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Elektromeister und Witwer Arthur Wittrich lebt mit seinem beiden erwachsenen Töchtern zusammen. Die Ältere Gabriele führt ihm den Haushalt und hilft auch im Laden mit. Als Arthur völlig überraschend verkündet, dass er wieder heiraten wird, sind die Töchter nicht sehr angetan. Wenige Tage später machen Gabriele und ihre Schwester große Augen, als der Vater ihnen seine Zukünftige Beate vorstellt. Während des Essens fliegt ihr Blick immer wieder zu der allzu jungen Frau am Tisch, die äußerlich so wenig zu ihrem Vater passt. Die ältere Tochter hat ein ungutes Gefühl.
Dieses soll sich nach der Hochzeit leider bewahrheiten. Die junge Stiefmutter Beate kommandiert sie den ganzen Tag herum und macht selbst keinen Finger krumm. Gabriele wagt es, ihr offenen Widerstand zu leisten, doch dadurch gerät sie mit dem Vater aneinander. Er nimmt Beate in Schutz und wirft seiner Tochter Fehlverhalten vor. Gabriele sieht keinen anderen Ausweg, als ihr Heim zu verlassen. Der vor Liebe verblendete Vater hält sie nicht zurück, und die junge Frau erkennt, dass sie nun kein Elternhaus mehr hat ...
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Seitenzahl: 164
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Seine allzu junge Frau
Vorschau
Impressum
Seine allzu junge Frau
Ein ergreifender Liebes- und Schicksalsroman
Von Ina Ritter
Elektromeister und Witwer Arthur Wittrich lebt mit seinen beiden erwachsenen Töchtern zusammen. Die Ältere Gabriele führt ihm den Haushalt und hilft auch im Laden mit. Als Arthur überraschend verkündet, dass er wieder heiraten wird, sind die Töchter nicht sehr angetan. Wenige Tage später machen Gabriele und ihre Schwester große Augen, als der Vater ihnen seine Zukünftige Beate vorstellt. Während des Essens fliegt ihr Blick immer wieder zu der jungen Frau am Tisch, die äußerlich so wenig zu ihrem Vater passt. Die ältere Tochter hat ein ungutes Gefühl.
Dieses soll sich nach der Hochzeit leider bewahrheiten. Die junge Stiefmutter Beate kommandiert sie den ganzen Tag herum und macht selbst keinen Finger krumm. Gabriele wagt es, ihr offenen Widerstand zu leisten, doch dadurch gerät sie mit dem Vater aneinander. Er nimmt Beate in Schutz und wirft seiner Tochter Fehlverhalten vor. Gabriele sieht keinen anderen Ausweg, als ihr Heim zu verlassen. Der vor Liebe verblendete Vater hält sie nicht zurück, und die junge Frau erkennt, dass sie nun kein Elternhaus mehr hat ...
»Wo Vater nur so lange bleiben mag?« Gabriele Wittrich krauste die Stirn, als sie einen Blick auf die Küchentür geworfen hatte. »Es ist schade um das gute Essen.«
Susanne, ihre jüngere Schwester, zuckte gleichmütig die Schultern.
»Er kommt in letzter Zeit abends oft spät nach Hause.«
Arthur Wittrich war Inhaber eines kleinen Elektrogeschäftes und reparierte viele Apparate bei seinen Kunden im Hause. Seine Töchter wussten deshalb nie mit Sicherheit, wann er abends zurückkehrte.
Aber wann immer es auch sein mochte, eine warme Mahlzeit stand für ihn bereit. Dafür sorgte Gabriele, die im Ganzen viel pflichtbewusster war als ihre leichtfertige Schwester Susanne.
»Ich denke, ich werde ...« Mitten im Satz brach Susanne ab und erhob sich. »Da ist doch Vater!«, äußerte sie, und das Strahlen, das jetzt über ihr Gesicht ging, verriet deutlich, wie sehr auch sie an ihm hing.
Sie stürzte geradezu nach der Wohnungstür, um sie zu öffnen.
»Wie schön, dass du endlich nach Hause kommst«, hörte Gabriele sie draußen sagen. »Es ist wieder so spät geworden. Komm herein, du wirst hungrig sein. Du, heute gibt es etwas Wunderschönes. Das Gemüse ist eine Wucht. Aber du sagst ja gar nichts.«
»Du lässt mich ja auch gar nicht zu Worte kommen.«
Gabriele lächelte, als sie diese Bemerkung hörte. Sie stimmte ja nur zu genau. Susanne redete zu gern, und sie merkte manchmal gar nicht, dass sie ganz allein sprach.
