SeelenFee - Buch Vier - Axel Adamitzki - E-Book

SeelenFee - Buch Vier E-Book

Axel Adamitzki

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Beschreibung

Silvana Larbang, eine junge Frau unserer Zeit, ist erfüllt mit übersinnlichen Fähigkeiten, die es ihr ermöglichen, lebende und auch verstorbene Seelen zu helfen, zu retten und letztlich sogar zu erlösen. Mühsam, Schritt für Schritt, betritt sie ihren wahren, tief in ihr ruhenden, Lebensweg, der voller Träume, Selbstzweifel und Überraschungen ist. Neben Silvanas feinfühligem Wesen und ihrer Wahrhaftigkeit sind es surreale Träume - die sie nun so intensiv erlebt wie seit ihrer Kindheit nicht mehr -, die ihr erst verschwommen, doch dann klar und beinahe greifbar ihren Weg mehr und mehr aufzeigen. Ohne es zu wissen, schöpft sie auf diesem beschwerlichen Weg zusätzlich Kraft aus der Erfüllung eines Versprechens, das sie ihrer verstorbenen Freundin Melissa in einem Traum gegeben hat. Voller Hingabe kümmert sie sich um die kleine Rosa, Melissas Tochter. Und manchmal sieht es so aus, als würde sich das Baby auch um sie kümmern. Eine Liebe, die nicht sein darf, verwirrt sie zusätzlich, hilft ihr letztlich, wie nur wahrhaftige Liebe es vermag, wenn man sie zulässt, ihren Weg zu finden. All das ereignet sich vor dem Hintergrund eines bürgerlichen Lebens, dem Silvana und Melissa entstammen, und einer Welt des egoistisch blasierten Adels, in die Silvanas verstorbene Freundin aus Liebe eingeheiratet hatte.

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Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum.
Hinweis
Beschreibung
Impressum
Was bisher geschah …
41 – Am liebsten würde sie …
42 – Nachdenklich, achtsam und …
43 – Elektra hielt es nicht …
44 – Glücklich war …
45 – Als Silvana nach einer …
46 – Nach dem opulenten …
47 – Bedächtig schwebte der …
48 – Etwa eine Stunde später …
49 – Es war Freitagmittag und …
50 – Rufe durchdringen meinen …
51 – Leise, Rosa auf dem Arm, …
52 – Seit einer halben Stunde …
53 – Bella war nicht …
54 – Minuten später …
55 – Erst als sie ausstieg, …
56 – Über die herzliche Begrüßung …

SeelenFee - Buch Vier

 

Roman

 

 

 

Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum.

(Rainer Maria Rilke)

 

Hinweis

 

Dieser Roman war bis Ende April 2021 ausschließlich bei Amazon unter dem Titel »Geliebte Seelenfee - Buch Drei – Die Wirrnisse der Liebe« gelistet. Unter dem neuen Titel »Seelenfee – Buch Drei« ist der Roman jetzt allerorts als eBook erhältlich. Am Inhalt gab es gegenüber dem ursprünglichen Werk keine Veränderungen.

 

Die Rechte an dem Werk liegen beim Autor. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors. Das nachfolgende Werk ist frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt, auch stimmen Orte und ihre Beschreibungen nicht mit der Wirklichkeit überein. Markennamen sowie Warenzeichen, die im vorliegenden Werk Verwendung finden, sind Eigentum ihres rechtmäßigen Eigentümers.

Alles ist nur Fiktion, und doch – emotional und abstrakt betrachtet – wäre alles genau so möglich.

 

 

Beschreibung

 

Silvana Larbang, eine junge Frau unserer Zeit, ist erfüllt mit übersinnlichen Fähigkeiten, die es ihr ermöglichen, lebende und auch verstorbene Seelen zu helfen, zu retten und letztlich sogar zu erlösen. Doch noch ist sie sich dieser unvergleichlichen und verantwortungsvollen Veranlagungen nicht bewusst. Erst der schreckliche und viel zu frühe Tod ihrer besten Freundin Melissa lässt all das langsam erwachen. Mühsam, Schritt für Schritt, betritt sie sodann ihren wahren, tief in ihr ruhenden, Lebensweg, der voller Träume, Selbstzweifel und Überraschungen ist.

Neben Silvanas feinfühligem Wesen und ihrer Wahrhaftigkeit sind es surreale Träume - die sie nun so intensiv erlebt wie seit ihrer Kindheit nicht mehr -, die ihr erst verschwommen, doch dann klar und beinahe greifbar ihren Weg mehr und mehr aufzeigen.

Ohne es zu wissen, schöpft sie auf diesem beschwerlichen Weg zusätzlich Kraft aus der Erfüllung eines Versprechens, das sie ihrer verstorbenen Freundin Melissa in einem Traum gegeben hat. Voller Hingabe kümmert sie sich um die kleine Rosa, Melissas Tochter. Und manchmal sieht es so aus, als würde sich das Baby auch um sie kümmern.

Eine Liebe, die nicht sein darf, verwirrt sie zusätzlich, hilft ihr letztlich, wie nur wahrhaftige Liebe es vermag, wenn man sie zulässt, ihren Weg zu finden.

All das ereignet sich vor dem Hintergrund eines bürgerlichen Lebens, dem Silvana und Melissa entstammen, und einer Welt des egoistisch blasierten Adels, in die Silvanas verstorbene Freundin aus Liebe eingeheiratet hatte.

