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»Wir geben mit Leidenschaft weiter, was wir über die Liebe gelernt haben.«Elke Naters und Sven Lager Am Anfang einer Beziehung stehen große Gefühle, dann kommt das Leben hinzu. Kinder, Beruf, Alltag – wie schafft man es, ein Liebespaar zu bleiben? Elke Naters und Sven Lager, die Gründer der School of Love, erfahrene Mentoren und Schriftsteller, waren über 26 Jahre ein Paar. Aus eigener Not haben sie sich immer tiefer mit dem Thema beschäftigt und festgestellt, dass man Liebe lernen kann. Ihr Wissen basiert auf Erkenntnissen aus der Paarforschung, der Positiven Psychologie und den Neurowissenschaften sowie auf persönlichen Erfahrungen und der erfolgreichen Begleitung vieler Paare. Hier zeigen sie, wie man unbewusste negative Muster in der Beziehung erkennt und durch konstruktives Verhalten ersetzt. Immer mit dem Ziel, das Miteinander zu fördern. Denn: Wenn wir als Paar stark und einig sind, dann kann uns nichts mehr aufhalten in der Welt.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Liebesdienste
Elke Naters, Jahrgang 1963, machte zunächst eine Schneiderlehre und studierte Kunst und Fotografie in Berlin, ehe sie mit ihrem DebütromanKöniginnen (1998) einen großen Erfolg landete. Ihre Romane wurden in mehrere Sprechen übersetzt. Mit ihrem Partner Sven Lager hat sie Romane und Sachbücher geschrieben und auf drei verschiedenen Kontinenten zwei Kinder großgezogen. Zuletzt lebten und schrieben sie in Berlin und haben Paare in ihrer »School of Love Berlin« beraten. Sven Lager ist Mitte April 2021 plötzlich verstorben, seitdem führt Elke Naters die Paarberatungen allein weiter.
Sven Lager, geboren 1965, gestorben 2021, Maler, Schriftsteller, Visionär, veröffentlichte 2000 den Roman Phosphor. Seit 2020 schrieb er abwechselnd mit seiner Frau die WELT-Kolumne Liebesdienste. Seit seinem Tod führt Elke Naters die Kolumnen und die Paarberatungen alleine weiter.
Wir reden viel, doch das echte Verstehen bleibt oft auf der Strecke. Warum passiert das immer wieder, gerade in der Liebe? Warum geraten wir aneinander, obwohl wir beide nur das Beste wollen? Diese Fragen stellten sich auch Elke Naters und Sven Lager und begaben sich auf eine Suche, die sie dorthin führte, wo sie es nicht erwartet hätten: zu sich selbst. Denn die Ursachen von Beziehungsproblemen liegen meist nicht allein beim Partner, sondern oft in einem unbewussten Geflecht aus Missverständnissen und unausgesprochenen Erwartungen, die selten der Wirklichkeit entsprechen. In diesem Buch, basierend auf den besten Texten ihrer beliebten WELT-Kolumne, zeigen Elke Naters und Sven Lager, dass Liebe weit mehr ist als ein romantisches Gefühl. Sie ist eine Abenteuerreise in unbekannte Gefilde, auf der wir ständig auf uns selbst zurückgeworfen werden. Inspiriert von der modernen Paarforschung, Positiven Psychologie und Neurowissenschaften sowie aus ihrer eigenen Erfahrung und der Begleitung zahlreicher Paare teilen die Autoren tiefgehende Erkenntnisse und praktische Wege zu mehr Klarheit und Nähe, denn: Wir können lernen, als Paar glücklich zu werden.
Elke Naters und Sven Lager
Geheimnisse einer erfüllten Beziehung
Ullstein
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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage Februar 2025© Ullstein Buchverlage GmbH, Friedrichstraße 126, 10117 Berlin 2025 Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Bei Fragen zur Produktsicherheit wenden Sie sich bitte an produktsicherheit@ullstein.de.Umschlaggestaltung: Favoritbuero, MünchenTitelabbildung: © DDDART / ShutterstockE-Book Konvertierung powered by pepyrusISBN 978-3-8437-3293-2
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Das Buch
Titelseite
Impressum
Vorwort
A
Alles hat seinen Preis
Anders ist nicht schlechter
Angst oder Liebe
»Anleitung zum Unglücklichsein«
Annehmen und Loslassen
Anziehung
Aus den Fehlern anderer lernen
Auseinanderleben
Aushalten
B
Bedürfnisse
Beziehungsintelligenz
Beziehung mit sich selbst
Beziehungsunfähig
D
Das Gute im anderen sehen zu wollen
Das Ende der Kleinfamilie?
Dating Ü50
E
Echte Männer
Eifersucht
Einheit
Einhundert Prozent Verantwortung
Einsamkeit
Einen guten Mann finden
Elternzeit
Entgegenkommen
Erkenne dich selbst
Erfülltes Lieben
Es gibt keine Entschuldigung für schlechtes Verhalten
F
Faith versus Trust
Falscher Mann
Flüsterstreit
Fremdverlieben
Führen und führen lassen
Frust und Groll
G
Ganz normaler Wahnsinn des Elternseins
Gefühle fühlen
Geheimnisse
Gift
Grundlagen einer guten Beziehung
H
Hat die Liebe eine Halbwertszeit?
Heile Familie
K
Keine Zeit für die Liebe?
Königsweg
Koevolution
Kommunikation
Kompatibilität
L
Leitfaden für gute Beziehungen
Let Them
Liebe ist kein Gefühl
Liebesbitten
Liebevoller Blick
M
Mach mich glücklich!