Ihr Vater trat ein, ein Mann in den besten Jahren, wie Gabriele ihn bezeichnet hatte. Ein Witwer außerdem, der allerdings vorbildlich für seine Töchter sorgte.
Er nickte seiner Ältesten freundlich zu, und doch hatte Gabriele irgendwie den Eindruck, als fehle ihm die frühere Unbefangenheit.
Ja, mied er nicht sogar ihren Blick und schaute schnell zur Seite, als sich ihre Augen einen Moment trafen?
»Was gibt es Neues?«, fragte Gabriele gewohnheitsmäßig.
Arthur Wittrich schob die Unterlippe vor, als müsse er nachdenken. Ein paar Querfalten kerbten sich in seine gebräunte Stirn.
Unwillkürlich schaute Gabriele auf seine Hände. Er hatte sie auf die Knie gelegt, aber seine Finger spielten nervös miteinander. So, wie er dasaß, konnte man meinen, er habe ein schlechtes Gewissen.
»Was es Neues gibt?«, wiederholte der Vater langgezogen. »Eigentlich nicht viel.«
»Hast du wieder ein paar Fernsehapparate repariert und damit einigen Familien die Ruhe genommen?«, fragte Susanne übermütig.
»Ja, das auch. Setzt euch doch mal, Kinder.«
»Das klingt ja so feierlich.« Susanne stieß ein übermütiges Lachen aus. »Was hast du denn auf dem Herzen, alter Herr?«
»Bitte, ich bin keineswegs alt.« Arthur Wittrichs Stimme klang eine Spur gereizt, und dieser Ton war so neu, dass die Töchter stutzten.
Sie verständigten sich mit einem schnellen Blick. Ein wenig ratlos zuckte Gabriele die Schultern. Sie wusste auch nicht, was diese Bemerkung zu bedeuten hatte.
»Eure Mutter ist nun schon mehr als zehn Jahre tot. Sie war eine gute Frau, wir ... wir haben eine glückliche Ehe geführt.«
Die beiden Mädchen nickten. Sie wussten es ja am besten selbst.
»Es ist nämlich so ... « Die Fingergelenke des Elektromeisters knackten, als er nervös daran zog. »Also, um es kurz zu machen, ich möchte wieder heiraten.«
»Was?«, fragte Susanne perplex, während Gabriele kein Wort herausbringen konnte.
»Ja, fühlst du dich denn nicht wohl bei uns?«, wollte Susanne wissen. »Ich meine, wir sorgen doch so gut für dich, du hast doch alles, was du brauchst.«
»Kindskopf«, entgegnete der Mann weich und zärtlich. »Eines Tages werdet ihr ausfliegen und mich allein zurücklassen«, sagte er. »Das ist der Lauf der Welt, und ich habe mich damit abgefunden. Ich ... ich werde dann allein zurückbleiben.«
»Ich heirate nie!«, protestierte Susanne heftig.
Ihr Vater lächelte nachsichtig.
»Beate wird euch gefallen«, sagte er, als habe seine Tochter ihn nicht unterbrochen. »Sie ist eine prächtige Frau. Sehr häuslich, sehr ordentlich, und ich glaube, ihr werdet euch gut verstehen.«
Gabriele senkte den Kopf noch tiefer.
»Wie alt ist sie?«, wollte sie leise wissen.
Vater Arthur räusperte sich. Seine Zungenspitze fuhr über seine trockenen Lippen.
»Etwas jünger als ich«, brachte er schließlich hervor.
»Und was wird aus uns?«, fragte Susanne. »Wie konntest du uns das nur antun, Vater? Eine fremde Frau im Hause, die immer alles besser weiß und uns hin und her kommandiert ... das geht nicht gut. Ich weiß, dass es nicht gutgehen wird.«
Der Mann fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Tausend kleine Schweißperlen standen dort. Er hatte gewusst, dass es für seine Töchter nicht leicht sein würde, diese überraschende Eröffnung hinzunehmen.
