Königinnen - Elke Naters - E-Book

Königinnen E-Book

Elke Naters

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Beschreibung

Gloria und Marie sind Freundinnen. Gloria hat Mann und Kind. Marie ist allein. Sie sucht die große Liebe und den richtigen Mann dazu. Gloria und Marie leben in Berlin und sehen sich fast jeden Tag. Sie ärgern sich und helfen sich und ziehen über die anderen her. Keiner wird geschont. Sie haben Geschmack, aber nicht unbedingt das Geld, ihn zu verwirklichen. Sie haben Wünsche, aber das Leben neigt nicht dazu, sie zu erfüllen. Sie haben Stil, aber manchmal sind sie einfach schwach. Dann lernt Marie einen Mann kennen, von dem sie glaubt, daß er Hans heißt und der Richtige ist. Aber das ist nicht sicher. Es könnte sogar gut ausgehen. Elke Naters läßt in ihrem ersten Roman abwechselnd Gloria und Marie zu Wort kommen, und weil sie manchmal das Gleiche erleben, aber anders erzählen, bekommen die Geschichten nicht selten etwas wunderbar Ironisches. Ein ganz und gar zeitgemäßes Buch.

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Seitenzahl: 179

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Elke Naters

Königinnen

Roman

Kurzübersicht

> Buch lesen

> Titelseite

> Inhaltsverzeichnis

> Über Elke Naters

> Über dieses Buch

> Impressum

> Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

GloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarieGloriaMarie
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Gloria

Ich sitze mit Marie im Café, und Ala kommt herein. Sie tut so, als wäre ich nicht da, und setzt sich neben Marie und erzählt ihr unwichtiges Zeug. Ich kenne das schon von ihr und lese Zeitung. Ich höre, wie sie zu Marie sagt: Du hast wunderschöne Schuhe an. Ich wette, wenn ich diese Schuhe getragen hätte, hätte sie gesagt, deine Hose rutscht dir runter, hast du keinen Gürtel? Überflüssig, ihr zu erklären, dass man diese Hose gar nicht anders tragen kann, als auf den Hüftknochen hängend. Ala war meine beste Freundin.

Wenn Ala auf Marie und mich trifft, ist das so ähnlich, wie wenn ich auf Marie und Susan treffe. Nur zeige ich meine schlechte Laune und rede mit keinem, während Ala Marie Komplimente über ihre Schuhe macht und mich völlig ignoriert, obwohl sie mit mir weit mehr als mit Marie verbindet. Das ist der Unterschied zwischen uns. Der wesentliche Unterschied aber ist, dass sie klein ist und ich groß. Ala denkt, Marie ist schuld daran, dass wir uns nicht mehr verstehen. Deshalb ist sie besonders nett zu Marie.

Wenn Ala Geburtstag feiert, lädt sie alle ihre kleinen Freunde und Freundinnen ein. Und mich. Dann stellt sie uns in ein Zimmer, nimmt alle Stühle weg, und ich muss mich den ganzen Abend bücken, wenn ich mich unterhalten möchte. Am Ende des Abends sagt sie dann: Du solltest unbedingt auf deine Haltung achten.

Solange Ala meine Freundin war, habe ich keine hohen Schuhe getragen. Jedes Mal wenn ich Ala treffe, habe ich stundenlang schlechte Laune.

Um meine Laune zu heben, gehe ich Schuhe kaufen. Mit Absätzen. Marie will erst mitkommen, aber dann fällt ihr ein, dass sie kein Geld hat, und geht lieber nach Hause. Ich gehe über die Straße zum Bankautomaten. Der gibt mir kein Geld. Ich weine ein bisschen und fahre auch nach Hause. Auf dem Weg komme ich an diesem teuren Kleidergeschäft vorbei. Ich halte an und schaue nur mal so ins Fenster.

Da stehen diese wirklich wunderschönen Schuhe von Patrick Cox. Die sind dunkelbraun und glänzen und haben zwei kleine Schnallen. Das beschreibt sie nur unzulänglich, aber sie sind wirklich wunderschön. Es passiert sehr selten, dass ich schöne Schuhe sehe. Das letzte Paar, das ich gesehen und gekauft habe, weil ich mich sofort darin verliebt habe, waren die curryfarbenen Lackloafers von Miu Miu. Bei Theresa in München.

