Lore-Roman 123 - Ina Ritter - E-Book

Lore-Roman 123 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Es ist nicht die himmelsstürmende Liebe, die Schwester Martina und Professor Hartmann Mende hat zusammenfinden lassen. Doch aus dem Bewusstsein heraus, in der Nähe eines lieben, gütigen Menschen geborgen zu sein, gibt die einsame Martina dem bedeutend älteren Arzt ihr Jawort und ist gewillt, es zu halten.
Selbst dann, als ihr die erschreckende Erkenntnis kommt, dass neben der Zuneigung zu dem Arzt ein anderes, wärmeres Empfinden für einen jüngeren Mann sich in ihrem Herzen regt, will sie ihr Eheversprechen nicht brechen und lieber auf das Glück der jungen Liebe verzichten. Gewaltsam will sie die Stimme ihres Herzens zum Schweigen bringen, vermag es jedoch nicht ...

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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Niemals werd ich dir gehören

Vorschau

Impressum

Niemals werd ich dir gehören

Ein fesselnder Liebesroman um das Herz der schönen Martina

Von Ina Ritter

Es ist nicht die himmelsstürmende Liebe, die Schwester Martina und Professor Hartmann Mende hat zusammenfinden lassen. Doch aus dem Bewusstsein heraus, in der Nähe eines lieben, gütigen Menschen geborgen zu sein, gibt die einsame Martina dem bedeutend älteren Arzt ihr Jawort und ist gewillt, es zu halten.

Selbst dann, als ihr die erschreckende Erkenntnis kommt, dass neben der Zuneigung zu dem Arzt ein anderes, wärmeres Empfinden für einen jüngeren Mann sich in ihrem Herzen regt, will sie ihr Eheversprechen nicht brechen und lieber auf das Glück der jungen Liebe verzichten. Gewaltsam will sie die Stimme ihres Herzens zum Schweigen bringen, vermag es jedoch nicht ...

Professor Hartmann Mende war völlig erschöpft, als er sich unter dem Strahl der Wasserleitung die Hände wusch. Während er automatisch das Stückchen Seife in seinen Händen hin und her gleiten ließ, musterte er sein Gesicht in dem Spiegel über dem Waschbecken. Er sah eigentlich alt aus, seine Wangen waren plötzlich eingefallen, die Schläfenadern etwas hervorgetreten. Besonders aber die Augen blickten müde und glanzlos.

»Na ja, man ist auch nicht mehr der Jüngste«, seufzte er, drehte den Hahn zu und trocknete sich die Hände mit dem Handtuch ab. Sein Blick ging in den Raum zurück, in dem die Schwestern die benutzten Instrumente säuberten und die Laken zur Seite legten.

Schwester Martina hatte sich wieder einmal prachtvoll gehalten. Ihr schienen die mehr als sechs Stunden, in denen sie ihm die benötigten Instrumente gereicht hatte, nichts auszumachen.

»Nun werden Sie sich doch bestimmt erst mal ein Stündchen hinlegen«, meinte er, als er beim Hinausgehen an ihre Seite trat und ihr höflich die Tür öffnete. »Auch Sie müssen abgespannt sein nach dieser Hetze.«

Martina von Broken, hier nur als Schwester Martina bekannt, schüttelte den braunlockigen Kopf.

»Es ist nicht so schlimm, Herr Professor, schließlich bin ich ja noch jung.«

»Ja, Sie sind noch jung«, wiederholte der berühmte Chirurg der bekannten Privatklinik nachdenklich.

»Sie tun gerade so, als wären Sie ein alter Mann. Entschuldigen Sie, bitte, meine vorlaute Bemerkung«, fuhr sie hastig fort, »aber sie ist mir direkt gegen meinen Willen herausgerutscht.«

»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Kind. Schön wäre es, wenn Ihre Worte tatsächlich stimmten, aber ...« Professor Hartmann seufzte. Automatisch strich er sich durch sein volles, an den Schläfen ergrautes Haar.

»Sie können es noch mit jedem Jungen aufnehmen!«, behauptete Schwester Martina mit großer Bestimmtheit. »Ich bewundere Sie, dass Sie so lange im gleichen Tempo operieren können.«

Der Oberarzt Alex Pauly, der an ihrer anderen Seite ging, warf ihr einen verbissenen Blick zu. Er empfand diese Worte der Schwester als persönlichen Hieb gegen sich.

