Lore-Roman 13 - Ina Ritter - E-Book

Lore-Roman 13 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Der große Juristenball ist das Ereignis der Saison. Seit Wochen schon hat sich Mannequin Sybille Gerling darauf gefreut. Doch kurz zuvor wird die verwöhnte Schönheit krank. So bittet sie ihre jüngere Schwester Ute, an ihrer Stelle mit dem charmanten Anwalt Deter Oltenbruch den Ball zu besuchen. Eifersüchtig ist Sybille sicherlich nicht auf ihre Schwester. Zu sehr ist sie sich ihrer eigenen Schönheit und ihrer Macht über Männer bewusst. Und Sybille ist überzeugt davon, dass keine andere Frau, am wenigsten aber ihre bescheidene, unscheinbare Schwester, ihrem geliebten Deter gefährlich werden kann.

Und doch geschieht das Unerwartete: Beim Juristenball wendet sich Deters Herz plötzlich diesem Mädchen zu, das bisher immer nur im Schatten der schönen Schwester stand ...

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Seitenzahl: 143

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Inhalt

Cover

Impressum

Im Schatten der schönen Schwester

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Konrad Bak/shutterstock

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5505-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Im Schatten der schönen Schwester

Erfolgsroman um die unerwartete Wende im Leben eines unscheinbaren Mädchens

Von Ina Ritter

Der große Juristenball ist das Ereignis der Saison. Seit Wochen schon hat sich Mannequin Sybille Gerling darauf gefreut. Doch kurz zuvor wird die verwöhnte Schönheit krank. So bittet sie ihre jüngere Schwester Ute, an ihrer Stelle mit dem charmanten Anwalt Deter Oltenbruch den Ball zu besuchen. Eifersüchtig ist Sybille sicherlich nicht auf ihre Schwester. Zu sehr ist sie sich ihrer eigenen Schönheit und ihrer Macht über Männer bewusst. Und Sybille ist überzeugt davon, dass keine andere Frau, am wenigsten aber ihre bescheidene, unscheinbare Schwester, ihrem geliebten Deter gefährlich werden kann.

Und doch geschieht das Unerwartete: Beim Juristenball wendet sich Deters Herz plötzlich diesem Mädchen zu, das bisher immer nur im Schatten der schönen Schwester stand …

„Schön, dass du endlich kommst.“ Sybille nickte ihrer Schwester zu, als Ute die im Kellergeschoss gelegene Wohnung betrat.

Ute runzelte unwillkürlich die Stirn, als sie die schreckliche Unordnung bemerkte, die ihre Schwester wieder einmal angerichtet hatte.

Dafür aber sah Sybille Gerling geradezu atemberaubend schön aus. Sie trug ein kostbares Cocktailkleid, schulterfrei, und sie schlüpfte in zierliche Schuhe, die in der Farbe genau zum Kleid passten.

„Mach nicht solch ein Gesicht“, schalt Sybille. „Ich bin noch nicht zum Aufräumen gekommen.“

„Hast du wenigstens das Essen fertig?“

Sybilles Lächeln wurde, wenn überhaupt möglich, noch strahlender.

„Nein, das habe ich ganz vergessen.“ Sie schleuderte den einen Schuh, den sie schon angezogen hatte, wieder vom Fuß, lief auf Ute zu und nahm sie in den Arm. „Ich bin ein schreckliches Ding“, klagte sie sich an. „Ich bin zu nichts gut, ich weiß. Bitte, sei mir nicht böse.“

Es war schwer, ihr böse zu sein, und das wusste sie. Sybille Gerling besaß einen natürlichen Charme, der ihr alle Herzen zufliegen ließ. Sie nutzte es aus, ganz besonders bei ihrer Schwester, ohne dass ihr die eigene Rücksichtslosigkeit auch nur im Geringsten zum Bewusstsein kam. Es lag einfach in ihrer Natur, alles von anderen zu fordern, ohne selbst etwas dafür zu geben.

„Ich setze gleich das Wasser auf“, bot sie ihrer Schwester an und drückte noch schnell einen Kuss auf Utes Stirn.

Genauer gesagt, war es nur die Andeutung eines Kusses, denn Sybille hatte ihre Lippen sorgfältig nachgezogen und hütete sich, sie durch überflüssige Zärtlichkeiten zu verschmieren.