Ich gehe in den Laden und frage mal nur so, was die Schuhe kosten. Sie kosten zweihundertachtundneunzig Mark, aber ich verstehe hundertachtundsechzig Mark. Das kann natürlich nicht sein, das weiß ich, dass es von Patrick Cox keine Schuhe unter zweihundert Mark gibt, außer im Ausverkauf, aber diese Schuhe sind brandneu. Aber weil ich kein Geld habe, glaube ich daran, dass sie nur hundertachtundsechzig Mark kosten. Gar nicht so teuer, denk ich mir. Geht doch. Jetzt, wo ich weiß, wie viel die Schuhe kosten, will ich wieder gehen. Die Verkäuferin ist sehr freundlich und fragt mich, ob ich die Schuhe anprobieren möchte. Ich probiere die Schuhe an, nur so. Die Verkäuferin fragt mich, wie die Schuhe passen, und ich sage perfekt, weil sie wirklich perfekt passen. Sie fragt, ob ich sie mitnehme, und ich sage, das würde ich schon gerne, aber ich habe gerade kein Geld. Das macht nichts, sagt die Verkäuferin, ich lege sie zurück. Wie viel ich denn anzahlen möchte. Ich sage, ich habe auch kein Geld zum Anzahlen, und es dauert mindestens eine Woche, bis ich eins haben werde. Das macht nichts, sagt sie. Dann lege ich sie eben so zurück. Ein derart freundliches Angebot kann ich nicht abschlagen, und sie legt mir die Schuhe zurück.

Am Abend telefoniere ich mit Marie und erzähle ihr von den Schuhen. Sie fragt, was die kosten, und ich sage hundertachtundsechzig Mark. Das geht doch, sagt sie. Ja, das geht wirklich, sage ich. Eine Woche später kommt das Geld vom Sozialamt, und ich gehe meine Schuhe holen. Der Automat gibt mir auch wieder Geld, und ich hebe vorsichtshalber gleich dreihundert Mark ab. Weil ich so eine Ahnung habe. Ich zahle, ohne mit der Wimper zu zucken. Von den restlichen zwei Mark kaufe ich mir ein Eis. Marie sagt, das habe sie sich gleich gedacht, dass die Schuhe so viel kosten.

Das Einzige, für das es sich immer lohnt, viel Geld auszugeben, sind Schuhe. Alles andere kann man mit Geschmack und Geduld genauso gut billig erstehen. Schuhe nicht. Und wenn man gute Schuhe trägt, dann sieht alles andere auch gleich aus, als wäre es von Helmut Lang. Und nicht von H&M.

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Marie

Den ganzen Abend stehe ich rum und warte, dass er kommt, und dann kommt er, wenn meine Laune unten ist und der Lippenstift verwischt. Ich stelle mich hin und rede und amüsiere mich, lache ganz viel und hoffe, dass er zur Tür reinkommt und mich sieht, wie ich da stehe und strahle, und es ist anstrengend, die ganze Zeit zu strahlen und zu glänzen. Er erwischt mich, wie ich alleine an der Wand stehe und müde vor mich hin starre, weil alle schon gegangen sind und mir mein Gesicht wehtut, vor lauter Glücklichsein und Gutaussehen. Ich habe zu viel getrunken, das macht es nicht besser. Er steht auf einmal vor mir, und ich bin zum ersten Mal an diesem Abend nicht darauf gefasst, ihn zu sehen. Paul fragt mich, was ich trinken will, und ich sage ihm, dass er mir ein Bier holen soll, und gehe aufs Klo. Wie ich in den Spiegel schaue, komme ich mir vor wie in einem schlechten Film. Mein betrunkenes Gesicht schaut mich an, als hätte es mich noch nie gesehen. Ich tu Wasser drauf, aber davon wird nichts besser. Ich nehme mich bei der Hand, und bevor der schlechte Film weitergeht, stehe ich draußen und gehe nach Hause.