Männer und Frauen
Männer- und Frauensprache
Mindset
Modern Love
N
No bad parts
Nimm dich nicht so wichtig
Nummer-eins-Tipp
O
Opferk(r)ampf
P
Perfektes Paar
Phase drei
Polyamorie
Porno
Problempaare
R
Raus aus der Komfortzone!
S
Sehnsüchte und Projektionen
Selbstverantwortung und Vergeben
So wird es nie langweilig
Sucht
T
The One
Toxische Beziehungen
V
Verantwortung versus Schuld
Verbindungsangebote
Verlassen und Verlassenwerden
Vertrauen brechen
W
Wachsamkeit statt Misstrauen
Wie bekomme ich meine Ex zurück?
Wir f*cken nicht mehr, wir lieben uns jetzt
Wollen steht dem Glück im Weg
Wovor haben wir eigentlich Angst?
Z
Zusammen alt werden
Anmerkungen
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Vorwort
Als wir uns trafen, waren wir 30 und 28 Jahre alt und hatten einige gescheiterte Lieben hinter uns. Wir verliebten uns auf der Vernissage von Svens erster und einziger Kunstausstellung. In dem Moment, als er in ein Käsebrötchen biss und sich unsere Blicke trafen, war es um uns geschehen. Es war Liebe auf den zweiten Blick. Damals versuchte ich, einen Mann zu lieben, den ich nicht einmal besonders mochte, und Sven hatte an jenem Abend Pläne mit einer Dänin.
Zum Glück beendete das Schicksal unsere Liebesirrwege. Eine Woche später zog Sven bei mir ein. Ein Jahr später wurde unser Sohn geboren. Nach vierzehn Jahren, sieben Büchern und vier Umzügen in drei verschiedene Länder heirateten wir im Meldeamt einer kleinen südafrikanischen Provinzhauptstadt – zwischen einer Tankstelle und einer Metzgerei, während eine Gruppe Gefangener in orangen Overalls und Fußfesseln an uns vorbeischlurfte.
Wiederum ein Jahr später gaben wir uns das kirchliche Jawort. Die Kirche war eine Gemeindehalle, der Pfarrer ein Surfer in Jeans, und danach feierten wir mit siebzig Gästen und drei riesigen Töpfen Chili in unserem Garten. Wir dachten, wir hätten etwas geschafft, woran viele Paare scheitern. Wir hatten uns nach so vielen Jahren erneut füreinander entschieden und liebten uns mehr denn je. Es schien, als hätten wir den Schlüssel zum Liebesglück gefunden – und den wollten wir mit der Welt teilen.
Voller Begeisterung begannen wir, ein Buch zu schreiben, dem wir den Titel Was wir von der Liebe verstehen gaben. Doch als wir genau hinsahen, mussten wir feststellen, dass wir weit davon entfernt waren, ein perfektes Paar zu sein.
Ja, wir liebten uns, wussten aber oft nicht, wie. Als Familie fühlten wir uns überwältigt von einem Leben, auf dessen Herausforderungen uns niemand vorbereitet hatte. Wir erfüllten uns unsere Träume, reisten um die Welt, doch wenn wir ehrlich waren, drehten wir uns im Kreis, ohne zu wissen, wie wir aus dieser Schleife herauskommen sollten. Immer wieder die gleichen Streitereien, und wir verzweifelten so oft aneinander, dass es fast ein Wunder war, dass wir noch zusammen waren.
Als uns das bewusst wurde, beschlossen wir, unsere Liebe zu schützen und das Gelingen unserer Ehe nicht dem Zufall und unseren Launen zu überlassen. Wir machten uns auf die Suche nach Antworten und ließen uns von erfahrenen Paaren und klugen Köpfen inspirieren – wie Erich Fromm, Marshall B. Rosenberg, Milton H. Erickson, Paul Watzlawick, John Gottman und Julie Schwartz Gottman, Stephen Gilligan, David Schnarch, Esther Perel, Richard Schwartz, Viktor Frankl, Rumi, Jesus und vielen anderen.
Wir wandten das neue Wissen auf uns selbst an und hinterfragten es kritisch. Je mehr wir verstanden und aufhörten, unser Verhalten persönlich zu nehmen, sondern mit der Neugier zweier Wissenschaftler betrachteten, desto leichter wurde es zwischen uns – und desto mehr Freude hatten wir aneinander. So wurden wir zwangsläufig zu »Liebesexperten«. Nicht, weil wir besonders gut darin waren, sondern, weil wir genug von unseren eigenen Fehlern hatten.
Als mit der Zeit immer wieder Paare aus unserem Bekanntenkreis auf uns zukamen und uns baten, sie in Liebesdingen zu beraten – und die Ergebnisse für sie genauso erfreulich waren wie für uns –, gründeten wir die School of Love. Dort begleiteten wir Paare dabei, sich besser zu lieben. Denn eines stand für uns fest: Liebe braucht keine Therapie, sondern Aufklärung.
Seit März 2020 schrieben wir wöchentlich Kolumnen für die Samstagsausgabe der WELT, in die die Erfahrungen sowie Erkenntnisse aus unserem Leben und unserer Arbeit mit Paaren eingeflossen sind. Sie sollen als Anregung dienen, nicht als Anleitung, auch wenn es manchmal so klingen mag. Nehmen Sie das mit, was zu Ihren Werten und Überzeugungen passt, und überlesen Sie einfach, was Ihnen nicht entspricht. Im besten Fall öffnen Sie sich für neue Perspektiven, erkennen sich selbst wieder, verstehen Ihr Verhalten besser, können über sich lachen und lassen sich inspirieren.
Ich lerne am liebsten aus guten Geschichten und den Fehlern anderer. Dieses Buch bietet reichlich Gelegenheit dazu. Man muss nicht einmal in einer Liebesbeziehung sein, denn die Prinzipien, die hier vermittelt werden, treffen auf alle Arten von Beziehungen zu. Vielleicht wird man bei der Lektüre mit Erleichterung feststellen, dass es gute Gründe gibt, lieber allein zu leben.