Buch 4 von 4

ca. 250 Normseiten

 

 

Impressum

 

Axel Adamitzki

Scheiblerstraße 81

47800 Krefeld

[email protected]

 

Schlusslektorat: Bianca Weirauch, Weida

Bildnachweis:

www.depositphotos.com

www.123rf.com

 

 

 

Was bisher geschah …

 

… Silvana Larbang kümmerte sich nach wie vor liebevoll um Rosa-Marietta, das neugeborene Baby ihrer verstorbenen Freundin Melissa. Auch sorgte sie auf wundersame Weise dafür, dass Rosa schnell wieder gesund wurde. Sie spürte, dass sie sich in Raymond verliebt hatte – und das durfte nicht sein. Deshalb versuchte sie, ihm aus dem Weg zu gehen.

In einem Gespräch mit Georg, dem Lebensgefährten ihrer Mutter, glaubte Silvana zu erkennen, wie die Anfänge ihres wirklichen Lebens aussehen könnten. Als sie dann endlich von ihrem möglichen Leben träumte und erkannte, dass es sicher nicht an Raymonds Seite im Landhaus sein würde, kam unausweichlich der Moment, in dem sie Raymond all das offenbarte.

Nachdem alles gesagt war, ihre Lebenswege kaum noch Gemeinsamkeiten zu haben schienen, sie aber dennoch viel füreinander empfanden – tiefe Gefühle, die sie verbanden, nicht trennten –, begannen sie spontan und schier unüberlegt eine »heimliche Liebe«. Diese Liebe, sicher ohne Zukunft, lebten sie wie zwei Teenager.

Schließlich tauchte Elektra wieder auf, die sich bei Raymond entschuldigen wollte. Raymond legte keinen Wert darauf. Silvana spürte, dass sie diese Frau gern treffen wollte, vielleicht sogar treffen musste. Da war etwas, von Frau zu Frau. Oder gar mehr.

 

41 – Am liebsten würde sie …

 

… nach New York oder besser noch nach Miami fliegen und sich selbst ansehen, was da los war.

Aber sie durfte nicht. Im Grunde wusste sie auch, dass es falsch wäre, dort unangemeldet in Erscheinung zu treten.

Bella ist erwachsen, eine Frau, nein, sie ist viel mehr, sie ist meine Geliebte, meine geliebte Bella. Warum versteht sie das nicht? Warum muss sie mir erneut wehtun?

Ohne Frage, sie hat ihr eigenes Leben. Ich will es ihr ja auch nicht nehmen, dachte Elektra. Sie wusste es, doch fiel es ihr schwer, das zu akzeptieren.

Und wenn sie als Schauspielerin wirklich so gut war, dass man ihr in Miami eine erste kleine Rolle anbot, dann sollte sie sich doch für ihre geliebte Bella freuen, oder?

Elektra freute sich ja auch, äußerlich, aber innerlich?, nein, innerlich freute sie sich nicht.

In ihr brodelte es. Seit Donnerstag, seit Bella ihr beim letzten Skypen von dieser kleinen Rolle erzählt hatte, seit Elektra wusste, dass sie wohl zwei weitere Wochen auf ihre Geliebte würde verzichten und warten müssen … seitdem brodelte es. Und immer wieder brach es aus ihr heraus. Maria hatte am meisten abbekommen und hatte sich am Ende gekränkt, dennoch mit viel Beherrschtheit zurückgezogen.

Entschlossen war Elektra dann nach Konstanz geflüchtet – bevor noch mehr »Scherben zusammengekehrt werden müssten«.

Bella hatte sie am Donnerstag noch einmal darum gebeten, es nicht zu tun. »Bitte, bitte, Leeki, fahr nicht nach Konstanz«, hatte sie gebettelt … doch vielleicht wollte und musste Elektra es genau deshalb tun.

Als sich Bella an diesem Donnerstag gemeldet hatte, hatte Elektra gehofft, sie würde ihr sagen, dass sie unterwegs zu ihr war, dass sie endlich in acht, neun Stunden wieder bei ihr sein würde, doch dann das … Miami!

Wenn für dich Miami so wichtig, so lebenswichtig ist, dann kannst du ja wohl auch verstehen, was Konstanz mir bedeutet. Ich muss da hin. Das hatte sie ihr nicht gesagt, hatte sie glücklicherweise nur gedacht. Sicherlich hätten diese Worte sehr viel zerbrochen.

Ohnmächtig vor Wut lief Elektra durch die Suite des Excelsiors hier in Konstanz.

Ray meldete sich auch nicht. War er nach ihrer ersten E-Mail etwa wieder geflüchtet? Sie lachte grell. Was für ein Schisser. Nein, von diesem armseligen Kerl wollte sie bestimmt kein Kind. Nicht mehr. Und genau das würde sie ihm jetzt gern ins Gesicht schleudern. Gut, dann morgen. Und dann werde ich hier für immer verschwinden. Zeit genug hatte sie mit ihm vergeudet. Wertvolle Zeit.

Sie stand am Fenster und sah blicklos hinaus.

»Du bist doch kein Mann, du bist eine Memme!«, stieß sie empört aus. Die Worte hallten durch den Raum, erschütterten beinahe alles, was sich ihnen entgegenstellte. Dennoch gab ihr auch das keine Genugtuung. Sie wollte … sie musste … Porzellan? Oh nein, es musste mehr sein, viel mehr. Das Herz zerriss ihr, da waren die wenigen Scherben einer Tasse, eines Tellers oder einer Vase nicht genug.