»Lernt Beate doch erst einmal kennen. Ich habe sie für morgen Abend eingeladen.«
»Ich will sie nicht sehen.« In Susannes Augen funkelten Tränen. »Weshalb musste alles so kommen? Wir waren immer so glücklich miteinander, und nun passiert so etwas.«
»Sei vernünftig, Suse!« Gabriele hatte sich überraschend schnell gefasst und legte die Rechte begütigend auf den Blondkopf der Schwester. »Dein Essen wird kalt, Vater«, erinnerte sie.
Der Mann warf ihr einen dankbaren Blick zu. Auf Gabriele konnte man sich doch immer verlassen.
»Ich gehe jetzt ins Bett«, stieß Susanne mit tränenerstickter Stimme hervor. »Gute Nacht.«
»Bekomme ich keinen Gutenachtkuss?«, fragte der Vater, als seine Tochter die Tür bereits erreicht hatte.
Nach einem winzigen Moment des Zögerns lief Susanne zurück und presste ihre Lippen für einen Moment auf seine Stirn. Dann lief sie endgültig hinaus.
Vater Arthur tat, als schmecke ihm das Essen, aber Gabriele sah deutlich, dass er gar nicht wusste, was er aß. Mit seinen Gedanken schien er weit fort zu sein.
»Mein Entschluss kommt für euch etwas überraschend«, stellte er fest und ließ das Besteck sinken. »Ich verstehe Susannes Reaktion. Und ich danke dir, Gaby. Du bist ein vernünftiger Kerl.«
Seine Älteste drehte sich hastig herum und ließ Wasser in die Abwaschschüssel laufen. Es war nicht nötig, dass der Vater ihre Tränen sah, die unwillkürlich in ihr aufstiegen. Sie war ja gar nicht so vernünftig, wie er glaubte. Aber was blieb ihr schließlich anderes übrig, als sich mit dem Entschluss des Vaters abzufinden? Er war doch alt genug, um zu wissen, was er zu tun und zu lassen hatte.
»Beate wird euch bestimmt gefallen«, hörte sie die Stimme hinter ihrem Rücken.
Und sie klang, als wolle der Mann sich selbst überzeugen.
***
Selbstverständlich blieb Susanne am nächsten Abend zu Hause, wenn ihr Gesicht auch alles andere als freundliche Erwartung ausdrückte. Gabriele trug gleichfalls ein hübsches Sommerkleid, über das sie sich eine bunte Schürze gebunden hatte.
Heute würde es ein großes Essen geben, sogar Wein hatte der Vater besorgt.
»Für uns ist er niemals auf den Gedanken gekommen, Wein zu kaufen«, murrte Susanne. »Ich möchte nur einmal wissen, was an dieser Beate so Besonderes dran ist. Ob die immer Wein trinkt?«
»Kindskopf«, schalt Gabriele lächelnd. »Heute ist doch ein besonderer Tag.«
»Aber kein schöner«, ergänzte ihre Schwester.
Die Türklingel schlug an, als Gabriele das Wischtuch zum letzten Male über dem Eimer auswrang. Im Gehen nahm Gabriele das Kopftuch ab, unter dem sie ihr wundervolles goldblondes Haar geschützt hatte. Für die Schürze blieb keine Zeit mehr. Sie öffnete die Tür, ein befangenes, abwartendes Lächeln im Gesicht.
Ihre Stiefmutter? Nein, eine junge Frau stand draußen, wahrscheinlich eine Vertreterin für Waschmittel oder Schuhcreme.
»Guten Abend«, sagte die Fremde. »Sie sind Gabriele, nicht wahr? Ich heiße Beate, Beate Rudloff.«
»Das ist doch nicht möglich«, stieß das junge Mädchen hervor.
»Warum nicht?«, wollte Fräulein Rudloff wissen und zog die Brauen amüsiert in die Höhe. »Ich kenne meinen Namen, Fräulein Gabriele. Darf ich hereinkommen?«
Sie wartete keine Antwort ab, sondern trat selbstsicher über die Schwelle.
»Hübsch habt ihr es«, lobte sie schon auf dem Flur. »Nur den Spiegel hättet ihr an die Schmalwand hängen müssen. Das Licht ist dann besser, verstehen Sie? Aber sonst ist es wirklich sehr hübsch.«
Fast hätte Gabriele gefragt, wie alt sie sei.
Mein Gott, dachte sie, Vater kann doch nicht im Ernst diese junge Frau heiraten wollen.
Für sie war es eine Erlösung, als der Vater jetzt aus dem Schlafzimmer herauskam. Er trug seinen dunklen Anzug und eine silbergraue Krawatte dazu.