Man kann dieses Buch natürlich wie gewohnt von vorne bis hinten lesen. Ich stelle mir jedoch vor, dass man es auf dem Nachttisch liegen hat, immer wieder zur Hand nimmt, darin blättert und die Geschichten liest, die einen gerade ansprechen. Man könnte es auch wie ein Orakel nutzen, eine beliebige Seite aufschlagen und so lesen, als wäre der Text genau für einen selbst in diesem Moment geschrieben.
Mein Favorit ist, im Bett liegend, einander eine Kolumne nach dem Zufallsprinzip vorzulesen oder gezielt ein Thema auszuwählen, das gerade passend erscheint. Danach kann man darüber sprechen, über die Dummheit der anderen lachen und sich darüber verbinden, dass man es besser macht. Alternativ könnte nur eine Person das Buch lesen und frischen Wind in die Beziehung bringen, indem sie das Gelernte anwendet. Da man vieles immer wieder vergisst und oft nicht genug an das erinnert werden kann, was man schon weiß, werden diese Kolumnen nie alt. Sie können jederzeit erneut gelesen werden, denn man wird stets etwas Wertvolles darin entdecken.1
Sabine fühlt sich ständig überfordert. Sie hat zwei kleine Kinder, die sie allein betreut, während ihr Mann arbeiten geht. Beide Kinder kamen nach einer langen Zeit unerfüllten Kinderwunsches. »Ich dachte, ich will das und ich kann das«, sagte sie zu mir, »aber man kann ja nicht vorher wissen, was auf einen zukommt. Vielleicht hatte ich eine zu romantische Vorstellung.«
Damit hat sie recht, und sie ist nicht allein mit dieser Meinung. Wenn wir diese romantische Vorstellung vom Kinderkriegen nicht hätten und wüssten, was tatsächlich auf uns zukommt, würden vermutlich deutlich weniger Kinder geboren werden. Viele glauben, das Leben, das sie bisher geführt haben, geht weiter und wird durch ein Kind bereichert. Das ist ein Irrtum. Das Leben, wie man es bisher kannte, wird es in dieser Form nicht mehr geben.
Neben der romantischen gibt es auch eine idealisierte Vorstellung, mit der Kinder in die Welt gesetzt werden. Eine Frau beklagte sich, dass ihr Mann kein drittes Kind wollte, obwohl sie selbst schon kaum Zeit für ihre beiden Kinder findet und ständig darum kämpft, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Als ich sie darauf hinweise, sagt sie, sie wünsche sich drei Kinder, weil auch sie aus einer Familie mit drei Kindern stammt – und drei Kinder zu haben ihrem Ideal einer Familie entspricht. Was sie nicht wahrhaben will, ist, dass ihre Kapazität und ihr gewünschter Lebensstil im Widerspruch zu diesem Ideal stehen. Das belastet auch ihre Beziehung, denn für ihren Mann bleibt keine Energie mehr übrig.
Ein anderes Paar gibt sich die Klinke in die Hand und streitet regelmäßig darüber, wer arbeiten darf und wer beim Kind bleiben muss. Gleichzeitig bedauern beide, dass sie kein zweites Kind bekommen haben, damit ihr Sohn nicht als Einzelkind aufwachsen muss.
Mit meiner 25-jährigen Tochter spreche ich über das Kinderkriegen, und sie sagt: »Warum sollte ich mir das antun? Es kostet Geld und Zeit, und man hängt für Jahre fest.« Ihre Freunde denken genauso, und einige haben sich bewusst gegen Kinder entschieden. Meine Tochter erkennt etwas, das viele Eltern offenbar nicht sehen wollen: dass alles seinen Preis hat. Eine zeitlich engagierte Mutter oder ein ebenso hingebungsvoller Vater zu sein und gleichzeitig ein ausgefülltes Arbeits-, Freizeit- und Liebesleben zu führen ist eine Herausforderung, die nur sehr wenige Menschen hinbekommen – wenn überhaupt. Der Preis dafür besteht allerdings nicht, wie meine Tochter glaubt, darin, entweder auf Kinder zu verzichten oder sein Leben aufzugeben. Der Preis liegt vielmehr darin, seine Erwartungen und seine Ansprüche an die jeweilige Situation anzupassen. Ansonsten wird man nicht nur unglücklich, sondern verpasst auch sein Leben.
Man kann alles haben, solange es sich nicht widerspricht. Große Entscheidungen wie auswandern, Kinder bekommen, den Arbeitsplatz wechseln, sich selbstständig machen, heiraten und zusammenziehen bringen immer große Veränderungen mit sich. Diese Veränderungen erfordern auch eine Anpassung des eigenen Denkens. Ich kann nicht mit denselben Ansprüchen und Erwartungen, die ich als Single hatte, in eine feste Beziehung gehen. Das Leben wird sich sehr verändern – das weiß jeder, und doch wird es oft unterschätzt. Das Gleiche gilt, wenn ein Paar ein Kind bekommt. Man ist nicht mehr das Paar, das man zuvor war. Von einem auf den anderen Tag wird man Mutter oder Vater, und plötzlich lebt man nicht mehr zu zweit, sondern zu dritt. So romantisch die Vorstellung auch sein mag, gemeinsam ein neues Leben zu schaffen, die Realität sieht so aus, dass dieser Mensch für viele Jahre die volle, ungeteilte Aufmerksamkeit erfordert. Das ist eine enorme Veränderung, die nicht mehr rückgängig zu machen ist. Dieser Preis für eine vollkommene Lebensumstellung mag für manche gering erscheinen, während er für andere nicht akzeptabel ist.
