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Axel Adamitzki

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Beschreibung

Fürstin Julia (40) hat früh ihren Mann verloren. Sie lebt jetzt für ihre Tochter und geht zudem gänzlich in ihren Aufgaben als Fürstin auf. Ihre Zeit und ihr Leben sind ›vorbestimmt‹. Doch eines Tages begegnet sie einem jungen Mann (25), frech, unverkrampft, scheinbar unbekümmert und zudem auch noch bürgerlich, der alles durcheinanderbringt – ihre Gedanken, ihre Gefühle ... ihr Leben. Aber kann es überhaupt mehr als flüchtige Zuneigung geben? Zumal er mehr als zehn Jahre jünger ist als sie? Und was ist mit ihren ›Welten‹, die so weit voneinander entfernt sind, dass es nirgends auch nur den kleinsten Berührungspunkt gibt? Lässt sich da eine ›Brücke‹ bauen? Für die Liebe? Oder ist wahre Liebe tatsächlich, wie behauptet wird, bedingungslos und uneingeschränkt, sicherlich auch mühevoll, aber am Ende doch voller Leichtigkeit?

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Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14

LiebesMut

 

Roman

 

 

 

Hinweis

 

Das vorliegende Buch ist eine überarbeitete Ausgabe des Buches, das 2015 unter dem Titel ›Stille Hoffnung auf Liebe‹ und 2016 unter dem Titel ›Love‹ beim Droemer-Knaur Verlag unter meinem Pseudonym ›Andrea von Schlondorf‹ erschienen ist.

 

Die Rechte an dem Werk liegen beim Autor. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors. Das nachfolgende Werk ist frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt, auch stimmen Orte und ihre Beschreibungen nicht mit der Wirklichkeit überein. Markennamen sowie Warenzeichen, die im vorliegenden Werk Verwendung finden, sind Eigentum ihres rechtmäßigen Eigentümers.

Alles ist nur Fiktion, und doch – emotional und abstrakt betrachtet – wäre alles genau so möglich.

 

 

Beschreibung

 

Fürstin Julia (40) hat früh ihren Mann verloren. Sie lebt jetzt für ihre Tochter und geht zudem gänzlich in ihren Aufgaben als Fürstin auf. Ihre Zeit und ihr Leben sind ›vorbestimmt‹. Doch eines Tages begegnet sie einem jungen Mann (25), frech, unverkrampft, scheinbar unbekümmert und zudem auch noch bürgerlich, der alles durcheinanderbringt – ihre Gedanken, ihre Gefühle ... ihr Leben.

Aber kann es überhaupt mehr als flüchtige Zuneigung geben? Zumal er bald fünfzehn Jahre jünger ist als sie? Und was ist mit ihren ›Welten‹, die so weit voneinander entfernt sind, dass es nirgends auch nur den kleinsten Berührungspunkt gibt? Lässt sich da eine ›Brücke‹ bauen? Für die Liebe? Oder ist wahre Liebe tatsächlich, wie behauptet wird, bedingungslos und uneingeschränkt, sicherlich auch mühevoll, aber am Ende doch voller Leichtigkeit?

 

ca. 176 Normseiten

 

 

Impressum

 

Axel Adamitzki

Scheiblerstraße 81

47800 Krefeld

www.axel-adamitzki.de

 

Schlusslektorat: Bianca Weirauch, Weida

 

Bildnachweis: www.depositphotos.com

 

 

Kapitel 1

 

»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, meine liebe Astrid.« Julia Fürstin von Metten nahm ihre Tochter gefühlvoll, innig und ein wenig ungestüm in den Arm. Das war heute nicht irgendein Geburtstag, es war ihr achtzehnter.

Astrid konnte ab sofort ihre eigenen Wege gehen, denn auch finanziell stand ihr ab jetzt monatlich ein nicht unerheblicher Betrag – als Vorgriff auf ihr Erbe, das sie mit fünfundzwanzig Jahren antreten würde – zur Verfügung.