Das Hoteltelefon klingelte. Streitsüchtig lief sie hinüber zu einem kleinen Beistelltisch und riss das schnurlose Telefon aus der Ladestation.

»Was ist?«, schrie Elektra Gräfin von Memmingstetten in den Hörer. Die Kontenance ihres Standes war ihr im Moment … scheißegal. Das, was in ihr brodelte, wollte nur endlich heraus. Ungezügelt. Und kränkend.

»Entschuldigen Sie, gnädige Frau …« Die Empfangsdame des Hotels zuckte beinahe sichtbar zurück, brach kurz ab und atmete tief ein, Elektra hörte es deutlich.

»Was? Was soll ich entschuldigen? Dass Sie unfähig sind, einen vollständigen Satz zu formulieren? Da gibt es kaum etwas zu entschuldigen! Also, was wollen Sie? Mir mit ihrem Gestotter meine Zeit stehlen? Oder was?«

Was für eine Beschimpfung. Doch selbst diese schändliche Demütigung brachte kaum für mehr als ein paar Sekunden eine Art Befreiung.

Erst als sie vernahm, wer da unten stand und mit ihr sprechen wollte, spürte sie, wie all ihr Hass und ihre Wut endlich ein billiges, nein, ein geeignetes, besser noch, das einzig passende Opfer, das hier in Konstanz neben Raymond möglich war, gefunden hatte.

»Eine Frau Larbang möchte Sie sprechen, Frau Gräfin«, hatte die Empfangsdame sehr leise in einem ruhigen professionellen Ton schließlich von sich gegeben, wobei die Worte dann doch ein wenig zitterten.

»Silvana Larbang?«, fragte Elektra nach, augenblicklich ruhig geworden. Der Gleichmut ihrer Stimme, ihrer Frage glich der einer lauernden Wildkatze.

»Ja, Frau Gräfin. Frau Silvana Larbang möchte Sie gern sprechen«, sagte die Empfangsdame, nachdem sie sich hinsichtlich des Vornamens vergewissert hatte.

»Ich lasse bitten.«

Oh ja, Silvana kam ihr gerade recht. Keine andere Frau, kein anderer Mensch kam ihr jetzt so recht. Silvana Larbang war ihrer Bella Eva Broderson, abgesehen von Bellas bräunlichem Teint, äußerlich außerordentlich ähnlich, erinnerte sich Elektra. Und sicher hatte diese Silvana auch eine billige Erklärung dieser Memme im Gepäck. Und noch etwas entzückte Elektra Gräfin von Memmingstetten: Diese Frau war ihr damals schon, vor Wochen, nicht im Geringsten gewachsen gewesen – ein Opferlamm.

Dass damals schon von dieser Frau, von Silvana Larbang, etwas Merkwürdiges ausgegangen war, etwas, das für einen kurzen Moment einen Zweifel in ihr geweckt hatte, daran wollte sich Elektra jetzt nicht erinnern.

 

Nachdem Silvana endlich vor ihr stand, sie freundlich begrüßt hatte und sie nun beinahe etwas unbedarft ansah, öffnete Elektras Ego sogleich alle Schleusen ihres Schattenseins. Wie auf Befehl. Und das war so … so anregend, oh ja, das war es, anregend und unsagbar befreiend. Doch langsam, meine liebe Leeki, ganz langsam, der Genuss liegt im Blick und auf der Zunge.

»Was kann ich für dich tun, Silvia?«

Silvia! Wieder, wie schon bei ihrer ersten Begegnung, schien Silvana die stichelnden Bösartigkeiten der Person vor ihr deutlich zu spüren. Doch diesmal zuckte sie nicht, ließ sich nicht irritieren. Sie stand nur da und sah Elektra noch immer freundlich an.

Elektras Ego duckte sich kurz weg ob dieser unverhofften Reaktion, trat aber beinahe noch größer wieder vor Silvana.

»Nun sag schon, was willst du? Hat dich Raymond, hat dich der Landgraf geschickt? Ist er wieder geflohen?« Elektra lachte. Höhnisch.

»Ray weiß nicht, dass ich hier bin. Er kann es sich aber vielleicht denken. Er hat mir Ihre letzte SMS gezeigt.«

Ray? Hat sie wirklich Ray gesagt? Und hatte sie tatsächlich diese SMS gelesen? Erstaunt sah Elektra Silvana an.

»Seit wann sagst du Ray zum Landgrafen? Fickt er dich endlich und erlaubt dir dafür, ihn zu duzen?«

Oh, was für vortrefflich boshafte Worte. Sie taten gut und sie beschrieben genau, was sie von dieser Liaison hielt … sollte es eine solche geben. Falls nicht, na mein Gott, die Worte würden sie schon nicht umbringen.

Doch die Worte trafen Silvana nicht so, wie Elektra es sich erhofft hatte. Im Gegenteil: Diese junge Frau vor ihr lächelte verhalten, und in diesem Lächeln lag nun beinahe so etwas wie aufrichtiges Mitgefühl. Am Ende sogar Mitleid?

Das missfiel Elektra, es missfiel ihr sogar sehr, und unverhofft durchzog sie mehr als ein Hauch Unsicherheit.