Es geht nicht darum, eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufzustellen, sondern sich klarzumachen: Bin ich bereit, ein neues Wertesystem für mein Leben zu entwickeln, um in dieser Situation glücklich zu sein? Wie sehr können wir unser Leben verändern, dass wir beide unserer Berufung nachgehen und gleichzeitig gleichberechtigt Eltern sein können?
Ich kenne einige Frauen, die den beschwerlichen Weg der künstlichen Befruchtung gegangen sind, bereit, diesen Preis zu zahlen, weil sie sich so sehr ein Kind wünschten. Doch nachdem ihr Traum in Erfüllung ging, sind sie verzweifelt, dass sie sich nicht erfüllt fühlen und keine Zeit mehr für sich haben, um ihren eigenen Interessen nachzugehen – vor allem in den herausfordernden ersten drei bis fünf Jahren. Der Gedanke, »ich sollte doch dankbar und glücklich sein«, legt sich als Last noch obendrauf. Wie hätten sie auch vorher wissen können, wie es sich anfühlt, Mutter zu sein? Das bedeutet nicht, dass diese Frauen undankbar sind, sondern dass sie sich in einer Realität wiederfinden, die sie nicht vorhersehen konnten und die sie zugleich über- und unterfordert.
Diese Realität lässt sich nicht ändern und betrifft alle Paare, die Eltern werden. Von außen ist keine Hilfe zu erwarten, es sei denn, wir bringen Veränderungen auf den Weg und gestalten proaktiv ein Leben, das uns glücklicher macht. Das beginnt damit, inneren Frieden zu finden, was gelingt, indem wir unsere eigene Denkweise anpassen. Es ist nicht die Situation selbst, unter der wir leiden, sondern unsere Gedanken und Bewertungen darüber. Das Denken können wir jederzeit ändern. Das ist unsere große und einzige Freiheit. Wir können immer neue Maßstäbe für unterschiedliche Situationen anlegen. Wie wäre es, wenn sich das Arbeitsleben nach den Bedürfnissen der Familie zu richten hat und nicht umgekehrt? Die zentrale Frage sollte immer lauten: Wie kann es leichter für alle werden? Wie können wir mehr Freude und Frieden erleben? Dabei ist es wichtig, sich widersprechende Ansprüche und Erwartungen zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verändern.
Das ist der Preis, den man für jede große Veränderung zahlen muss, sei es beruflich oder privat. Die Bedürfnisse verändern sich, und dementsprechend gelten andere Maßstäbe. Zumindest für eine bestimmte Zeit. Nichts ist von Dauer, das Einzige, was sicher ist, ist die Veränderung.
Mein Mann ist vollkommen anders als ich, und er isst auch anders. Seine Lieblingsspeisen sind Reis mit Rosinen sowie geräucherter Makrele und Pasta in allen Variationen. Selbst in die Pasta hat er gestern Rosinen getan. Manchmal essen wir unterschiedliche Gerichte. Dann kocht jeder, worauf er gerade Appetit hat. Gestern gab es für mich Spargel und Kartoffeln, während er für sich Pasta mit grünem Pesto, gedünstetem Spinat und Rosinen gemacht hat. Im Rückblick sagt er, dass er doch lieber Kartoffeln gegessen und die Rosinen weggelassen hätte. Aus Spargel macht er sich nicht viel, wahrscheinlich, weil er mit einer schwedischen Mutter aufgewachsen ist und den weltweiten Spargelkult nicht nachvollziehen kann. Doch dann ergänzt er mit einem Lächeln: »Wobei – gestern habe ich mir ein paar deiner übrig gebliebenen Spargelstücke gemopst und die waren richrig gut.« Ich freue mich und denke mir: I told you, nächstes Mal isst du gleich, was ich esse, ich habe einfach den besseren Geschmack. Als ob das ein Essenswettbewerb wäre, bei dem es was zu gewinnen gäbe. Das liegt an meiner Wettbewerbsnatur, die meinem Mann vollkommen fremd ist. Ein weiterer, nicht unerheblicher Unterschied, denn er nimmt Spielregeln nicht ernst, was gemeinsames Spielen ausgesprochen schwierig macht.
Trotzdem ist mein Mann ein ausgezeichneter Koch – allerdings darf ich ihm beim Kochen nicht zusehen. In neunzig Prozent der Fälle schmeckt es köstlich, solange ich nicht gesehen habe, wie er es zubereitet. Schon wenn er beginnt, das Gemüse mit seinem großen, stumpfen Hackmesser zu zerhacken, das er vor zwanzig Jahren aus Thailand mitgebracht und seitdem über jeden Umzug gerettet hat, denke ich: Das kann doch nicht gut schmecken. Ich selbst schneide alles klein und fein mit meinem superscharfen Victorinox-Messer. Warum nimmt er nicht einfach das scharfe Messer, das mühelos schneidet? Weil es einen rosa Griff hat? Jedes Mal, wenn ich sehe, wie er das Hackmesser herausholt und anfängt zu schleifen – was noch nie einen Unterschied gemacht hat, wie er immer wieder aufs Neue feststellt –, kann ich nicht anders, als zu zweifeln.
Außerdem kocht er alles auf höchster Flamme. Spätestens wenn es beginnt, angebrannt zu riechen, kann ich mich nicht mehr zurückhalten und greife ein, um eine Katastrophe zu verhindern. Das führt meist zu Streit, er übergibt mir den Kochlöffel, aber da ich weiß, dass ich sein Gericht lange nicht so gut kochen kann wie er, entschuldige ich mich und verlasse die Küche. Gemeinsam zu kochen ist einfach schwierig.