 

Der Tag fängt beschissen an, weil der Abend beschissen aufgehört hat. Das ist meistens so. Ich wache auf und tu mir erst mal leid. Mich erschöpfen die Tage. Sie bringen nichts Neues. Ich ertrage es nicht, dass man jeden Morgen aufstehen muss. Sich waschen. Zähne putzen. Anziehen und frühstücken. Man kann natürlich fast alles weglassen, das Waschen, Zähneputzen, Anziehen und Aufstehen. Das mache ich auch so, an solchen Tagen. Nur das Frühstücken, das kann man nicht weglassen. Das heißt, irgendwann muss man essen, und dazu muss man einkaufen, und zum Einkaufen muss man aufstehen und sich anziehen. Zumindest. Das Waschen und den Rest lasse ich weg. Schau gar nicht erst in den Spiegel. Will nur schnell raus, einkaufen und wieder zurück, als wär ich nie draußen gewesen. Als ich dann an der Kasse stehe, ist es mir nicht mehr egal, wie ich aussehe. Ich ärgere mich und fühle mich unwohl. Man sollte nie ungeschminkt und scheißegal auf die Straße gehen. Da wird man in den Geschäften schlecht behandelt und fühlt sich auch sonst mies. Nur in der Bibliothek sind sie immer freundlich und freuen sich über jeden, der liest. Ich leihe mir Jane Eyre aus.

Susan ruft an. Sie hat einen Freund, den sie nicht liebt. Darüber ist sie verzweifelt. Das ist sie oft. Sie will sich trennen oder doch nicht. Weil sie Angst hat vor der Einsamkeit. Dieser ganze langweilige Käse. Sie ist vierunddreißig, da stehen die Chancen schlecht. Ich bin erst dreißig, da fängt das Leben gerade an. Sie tut mir leid, weil sie so alt ist und einsam und drei Abtreibungen hinter sich hat und keine Kinder mehr kriegen wird. Deshalb tröste ich sie, und um sie aufzumuntern, sage ich, dass sie mitkommen soll heute Abend. Gloria würde sich freuen. Ich weiß, dass sie das nicht tut, aber ich habe ein weiches Herz.

 

An der Bar sitzt Gloria. Und lauter hässliche Männer. Außer einem. Den lächle ich an. Gloria ist sauer, weil ich zu spät komme oder was auch immer. Ich tu so, als wär nichts, und setze mich neben sie. Susan geht aufs Klo. Das macht sie immer so. Jedes Mal, wenn sie irgendwo hinkommt, geht sie erst mal aufs Klo. Das muss am Alter liegen. Ich sage das zu Gloria, und sie muss lachen. Jetzt ist sie nicht mehr sauer.

Der hübsche Junge küsst eine hässliche Frau. Zu klein und zu alt. Sie trägt Hotpants und weiße Strumpfhosen. Wenn man einen entscheidenden Fehler machen kann, dann ist das, weiße Strumpfhosen zu tragen. Die machen immer dicke Beine. Kleine Frauen sollten auch keine kurzen Hosen tragen. Kleine Frauen sollten gar nicht erst aus dem Haus gehen. Kleine Frauen sollten zu Hause bleiben. Nur zum Einkaufen soll man sie herauslassen. Und um mit ihren Kindern auf den Spielplatz zu gehen. Schließlich sollen die Kinder nicht auch noch darunter leiden müssen, dass ihre Mütter klein sind. Eine andere Frage ist natürlich, ob kleine Frauen sich überhaupt fortpflanzen sollen. Denn in der Regel kriegen kleine Frauen kleine Kinder und wieder kleine Mädchen, die zu kleinen Frauen werden. Aber schließlich müssen auch die kleinen Männer passende Frauen finden. Nicht alle kleinen Männer mögen große Frauen. Ich habe nichts gegen kleine Männer. Es ist nur so, dass ich ihnen gegenüber immer ein schlechtes Gewissen bekomme. Wenn ich neben einem kleinen Mann stehe und mich zu ihm hinunterbeugen muss. Beim Reden oder beim Küssen. Mir macht es nichts aus, wenn ein Mann kleiner ist, aber ich denke immer, dass ihm das zu schaffen macht, eine große Frau.