Julias Mann, Eckehard Fürst von Metten, der vor mehr als drei Jahren, nach kurzer Krankheit, im Alter von vierzig Jahren an Magenkrebs verstorben war, hatte es noch so verfügt.

Doch hoffte Julia natürlich – und glaubte, es auch zu wissen –, dass ihre Tochter noch lange nicht das elterliche Gut verlassen würde.

Vielleicht würde sie ja nie gehen, Platz genug bot das Gut, auch für zwei Familien, für zwei Haushalte, doch das würde allein Astrid entscheiden.

Julias und Eckehards Eltern lebten in Neuseeland, sie waren aus sehr unterschiedlichen Gründen dort ›gestrandet‹. Eckehards Vater war als Diplomat dort gewesen, und Julias Mutter hatte das Goethe-Institut in Wellington geleitet. Auch ihr Mann hatte dort eine Aufgabe gehabt und sein Golf-Handicap auf +3 verbessert, was einem ambitionierten Amateurspieler entsprach.

Nach dem Ende ihrer beruflichen Aufgaben waren sie alle in Neuseeland geblieben und waren nur einmal, nach Eckhards Tod, für etwa ein halbes Jahr zurückgekehrt.

Jetzt lebten sie dort wieder zufrieden und glücklich ein vollkommen anderes Leben, als es ihre Titel eigentlich mit sich gebracht hätten, denn Titel, Würden und Verantwortung hatten sie nach ihren beruflichen Zwängen an ihre Kinder abgetreten.

 

»Danke, Mama.«

Astrid lächelte ihre Mutter aus diesen dunkelblauen Augen an, die sie von ihrem Vater geerbt hatte, und wofür Julia dem Schicksal unsagbar dankbar war. Hierdurch hatte sie das Gefühl, auch heute noch in die Augen ihres Mannes blicken zu können, obwohl die Augen ihrer Tochter selbstverständlich mit ganz anderen Vorstellungen nach Leben griffen – und das war auch gut so.

»Und da war doch noch etwas? Irgendwas hab ich vergessen.«, betonte Julia dann so, als müsste sie überlegen, als wüsste sie selbst nicht genau, dass es neben dem Gratulieren an einem Geburtstag noch etwas anderes gab. Doch die vielen Lachfältchen, die schon leicht zuckten, verrieten sie. Wie immer.

»Ach, ja, dein Geschenk. Entschuldige, mein liebes Kind. Doch wo habe ich es jetzt nur?«

Julia griff in die Tasche ihrer dunkelroten Kostümjacke und tat so, als würde sie dort nach etwas suchen, nach etwas Kleinem.

»Ach, hier hab ich es.« Langsam zog sie einen Schlüssel heraus, einen Autoschlüssel. »Der Rest steht vor der Tür«, sagte sie, und auf ihrem Gesicht erschien augenblicklich dieses unsagbar warme und einnehmende Lächeln, das sich vom Haaransatz bis zur Kinnspitze ausbreitete, das Eis zum Schmelzen bringen konnte und das wohl der nachhaltigste Ausdruck ihrer inneren Freude war. Niemand konnte sich diesem Lächeln entziehen. Und niemand hatte es je gewollt – denn dieses Lächeln allein war schon ein Geschenk.

»Danke, Mama. Danke.«

Auch die umstehenden Geburtstagsgäste freuten sich mit Astrid, obwohl Gudrun Gräfin von Hessdorf, Julias ältere Schwester, selbstverständlich eine Bemerkung dazu machen musste – eine unangemessene Bemerkung, wie es aber vielleicht einer Frau entspricht, die allein lebt, weil ihr kein Mann gut genug ist.

»Ein Auto?! Ich finde, die Kinder werden heute zu sehr verwöhnt.«

Julia, die solche Bemerkungen ihrer Schwester zur Genüge kannte, antwortete, ohne dabei ihr Lächeln zu verlieren und ohne dabei ihre Tochter aus den Augen zu lassen.