Tanzen können wir auch nicht, weil er immer zwei Takte schneller ist als ich. Selbst beim Spazierengehen ist es schwierig, weil ich zwei Schritte schneller gehe als er. Er schleicht, oder er rennt, dazwischen gibt’s nichts. Für mich ist ein Spaziergang eine sportliche Betätigung, während er es als entspanntes Flanieren sieht. Wenn er sich sportlich betätigen will, geht er joggen, was ich wiederum nicht kann. Ich habe es immer wieder versucht, aber mir tut sofort alles weh, ich komme außer Atem, und es macht einfach keinen Spaß.
Er ist Frühaufsteher, ich bin Langschläferin. Deshalb hat er immer die Kinder in die Schule gebracht. Außerdem liebt mein Mann Menschen, während ich es vorziehe, allein oder mit wenigen Menschen, die ich wirklich mag und aushalten kann, Zeit zu verbringen. Er ist immer freundlich und gut gelaunt, ich bin das nur manchmal. Er liebt es, Wanderwege zu verlassen und quer durch den Busch zu laufen, was für mich absolut nicht infrage kommt. Als Kind hat man mir in den Bergen beigebracht: Bleib auf dem Weg, alles andere ist lebensgefährlich. Das versteht mein Mann nicht und versucht, mich auf jeder Wanderung in Lebensgefahr zu bringen.
Wenn etwas besonders gut schmeckt, kann er es beim nächsten Mal leider nicht nachkochen, weil er nicht mehr weiß, wie er es gemacht hat. Es wird immer etwas Neues, weshalb es nie langweilig mit ihm wird. Man weiß nie, wie es schmecken wird, und die Gefahr, dass es anbrennt oder in die Hose geht, besteht bei jedem Kochen, wenn auch mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit. Bei großem Hunger treibt mich das jedoch schon an die Grenzen der Geduld. Das Unvorhersehbare, Spontane und Intuitive seiner Herangehensweise habe ich jahrelang bekämpft. Er ist da ungenau, wo mir Genauigkeit wichtig erscheint. Er ist chaotisch, wo ich Ordnung brauche. Ich könnte noch seitenlang über unsere Unterschiede sprechen.
Passen wir überhaupt zusammen, oder sind wir zu verschieden? Das ist eine Frage, die sich viele Menschen in einer Partnerschaft irgendwann einmal stellen. Und das nicht ohne Grund, denn die meisten Paare, die uns begegnen, sind sehr unterschiedlich. So auch die besten Paare, die ich kenne. Es scheint fast ein Muster zu geben, dass wir uns gerade zu den Eigenschaften hingezogen fühlen, die so anders sind als unsere eigenen. Interessanterweise ist es oft genau das, was anfangs so anziehend war, das später am meisten stört. Psychologen erklären, dass uns die Eigenschaften des anderen anziehen, weil wir sie in uns selbst tragen, aber nicht entwickelt haben. Vereinfacht gesagt: Wenn ich meinen Partner zu entspannt finde, sehne ich mich eigentlich danach, selbst entspannter zu sein, erlaube es mir aber nicht. Oder vielleicht steckt in mir eine »Bundu-Basherin« (das ist südafrikanisch für jemanden, der quer durch den Busch läuft), die von Kind an unterdrückt wurde und endlich rauswill.
»Wo die Angst ist, ist der Weg.« Kennen Sie diesen Spruch? Früher fand ich ihn besonders blöd, muss aber mittlerweile zugeben, dass er durchaus zutrifft. Nicht unbedingt für halsbrecherische Unternehmungen, aber auf jeden Fall für Alltagsdinge, von denen keine unmittelbare Lebensgefahr ausgeht, auch wenn sie sich manchmal so anfühlen.
Sosehr ich früher sein Anderssein bekämpft habe, so sehr habe ich gelernt, es zu schätzen – nicht immer, aber immer öfter. Das hängt von meinem eigenen Angst- und Anspannungslevel ab. Ich habe eingesehen, dass von meinem Mann keine Bedrohung ausgeht. Er liebt mich und will mir nichts Böses, auch wenn ich sein Verhalten manchmal als feindselig empfinde. Inzwischen gehe ich sogar noch einen weiteren Schritt weiter und bin bereit anzuerkennen, dass ich in vielen Bereichen von ihm lernen kann und will. Zum Beispiel, wie man Unangenehmes freundlich und wertschätzend ansprechen kann. Oder wie man Ideen sofort umsetzt, anstatt sie ewig mit sich herumzuschleppen. Wie man einfach etwas macht, ohne vorher jeden Schritt durchzuplanen. Früher hat mir das Angst gemacht. Diese Angst und Ablehnung haben jedoch gar nichts mit ihm zu tun, sie sind meine eigenen Grenzen, die ich durchbrechen muss, um zu wachsen.
Unterschiede bereichern und ergänzen sich. Sich auf die Perspektive des anderen einzulassen erweitert den Blick. Man muss es nicht unbedingt gut finden oder genauso machen. Es genügt schon, zu verstehen, warum der andere vieles so anders sieht und macht, ohne sich dabei bedroht zu fühlen.
Unterschiede machen das Zusammenleben spannend. Sie bieten die Chance, immer wieder Ausflüge in eine andere Welt zu machen und sich davon inspirieren zu lassen. Vielleicht fühlen wir uns auch deshalb zu Menschen hingezogen, die so anders sind, damit es uns nie langweilig wird.