Ein brennender Ehrgeiz nagte in seiner Brust. Der Chef des Hauses war ein Vorbild, das er selbst wohl niemals würde erreichen können. Auch er war ein begabter Chirurg, aber ihm fehlte die intuitive Sicherheit, das Ahnungsvermögen, das aus Professor Mende eine internationale Größe gemacht hatte.

Hartmann Mende ging schnell mit gesenktem Kopf den langen Gang hinab. Die Worte der jungen Schwester, die so spontan und ehrlich gekommen waren, hatten ihm sehr zu denken gegeben.

Manchmal fühlte er sich alt, sehr alt. Seitdem seine Frau vor ungefähr zehn Jahren gestorben war, schien die Zeit mit Riesenschritten weitergeeilt zu sein. Seine Tochter war nun schon fast erwachsen, seine Villa häufig leer. Leer und einsam wie auch sein Herz.

Seitdem die junge Schwester in dieses Haus gekommen war, hatten seine Gedanken sich schon mehr als einmal mit ihr beschäftigt und durchaus nicht immer in einer Weise, die durch den Dienstbetrieb gerechtfertigt war.

Er straffte seine Gestalt, als wolle er die Gedanken von sich abschütteln, nickte seinen Begleitern nur kurz zu und verschwand dann hinter der Tür seines Arbeitszimmers.

Schwester Martina blickte ihm bestürzt nach. Hatte sie etwas Falsches gesagt? War ihr verehrter Chef gekränkt? Dabei waren ihre Worte ganz spontan gekommen, sie hatte nur gesagt, was sie meinte!

Oberarzt Pauly schaute sie mit schiefem Grinsen von der Seite an.

»Kein geeignetes Objekt zum Anhimmeln?«, fragte er grimmig.

»Mehr als mancher andere!«, wies Martina ihn kurz zurecht und ging eilends weiter; denn die Gegenwart dieses Menschen bedrückte sie. Es ging etwas Falsches von ihm aus, seine übertriebene Höflichkeit dem Chef gegenüber widerte sie geradezu an.

In ihrem Zimmer ging Martina zum Fenster und schaute hinaus. Sie wohnte hoch oben unter dem Dach in einer Mansarde; aber trotz der geneigten Decke war der Raum ganz ungewöhnlich gemütlich und anheimelnd. Doch heute freute sie sich nicht über ihr kleines Heim.

Wie mochte Hartmann Mende leben? Es wurde selbstverständlich viel über ihn gesprochen, und obwohl sie allem Klatsch abhold war, konnte sie doch nicht verhindern, dass sie das eine oder andere gehört hatte.

Witwer. Eine Tochter, die sehr verwöhnt sein sollte und ihrem Vater etwas auf dem Kopf herumtanzte ... Ob er niemals daran gedacht hatte, seiner Frau eine Nachfolgerin zu geben? Vielleicht konnte er sie nicht vergessen, weil er sie noch immer liebte ...

»Was geht das mich an?«, rief sie sich zur Ordnung. Seit wann kümmerte sie sich um das Privatleben fremder Menschen?

Martina strich sich über ihr volles braunes Haar und zwang sich gewaltsam, ihre Gedanken auf etwas anderes zu konzentrieren. Sie war schließlich nur eine kleine Schwester, die er, der große Chirurg, gewiss nur als Helferin betrachtete.

Und außerdem auch viel zu jung, dachte Hartmann Mende, als sein Wagen ihn zu seinem Heim fuhr. Mit geschlossenen Augen lehnte er sich in die Polster zurück.

Viel zu jung, und trotzdem hatte er sich schon sehr oft dabei ertappt, dass seine Gedanken sich mit dieser Schwester beschäftigten, die in ihrem Wesen völlig anders war als ihre Kolleginnen. Träume nicht, Hartmann, riss er sich in die Gegenwart zurück. Er hätte ja fast ihr Vater sein können, war bestimmt doppelt so alt wie sie, und trotzdem ...