»Sei froh, dass du keine Kinder hast. Ihre Wünsche und Vorstellungen vom Leben würden dir nur schlaflose Nächte bereiten.«

Und augenblicklich spürte Julia ganz leicht den Ellenbogen ihrer besten Freundin, Margitta Freifrau von Dolmen, zwischen den Rippen. Sei nicht so frech, sollte das heißen, obwohl sie natürlich gleicher Meinung war.

Auch Edeltraut Baronin von Wolfen, Julias Cousine, lächelte beifällig.

Nur Moritz Prinz von Sodendorf, Astrids Freund, interessierte dieser kleine Wortwechsel nicht, er hatte allein Augen für den Schlüssel und schien zu überlegen, was für ein Auto wohl da dranhing.

 

Astrid wusste es. Ihre Mutter hatte vor einigen Monaten zu viele Andeutungen gemacht. »Ich möchte mir ein neues Auto kaufen. Welche Farbe würde dir denn gefallen?« – »Vielleicht rot?« – »Rot? Na, mal sehen. Und ich denke da an einen stadttauglichen Wagen. Doch welche Autos sind stadttauglich, und welche sind dabei auch ein wenig spritzig?«

Sie hatte tatsächlich von spritzig gesprochen, eine Ausdrucksweise, die ihrer Mutter normalerweise völlig abging. Sie war keineswegs versnobt, sie wahrte nur gern die Etikette, den Anstand, die Würde. Die Distanz.

»Stadttauglich und spritzig finde ich einen Mini«, hatte Astrid geantwortet. Das war jetzt drei Monate her, und seitdem hatte ihre Mutter nie wieder ein Wort über das Auto verloren. Astrid hatte auch nie mit jemandem darüber gesprochen. Sie konnte eins und eins zusammenzählen, und sie wollte ihrer Mutter die Überraschung und die Freude nicht verderben.

Also stand heute, fast sicher, ein roter Mini vor der Tür, über den Astrid sich sehr freute – doch musste der jetzt einen Moment warten. Ebenso musste Moritz seine Neugier ein wenig zügeln, denn Astrid hatte auch eine Überraschung – eine Überraschung für ihre Mutter.

»Liebe Mama«, begann sie zur Verwunderung ihrer Mutter sowie der anderen Gäste – vielleicht mit Ausnahme von Ferdinand Markgraf von Griesfelden, einem Jugendfreund ihres Vaters und dem Mann, der heute ihrer Mutter stets zur Seite stand und sie gern auf Händen tragen würde.

»Liebe Mama«, wiederholte Astrid die ersten beiden Worte, denn endlich waren alle Anwesenden still, schienen begriffen zu haben, dass es eine Ansprache geben würde, und sie lauschten.

»Ich bin jetzt volljährig und für mein Leben selbst verantwortlich. Du musst und kannst mir nun nicht mehr sagen, was ich tun und lassen soll.« Schalkhaft blickte sie ihre Mutter an. »Ich hoffe, du wirst das auch in den nächsten Wochen und Monaten irgendwie schaffen. Und um dir dabei zu helfen, endlich mal wieder an dein eigenes Leben zu denken, habe ich hier ein paar Kleinigkeiten für dich, die einen Anfang bilden sollen.« Astrid ließ sich, fast ein wenig zu demonstrativ, einen Umschlag von Ferdinand anreichen, öffnete ihn und zog nach und nach Eintrittskarten heraus. »Das sind zwei Karten für ein Konzert in der Konzerthalle von Lüneburg – Brahms, Symphonie Nr. 3 F-Dur op. 90. Eine Sonntagsmatinee, die magst du doch so gern. Und das hier sind zwei Karten für die Oper in Hamburg – Carmina Burana von Carl Orff – und dann habe ich noch zwei Karten für eine Ausstellung in Worpswede.