Er sah sehr gut aus, viel jünger als sonst, fand seine Tochter. Es mochte an dem Strahlen liegen, das auf seinem Gesicht lag.
»Beate.« Er nahm die Rechte der Frau und legte sie einen Moment an seine Wangen. »Wie schön, dass du pünktlich bist.«
Er liebt sie, dachte Gabriele, er liebt sie wirklich.
»Komm ins Wohnzimmer. Ist das Essen fertig, Gaby?« Vater Arthur zog seine künftige Frau über die Schwelle. Er hatte den Arm dabei zärtlich um ihre Schultern gelegt.
»Ja, ich bringe das Essen sofort herein. Wo ist Susanne?«
Sie stand im Wohnzimmer, die Augen ungläubig aufgerissen. Sie schüttelte verwirrt den Kopf, als sie auf Beate Rudloff schaute.
Sie konnte sich nicht so gut zusammennehmen wie Gabriele, sie zeigte, was sie dachte und fühlte.
»Susanne.« Fräulein Rudloff ging mit ausgestreckten Händen auf sie zu. »Ich freue mich ja so, Sie endlich kennenzulernen. Ihr Vater hat mir so viel von Ihnen erzählt. Aber er hat mir nie gesagt, dass Sie so reizend sind. Weshalb hast du mir das verschwiegen, Arthur?«, wandte sie sich schmollend an den Mann.
Elektromeister Wittrich schmunzelte breit über das ganze Gesicht. Die beiden würden sich schon verstehen. Er war so recht von Herzen glücklich.
Ein erstes schüchternes Lächeln stahl sich scheu in Susannes Züge.
»Ich hatte Sie mir ganz anders vorgestellt«, bekannte sie offen.
»Soll das ein Kompliment sein oder ...?«
»Ich dachte nicht, dass Sie so nett sein würden«, platzte Susanne heraus und wurde prompt rot. Es war schrecklich mit ihr, dass sie ihr Herz so sehr auf der Zunge trug.
Aber ihr Vater lachte nur so recht von Herzen froh. Stolz schaute er auf seine Tochter.
»Ihr beide werdet euch schon gut verstehen, meine ich«, äußerte er zufrieden.
Das Essen schmeckte ihnen allen gut, jedenfalls lobten es alle. Keinem fiel auf, dass Gabriele kaum etwas aß. Immer wieder ging ihr Blick zu der jungen Frau am Tisch, die äußerlich so wenig zu ihrem Vater passte.
Selbstverständlich sah Arthur Wittrich gut aus, aber seinen Händen sah man an, dass sie körperliche Arbeit gewohnt waren. Die Fingernägel waren kurz, und in den Rillen der Haut saß immer etwas Schmutz. Alles Waschen brachte ihn nicht fort.
Beate Rudloff dagegen wirkte unerhört gepflegt. Ihren Fingern traute man nicht zu, dass sie imstande waren, körperliche Arbeit zu verrichten. Was war sie wohl von Beruf?
Gabriele hätte es gern gewusst, mochte aber nicht danach fragen. Der Vater würde es ihr bestimmt schon sagen.
Etwas später ging Gabriele in die Küche, um das benutzte Geschirr abzuwaschen. Aus dem Wohnzimmer hörte sie frohe, lachende Stimmen. Man schien sich dort gut zu unterhalten. Auf den Gedanken, ihr beim Abwasch zu helfen, kam niemand.
»Ich finde sie prima«, verriet Susanne spätabends, als sie noch schnell in das Zimmer ihrer Schwester gehuscht war, um sich noch einmal auszusprechen. »Sie ist wirklich nett. Ich darf sie Beate nennen. Mutter hätte auch nicht zu ihr gepasst, findest du nicht auch?«
»Allerdings«, bestätigte Gabriele trocken.
»Sie kann sogar segelfliegen«, erzählte Susanne weiter. »Ich finde das einfach toll.«
»Kann sie auch kochen?«, fragte Gabriele zurück.