Ja, und trotzdem dachte er in einer Art und Weise an Schwester Martina, die durchaus nicht nur väterlich war, wie er sich früher einmal einreden wollte.

Das große Haus war leer und tot. Trat er in den Flur, so war kein Laut zu vernehmen. Alles tot, alles still.

Seine Tochter, die kleine Constanze, war um diese Zeit meistens noch in der Schule oder bei einer Freundin, um mit ihr zusammen die Hausarbeiten zu machen. Sie hing an ihm, gewiss, aber in seinem Herzen wusste der Professor, dass ihre Liebe nicht genügte.

Er war noch nicht alt, sein Blut schwieg noch nicht, er wollte noch nicht resignieren und sich bescheiden. Schließlich war er ein Mann – und seine Frau seit zehn Jahren tot.

Seine Gedanken gingen sprunghaft. War würde Martina sagen, wenn er sie fragte ...

Hartmann Mende hatte die Stirn gekraust, einen fast verbissenen Zug um den Mund, als er den Wagen verließ und seinen Chauffeur aufforderte, ihn in einer Stunde wieder abzuholen.

Er war alt genug, um keine Torheiten mehr zu machen. Schließlich konnte er es sich nicht erlauben, zum Gespött der Menschen zu werden.

Ungewohnt lange blieb er heute vor dem Spiegel stehen. Eigentlich sah er doch wirklich noch nicht so alt aus. Ganz bestimmt nicht, niemand würde ihm seine fünfzig Jahre ansehen. Ein sehr nachdenklicher Zug war in seinem Gesicht, als er schellte und die eintretende Haushälterin anwies, ihm das Essen zu servieren.

Aber vielleicht war sie gar nicht mehr frei? Ein Mädchen in ihrem Alter mochte sicher schon einen Menschen gefunden haben, der glücklich war, sie später einmal heimführen zu können.

»Das Telefon, Herr Professor.« Die Schüsseln auf dem Tablett haltend, wies die Haushälterin mit einer Kopfbewegung nach draußen.

Sofort dachte Hartmann an diesen Unfall, den er zuletzt operiert hatte. Ob irgendwelche Komplikationen aufgetreten waren?«

»Mende«, meldete er sich.

»Hier ist Schwester Martina. Der Unfallverletzte hat stärkeres Fieber bekommen, ich kann ihn kaum im Bett halten. Darf ich ihm eine Beruhigungsspritze geben? Der Fall macht mir Sorgen.«

Hartmann krauste die Stirn. »Ich komme selbst, Schwester Martina. Unternehmen Sie bis dahin nichts.«

Ganz spontan war er zu diesem Entschluss gekommen. Im Grunde seines Herzens stand allerdings der Wunsch, diese braunhaarige Schwester einmal ohne Zeugen zu sehen und zu sprechen.

Während ihm seine Haushälterin brummig nachschaute – denn sie liebte es durchaus nicht, wenn das Essen kalt wurde –, fuhr er mit halsbrecherischer Geschwindigkeit zur Klinik zurück. Er hatte die versäumte Mahlzeit ganz vergessen und war voller Erwartung, als er mit schnellen Schritten in das Einzelzimmer des Unglücksraben ging.

Sein erster Blick galt allerdings nicht dem Verletzten, sondern der Schwester, die am Bett saß und stumm und sorgenvoll in das gerötete Männergesicht blickte.

Bei seinem Eintritt erhob sie sich sofort, um ihm Platz zu machen. Unwillkürlich lächelte Hartmann sie an.

»Wer hat Sie gerufen, Schwester Martina?«

»Niemand. Ich hatte solche Unruhe in mir und hielt es in meinem Zimmer nicht mehr aus. Wird er durchkommen?«

Ein gutgeschnittenes energisches Männergesicht, dunkles, fast schwarzes Haar über der gebräunten Stirn, eine kräftige vorspringende Nase konnten schon ein Mädchenherz höherschlagen lassen.

»Er sieht gut aus«, sagte der Professor aus seinen Gedanken heraus.

»Finden Sie? Aber seine Temperatur ...«

Hartmann legte ihr lächelnd die Hand auf die Schulter.