„Ach Gott, jetzt hab ich ganz vergessen einzukaufen.“ Sie verschlang die Hände und schüttelte heftig den Kopf, anscheinend fassungslos, dass ein Mensch so vergesslich sein konnte, wie sie. „Bist du mir sehr böse? Ich glaube, ich habe noch irgendwo Makkaroni gesehen, koch sie dir.“

Das dritte Mal in dieser Woche. Ute schüttelte sich beim Gedanken an Teigwaren. Heute Nachmittag hatte Sybille, die als Mannequin für einen bekannten Modeschöpfer arbeitete, frei gehabt und versprochen, Fleisch und Gemüse zu kaufen.

„Was hast du eigentlich den ganzen Nachmittag getan?“, fragte Ute seufzend. Sie war redlich müde von ihrer Arbeit im Büro und hatte sich so auf einen ruhigen Feierabend gefreut.

„Was ich getan habe?“, wiederholte Sybille gedehnt. Sie runzelte die Stirn, als erfordere Utes einfache Frage schweres Nachdenken. „Zuerst habe ich mich ein bisschen hingelegt, als ich nach Hause kam. Es ist ja schrecklich, dass wir nicht einmal ein Bad haben oder wenigstens eine Dusche. Also, sobald ich etwas Geld zusammen habe, mieten wir uns eine richtige Wohnung. Ich finde dieses Kellerloch hier scheußlich.“

Sie bückte sich, hob den Schuh auf und betrachtete ihn verliebt. Sybille hatte eine Schwäche für hübsche Nichtigkeiten, und obwohl sie nicht schlecht verdiente, steuerte sie nie etwas zum Haushalt bei. Ihr Gehalt ging für Kleider und modische Kleinigkeiten drauf.

Es war Utes Aufgabe, den Lebensunterhalt zu bestreiten und die Miete zu bezahlen.

„Kleines Schäfchen!“ Sybille sah die Müdigkeit auf Utes Zügen und bemühte sich um ein zerknirschtes Gesicht. „Du nimmst alles viel zu schwer.“ Mit den Zehen schob sie einen Unterrock auf dem Fußboden zur Seite, den sie beim Umkleiden einfach hatte fallen lassen.

„Du bist viel zu genau und ordentlich.“

„So?“, fragte Ute ironisch. „Wenn ich hier nicht aufräumen würde, dann sähe unsere kleine Wohnung bald schön aus.“

„Mach es wie ich, sieh zu, dass du ein bisschen unter die Leute kommst. Wenn das so weitergeht mit dir, endest du bestimmt einmal als alte Jungfer. Du bist zu schade, um später nur einen verfetteten Mops zu pflegen.“

„Ich bin abends viel zu müde, um noch an Ausgehen zu denken, und es gibt ja auch immer so viel zu tun. Ich habe wieder die ganze Waschwanne voller Wäsche.“

„Die hat Zeit“, winkte ihre Schwester lässig ab.

„Du hast noch niemals etwas gewaschen!“, fuhr Ute hoch. „Und dabei hättest du viel mehr Zeit als ich.“

„Die Menschen sind verschieden. Schätzchen, mach nicht solch ein böses Gesicht, damit verdirbst du mir die ganze Freude. Ich weiß ja, dass ich nicht viel tauge, aber niemand kann aus seiner Haut. Man ist nur einmal jung, und die Zeit vergeht so furchtbar schnell …“

Deshalb könnte sie ihre kleine Wäsche aber gut selbst waschen, dachte Ute, das hat mit Jugend nichts zu tun. Aber sie schwieg, weil sie genau wusste, wie wenig Zweck es hatte, Sybille noch ändern zu wollen. Ihre Schwester nahm das Leben leicht, weil sie gar nicht anders konnte.

„Wo ist Helga eigentlich?“, fragte sie, als sie den Mantel in den Schrank hängte. Helga war Sybilles Tochter, knapp drei Jahre alt und ein Kind ohne Vater.

So gut die Schwestern sich auch verstanden, über Helgas Vater hatte Sybille nie etwas gesagt. „Vater unbekannt“, stand auf Helgas Geburtsschein.

„Sie ist noch oben.“

Die junge Mutter, der niemand ansah, dass sie ein Kind geboren hatte, runzelte unmutig die Stirn. Sie wirkte plötzlich dadurch um Jahre älter. Sybille ließ sich nicht gern an unangenehme Tatsachen erinnern. Sie besaß die beneidenswerte Gabe, sie schnell zu vergessen.

Aber ihre Tochter lebte nun einmal, stellte ohne ihr Wollen Forderungen, denen Sybille sich nicht ganz entziehen konnte. Immerhin hatte sie es auch in diesem Falle großartig verstanden, die Arbeit und Sorge für das Kind auf andere Schultern abzuwälzen. Ihre Hauswirtin, die über ihnen im Erdgeschoss wohnte, nahm sie morgens mit hinauf und behielt sie den ganzen Tag über bei sich.