Gern hätte ich dir auch noch zwei Karten für ›Schwanensee‹ dazugepackt, aber ich weiß, dass du Ballett nicht so magst, obwohl Ferdinand dich sehr gern dorthin begleitet hätte. Und deshalb, vielleicht zur ›Strafe‹, wenn ich das so sagen darf ...« Astrid lächelte ihre Mutter spitzbübisch an. »Eine Karte für einen Schnupperkurs in einem wirklich guten und noblen Fitnessstudio in Nenndorf. Nur für dich allein.«

Julia schüttelte den Kopf und blickte auf die Karten, die sie jetzt in Händen hielt – sie war sprachlos. Die anderen Anwesenden auch. Selbst Gudrun fiel kein abfälliger Kommentar dazu ein. Ferdinand, mit einem leichten Stoß von Astrid aufgefordert, ging dann endlich die zwei Schritte auf Julia zu und nahm die Hand, in der sie die Eintrittskarten hielt.

»Sehr gern begleite ich dich zu all diesen Veranstaltungen. Lediglich dieses Fitnessstudio wollte ich mir ersparen.«

Astrid verzog das Gesicht. Dieser Mann lernt es nie, dachte sie. Warum hatte er diese letzte Äußerung nicht für sich behalten können. Jetzt weiß Mama doch sofort, wie das Ganze gemeint ist.

Sie sollte recht behalten.

»Ich danke dir, meine liebe Tochter. Und ich danke auch dir, mein lieber Ferdinand.

Aber wem ich jeweils die zweite Karte zuteilwerden lasse, darf ich noch selbst entscheiden, oder?«

Astrid nickte und Ferdinand nickte auch, schien es aber nicht zu verstehen – natürlich nicht.

Ferdinand Markgraf von Griesfelden war ein netter Kerl, sah eigentlich gut aus, war schlank und mit vierundvierzig Jahren im besten Alter, doch die braunen Augen wirkten oft etwas ängstlich, fast immer abwehrend und weltfremd, was meist durch die schmal werdenden Lippen noch hervorgehoben wurde. Langsam begriff sogar Astrid, dieses junge Küken, warum er, der Markgraf, vor fünf Jahren von seiner Frau für einen Yogalehrer eingetauscht worden war – mit dem die Exgattin wohl jetzt auf Mallorca lebte. Ob glücklich oder nicht, das wusste niemand. Lediglich den Tausch, Markgraf gegen Yogalehrer, hatten damals alle sensationslüstern zur Kenntnis genommen.

Aber Ferdinand war der Richtige für ihre Mutter, darüber waren sich alle im Klaren, alle, außer vielleicht ihre Mutter selbst und Margitta, die beste Freundin ihrer Mutter, die selbst seit etwa acht Jahren mit einem Chirurgen in ›wilder Ehe‹ lebte. Beide waren ein Mal geschieden und wollten sicher nicht ein weiteres Mal heiraten. Wozu auch? Es schien ihnen gutzugehen, jedenfalls sah Margitta mit ihren fünfundvierzig bestimmt fünfzehn Jahre jünger aus als Gudrun, die gerade einmal zwei Jahre älter war als sie. Leider sah sie auch jünger aus als Astrids Mutter, die demnächst erst einundvierzig werden würde, leider auch deshalb, weil Julia Fürstin von Metten vor dem unerwarteten Tod ihres Mannes immer mindestens sieben, acht Jahre jünger ausgesehen hatte, als sie gewesen war. Immer.

 

»Natürlich, Mama, du entscheidest selbst. Ferdinand wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass es ihn glücklich machen würde, diese schönen Stunden mit dir teilen zu dürfen. Und ins Fitnessstudio geht man doch sowieso eher allein.«

 

*

 

Julia hatte sie längst durchschaut, sah Astrid einen langen Augenblick amüsiert an und schwenkte schließlich den Blick zu Margitta.

»Hättest du nicht auch Lust? Brahms ist toll und Orff auch. Vielleicht hättest du ja sogar Lust, mich ins Fitnessstudio zu begleiten?«

»Julia, wohin du willst. Aber ich denke, heute ist der Geburtstag deiner Tochter ... und nicht irgendeiner ... und den wollen wir jetzt erst einmal gebührend feiern.