»Kochen?«, kam das Echo. »Nun ... ich meine, ist denn das so schlimm? Schließlich wissen wir am besten, was Vati gern isst ...«
»Ach so. Es bleibt alles beim Alten, jedenfalls was uns angeht. Nur dass ich jetzt für einen mehr kochen muss. Und für einen mehr saubermachen muss.«
»So viel Arbeit mehr ist das ja nicht. Ich helfe dir auch, Gaby, sei doch nicht garstig. Du, hättest du das unserem Vater zugetraut? Ich meine, dass der sich eine solch junge, schicke Frau zulegt?«
Ihre Schwester lächelte in der Dunkelheit, aber es war ein bitteres Lächeln. Wie schnell hatte die junge Frau es verstanden, Susanne für sich einzunehmen. Natürlich war ihre Schwester leicht zu beeinflussen, aber Gabriele fand es doch sehr sonderbar, wie wenig Urteilsvermögen Susanne besaß.
»Wie sie sich wohl hinter dem Ladentisch unseres Geschäftes machen wird?«, sagte Gabriele. »Wenn Kunden kommen, und sie soll ihnen Lampen oder Kühlschränke verkaufen.«
»Das kann Beate bestimmt. Wenn ich es sogar kann ...«
Susanne hielt wenig von ihren Fähigkeiten, und das mit einem gewissen Recht. Kam ein Kunde, so pflegte sie in den allermeisten Fällen Gabriele aus der Küche zu holen. Sie drückte sich überhaupt gern, die kleine Susanne Wittrich.
Aber sie machte es so liebenswürdig und charmant, dass man ihr einfach nicht böse sein konnte.
»Ich denke, wir schlafen jetzt. Es ist spät genug geworden.«
»Du hast wohl recht, aber müde bin ich überhaupt nicht.« Susanne stand auf und strafte ihre Worte Lügen, indem sie lange und ausgiebig gähnte. »Sie wollen auch bald heiraten. In vier Wochen schon. Dann kommt endlich mal ein bisschen Leben in die Bude hier.«
***
»Ich soll dich grüßen.« Susanne wirbelte in den Laden hinein und strahlte Gabriele an, die sie hinter dem Ladentisch vertreten hatte. Mit der roten Mütze auf dem blonden Haar sah sie ganz allerliebst aus. Ihre ein wenig keck nach oben gerichtete Nase passte gut zu ihren strahlenden Augen.
Gabriele ordnete weiterhin die Rechnungen, ohne von Susanne große Notiz zu nehmen.
»Du fragst nicht, von wem?«, stellte Susanne schmollend fest. »Dabei ist er so schrecklich nett. Ich wünschte, er würde mich einmal anschauen, aber er hat ja nur Augen für dich.«
»Von wem sprichst du?«, erkundigte sich Gabriele gleichmütig. Sie nahm das Schwärmen ihrer kleinen Schwester nicht so ganz ernst.
»Von Knud natürlich, Pardon, wollte sagen Herrn Hellmering.«
Leichte Röte war Gabriele ins Gesicht gestiegen. So gleichmütig, wie sie sich gab, war sie keineswegs. Knud gehörte nämlich zu den Männern, die imstande waren, das Herz einer Frau höherschlagen zu lassen. Natürlich zeigte sie nicht, dass er ihr gefiel, aber heimlich wanderten ihre Gedanken oft zu ihm.
Er arbeitete als Inspektor auf einem Gut in der Nähe der mittelgroßen Stadt, in der sie lebten.
Auf einem Fest hatte Gabriele ihn kennengelernt. Seitdem trafen sie sich ab und zu einmal, wenn Knud geschäftlich in der Nähe zu tun hatte. Sie gingen manchmal tanzen, ins Kino, und manchmal machten sie ausgedehnte Wanderungen. Von Liebe hatte Knud bisher noch kein Wort gesagt.
»Nun hat es dir also doch die Sprache verschlagen«, stellte Susanne befriedigt fest. »Ich möchte nur einmal wissen, wie es kommt, dass du immer so nette Männer kennenlernst, und ich nicht. Zugegeben, du siehst gar nicht übel aus, aber wenn ich so in den Spiegel schaue, finde ich, dass ich mich auch sehen lassen kann.«
Susanne streckte ihrer Schwester die Zunge heraus und lief dann an ihr vorbei nach hinten.
»Du, ich glaube, das Essen brennt an«, rief sie aus der Küche heraus.
Auf den naheliegenden Gedanken, selbst etwas für die gefährdete Mahlzeit zu tun, kam sie offenbar nicht.
Seufzend ließ Gabriele die Rechnungen im Stich und drehte das Gas kleiner. Praktisch ruhte die ganze Last des Haushaltes auf ihren Schultern.
Susanne war zwar ständig in Bewegung, aber sie schaffte eigentlich gar nichts.