Robert kommt. Er ist der Freund von Heike, die wir nicht leiden können. Aber Robert mögen wir. Susan ist zurück vom Klo und telefoniert jetzt. Sie schaut gequält und redet viel. Ich mag mir ihre Sorgen nicht mehr anhören. Nicht an einem Abend, der sich gut anlässt. Ich setze mich so hin, dass sie keinen Platz mehr neben mir hat. Sie müsste sich hinter meinem Rücken an die Bar drücken. Das wird sie nicht tun. Robert tanzt mit Gloria, und Susan setzt sich neben mich. Ich beobachte die beiden. Sie lachen viel und sehen schön aus zusammen. Das macht mich traurig. Ich weiß auch nicht warum. Sie tanzen und hören gar nicht mehr auf. Susan redet auf mich ein. Ich höre nicht zu.

Die beiden tanzen immer noch. Susan heult jetzt, ich weiß nicht warum, weil ich ihr nicht zugehört habe. Es interessiert mich auch nicht.

Ich trinke Wodka und werde betrunken. Mir geht es gut. Ich brauche niemanden. Ich werde endlich eins mit dieser Nacht. Ich steige in mein Glas und strecke mich aus im Wodka. Endlich liegen. Warm und feucht. Die Musik deckt mich zu, und alles wird ganz weich.

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Gloria

Ich gehe die Straße lang, und mir ist ganz schwach vor Hunger. Ich habe mich nicht verabschiedet. Von niemandem. Manchmal, wenn ich Hunger habe, wird mir so schwach, dann brauche ich sofort etwas zu essen. Das haben die nicht kapiert, dass es jetzt ganz schnell gehen muss. Da stehen die rum und tun sich wichtig, und mir wird klar, dass ich dort nichts verloren habe. Plötzlich stellt sich alles infrage. Meine Freunde und meine Nächte, und ich gehe. So schnell ich kann. Vorbei an Marie, die mich blöde anschaut. Das sehe ich, obwohl ich sie nicht anschaue, wie ich an ihr vorbeigehe. Sie musste noch was klären, und das tut sie wohl gerade und greift sich ständig in ihre blöden Haare. Beim Rausgehen kommt mir auch noch Susan entgegen, sie war verreist und hat mir gerade noch gefehlt. Sie grüßt mich überschwänglich, dabei haben wir uns schon lange nichts mehr zu sagen, und will mich küssen, aber ich drehe mich weg und trete ihr in den Arsch. Tu ich natürlich nicht, leider. Ich lass mich also küssen, und geh dann endlich raus ins Freie.

Manchmal stelle ich mir vor, Sachen zu machen, die niemand von mir erwartet. Wie Susan in den Arsch zu treten oder mit Kleidern herumzulaufen, die völlig daneben sind, oder einer Frisur. Damit meine ich nicht, völlig verrückt rumzulaufen. Es geht mehr darum, dass man als gut gekleidet und geschmackssicher gilt, und dann kommt man mit einer gelben Bluse daher oder einer Handtasche, die einen kompletten Affen aus einem machen, und man tut so, als wäre alles wie immer. Da würde es mich interessieren, ob die anderen auch so tun, als wär nix, und sich hinter meinem Rücken das Maul zerreißen. Da macht man aus allem eine Krise, wenn der Friseur die Haare verschnitten hat oder man nichts zum Anziehen hat oder man was anhat, in dem man sich blöd und unwohl fühlt, anstatt sich einen Riesenspaß daraus zu machen. Aber bis ich mich das traue, muss ich noch viele Jahre älter werden, glaube ich, und wenn es dann so weit ist, denken alle, dass ich eine verkalkte Alte bin, die nicht mehr in der Lage ist, eine passende Handtasche herauszusuchen oder eine Bluse. Zu dumm, dass man immer so bemüht ist, einen guten Eindruck zu machen. Aber jetzt will ich keinen guten Eindruck mehr machen. Ich will sofort etwas zu essen.

Wie das manchmal so ist, bei einem richtig großen Hunger, kann ich mich nicht entscheiden, was ich essen will. Weil ich alleine bin, will ich schnell essen. Ich will mich nicht in ein Lokal hineinsetzen. Ich will stehen beim Essen. Mit anderen, die auch stehen beim Essen und dabei vor sich hin schauen.