Außerdem will ich endlich dieses Auto sehen, Champagner trinken, und ich hoffe, ihr habt auch an ein kaltes Buffet gedacht.«

Alle lachten. Gudrun verzog kurz das Gesicht, unterließ aber eine Bemerkung, denn Margitta war sie nicht gewachsen, das hatte sie schon so manches Mal leidvoll erfahren müssen.

Julia winkte unauffällig nach Norma und Olivia, den beiden Hausangestellten, die augenblicklich den imposanten Wohnraum des Gutshauses durchschritten, Champagnergläser auf zwei Tabletts vor sich hertrugen und dafür sorgten, dass die Gäste das Geburtstagskind hochleben lassen konnten.

Das Buffet, das nebenan im Speisesaal vom Catering-Service aufgebaut wurde, musste tatsächlich noch einen Moment warten, denn nach dem Champagner war nicht nur der neue Mini zu bestaunen, es warteten auch noch die Geschenke der anderen Geburtstagsgäste auf Astrid.

 

Wieder einmal war es Margitta gewesen, die mit ihrer offenherzigen Art eine quälende Situation gerettet hatte.

Sie war Julia tatsächlich eine wirkliche Freundin.

Kapitel 2

 

Wie gebannt saß Niklas Koller vor seinem Laptop und starrte auf die eine E-Mail, die gestern Abend sein Postfach erreicht hatte und die er vor einer Stunde geöffnet hatte – und seitdem wieder und wieder las.

Mit seinem dritten Roman, ›Schwarze Nächte‹, wieder einem Erotikthriller, hatten sich die E-Mails schon gleich nach der Veröffentlichung gehäuft, doch seit dieser Roman Platz achtzehn in der Bestsellerliste erreicht hatte, quoll sein Postfach buchstäblich über. Jetzt, nach drei Wochen, stand der Roman auf Platz neun, und Niklas kam mit dem Lesen der E-Mails kaum noch nach.

Es gab Freude und Kritik, Anerkennung und Neid, offene persönliche Worte und lehrerhafte Maßregelungen für den ›Schmutz‹, den er schrieb, aber keine E-Mail war so distanziert und nah, so offen und nachdenkenswert wie die, von der er einfach nicht loskam.

 

Lieber Edmond Beauville,

auch Ihr drittes Buch habe ich wieder mit großer Freude gelesen. Ich gebe zu, Ihre erotischen Beschreibungen sind anregend, und da ich davon ausgehe, dass Erotik etwas ist, das für Sie auch im Leben dazugehört, möchte ich hier ein paar offene Worte verlieren.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie ein verklemmter Typ sind. Weder schreiben Sie anwidernd voyeuristisch noch sehen Sie auf dem Bild Ihrer Homepage so aus, als würden Ihnen die Frauen nicht reihenweise nachlaufen.

Doch jetzt zu meinen persönlichen und offenen Worten.

Die Beschreibungen der Frauen in Ihren erotischen Szenen entsprechen oft leider nur denen, die nicht älter sind als vielleicht dreißig. Ich denke da an Worte wie ›biegsam‹, ›willig‹ oder ›passiv‹ (selbst wenn sie beim Sex oben sitzen. Entschuldigen Sie bitte meine Deutlichkeit).

 

Ich bin nicht nur zweiundvierzig, sondern habe sicher in der Zwischenzeit auch ein ganz anderes Verständnis von Erotik als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren.

Vielleicht bin ich nicht mehr ganz so biegsam, doch ganz sicher bin ich nur dann willig, wenn ich es selbst möchte, und selbstverständlich sage ich im Bett auch, wie ich es gern hätte. Alles andere wäre Zeit- und Lustverschwendung, denn die Spielarten (wenn ich es mal so bezeichnen darf) sind dort so vielfältig, dass selten ein Mann von allein darauf kommt, von alleine erspüren kann, was mich anturnt. Und noch nie ist es mir passiert, dass es ein Mann schon beim zweiten oder dritten Mal gewusst oder gar danach gefragt hat.