Oh nein, das durfte nicht sein.

Sie richtete sich auf. Zumindest versuchte sie es. Ich bin stark, für diese Frau hier vor mir zu stark, redete sie sich ein. Dennoch schien es, als verlor ihr Ego an Kraft. Noch einmal versuchte sie, das zu ignorieren.

»Bist du hergekommen, um mich stumm anzusehen?«

Silvana blickte ihr bedacht in die Augen. »Ich bin gekommen, um mit Ihnen zu sprechen, Frau Gräfin. Von Frau zu Frau«, sagte sie schließlich mit ruhiger Stimme.

Wie lächerlich und einfältig diese Person doch war. Von Frau zu Frau? Für wen hält sie sich?

Und wieder lachte Elektra hämisch.

»Was hätten wir beide wohl zu sprechen … von Frau zu Frau?«, sagte sie, doch der Klang ihrer Stimme, sie hörte es selbst, entsprach nicht mehr dem, was ihre Worte ausdrücken sollten. Diese Frau vor ihr schien nicht eingeschüchtert, sie wirkte stark, sehr stark. Auch ging mehr und mehr eine Strahlkraft von ihr aus, die eine beinahe unheimliche Besonnenheit erkennbar werden ließ, die unvermittelt in Elektra eindrang und etwas in ihr weckte. All das schien nicht von dieser Welt zu sein.

Aber … was war das?

»Sie haben recht. Offensichtlich habe ich mich geirrt«, sagte Silvana und holte Elektra mit ihren Worten zurück in die Wirklichkeit der Hotelsuite. Sichtlich enttäuscht – nichts hielt sie an äußerlichen Regungen zurück –, dennoch mit fester Stimme, fuhr sie fort: »Vielleicht halten Sie mich für töricht, am Ende bin ich es wohl auch …« Silvana lachte … über sich. »Dennoch möchte ich Ihnen noch etwas sagen: Ich hatte geglaubt, dass es da etwas gibt. Zwischen uns. Dass ich Ihnen irgendwie eine Hilfe sein könnte. Von Frau zu Frau. Ich weiß, das klingt lächerlich, ich klinge lächerlich, dennoch wollte ich, dass Sie das wissen. Aber jetzt bin ich mir sicher: Ich habe mich geirrt. Entschuldigen Sie, dass ich Sie belästigt habe.«

Silvana drehte sich um und ging zur Tür.

Elektra war sprachlos und beeindruckt. Auch wenn die Worte dieser Frau vor ihr tatsächlich einfältig, vielleicht sogar unterwürfig klangen, so war ihre Erscheinung das keineswegs. Und noch etwas spürte Elektra sehr deutlich: Diese Frau war durch und durch ehrlich.

Wirkte wahre Ehrlichkeit nicht oft genug arglos?

Dass ich Ihnen eine Hilfe sein könnte. Von Frau zu Frau … Glaubte diese junge Frau das wirklich?, fragte sich Elektra nun sehr ernst geworden. Nein, sie glaubte es nicht nur, sie schien es zu wissen.

Von Frau zu Frau hatte sich auch in ihr, in Elektra, in einem sehr ähnlichen Traum, wie er über Silvana in der letzten Nacht gekommen war, in der Seele festgesetzt – doch auch sie konnte sich nicht an diesen Traum erinnern. Aber da erwachte etwas in ihr.

Und plötzlich, als das boshafte Ego für einen Moment kleiner wurde und sich verunsichert neben Elektra stellte, als die andere Elektra, die verlassene, die verletzte, die weinende, die verzweifelte, mehr und mehr in Erscheinung trat, als ihre Seele sichtbar wurde, geschah es: Sie begriff, was sie verlieren würde, wenn diese Frau ihre Suite hier verlassen würde. Etwas würde zerbrechen, etwas würde sie unwiederbringlich verlassen, ihrer Seele auf ewig entrissen sein – sie, Elektra, sie selbst würde sich verlieren. Und der andere Teil ihres Selbst, ihr Schatten, ihre niederträchtige Wesensart, die jetzt ahnungslos tat, schien nur darauf zu warten.

Doch das durfte nicht sein, nein, denn ohne zu wissen warum, schien es ihr, als würde sie damit auch Bella, ihre Bella verlieren.

Und flüsternd erhob sich eine Stimme in ihr:

Sie ist gekommen, um mit dir zu sprechen, um dir zuzuhören. Und was tust du?

Wobei zuhören?, wehrte sich Elektra gegen diese Stimme.

Bei allem.

Bei allem? Aber ich kann sie doch nicht … Ich kenne sie doch gar nicht.

Doch, das tust du.

Sekundenschnell öffneten sich in Elektra Bilder aus der Tiefe ihrer Erinnerungen. Das erste Treffen: Silvia hatte sie sie unverschämterweise genannt, obwohl ihr der richtige Name bekannt war; und dann in der Hotellobby: Dort hatte sie sie mit überheblicher Verachtung gestraft, obwohl sie an Silvanas Stelle das Gleiche getan hätte: Raymond informieren, über das Erscheinen einer ehemaligen Liebe, die versuchte, alles durcheinanderzubringen; und schließlich das Durcheinander in Silvanas Wohnung: Sie hatte es veranlasst, aus Hass und vielleicht sogar aus Angst; und vor Augenblicken noch diese verabscheuungswürdigen Worte. All diese Bilder vernahm sie blitzartig. Doch sie wehrte sich:

Nein, das war nicht ich, das war …

Nicht du? Wer dann? Wer war es? Sag!