Ihre eigenen Kinder waren groß und ausgeflogen, und durch Helga war ihr Dasein als Witwe wieder schön und sonnig geworden.

„Den ganzen Nachmittag hast du sie oben gelassen“, stellte Ute fest.

„Ja!“, knurrte Sybille aufgebracht. Vorwürfe liebte sie ganz und gar nicht. „Ich brauche meinen Schlaf, sonst bekomme ich Falten. Und du weißt, was Falten in meinem Beruf bedeuten: Ich kann dann stempeln gehen. Sei doch nicht immer so schrecklich pedantisch, Ute.“

„Schon gut.“ Ute Gerling setzte das Wasser auf den Elektrokocher und öffnete die Makkaronischachtel. Appetit hatte sie nicht, aber irgendetwas musste sie ja essen, und diese Nudeln waren schnell zubereitet.

„Und du, was hast du heute vor?“, fragte sie gedankenversunken.

„Ich gehe mit einem ‚tollen Mann‘ aus.“ Sybille schaute entrückt gegen die Wand, als könne sie ihn dort sehen. Sie ging übrigens immer mit „tollen Männern“ aus, deshalb zeigte sich Ute durch ihre Bemerkung auch nicht im Geringsten beeindruckt.

„Schwer verheiratet und ein halbes Dutzend, Kinder, wie?“, wollte sie wissen.

„Daneben. Er ist Junggeselle, und Kinder hat er, soviel ich weiß, nicht. Also, wenn ich den kriegen kann, Ute … Er ist ganz verrückt nach mir.“

„Und hat sehr viel Geld?“

Sybille warf ihrer Schwester einen fast mitleidigen Blick zu.

„Selbstverständlich“, entgegnete sie in einem Ton, als dürfe ein vernünftiger Mensch daran nicht zweifeln. Sie, eine strahlende Schönheit, würde doch nicht mit einem Habenichts ausgehen. Aber irgendetwas in ihrem Ton hatte Ute stutzig gemacht.

„Du bist verliebt“, stellte Ute verwundert fest.

„Ja“, sagte Sybille einfach. „Diesmal hat es mich richtig erwischt, glaube ich. Eigentlich verrückt, wenn ich mir das vorstelle. Ausgerechnet ich, die ich Männer doch so gut kenne, falle auf einen herein.“

„Pass auf dich auf!“, mahnte Ute.

„Du sprichst wie eine Mutter, die ihrer kleinen, dummen Tochter gute Ratschläge geben muss“, spottete Sybille. „Dabei bin ich immer ein paar Jahre älter als du und kenne mich recht gut im Leben aus. Mir macht keiner was vor.“

„Ich weiß nicht. Vielleicht machst du dir selbst etwas vor, Mädchen. Achtest du darauf, dass das Wasser nicht überkocht? Ich will Helga holen.“

„Lass sie noch oben. Frau Witte freut sich, wenn sie heute ein bisschen länger bleibt. Wahrscheinlich hat sie ihr auch schon etwas zu essen gegeben. Sie ist ja ganz närrisch mit Helga.“

„Sie hat das Kind ins Herz geschlossen. Helga hat viel Ähnlichkeit mit dir, sie ist auch so liebenswürdig und charmant.“

„Du bist auch nicht ohne“, glaubte Sybille ihre Schwester trösten zu müssen. „Deine Qualitäten sitzen eben ein bisschen mehr innen. Du bist wirklich hübsch, Ute, und vor allem so solide und … na ja, du bist eine Frau, die Männer gern heiraten.“

„Und du bist eine Frau, von der die Männer träumen“, entgegnete Ute nachdenklich.

„Schönen Dank.“ Sybille strahlte, denn für Komplimente war sie sehr empfänglich, obwohl man sie bisher damit verwöhnt hatte. Sie konnte gar nicht genug Schmeichelhaftes über ihre Person hören.

„Schatz, wäschst du meine Strümpfe mit aus?“ Sybille rieb ihre Wange schmeichelnd an der der Schwester. „Ich bin nicht dazu gekommen. Ach … sag mal, könntest du mir noch ein bisschen Geld geben? Dreißig oder vierzig Mark genügen, du bekommst sie auch ganz bestimmt am Ersten zurück.“

„Wieso hast du kein Geld mehr? Gestern hattest du doch noch über zweihundert Mark.“

Sybille wich Utes verdutztem Blick aus und zuckte die Schultern.