Viele Männer sind so gestrickt, dass sie ihre Befriedigung suchen und am Ende dafür auch noch eine Note erwarten, am besten zwischen neun und zehn, wobei zehn das Maximum darstellt (vielleicht sind Sie da ja eine Ausnahme).

Doch in meinem Bett gibt es keine Noten – vielleicht ein Vorteil des Alters, ein Vorteil der Erfahrung.

Ich bin seit zehn Jahren nicht mehr verheiratet (das soll jetzt hier auch kein Antrag werden) und habe in den letzten Jahren festgestellt, dass Männer oft Probleme mit einer Frau haben, die im Bett weiß, was sie will. Doch die Männer, die (meiner Meinung nach) selbstbewusst genug sind und mit einer solchen Frau umgehen können, sind erfüllende Partner, nicht nur im Bett.

Übrigens, einen solchen Partner habe ich seit einem halben Jahr, also machen Sie sich keine Hoffnungen ...

 

Ich weiß aus Ihrer Biografie, dass Sie erst 25 Jahre alt sind. An manchen Tagen ist das für mich sehr beneidenswert, aber an vielen eben auch nicht, denn ich bin gern so alt, wie ich bin, und suche auch keinen jüngeren Partner.

Aber bereits Ihre ersten drei Bücher haben mir gezeigt, dass Sie heute, in diesem jungen Alter, schon ein begnadeter Schriftsteller sind, und deshalb möchte ich jetzt auch meine nachfolgende Anregung (es ist wirklich nur eine Anregung, nicht einmal ein Vorschlag) loswerden:

Vielleicht könnten Sie ja einmal eine Frau ›erschaffen‹, die ... wie soll ich es sagen ... vielleicht am besten so: eine Frau, die ein ›Weib‹ im positiven Sinne ist, die also weiß, was sie will, und auch weiß, dass all ihre Wünsche und Fantasien nur mit einem wirklichen Mann (einem wirklichen ›Kerl‹) auslebbar sind, eine Frau, die also nicht nur biegsam, willig und passiv ist. Wodurch und womit am Ende BEIDE unendlich viel Spaß im Bett (und wo sonst auch immer) haben könnten und sicher auch haben werden.

Sie muss ja nicht zweiundvierzig sein, sie kann auch fünfundzwanzig sein, doch vielleicht ist sie ja auch fünfunddreißig oder vierzig, und er ist etwas jünger als sie.

In Ihren bisherigen Büchern wird an vielen Stellen deutlich, dass Sie wissen, wie Frauen denken und fühlen. Eine Gabe, die bei Männern nicht häufig vorkommt (ganz schön viel Honig um den Bart geschmiert, oder?)

Also, lassen Sie eine solch selbstbewusste Frau doch ganz einfach mal zu Wort kommen. Ihre Leserinnen würden so etwas bestimmt auch gern lesen, davon bin ich überzeugt, denn ich bin da ganz sicher nicht die Ausnahme.

Auch wenn Sie diese Anregung nicht aufgreifen sollten (aber vielleicht haben Sie eine solche Frau ja schon erschaffen, ich meine, in Ihrem nächsten Roman), wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg.

 

Natürlich werden Sie in mir auch weiterhin eine treue Leserin finden.

Ihre Lu

(Mein Pseudonym für diese E-Mail)

 

Niklas starrte immer wieder auf diese Zeilen, überflog sie, verharrte an der einen oder anderen Stelle, denn etwas irritierte ihn, etwas, das er nicht begreifen konnte und wollte, etwas, das zwischen den Zeilen stand und auch mit seinem Leben zu tun hatte – doch was war es?

Niklas las die Mail noch einmal und ... endlich fand er die Stelle:

Doch die Männer, die (meiner Meinung nach) selbstbewusst genug sind und mit einer solchen Frau umgehen können, sind erfüllende Partner, nicht nur im Bett.

Übrigens, einen solchen Partner habe ich seit einem halben Jahr, also machen Sie sich keine Hoffnungen ...