Ich weiß es nicht.

Doch, du weißt es. Sag es. Sag es nicht mir, sag es dir. Ganz laut.

Nein!

Ganz leise?

Nein!

Du hast Angst.

Ja, ich habe Angst.

Dann lass dir helfen.

Von wem? Etwa von ihr?

Ja, von ihr.

Aber ich kann doch nicht … Und wobei und wie überhaupt?

Erzähl ihr alles. Alles! Lass deine Seele wieder atmen.

Nein. Sie wird nicht zuhören. Kein Mensch will all das hören. Warum sie?

Sie ist hier, von Frau zu Frau, nein, mehr noch, von Seele zu Seele. Spürst du es denn nicht?

Das kann nicht sein.

Überleg nicht mehr lang. Es sind nur noch drei Schritte bis zur Tür. Dann ist sie weg.

Aber alles, ihr alles erzählen, wie soll das gehen?

Fang einfach an. Deine Seele wartet. Schon lange. Öffne dich, öffne alle Schleusen, tue es auch für Bella.

Alle Schleusen?

Ja, alle. Und nun mach schon. Was hast du zu verlieren? Nichts. Und glaube mir, tust du es nicht, wirst du tot sein. Für immer. Auch wenn du noch jahrelang atmen wirst, wirst du tot sein, denn der Zugang zu deiner Seele wird sich für immer schließen. Nichts und niemand kann dann noch hinein oder heraus. Tue es jetzt, sage ihr alles. Sprich alles endlich einmal aus … laut. Sage dir alles! Dir! Mach den Weg zu deiner Seele endlich wieder frei. Nicht nur Bella wird dich dafür lieben, du selbst wirst es auch.

Dieser Kampf in ihr tobte kaum mehr als zwei Sekunden.

Es war einer jener seltenen Momente im Leben, der einem vom Schicksal geschenkt wird, in dem das Dasein eine neue Wendung bekommen könnte. Es fühlt sich an wie ein kleiner runder Durchlass, der sich öffnet … für Sekunden. Und man muss springen, ins Unbekannte, ins Leere, mit allen Konsequenzen. Tut man es nicht, bereut man es ein Leben lang.

Und was tat Elektra?

Sie sprang, oh ja, sie sprang.

»Bitte, warten Sie, Silvana«, sagte sie mit drängend verzweifelter Stimme, jetzt zwei Schritte hinter der Frau, von der sie nun glaubte zu wissen, dass sie so etwas wie ihr Schicksal sein könnte, mehr noch, offensichtlich ihr Schicksal war. »Bitte, warten Sie, Silvana. Es … es tut mir leid«, sagte sie, sehr kleinlaut geworden. In ihrer Stimme lag, neben dem Schauder vor dem Unbekannten, angsterfüllte Verzweiflung.

 

*

 

Bei all den Beschimpfungen, die diese Elektra über sie gegossen hatte, dachte Silvana immer nur an Rosa, an den Traum am Deich, an den roten Fleck auf dem weißen Sommerkleid, an das, was Rosa dieser Frau angetan hatte … weil sie ihrem Vater helfen musste.

Sie hatte hier und heute auf eine Geste gehofft. Ihre Worte waren ehrlich gewesen. Silvana hatte sich beinahe vor sich selbst gedemütigt. Doch ohne Erfolg, wie es schien – leider.

Dennoch fühlte sie sich gut. Sie hatte es versucht, sie war einer inneren Stimme gefolgt, die wohl auf ein Wunder gehofft hatte – vergebens. Von Frau zu Frau … offensichtlich hatte sie da etwas missverstanden.

Doch in dem Moment, als sie die Tür zum Gang öffnen wollte, als es schien, als gäbe es tatsächlich nichts zwischen ihnen, hörte sie: »Bitte, warten Sie, Silvana. Es … es tut mir leid«, und sie stockte.

Stumm stand Elektra Gräfin von Memmingstetten nun vor Silvana. Sie hatte sich verändert. Sekundenschnell.

Ihre schwarzen Augen, eben noch hasserfüllt und grün schimmernd, sahen sie, nein, bettelten Silvana verzweifelt und ängstlich an. Die Hände zuckten, schienen nach ihr greifen, sie berühren zu wollen, schrien plötzlich wie alles an dieser Frau nach ihrer, nach Silvanas Hilfe.

Die Wut und Feindseligkeiten waren verebbt, waren einer tiefen Angst gewichen. All das vernahm Silvana in den flehenden Gesten, die es da plötzlich gab.

War so etwas möglich? Eine solche Veränderung?

Offensichtlich schon.

»Von Frau zu Frau?«, murmelte Elektra.

Silvana nickte, obwohl sie jetzt noch viel weniger wusste, was das bedeutete.

Einen sehr langen Moment standen sich die beiden Frauen dann gegenüber. Etwas passierte zwischen ihnen. Nicht sichtbar … aber vielleicht ja doch. Obwohl … Gefühle an sich sind nicht sichtbar. Ihre Folgen, ihre Wirkungen – ein angsterfülltes Lächeln, ein vorsichtiger Blick in die Seele des anderen und schließlich in die eigene – können nach und nach sichtbar werden.

Und sie wurden es.