„Als ich heute nach Hause ging, habe ich ein Täschchen gesehen, also so etwas Entzückendes, du kannst es dir nicht vorstellen. Ich wollte es ja auch nicht kaufen, aber du weißt ja, wie das so geht … Ich wollte es mir nur im Geschäft ansehen. Dann hielt ich es in den Händen … na ja, das ist ja auch alles nicht so schlimm, am Ersten gibt es ja schon wieder Geld.“

„Wann wirst du einmal rechnen lernen?“, fragte Ute bedrückt.

„Später. Vom Ersten an. Also, nun sei lieb und gib mir ein bisschen. Ich muss ja vielleicht die Taxe selbst bezahlen … Ach, du glaubst nicht, wie ich mich auf diesen Abend freue. Hier ist übrigens die Tasche. Was sagst du? Ist sie nicht zweihundertzwanzig Mark wert?“

Ute betrachtete das kleine Ding. Hübsch war es, sogar sehr hübsch, und es mochte auch sein, dass zweihundertzwanzig Mark dafür nicht viel waren – für den, der genügend Geld hatte.

Sie wollte hier heraus aus dem Kellerloch, in dem es ewig muffig roch, sie wollte etwas anderes sehen als nur die Beine der Menschen, wenn sie aus dem Fenster schaute. Sie träumte von einer hellen, freundlichen Wohnung, von einer Dusche, von hübschen Gardinen und Möbeln …

„Also, ich geh jetzt. Wenn du wüsstest, wie nett Deter ist, ein richtiger Schatz.“

Ute schaute, ob die Vorhänge zugezogen waren, öffnete Sybilles Kleiderschrank und nahm eines der vielen festlichen Kleider heraus, die ihre Schwester besaß.

Ute beneidete sie nicht darum, denn Neid lag ihrer klaren und sauberen Natur völlig fern, aber heute zum ersten Mal wollte sie ihr verwaschenes Hauskleid gegen ein festlicheres vertauschen.

Die Seide raschelte, als sie Sybilles Kleid über den Kopf zog. Sie schloss den Reißverschluss, und als sie sich mit beiden Händen glättend über ihr Haar gefahren war, staunte sie.

Sie beugte sich vor, als sei sie kurzsichtig geworden.

„Ute, kauf dir auch solch ein Kleid“, riet sie ihrem Spiegelbild. Und schüttelte sofort den Kopf. „Wozu?“, fragte sie traurig. „Du hättest ja doch keine Gelegenheit es anzuziehen. Sei vernünftig, und bescheide dich mit dem, was dir das Leben gegeben hat. Es ist doch bestimmt nicht wenig.“

Bevor sie das Kleid noch ausziehen konnte, schrillte die Türklingel. Besuch um diese Zeit? Wahrscheinlich Frau Witte, die einen Vorwand gefunden hat, bei mir einzudringen und zu klatschen, dachte Ute Gerling.

Ihr Gesicht war recht abweisend, als sie öffnete. Aber nicht Amalie Witte stand draußen – es war ein Mann, und dieser Mann lächelte sehr verlegen und wirkte dadurch irgendwie nett und jungenhaft.

„Sie wundern sich, mich hier zu sehen“, stellte der Mann schüchtern fest. „Guten Abend erst einmal“, wünschte er und verneigte sich leicht. „Es ist nämlich so … Sie verließen heute Abend das Büro so schnell, und dabei haben Sie … das ist doch Ihr Handschuh, nicht wahr?“

Ute schüttelte den Kopf, als sie auf den braunen Lederhandschuh blickte, den Steffen Reuter ihr hinhielt. Der Kollege, ein tüchtiger junger Mann, der es sicher bis zum Prokuristen bringen würde, steckte den Handschuh verwirrt in die Tasche zurück. Er schien auf etwas zu warten, und sein Blick glitt wie trunken über sie hinweg. „Sie sind so schön, Fräulein Gerling“, brachte er scheu hervor, und seine Schüchternheit berührte Ute irgendwie sympathisch.

Steffen Reuter sah nämlich gut aus, und sicherlich hatte er auch viel Erfolg bei Frauen. Mit den anderen im Büro lachte und scherzte er, und dafür vergötterten ihn die Mädchen.

Nur ihr gegenüber war er immer so seltsam wortkarg und zurückhaltend gewesen. Sein Blick eben verriet Ute weshalb: Er mochte sie gern.

„Sie haben abends immer noch viel zu tun“, meinte Steffen leise. „Den ganzen Tag im Büro und dann keine Eltern mehr …“

„Wenn Sie Lust haben, kommen Sie doch noch einen Moment herein“, lud Ute ihn ein. „Ich finde es sehr nett, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, den Handschuh zu bringen.“

„Das ist doch selbstverständlich. Recht schönen Dank auch. Für die Einladung, meine ich“, setzte er noch hinzu.