Ich gehe zu McDonald’s. Vor mir bestellt einer umständlich und versucht, mit der Bedienung zu flirten. Sie sagt, dass seine Apfeltasche sieben Minuten dauern würde, das heißt, fünfzehn Minuten, bis er sie endlich essen könnte, weil die so heiß rauskommen. Eine Kirschtasche könnte er sofort haben. Er besteht auf seiner Apfeltasche und scherzt plump rum, er liebe 197 Grad heiße Apfeltaschen. Das Mädchen sagt, 195 Grad, und verzieht dabei keine Miene. Nicht das kleinste Lächeln, nicht einmal aus Höflichkeit. Zu mir sagt sie mit dem gleichen Gesicht, einen Moment bitte, und trägt ein Tablett zu Leuten am Ende des Lokals, neben dem Ausgang. Ich will nicht warten, und weil ich schon so lange dort stehe, will ich auch nichts mehr von McDonald’s. Ich gehe wieder hinaus, an dem Mädchen vorbei, nur um sie und ihre unbewegliche Miene zu ärgern, gehe ich wieder hungrig hinaus und hole mir eine Falafel an der Ecke. Dabei kann ich Falafel nicht ausstehen. Das Mädchen kommt mir entgegen beim Hinausgehen, und sie ist tatsächlich irritiert, dass ich gehe, und sagt etwas zu mir, aber ich laufe an ihr vorbei, als wär sie gar nicht da. Die Falafel esse ich im Gehen.

Wenn ich so alleine unterwegs bin und mich ärgern muss, und das muss ich mich immer, ärgern, über dumme Menschen oder Hunde, rede ich mit mir selbst. Wenn ich jemanden auf der Straße laufen sehe, und es ist noch dazu ein junger Mensch, und der redet mit sich selbst, denke ich immer, der hat sie nicht alle. Dabei laufe ich selber immer leise redend durch die Gegend. Das heißt, meistens rede ich nur im Kopf mit mir, aber oft auch richtig. Ich gehe zum Beispiel einkaufen. Will mir etwas zum Anziehen kaufen, Schuhe zum Beispiel. Also gehe ich durch die Schuhgeschäfte und schau mir die Schuhe an und probiere sie auch an und rede die ganze Zeit dabei. Mein Gott, wer soll diese hässlichen Schuhe kaufen, oder warum gibt es die Schuhe, die ich suche, immer erst zwei Jahre später, oder ich stehe bei H&M und schimpfe vor mich hin. Wie ein irres altes Weib. Bei H&M schimpfe ich am meisten.

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Marie

Ich wache auf und denke, den Traum darfst du nicht vergessen, weil er so ungeheuerlich ist. Der Traum geht so: Eva hat Geburtstag, und den feiert sie in einer größeren Gesellschaft, zu der ich auch eingeladen bin. Eva steht vor einem großen Tisch mit einer roten Decke. Darauf sind die Geschenke gehäuft. Sie packt eins nach dem anderen aus und hebt es hoch, damit alle es sehen können, und sagt dann laut den Namen desjenigen, von dem das Geschenk ist. Ich habe, natürlich, denke ich mir, kein Geschenk mitgebracht. Da höre ich Eva sagen: Und das ist von Marie. Sie packt etwas aus, das ich nicht sehen kann, und riecht daran und sagt, das riecht aber gut. Vielen Dank,Marie, und stellt es auf den Tisch. Ich wundere mich, weil ich doch gar kein Geschenk mitgebracht habe, und gehe zu dem Tisch, um zu sehen, was das ist. Da stehen zwei billige Deoroller, die Eva selbst gekauft hat und eingepackt und nun als mein Geschenk ausgibt, um mich zu blamieren.

Dieser Traum hebt meine Laune ungemein, und ich muss an Eva denken. Neulich haben wir telefoniert. Das machen wir nie, und wahrscheinlich habe ich deshalb von ihr geträumt.