Partnerschaften zerbrechen nicht an Unterschieden, sondern an Gefühlen. Alles, was wir machen, tun wir, um ein bestimmtes Gefühl zu erreichen. Am Ende zählt nur: Wie fühle ich mich in der Gegenwart meines Mannes oder meiner Frau? Gibt er oder sie mir das Gefühl, dass ich gut genug bin, so wie ich bin? Sieht sie oder er mehr in mir, als ich selbst erkennen kann? Glaubt er oder sie an mich? Fühle ich mich vollständig angenommen, so wie ich bin? Kann ich mich verletzlich zeigen, und darf ich das auch sein? Habe ich einen Menschen an meiner Seite, der mein bester Freund ist und nur das Beste für mich will? Dem das Herz bricht, wenn mir Unrecht widerfährt? Der für mich kämpft und für mich da ist, wenn es wirklich darauf ankommt? Am Ende zählt das, egal, wie unterschiedlich wir sind.
Wenn kleine Ereignisse oder vermeintliche »Vergehen« des Partners eine starke Reaktion hervorrufen, liegt der Grund oft mehr in der eigenen Verfassung als im Verhalten des anderen. Die Reizung ist ein Signal des Nervensystems und zeigt, wie sehr es unter Anspannung steht. Was im Umgang miteinander oft unterschätzt wird, ist die Bedeutung, das vegetative Nervensystem zu verstehen und zu regulieren, genauso wie die Gedanken, die man übereinander hat, und die daraus resultierenden Gefühle.
Die sichtbaren Konflikte und immer ähnlich ablaufenden Auseinandersetzungen sind nur die Spitze des Eisbergs. Ihre wahren Auslöser liegen im Verborgenen. Es ist wichtig zu verstehen, dass den Gedanken, die in diesen Momenten auftauchen, nicht immer zu trauen ist, weil in Erregungszuständen wichtige Teile unseres Gehirns deaktiviert sind. Sie sind oft von geringer Qualität, was die negativen Stimmungen und Gefühle zusätzlich verstärkt. Es kann verheerende Folgen haben, jedem spontanen Gedanken zu glauben, insbesondere in hochemotionalen Momenten. Genau dann ist besondere Vorsicht geboten, denn was sich in solchen Zuständen präsentiert, kann sehr verzerrt sein. Jeder Gedanke ist nur ein Angebot. Merkt man, dass man von negativen Gedanken überschwemmt wird, kann es helfen, einen Schritt zurückzutreten und die eigenen Gedanken neutral zu beobachten.
Man kann sich vorstellen, unter einem Wasserfall zu stehen. Die Gedanken sind das Wasser, das in einem ununterbrochenen Strom auf den Kopf prasselt. Der Wasserfall lässt sich nicht stoppen, aber man kann einen Schritt zurück in eine Nische am Felsen treten, wo man im Trockenen steht und das Wasser – also die Gedanken – beobachten kann, ohne von ihnen überwältigt zu werden. So identifiziert man sich nicht mehr mit seinen Gedanken, sondern betrachtet sie als Angebote, die angenommen oder abgelehnt werden können.
Achtsamkeit gegenüber den eigenen Gedanken ist unbedingt wichtig für ein reguliertes Nervensystem, denn die Gefühle folgen stets den Gedanken. Tauchen negative Gedanken über die Partner auf, oft begleitet von den Worten immer und nie, ist das ein klarer Hinweis darauf, dass diesen Gedanken nicht zu trauen ist.
Im Laufe meiner Ehe habe ich erkannt, dass mein Mann alles sein konnte: ein Held, ein Heiliger, ein großer Visionär, aber auch ein Lügner, Chaot und Träumer. Es gab Momente, in denen ich mich von ihm vollkommen verstanden fühlte wie von niemandem sonst, und ebenso oft dachte ich, dass er mich nie wirklich verstehen wird. Für jeden dieser Gedanken fand ich genug »Beweise«, die sie bestätigten. Doch ich habe auch herausgefunden, dass es weder ihm noch mir guttut, wenn ich schlecht über ihn denke, und dass die Qualität meiner Ehe und mein Wohlbefinden stark von meinen Gedanken abhängen. Und ich bin mir sicher, dass ich ihm genauso oft auf die Nerven ging wie er mir.
Ich weiß auch, dass ich in bestimmten Momenten schnell gereizt und ungerecht war, oft nur das sah, was er falsch gemacht oder vergessen hatte, während ich die vielen anderen Dinge ignorierte, die ich für selbstverständlich hielt. Ich habe gelernt, dass ich unsere Ehe an einem Tag für die beste auf der ganzen Welt halten und eine Woche später das Gefühl haben konnte, vor einem Abgrund zu stehen. Über die Jahre habe ich verstanden, dass dieses ständige Auf und Ab normal ist, die extremen Höhen und Tiefen nehmen zwar mit der Zeit ab, doch die Schwankungen bleiben, wie das Wetter und die Jahreszeiten. Wenn ich mich schlecht fühlte, ließ ich es nicht mehr an ihm aus, stattdessen suchte ich seine Nähe, um mich von ihm trösten zu lassen.
An Tagen, an denen seine bloße Anwesenheit mich reizte, musste ich mich dazu zwingen, genau das Gegenteil von dem zu tun, was ich fühlte: Anstatt Vorwürfe zu machen oder ihm meine Gereiztheit zu zeigen, habe ich ihn fest in den Arm genommen und ihm gesagt, wie sehr ich ihn liebe und dass er der beste Mann der Welt ist. Denn das war die Wahrheit – und es hat immer geholfen. Danach fühlte ich mich besser, liebevoller, und er auch, weil Berührung seine Liebessprache war.
Wir können wählen, ob wir uns von Angst oder Liebe leiten lassen. Liebe ist immer die richtige Entscheidung. Ein aufgewühlter emotionaler Zustand ist ein schlechter Ratgeber. Entscheidungen, die aus Angst getroffen werden, führen selten zu etwas Gutem. Man denke an Menschenmengen, die in Panik geraten, oder an einen Schwimmer, der gegen die Strömung ankämpft, statt sich sicher treiben zu lassen.