»Ich meinte eben sein Äußeres und nicht seinen jetzigen Zustand, Schwester Martina.« Doch noch während seiner letzten Worte, als eine feine Röte in das Gesicht der Schwester getreten war, beugte er sich über den Mann und untersuchte ihn.

Sein Gesicht wurde immer ernster. Er nagte an seiner Unterlippe und hatte seine Stirn nachdenklich in Falten gelegt. Es sah wirklich nicht sehr gut mit ihm aus, schien sogar zweifelhaft zu sein, ob er durchkommen würde.

»Autounfall?«, fragte er.

»Ja. Er ist Rennfahrer. Bei einer Trainingsfahrt hat sich sein Wagen überschlagen. Wird er durchkommen?«

Hartmann Mende zuckte nur die Schultern.

»Sehen Sie zu, dass Sie die Adresse von Angehörigen erfahren. Es ist besser, sie zu benachrichtigen.«

»So schlimm steht es mit ihm?« Martina trat dicht neben das weißbezogene Bett. Ihrem Chef schien es fast, als schimmerten Tränen in ihren Augen, als sie auf das Männergesicht hinabschaute.

Er sollte sterben?

»Versuchen Sie alles. Er ist noch so jung, Herr Professor.«

»Ja, er ist jung. Herrlich jung. Bereiten Sie alles zu einer Bluttransfusion vor. Es wird wahrscheinlich nötig sein ...«

Der Blick des Professors ging vom Gesicht des Verunglückten zu dem Gestell über dem Bett. Beide Beine waren in einem Streckverband. Er hatte beide operiert und wusste, dass das rechte vielleicht ein wenig steif bleiben würde.

»Wer ist der Mann?« Hartmann war nicht sehr erstaunt, als Schwester Martina ihm den Namen nannte. Ein sehr bekannter Rennfahrer, der schon in vielen internationalen Wettbewerben erste Preise errungen hatte. Ja, so sahen solche Männer aus.

Und so endeten sie manchmal. Vielleicht würde er niemals mehr imstande sein, das Gaspedal eines Automobils zu bedienen? Aber er hatte gelebt, er hatte sein Leben eingesetzt und es jeden Tag wieder neu gewonnen. Gewiss lächelte er viel, sicher blitzte überschäumende Lebensfreude in seinen dunklen Augen!

Und er ... plötzlich kam er sich wieder sehr alt vor. Er war kein Abenteurer, er hatte sein ganzes Leben in den Dienst der Chirurgie gestellt. Gewiss hatte er auch große Erfolge errungen, aber nicht unter Einsatz seines eigenen Lebens. Seine Arbeit fand am Schreibtisch statt, in den Operationssälen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Ihm jubelte man nicht zu. Seinen Namen kannte man kaum, nur den Fachkollegen und Patienten, die er gerettet und denen er die Gesundheit zurückgegeben hatte, war er ein Begriff.

Martina schaute verblüfft in sein finsteres Gesicht. So hatte sie Hartmann noch niemals gesehen. Ob ihn ein Kummer drückte?

»Ich habe Sie beim Mittagessen gestört?«, fragte sie scheu.

»Wie sagten Sie? Nein, oder doch ... Aber es ist nicht schlimm, wir Ärzte sind es gewohnt. Meine Haushälterin stellt mir das Essen warm ... und Sie, Schwester Martina?«

»Ich hatte noch keine Zeit«, bekannte das Mädchen errötend.

»Dann bitte ich Sie, mit mir zusammen zu essen. Mein Wagen wartet, und ich würde mich freuen ... natürlich nur, wenn Sie nichts anderes vorhaben.«

Ihr Gesicht war gerötet, ihre Lippen unwillkürlich zu einem warmen Lächeln verzogen, als sie ihm zunickte.

»Ich würde mich sehr freuen, Herr Professor, wenn es Ihnen keine Umstände macht.«

»Dann kommen Sie.« Hartmann schob sie aus dem Zimmer hinaus und ging mit beschwingten Schritten zum Ausgang. Auf dem Korridor beauftragte er einen Assistenzarzt, dem Verunglückten eine Beruhigungsspritze zu geben. »In einer Stunde bin ich auch wieder zurück und werde mir den Fall noch einmal ansehen.«

Seine Haushälterin machte große Augen, als ihr Chef diesmal nicht allein aus dem Wagen kletterte, sondern eine junge Dame mitbrachte, die sie an ihrer Kleidung als Krankenschwester erkannte.