Immer wieder ertappte Ute ihn dabei, dass er sie verstohlen musterte. Sie freute sich, dass sie heute Abend Sybilles Kleid trug, denn dadurch wuchs ihr Selbstvertrauen.

Und die Bewunderung des Mannes tat ihr wohl. Es kam ja so selten vor, dass irgendjemand sich um sie kümmerte.

„Was darf ich Ihnen anbieten?“, fragte Ute im Wohnzimmer. Sie schämte sich, dass dieser Raum so tief lag.

„Das ist mir gleichgültig. Aber machen Sie sich doch keine Mühe, Fräulein Gerling. Und überhaupt … wenn Sie Lust haben, und wenn Sie nicht zu müde sind, ich meine, vielleicht könnten wir beide dann noch irgendwohin gehen. Ein bisschen tanzen und so.“

„Gern“, gab sie schnell zurück. „Ich ziehe mir eben den Mantel über …“ Während sie sich vor dem Spiegel mit dem Kamm über das Haar fuhr, schaute Steffen Reuter sich im Wohnzimmer um.

Er war ein wenig enttäuscht, weil dieser Raum so ärmlich wirkte. Ute trug im Büro immer hübsche, wenn auch sehr schlichte Kleider, und er hatte es für selbstverständlich gehalten, dass ihre Wohnung genauso sein würde wie sie. Anmerken ließ er sich seine Gedanken nicht.

„Ich bin fertig“, hörte er Utes Stimme und stand sofort auf. Er ging an ihrer Seite die Steinstufen hinauf, bis sie sich auf der Straße befanden. Der Bordstein ging unmittelbar ans Haus heran. Vorgärten gab es in dieser Straße nicht.

„Sie sind sehr schön“, stellte Steffen nach ein paar Minuten schweigenden Gehens leise fest. „So … so ganz anders als die übrigen Mädchen. Wissen Sie, dass ich … dass ich schon lange die Absicht hatte, Sie anzusprechen, aber … irgendwie … sonst bin ich nicht so schüchtern, bestimmt nicht, aber Ihnen gegenüber …“

Ute lächelte warm und herzlich. Sie fand Steffen schrecklich nett, denn wann passierte es ihr schon einmal, dass ein Mann in ihrer Gegenwart zu stottern begann. Ein hübscheres Kompliment hätte er ihr gar nicht machen können.

„Wirke ich denn so abweisend?“, fragte sie kokett.

„Nein. Nur so … so anders …“ Steffen Reuter krauste die Stirn im angestrengten Bemühen, das treffende Wort für ihre Haltung zu finden. „Sie wirken so stolz, so unnahbar. Eben anders“, kam er wieder auf seinen ersten Ausdruck zurück.

In Utes Augen lag ein ganz eigenes Strahlen.

„Das mit dem Handschuh stimmt übrigens nicht“, platzte Reuter plötzlich heraus. „Ich meine, ich wusste, dass es nicht Ihr Handschuh war. Ich dachte nur … ich dachte, irgendeinen Grund muss ich ja angeben, wenn ich bei Ihnen klingele, und Liesel hat gesagt, ich solle nur ihren Handschuh nehmen.“

„Was Sie dann auch taten.“ Ute lachte. Sie fand Reuters Schwester sympathisch, ohne sie zu kennen. „Ein ausgezeichneter Gedanke.“

„Finden Sie wirklich?“, fragte Steffen und schob seinen Arm eilig unter den ihren. Sie gingen jetzt dicht nebeneinander, und er hielt sich aufgereckter als vorher. Etwas von seiner Schüchternheit hatte sich verloren.

Ute lächelte nur, ohne seine Frage zu beantworten. Ich darf ihn nicht zu sehr ermutigen, denn sonst versteht er mich falsch.

„Gleich sind wir da“, glaubte Steffen ihr erzählen zu müssen. „Ich spare jetzt für ein Auto, so in einem halben Jahr etwa habe ich das Geld zusammen, und dann brauchen Sie nicht mehr zu Fuß zu gehen.

„Ich?“, fragte Ute mit fröhlichem Spott.

Steffen bekam prompt einen roten Kopf. Er schaute in ihre übermütigen Augen und lächelte verzerrt.

„Sie wissen doch schon, wie ich es gemeint habe“, äußerte er stockend. „Ich meine, wenn wir uns vielleicht später wiedertreffen …“

Er war wirklich nett. Ute spürte ein fast mütterliches Gefühl ihm gegenüber. Sie war ein paar Jahre jünger als er, fühlte sich aber viel reifer und überlegener.