Auch wenn es sich nicht immer wie Angst anfühlt, steckt doch oft eine tiefere Furcht dahinter: die Angst, nicht genug geliebt, ausgenutzt, übergangen, verlassen oder betrogen zu werden. Ebenso die Angst, dass eigene Unzulänglichkeiten oder liebloses Verhalten ans Licht kommen könnten. Angst zeigt sich in unzähligen Formen. Angst kann uns auch lähmen. Zwar lässt es sich nicht vermeiden, dass wir gelegentlich in solche Zustände geraten, aber wir können bewusst entscheiden, aus der Angst heraus zu handeln oder länger darin zu verweilen.
Wenn der innere Druck steigt und das Herz zu rasen beginnt, kann es hilfreich sein, bewusst fünf tiefe Atemzüge zu nehmen, bevor man aus der Emotion heraus reagiert. Dies hilft, aus dem Kopf in den Körper zu kommen. Konzentrieren Sie sich auch auf Ihre Füße und spüren Sie bewusst den Boden unter sich oder den Stuhl, auf dem Sie sitzen. Atmen Sie tief ein, zählen Sie bis vier, halten Sie die Luft an, zählen Sie erneut bis vier, atmen Sie dann vier Sekunden aus und halten Sie die Luft wieder für vier Sekunden an, bevor Sie erneut für vier Sekunden einatmen. Diese Technik aktiviert den Parasympathikus, der dem Körper signalisiert, dass er zur Ruhe kommen kann und den Kampf-, Flucht- oder Erstarrungsmodus beendet. Erst dann sind Sie in der Lage, wieder einen klaren Gedanken zu fassen und überlegt zu handeln.
Es ist einfacher, emotionale Zustände zu regulieren, als man denkt, anstatt impulsiv aus ihnen heraus zu reagieren. Für hartnäckige, sich wiederholende Angst- oder Stresszustände kann die EFT-Klopfmethode (Emotional Freedom Technique) ausgesprochen hilfreich sein. Einfach mal googeln und ausprobieren. Mag albern klingen, sie hat aber eine erstaunliche Wirkung. Ob es Ihnen hilft, können Sie nur herausfinden, wenn Sie es ausprobieren.
Wir streiten selten über das, worüber wir denken zu streiten, sagt die Paartherapeutin Esther Perel – und ich könnte ihr nicht mehr zustimmen. Es geht selten um den offensichtlichen Inhalt, sondern um viel mehr. Genau das macht unsere Arbeit spannend, denn sie gleicht einer Detektivarbeit. Hinter all den Vorwürfen und vielen Worten herauszufinden, worum es wirklich geht. Hinter Sätzen wie »Du hast schon wieder …«, »Du machst nie …« oder »Immer vergisst du …« steckt meist ein tieferliegendes Thema. Da uns die zugrunde liegenden, grundlegenden Themen in diesem Moment oft nicht bewusst sind, fällt uns nicht auf, wie lächerlich der eigentliche Streitgrund manchmal ist, wie kleinlich wir argumentieren und aufrechnen. Wir verbeißen uns so sehr in Details, dass wir gar nicht in Erwägung ziehen, dass die Lösung woanders liegen könnte. Stattdessen klammern wir uns an jedes Detail, als hinge die Lösung davon ab, den anderen zu überzeugen, dass er im Unrecht ist.
In seinem Buch Anleitung zum Unglücklichsein beschreibt Paul Watzlawick folgende Szene: Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt vorbei und fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: »Meinen Schlüssel.« Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: »Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber da ist es viel zu finster.«
Das beschreibt ein sehr menschliches Dilemma. Ist es nicht genau das, wozu wir uns immer wieder verleiten lassen, wenn wir uns erst mal festgebissen haben? Dort zu suchen, wo es nichts zu finden gibt, und mehr von dem zu tun, was nicht funktioniert? Es ist, als würden wir lauter sprechen, wenn unser Gegenüber die Sprache nicht versteht. Genau das passiert in unseren Streitereien. Natürlich nervt es, wenn du immer zu spät kommst, das Regal, das du vor Wochen, Tagen oder sogar Jahren versprochen hast, immer noch nicht angebracht hast, deine schmutzige Wäsche überall herumliegt, du viel zu viel Zeug in die Wohnung schleppst und dich von nichts trennen kannst. Es stört, dass du nie daran denkst, hinter dir aufzuräumen, die Kinder vor dem Schlafengehen noch mal aufdrehst, immer etwas von der Einkaufsliste vergisst oder auf Partys kein Ende findest. Aber wir wissen auch, dass sich solche Konflikte im Streit nicht lösen lassen.
Dass solche Auseinandersetzungen eskalieren können und Paare sich wegen der berühmten Zahnpastatube trennen – weil einer sie nie zuschraubt oder schlampig ausquetscht –, liegt daran, dass die eigentlichen Themen verborgen bleiben. Die wahren Konflikte werden nicht angesprochen. Esther Perel sagt, Menschen in Beziehungen kämpfen meistens um drei Dinge: Macht und Kontrolle, Vertrauen und Nähe, Respekt und Achtung. Das lässt sich ganz einfach überprüfen, indem man sich bei jedem Streit fragt: Worum geht es hier gerade wirklich?