»Ihr Fräulein Tochter ist auch schon da. Soll ich jetzt auftragen?«

»Für drei Personen, Frau Beuth. Schwester Martina wird uns Gesellschaft leisten.«

Mit einem Kopfnicken nahm die ältere Frau seine Anordnung zur Kenntnis, doch ihr Blick, den sie über den Gast gleiten ließ, war alles andere als freundlich.

»Kommen Sie, Schwester Martina.« Hartmann schob seinen Arm unter ihren und öffnete die breite Tür zum Esszimmer. In seinen Augen lag ein Glänzen der Erwartung. Er freute sich auf die vor ihm liegende Stunde. »Meine Tochter Constanze – Schwester Martina, meine tüchtigste Helferin im Operationssaal«, machte er bekannt.

Die Schwester schaute lächelnd auf das etwas kleinere Mädchen, das sie mit großen Augen anschaute. Es dauerte einen Augenblick, bis Constanze ihre dargereichte Hand ergriff.

»Ich freue mich«, kam es leise über die jungen Lippen.

Irgendwie lag jetzt eine andere Stimmung im Raum, als er es gewohnt sein mochte. Hartmann sann dieser Veränderung nach. Schwester Martina plauderte mit seiner Tochter, gab sich wirklich Mühe, sie in ein Gespräch zu verwickeln, und hatte trotzdem keinen Erfolg damit.

Constanze gab nur einsilbige Antworten. Ihr Kopf lag trotzig im Nacken, steif und aufrecht saß sie auf dem Stuhl ihm gegenüber.

Er wurde ärgerlich. Wie sehr hatte er sich auf dieses Mahl gefreut, schon im Voraus die Stimmung genossen, die Martina gewiss verbreiten würde, und nun war alles so anders.

Schuld daran war nur Constanze.

»Hast du in der Schule Ärger gehabt? Eine Klassenarbeit schlecht geschrieben?«

»Nein«, kam es kurz und hart zurück.

»Streit mit deiner Freundin gehabt?«

»Nein.« Diesmal wurde ihre Entgegnung von einem trotzigen Zurückwerfen des Kopfes begleitet.

Hartmann warf Martina einen um Entschuldigung bittenden Blick zu. Täuschte er sich, oder waren ihre Augen wirklich etwas trauriger geworden? Er beugte sich zu ihr und legte seine schmale gepflegte Hand auf ihre Finger.

»Constanze ist müde. Nehmen Sie ihr die Einsilbigkeit nicht übel.«

»Ich bin kein Kind mehr. Und müde bin ich auch nicht. Muss ich denn immerzu reden?«

Die zierliche blondlockige Constanze verzog ihr Näschen und tupfte mit dem Taschentuch ihre Augenwinkel aus, die sich verdächtig gerötet hatten.

»Sie brauchen nicht zu sprechen, wenn Sie nicht wollen«, klang Martinas Stimme auf. Weich und zärtlich strich sie über den Oberarm des Mädchens, der aus dem Ärmel des kurzen Sommerkleides glatt und braun herauskam.

»Fassen Sie mich nicht an!« Als hätte ein Reptil sie berührt, wich Constanze zurück.

»Nun reicht es mir aber!« Hartmann schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und beugte sich vor. »Du bist kein Kind mehr, Constanze, das scheinst du zu vergessen. Wenn du dich nicht benehmen kannst, wirst du in der Küche essen, ich habe keine Lust, mich deinetwegen zu schämen.«

»Brauchst du auch nicht. Ich ... ich ...« Constanze führte ihr Taschentuch an die Nase und schnäuzte sich umständlich.

In diesem Augenblick kam Gott sei Dank die Haushälterin herein und servierte die Suppe.

Ob Martina böse war? Doch er konnte beruhigt sein, ihre Augen lächelten ihm zu, als er sie forschend anblickte. Mit gesenktem Kopf saß Constanze da und wagte nicht hochzuschauen. Sie wusste selbst, dass sie sich unverantwortlich benommen hatte, sie bereute ihre heftigen Worte schon und wusste doch, dass sie sie wiederholen würde, wenn die Gelegenheit dazu käme.