Eva behauptete, ich hätte ihr damals im Dantebad das Schwimmen beigebracht. Nicht das Schwimmen an sich, das konnte sie natürlich, sondern das sportliche Brustschwimmen, bei dem man mit dem Kopf im Wasser ausatmet. Vorher wäre sie immer im Wasser rumgepaddelt wie ein Hund, und seitdem würde sie gerne und oft zum Schwimmen gehen. Gerade darum. Das ist seltsam, denn meine Erinnerung an diesen Sommer im Dantebad ist eine, gerade was Eva angeht, sehr unangenehme, denn damals begann ihr Verhältnis mit Klaus, was nicht richtig war, weil er mein Freund war und meine große Liebe, und sie schwor mir in diesem Sommer am Beckenrand, dass es bereits ein Ende habe. Und es endete damit, dass sie gerade das zweite Kind von ihm bekommt. Aber das hat sie wahrscheinlich vergessen, während sie hochschwanger ihre Runden schwimmt und dabei mit dem Kopf im Wasser ausatmet.

 

Das Telefon klingelt, und es ist wieder nicht Paul. Seit Tagen warte ich darauf, dass er anruft. Kann er gar nicht. Er hat nämlich nicht einmal meine Nummer. Könnte er natürlich schon. Es ist ein Leichtes, meine Nummer herauszubekommen. Wahrscheinlich weiß er nicht einmal, wie ich heiße. Wahrscheinlich denkt der nicht einmal an mich. Ich will hören, was Gloria darüber denkt, aber bei der ist ständig besetzt. Wahrscheinlich telefoniert sie mit Paul. Haha. Das Telefon klingelt wieder, und es ist Gloria. Sie hat sich neue Schuhe gekauft und meint, ich soll dem Paul Zeit lassen. Es wäre offensichtlich, dass er an mir interessiert sei. Aber er wäre einer, der schnell die Flucht ergreift, wenn man ihm zu nahe rückt. Das interessiert mich nicht. Solche Männer interessieren mich nicht. Ich bin dreißig Jahre alt. Das Leben liegt mir zu Füßen, und ich habe keine Lust auf diesen Kinderquatsch. Das geht nicht mehr. Ich möchte einen Mann, den ich zu jeder Zeit und alle fünf Minuten anrufen kann. Ich möchte einen Mann, der sich zu mir ins Bett legt und nie mehr nach Hause geht. Einfach so. Weil es ihm bei mir gefällt und ich ihm gefalle und er immer bei mir bleiben will. Ich mag diese Spiele nicht mehr spielen. Das muss Gloria auch zugeben, und wir beschließen, dass ich den Paul vergessen soll.

Danach geht’s mir auch nicht besser. Um nicht mehr das blöde Telefon anschauen zu müssen, gehe ich raus. Obwohl ich das sonst nie mache, gehe ich alleine aus. Es ist eine laue Nacht, und ich nehme das Fahrrad. Wie ich durch die laue Nacht radle, spüre ich zum ersten Mal ein Gefühl von Freiheit. Das hört sich jetzt blöde an, aber mein Herz wird ganz leicht, und ich glaube zu fliegen, so leicht schieße ich durch die Nacht. Das ist eine richtige Freiheit. Mit dem Fahrrad durch eine Sommernacht zu radeln. Und nicht so eine windige Scheißfreiheit, wie jemanden nicht anzurufen, der einen liebt und der auf einen Anruf wartet. Aber den Paul liebe ich nicht. Den kenne ich ja kaum. Ich dachte nur, das wäre endlich mal einer, den man lieben könnte.

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Gloria

Ich stehe auf der Straße und sehe jemanden vorbeigehen, der aussieht wie Melitta, bis auf die Haare. Melitta hat ganz lange blonde Haare, und die, die gerade vorbeigeht, hat dünne zottlige, irgendwie helle, nicht mal richtig blonde Haare.

Ich rufe Melitta, weil wenn sie es ist, wird sie sich umdrehen, und wenn nicht, wird sie einfach weitergehen und gar nicht merken, dass ich ihr hinterhergerufen habe. Nachdem ich gerufen habe, bin ich mir plötzlich gar nicht mehr sicher, ob sie wirklich Melitta heißt. Und nicht Melissa oder ganz anders. Sie heißt natürlich Melitta, aber der Name kommt mir so falsch vor, fast unanständig falsch, nachdem ich ihn ausgesprochen habe.

Sie bleibt tatsächlich stehen und dreht sich um, und es ist Melitta, und ich bin mir jetzt auch sicher, dass Melitta der richtige Name ist. Sie kommt auf mich zu.