttelte den Kopf.
„Natürlich nicht. So einer wie er flirtet nicht mit mir!“, schüttelte ich den Kopf. Marie sah noch einmal zu Aiden und dann nickte sie langsam und bedächtig.
Wir unterhielten uns über eine Band, die Tommy sehen wollte, als Aiden neben uns trat. Seine Hand lag ruhig auf meinen Rücken zwischen meinen Schulterblättern und beugte sich in die Gruppe rein. Die Hand sprühte eine intensive Hitze aus, die sich in meinem ganzen Körper ausbreitete.