Ihr Vater sollte keine andere Frau mit nach Hause bringen! Sie wollte, dass er mit ihr aß und zu ihr allein sprach! Dabei hatte sie ihm gerade heute so viel zu erzählen. Die Englischlehrerin hatte sie sehr gelobt und sie gefragt, ob sie studieren wolle.

Sie wollte mit ihrem Vater heute über ihren zukünftigen Beruf sprechen. In wenigen Wochen machte sie ihr Abitur, und dann ... ja, was dann kommen sollte, war noch ganz und gar unbestimmt.

Jetzt saß da eine fremde Frau, die mit ihrem Vater plauderte, als wäre sie selbst gar nicht vorhanden. Sollte sie doch gehen, sie war bestimmt eine Schlange, die ihn für sich einfangen wollte.

»Was wollen Sie hier?«

Mitten in das Gespräch der beiden Erwachsenen fiel Constanzes harte Frage.

»Constanze!«, sprang der Vater auf. Dann wandte er sich mit verlegenem Lächeln zu Martina, die ihre Ruhe behalten hatte. »Es tut mir furchtbar leid, Schwester Martina, aber mir scheint, ich habe meiner Tochter zu viel durchgehen lassen.«

Tränen funkelten in Constanzes Augen. Auch sie sprang auf.

»Ich störe hier ja nur. Du willst ja viel lieber mit dieser Schwester allein sein. Ich gehe schon. Mahlzeit!«

Bevor einer der beiden Erwachsenen sie halten konnte, war sie hinausgelaufen. Als der Vater ihr folgen wollte, hielt Martina ihn am Arm zurück.

»Lassen Sie sie«, bat sie leise. »Ihre Tochter, Herr Professor ...« Einen Augenblick zögerte sie mit dem Weitersprechen. Es war peinlich, das auszusprechen, was sie dachte, aber anscheinend notwendig, denn an seinem Gesicht sah sie, dass er den Grund ihrer Ungezogenheit nicht erriet.

»Ihre Tochter ist eifersüchtig. Sie hängt wohl sehr an Ihnen, Herr Professor. Und deshalb ... Sie war so enttäuscht, dass Sie mich mitgebracht haben ... «

»Meinen Sie?« Hartmann schüttelte verständnislos den Kopf. »Das ist doch gar nicht möglich.«

Eine heiße Röte schoss in Martinas Stirn. So, es war also gar nicht möglich, dass Constanze auf sie eifersüchtig sein konnte! So abwegig war der Gedanke, dass zwischen ihm und ihr ...

Die Verfärbung ihres Gesichtes verriet Hartmann, dass er eine große Dummheit gesagt hatte. Er presste die Lippen aufeinander und trat einen Schritt auf sie zu. Schwer legte er beide Hände auf ihre Schultern.

»Sie haben mich missverstanden, Schwester Martina. Ich ... ich bin alt ... Aber trotzdem ...«

Er musste sich abwenden, denn die Augen der Schwester waren mit undefinierbarem Ausdruck auf sein Gesicht gerichtet. Was mochte sie jetzt denken? Er weigerte sich, an das zu glauben, was er in ihnen las. Er war ja viel zu alt ...

Der Professor trat zum Bücherschrank und drehte automatisch den Schlüssel, ohne die Glastür zu öffnen. Er schaute sich nicht um, wagte auch nicht, die lastende Stille durch ein Wort zu unterbrechen. Im spiegelnden Glas der Scheibe sah er Martina, sah, dass sich ihr Kopf senkte, sah, dass Tränen aus ihren Augen strömten und die Wangen hinabliefen.

Warum weinte sie?

Sein Herz klopfte bis zum Halse, als er sich einen innerlichen Ruck gab und sich herumdrehte. Da stand nun ein Mädchen, mit dem er sich in Gedanken schon so oft beschäftigt hatte und von dem er doch in Wirklichkeit gar nichts wusste.

Sie hatte eine weiche einschmeichelnde Stimme, braune Augen, in denen eine unendliche Herzensgüte war.

Hartmann stand vor ihr, seine Arme legten sich wie von selbst um ihre Schultern.