 

42 – Nachdenklich, achtsam und …

 

… verhalten setzte sich Elektra auf die große Couch im Wohnbereich der Suite. Mit ängstlich aufgerissenen Augen fixierte ihr Blick einen Punkt am Boden und verlor sich sogleich spürbar und tief in ihren Gedanken und Erinnerungen. Bald schon war sie bei sich. Silvanas Anwesenheit vernahm sie wohl kaum noch, doch fraglos fühlte sie die Nähe der anderen Frau.

Und dann kam es zu einer Offenbarung, die es im wirklichen Leben nur sehr selten gibt – in Träumen und Gedanken schon viel öfter, doch wurden diese Bilder nur selten in Worte gefasst. Auch würde jeder normale Mensch eine solche Offenbarung schlichtweg für unglaubwürdig halten. Aber was war an Silvana schon normal. Und sind es nicht oft erst die sonderbar scheinenden Dinge, Worte oder Gedanken, die wirkliche Veränderungen verursachen?

»Bella …«, begann Elektra kaum hörbar. »Ich lebe mit einer Frau zusammen. Obwohl … tue ich das überhaupt?

Ist es nicht eher der Wunsch danach?« Fragen, die sie sich selbst stellte und die sie sich mit einem ahnungslosen Schulterzucken beantwortete.

Silvana spürte deutlich, dass hier etwas von großer Bedeutung seinen Anfang nahm. Und sie wagte nicht, sich zu bewegen – zu empfindlich war der Moment.

Und sie wartete. Stumm und reglos.

Anfänglich sehr zaghaft fuhr Elektra schließlich fort: »Man kann das mit Bella nicht verstehen, wenn man nicht …« Sie brach ab und nickte schließlich ihren Gedanken zustimmend zu. »Ja, ich muss viel früher beginnen.« Und einen langen Moment kramte sie dann stumm ein weiteres Stück tiefer in ihren Erinnerungen, räusperte sich und begann zu erzählen. Von der Trennung von Raymond. Sie wusste damals nicht, warum sie die vollzogen hatte, vollziehen musste. »Alles stimmte zwischen uns, alles war unsagbar harmonisch. Und doch musste ich weg. Der Heiratsantrag … das war zu viel gewesen.

Aber ich wusste damals schon, dass Raymond das nicht verdient hatte«, sagte sie in einem Ton, der auch heute noch den Schmerz deutlich werden ließ, den sie damals wohl genau so empfunden und den sie durch ihre panikartige Flucht zusätzlich auch über ihren beinahe Verlobten gebracht hatte.

»Aber ich wusste damals noch nicht, was mir Frauen bedeuten. Wobei … In meinem Leben hat es bislang erst eine Frau gegeben. Doch die ist es und keine andere … meine Bella.« Ein verzagtes Lächeln umspielte ihr kurz den Mund, verschwand aber wieder hinter Erinnerungen, die voller Mühsal schienen.

»Doch vorher … Nach der Trennung von Raymond tobte ich mich erst einmal aus«, fuhr sie entrückt fort, »weil ich glaubte, dass es das war, was mich von ihm fortgejagt hatte. Mein schlechtes Gewissen trieb mich jahrelang um die Welt, von Event zu Event, von Einladung zu Einladung, von Ball zu Ball.

Und hier und da gab es auch immer wieder irgendeinen Kerl. Nie etwas Festes. Und immer war es einer dieser selbstverliebten Zyniker, die nur nehmen, rücksichtslos. Und … so schlimm es jetzt auch klingen mag, aber je rücksichtsloser sie waren, je weniger ich ihnen bedeutete, desto größer war der Kick, ja … der Kick. Gefühle waren nie im Spiel. Auch für mich nicht …« Elektra brach kurz ab und schien erneut ein paar Gedanken zu ordnen.

Was für eine traurige Seele, dachte Silvana und hätte fast geheult. Rasch nutzte sie die Stille, huschte drei Schritte zu einem Sessel, der außerhalb von Elektras Blickfeld stand, und setzte sich. Sie wollte die Gedanken der anderen Frau nicht unterbrechen, auch wollte sie nicht, dass Elektra ihr in die tränenverhangenen Augen sah.

Langsam, den Blick wieder starr nach innen gerichtet, fuhr Elektra dann fort: »All das änderte sich schlagartig, als ich von Raymonds Heirat erfuhr.

Dass der Adel im Gutshaus versammelt war und ich nicht dabei war, konnte ich verschmerzen, verstand ich sogar, dass Ray aber eine Bürgerliche geheiratet hatte, traf mich mitten ins Herz.«

Erschrocken wendete sie den Kopf und sah Silvana aufgeregt an. »Nein, bitte, Silvana, verstehen Sie mich nicht falsch, nicht die Tatsache, dass seine Frau … Ihre Freundin, eine Bürgerliche war, traf mich, viel mehr war es der Umstand, dass mir sofort klar war, dass er diese Frau abgöttisch lieben musste. Und dass damit seine Liebe zu mir … gänzlich erloschen war.

Diese Gewissheit traf mich damals beinahe wie … wie ein Todesstoß. Ja, wie ein Todesstoß.

Das mag übertrieben klingen, dennoch war es so: Ein Todesstoß … der auch tatsächlich etwas in mir beendete.«

Abermals brach Elektra ab, schloss die Augen und öffnete sie Sekunden später wieder. Und noch immer ruhte ihr Blick in der Vergangenheit. »Raymond hatte eine Frau an seiner Seite, die seine Familie gänzlich ablehnte, das wusste ich. Niemand musste mir das sagen. Ich kenne seine Familie zur Genüge.