Im Fall der Zahnpastatube könnten es Macht und Kontrolle sein: Was möchte ich erreichen, wenn ich darauf bestehe, dass du die Tube zuschraubst oder sie ordentlich ausdrückst? Ist das ein Machtkampf? Geht es um Kontrollverlust? »Wenn du schon bei der Zahnpastatube nachlässig bist, was kommt als Nächstes? Wirst du vielleicht irgendwann unsere Kinder oder sogar mich vergessen?«
Oder könnte es um Respekt und Achtung gehen? »Du weißt, wie wichtig mir das ist. Wenn du das wiederholt ignorierst, dann ignorierst du auch mich und meine Bedürfnisse. Das zeigt mir, dass dir weder ich noch meine Anliegen wichtig sind. Daraus schließe ich: Du liebst mich nicht!«
Damit kommen wir zu dem wichtigsten Punkt: Wie wir über den anderen und uns selbst denken, beeinflusst, wie wir jedes Verhalten und jedes Ereignis deuten. Alles, was ich über dich denke, durchdringt meine Interpretation von allem, was du sagst und tust. Diese Gedanken wiederum lösen Gefühle aus, und diese Gefühle treiben mich dazu zu handeln. Aber egal wie stark diese Gefühle auch sein mögen, ein Gefühl bleibt ein Gefühl – eine subjektive Empfindung im Körper und nicht mehr. Das ist die Falle, in die wir so schnell stolpern. Das Gefühl ist oft so überwältigend, so SPÜRBAR und real, dass wir fälschlicherweise glauben, der Gedanke, der dahintersteckt, und die Rückschlüsse, die wir daraus ziehen, seien unbestreitbare Tatsachen.
Wenn dein Zuspätkommen oder das, was ich als Unzuverlässigkeit empfinde, weil du immer wieder vergisst, was mir wichtig ist oder worum ich dich gebeten habe, in mir ein starkes Gefühl des Nicht-geliebt- oder Nicht-geachtet-Werdens auslöst, das sich absolut real anfühlt, bedeutet das noch lange nicht, dass du mich tatsächlich nicht liebst oder achtest. Es ist nur meine rein subjektive Interpretation. Objektiv betrachtet bedeutet es erst mal lediglich, dass du vielleicht ein schlechtes Zeitmanagement oder Gedächtnis hast. Der Gedanke »Aber wenn ich ihm wichtig wäre, dann …« offenbart, was dieser Deutung zugrunde liegt: »Er oder sie liebt mich nicht genug, nicht so, wie ich sie liebe, nicht so, wie ich geliebt werden will.« Darunter kann sich noch der Gedanke »Ich bin nicht liebenswert« verbergen.
Unsere Stimmung beeinflusst zusätzlich die Qualität unserer Gedanken. In guter Laune nehmen wir anders wahr und geben dem Geschehen eine andere Deutung, als wenn wir erschöpft, gedrückt, verängstigt und gestresst sind. Ist unsere Stimmung unten, neigen wir dazu, alles persönlich zu nehmen und unseren negativen Gedanken mehr Glauben zu schenken als den positiven. Unsere verzerrte Wahrnehmung wird dann als Realität empfunden und erscheint uns dauerhaft und permanent. »Du machst IMMER …«, »Du kommst NIE …« Statt die Qualität unserer Gedanken und den Einfluss unserer Stimmung zu hinterfragen, suchen wir Bestätigung für diese negativen Gedanken im Verhalten unserer Partner.
Und ja, sie mögen ein schlechtes Zeitmanagement haben und sich eher an die Dinge erinnern, die ihnen wichtig sind, als an die, worum wir sie gebeten haben. Aber sind wir nicht oft genauso? Jemanden warten zu lassen, ständig zu spät zu kommen oder Versprechen nicht einzuhalten ist nicht gut, ist nicht schön und kann auch ordentlich wütend machen. Doch wenn ich mir bewusst bin, ich werde geliebt und mein Partner will das Beste für mich, auch wenn er manchmal vergisst, was es für mich bedeutet, dann ist der emotionale Druck hinter diesen kleinen Dingen schon wesentlich geringer. Wir können uns dann sachlicher über das unterhalten, was tatsächlich stattfindet.
Hat man den Inhalt erst mal vom emotionalen Kontext gelöst und die eigentlichen Zusammenhänge erkannt, dann lässt sich vieles ganz einfach auf sachlicher Ebene lösen. Dann kann man alles so nehmen, wie es ist, und interpretiert nicht mehr hinein. »Wenn du es nicht zur vereinbarten Zeit schaffst, dann ruf mich an oder schick mir eine Nachricht.« Das Gleiche gilt für alle versprochenen Regale, Vorhangschienen und Reparaturen. »Wenn du es selbst nicht schaffst, dann bestell doch einen Handwerker.«
Das Zusammenleben wird dadurch viel leichter, denn für praktische Dinge gibt es fast immer eine einfache Lösung. Um auf das Beispiel der Zahnpastatube zurückzukommen: Jeder bekommt seine eigene Tube und darf damit machen, was er will. Ordentlich aufrollen, wüst ausquetschen, zuschrauben oder offen lassen – ganz, wie es gefällt. Das ist die Freiheit, die wir uns gegenseitig schenken können.
Mein Mann und ich wählen gemeinsam jedes Jahr eine Aufgabe, an der wir arbeiten möchten. Im vergangenen Jahr war es für mich das Thema Annehmen und für ihn Loslassen. Diese beiden Fähigkeiten haben wir in unserer Arbeit mit Paaren und aus unserer eigenen Erfahrung als besonders wichtig erkannt. Sie machen das Leben und das Lieben leichter und erfüllter.
Das Loslassen beschäftigte meinen Mann schon lange vor seiner Diagnose. Hätte er gewusst, wie alles endet, hätte er vielleicht ein anderes Thema gewählt. Das Leben hat uns jedoch perfekte Gelegenheiten geboten, diese Fähigkeiten anzuwenden und zu üben. Mein Mann hat seinen Abschluss mit Auszeichnung bestanden, und ich bin noch mitten im Abitur.
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