Niklas machte sich keine Hoffnungen, ganz sicher nicht, Lu war zweiundvierzig, und seine Freundinnen waren zwischen zwanzig und fünfundzwanzig. Doch etwas anderes war ihm aufgefallen, etwas, das mit seinen Büchern im Grunde nichts zu tun hatte. Nur mit ihm.

Aber noch wagte Niklas sich nicht an diese Frage heran, blickte nur ein wenig abschätzig auf den Bildschirm.

»Und wo ist bei dir die Liebe?«, sprach er laut aus – irgendwie rechtfertigend, verteidigend. »Ich schreibe Erotikthriller, keine Liebesromane. Oder sieht bei dir die Liebe so aus, Lu? Besteht sie nur aus Erotik? Nicht biegsam sein, nicht willig sein, nicht passiv sein. Ist das schon alles, was bei dir die Liebe ausmacht?«

Niklas wartete. Nichts geschah – nicht äußerlich. Doch seine Gedanken hatten sich gesammelt. Und schließlich stieß er die entscheidende Frage fast brüllend hervor:

»Ein erfüllender Partner, nicht nur im Bett, was heißt das, Lu? Was heißt das?«

Wieder wartete er. Doch er bekam keine Antwort – er fand keine Antwort. Nur Stille umgab ihn.

Durch das geschlossene Fenster drängte die nachmittägliche Sonne herein, kroch langsam durch sein Arbeitszimmer über den Schreibtisch, schob sich als eine unaufdringliche Wärme an ihn heran, strich über ihn hinweg – ohne ihn wirklich zu erreichen.

Niklas fuhr gedankenversunken den Laptop herunter, lehnte sich zurück und hatte plötzlich nur noch eine einzige Frage im Kopf, eine Frage, der er schon immer aus dem Weg gegangen war, mit aller Deutlichkeit, mit aller Entschiedenheit – eine Frage, die seit Jahren verdeckt in all den vielen Seiten seiner Romane schlummerte: Wie sieht die Liebe bei dir aus, Niklas, bist du ein erfüllender Partner?

Niklas dachte einen Augenblick an Hanka, mit der er seit fünf Wochen ab und an das Bett teilte.

Und was teilst du sonst noch mit ihr?, fragte er sich und überlegte. Zu lange. Sie unternahmen eigentlich nichts zusammen. Ein- oder zweimal in der Woche war sie bei ihm und blieb dann über Nacht. Oft nicht einmal zum Frühstück.

War das Liebe?

Niklas wollte keine Antwort, denn er kannte sie. Und einen Atemzug lang bedrängte ihn ein anderer Gedanke: Was war mit den fünf, sechs Frauen, die es vorher in deinem Leben gegeben hatte? Hast du eine davon je wirklich geliebt? Als erfüllender Partner? Was war mit Britta, deiner ersten Freundin?

Hilflos zuckte Niklas die Achseln und schüttelte den Kopf, denn er wusste es nicht. Er wollte auch nicht wirklich an Britta erinnert werden.

Niklas wollte sich nicht an Britta erinnern müssen.

 

Als der Laptop endlich stumm war, als der Bildschirm endlich grauschwarz schlummerte, als die E-Mail von Lu nur noch ein elektronischer Impuls war, der keine Wirklichkeit mehr besaß, sprang Niklas auf und wollte nur weg, weg von diesen Fragen, weg von diesen Gedanken an Liebe und erfüllende Partnerschaft.

Hastig verließ er sein Arbeitszimmer, packte die Sporttasche und saß auch schon in seinem schwarzen Golf.

Sport ist jetzt genau das Richtige, sagte er sich, ein Work-out, das die Gedanken neu sortiert, das mich neu sortiert.

Niklas startete den Wagen und fuhr los. Ins Fitnessstudio.

 

Kapitel 3

 

Margitta wollte dann doch nicht mitgehen, und Astrid ließ einfach keine Ruhe, also war heute, Mittwoch, der Tag, an dem Julia endlich den Gutschein für das Fitnessstudio einlösen würde.

---ENDE DER LESEPROBE---