Melissa Scholz. Er muss sie wirklich sehr geliebt haben«, sagte sie, wobei sie den Namen … Melissa Scholz … kaum vernehmbar auf der Zunge zergehen ließ.

Abrupt drehte sie den Kopf und richtete ihren Blick erneut, klar und fragend, auf Silvana. »Sein Vater war bestimmt der Einzige, der nicht über ihn und auch nicht über beide herfiel, als Raymond seine Melissa in die Familie einführte, denke ich mal. Aber der … Hat Raymond Ihnen je von ihm erzählt?«

Silvana schrak zusammen, sie hatte nicht mit einer Frage gerechnet, sie war mit ihren Gedanken gerade an einem ganz anderen Punkt. Sie hatte versucht, sich vorzustellen, welch Tortur all das für die Frau hier vor ihr wohl gewesen sein musste. Jahrelang vor sich selbst weglaufen, ein schlechtes Gewissen haben und dann auch noch die letzte Verbindung zu einem Leben, zu einer Liebe verlieren, die ihr offensichtlich einmal sehr kostbar gewesen war. Das muss schrecklich gewesen sein.

»Nein«, sagte Silvan schließlich mit verwirrter Stimme, räusperte sich und fuhr fort: »Er hat noch nie von ihm, von seinem Vater erzählt. Auch Mel … Melissa hat mir nie etwas … doch, halt, einmal, am Telefon … von dem Unfall.«

»Aber Sie haben ihn doch kennengelernt? Auf der Hochzeit?«

Silvana zucke die Achseln. »Ich habe ihn gesehen. Aber kein Wort mit ihm gewechselt. Obwohl … wenn ich es recht bedenke … mehr als einmal hat er mich an den zwei Tagen, die ich dort war, beobachtend angesehen. Beinahe so, als wollte er nicht glauben, dass es mich gibt. Wer weiß, was Mel ihm von mir erzählt hat. Aber am Ende irre ich mich vielleicht auch.

Es ist zu lange her. Doch weiß ich ziemlich sicher, wir haben kein Wort … Nein … bestimmt nicht.«

»Das ist schade. Neben Raymond war er der einzig wirkliche Mensch in der Familie. Aber lassen Sie sich von ihm mehr erzählen. Es lohnt sich.«

Elektra wendete sich ab und ihr Blick verlor sich wieder irgendwo weit entfernt.

Und sie fuhr fort. Doch ihre Stimme hatte sich verändert, hörte sich jetzt gequält an. »Zwei, drei Monate nach der Hochzeit war ich zu einer Gala nach L. A. eingeladen worden. Gern hatte ich diese Einladung angenommen, zumal ich wusste, Henri-Severin, Raymonds Bruder, würde auch auf dieser Gala zu finden sein. Was auch stimmte.

Ich hoffte, er würde meine Traurigkeit … Ja, es gab da tatsächlich eine tiefe Traurigkeit, die Raymonds Heirat in mir ausgelöst hatte.

Jedenfalls hoffte ich, er würde nachempfinden können, was in mir vor sich ging, zumal er ja auch irgendwie anders gewesen war. In all seinen Lebensentscheidungen. Ich ersehnte am Ende sogar ein wenig familiäre Absolution. Ja, all das erhoffte ich tatsächlich.

Doch es kam ganz anders.

Eingangs schien es, als würde Henri-Severin mich verstehen. Er machte mir Mut, stellte Raymond dann aber bald schon als einen Versager hin, den ich fünf Jahre später sowieso verlassen hätte. ›Dann hättest du vielleicht die schönsten Jahre deines Lebens verschenkt‹, hatte er gesagt. Seine Worte waren schrecklich und furchtbar deprimierend, denn nun wusste ich, er hatte mich nicht verstanden. Gar nichts hatte er verstanden.«

Wieder stockte Elektra und presste schließlich die Lippen fest zusammen, so, als wollte sie sich verbieten, die nächsten Worte auszusprechen.

»Doch dann tat ich etwas«, fuhr sie endlich undeutlich flüsternd fort, »das ich glaubte, tun zu müssen, obwohl ich mich dafür vom ersten Moment an gehasst hatte … und auch heute noch schäme.

Viel weniger als Raymonds Andenken wollte ich Henri-Severins Zuspruch und Nähe in diesem Moment verlieren. Ich … ich fühlte mich so unsagbar allein und … einsam. Und er war da. Auch wenn er mich weniger und weniger verstand. Er war aber immer noch so eine Art Brücke zu Raymond. Und bald schon nickte ich nur noch zu all den Bösartigkeiten, die Henri-Severin über seinen Bruder, über seine Familie mit Ausnahme seines Vaters verlor.

Ich spürte, sollte ich ihm widersprechen, würde ich nicht nur seinen Zuspruch, den ich bitter nötig hatte, auch würde ich diese Brücke und am Ende sogar mich selbst verlieren.

Vielleicht klingt das jetzt irgendwie geschwollen, hochtrabend, gar pathetisch, aber so fühlte ich mich damals. Ich war dabei, mich zu verlieren. Und … ich hatte Angst vor der Konsequenz.« Wieder brach Elektra ab. Die Konsequenz, wie sie damals auch immer ausgesehen haben mag, hätte wohl erschreckende Ausmaße gehabt.

Silvana schloss die Augen. Von Frau zu Frau, hallte ihr plötzlich durch den Kopf.

Hatte sie so etwas erwartet? Nein, sicher nicht. Das, was hier vor sich ging, war viel mehr – es war ungeahnt erschreckend.

Und es sollte noch schlimmer kommen.

Nun gänzlich in sich versunken, fuhr Elektra fort: »Das Zusammensein mit Henri-Severin gab mir dennoch auch ein kleinwenig das Gefühl der Sicherheit. Bitterböse erkauft.

Aber dann, beim fünften Treffen, geschah das Entsetzliche … Ich verlor alles.

Zum ersten Mal war ich mit Henri-Severin in sein Appartement gegangen. Wir hatten uns vorher immer irgendwo zum Essen getroffen und dann dort noch lange miteinander gequatscht. Man konnte tatsächlich gut mit ihm quatschen, wenn es nicht um seine Familie ging.

Aber an diesem Abend, ich weiß es noch genau, da wollte ich mehr. Und ich spürte, auch Henri wollte mehr.«

Während sie sich völlig unbedarft in seiner Wohnung umgesehen hatte, spürbar enttäuscht von der Lieblosigkeit, die all die Dinge innehatten, die offensichtlich sein wahres Leben ausgemacht hatten, war er unversehens über sie hergefallen. »Ich wollte ihm noch sagen und zeigen, dass ich es auch wollte, aber es interessierte ihn nicht. Er wollte auch nicht mich, er wollte meinen Körper, schlimmer noch, er wollte meinen Schmerz.«

Wie ein Tier war er über sie gekommen. Böse, brutal und überstark. Sie hatte sich gewehrt, anfänglich, wollte dann nur noch rasch weg. »Aber das machte ihn noch mehr an. Er war einfach zu kräftig.« Ihr Widerstand war dann auch bald gebrochen. Am Ende hatte sie sogar geglaubt, sie hätte es verdient – diese »Strafe«.

Er hatte sie genommen, brutal, immer wieder und nur anal.

»›Ganz sicher hat dieser Schwächling sich nie getraut, dich so zu ficken, stimmt’s? Sag, dass es stimmt‹, hatte er wieder und wieder gebrüllt.« Worte, die Elektra heute kaum wagte zu wiederholen. Sie tat es aber, denn all diese Worte wollten endlich gesprochen und gehört werden.

»Auch schlug er mich dabei. Ich blutete. Im Gesicht. Unten. Überall. Es hat ihn nicht interessiert. Mir war es schließlich auch bald egal gewesen.«

Elektra stockte, und sie zitterte. Die Hände hatte sie in der Zwischenzeit unter ihren Oberschenkeln vergraben und ihr Oberkörper wippte vor und zurück, immer wieder vor und zurück. Und sie wagte nicht, Silvana anzusehen. Auch heute noch schien sie sich dafür zu schämen. Ihr war Leid angetan worden und sie schämte sich dafür. Was für eine grauenvolle und schrecklich verirrte Selbstverachtung.

Sie saßen jetzt beide auf der Couch, nur eine Handbreit voneinander entfernt, Silvana war vor Augenblicken von ihrem Sessel aufgesprungen und zu ihr geeilt, dennoch wusste sie nicht, was sie tun sollte. Eine ungeheuer schändliche Welt in Elektras Erinnerungen wollte jetzt vielleicht keine menschliche Nähe spüren, war sie doch durch die Nähe zu einem Menschen verursacht worden – sie wollte wohl nur ausgesprochen und vernommen werden.

Leise fuhr Elektra schließlich fort: »Ich hatte die ganze Zeit nur gebetet. Nicht um mein Leben, nein, … ›Lieber Gott, lass mich sterben. Jetzt, sofort‹, war mein Gebet gewesen.

Aber ich war nicht gestorben.«

Wieder stockte Elektra und schüttelte den Kopf. Nein, ich war nicht gestorben, schien sie sich zu sagen. Auch hatte es den Anschein, als hätte sie den tiefsten und dunkelsten Grund ihrer Beichte erreicht, denn mit veränderter, beinahe kraftvoller Stimme fuhr sie fort: »Nachdem er mich ein letztes Mal genommen, bestraft hatte, in der Zwischenzeit war es Morgen geworden, warf er mich aus seinem Appartement. ›Solltest du zur Polizei gehen, werde ich alles abstreiten‹, hatte er gesagt. ›Ich habe Freunde, einflussreiche Freunde, die beschwören werden, dass ich letzte Nacht gar nicht in L. A. war.‹

Wie lächerlich er war. Er hatte wirklich geglaubt, im Zweifelsfall damit durchkommen zu können.« Elektra schüttelte den Kopf. »Aber ich hatte nicht vor, zur Polizei zu gehen. Auch sah ich ihn nie wieder.

Doch schlimm ist, ab und an taucht er in einem schrecklichen Traum wieder auf. Ich werde ihn einfach nicht los.«

Vielleicht ja doch. Jetzt! Weil es endlich einmal ausgesprochen ist, dachte Silvana und wünschte es ihr von ganzem Herzen.

Als Elektra dann Monate später von seinem tödlichen Unfall erfahren hatte, hatte sie nichts empfunden.

---ENDE DER LESEPROBE---