»Ich freue mich schon auf morgen«, sagte das junge Mädchen versonnen. Ihre Augen hatten einen romantischen Schimmer. »Ob sie wohl glücklich werden?«
»Bestimmt.« Gabriele hoffte es jedenfalls von ganzem Herzen, denn so sicher, wie sie sich gab, war sie über diesen Punkt keineswegs. Morgen wollte ihr Vater eine sehr viel jüngere Frau heiraten.
Es gab nichts, was sie gegen Beate Rudloff hätte sagen können. Ihre künftige Stiefmutter war stets sehr höflich, trat fast bescheiden auf und stellte keinerlei Ansprüche.
Und doch war es Gabriele manchmal bang ums Herz. Ihr Vater war solch ein guter Mann, er hatte die beste Frau verdient, die es überhaupt nur gab. Würde Beate imstande sein, ihm das Glück zu schenken, das er verdiente?
Die Ladenklingel schlug an. Gabriele überzeugte sich mit einem raschen Blick, dass in der Küche nichts Schlimmes passieren konnte, dann eilte sie nach vorn.
»Guten Tag«, wünschte sie mit einem freundlichen Lächeln.
Dann weiteten sich ihre Augen. Knud stand vor ihr, ein gut aussehender, selbstsicherer junger Mann, dessen Blick mit warmem Schein auf ihrem Gesicht ruhte.
»Gaby«, sagte er herzlich und presste ihre Rechte mit beiden Händen. »Du wirst immer schöner«, fuhr er fort. »Lass dich einmal richtig anschauen, Liebes.«
Es war das erste Mal, dass er sie so anredete. Das Mädchen schlug die Augen verlegen nieder, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Wangen sich mit einem rosigen Schein überzogen.
»Ich habe heute eine Gehaltsaufbesserung zugesagt bekommen«, fuhr Knud fort. In seiner Stimme schwang ein Jubel mit, der Gabriele zwang, den Blick scheu zu ihm zu heben.
Eine Frage lag in ihren Augen, die Knud prompt beantwortete.
»Du willst wissen, was dich das angeht?«, stellte er fest. »Ich hoffe, sehr viel, Liebes. Jetzt verdiene ich genug, um ein Mädchen bitten zu können, meine Frau zu werden.«
Er griff nach ihrer Rechten, und diesmal hielt er sie fest, obwohl die Hand des Mädchens leicht zuckte.
»Willst du meine Frau werden, Gaby?«, fragte er mit dunkler, werbender Stimme. »Ich habe dir noch nie gesagt, was du mir bedeutest. Ich durfte es nicht, ich verdiente zu wenig.«
»Aber Knud ...«
»Nun sag schon Ja!« Susanne hatte es nicht lassen können, ihren Kopf in den Laden zu stecken, und das ganze Gespräch mitangehört. »So einen wie Knud bekommst du so schnell nicht wieder.«
Der Mann lachte laut auf, so drollig hatten ihre Worte geklungen.
Susanne stampfte wütend mit dem Fuß auf den Boden. Sie liebte es gar nicht, dass man sich über sie lustig machte.
»Bilden Sie sich bloß nichts ein«, teilte sie Knud hochfahrend mit.
»Schon gut, kleines Fräulein.« Der Mann zog Gabriele in die Arme. »Nun, Kleines, wie ist es?«, fragte er.
»Lass mir noch etwas Zeit. Deine Worte kommen mir so plötzlich ...«
»In welchem Jahrhundert lebst du eigentlich«, mischte sich Susanne vorlaut ein.
»Geh jetzt!«, herrschte Gabriele sie an.
Sie fuhr sich mit der Hand leicht über die Stirn. Sie hatte plötzlich Kopfschmerzen. Aber liebte sie Knud nicht, hatte sie nicht manchmal gedacht, wie schön es wäre, seine Frau zu sein?
Natürlich hatte sie es, und nun, wo die Erfüllung ihres Wunsches so dicht vor ihr stand, nun auf einmal zögerte sie. Es war Torheit.
»Ja«, sagte sie fest und klar. »Ja. Knud, ich will deine Frau werden.«
»Na endlich«, mischte sich Susanne wieder ein. Diesmal fand sich keiner, der sie zurechtwies, denn Knud hatte etwas Besseres zu tun, als zu sprechen.
Er küsste den Mund des Mädchens, das er liebte. Für ihn gab es nichts weiter auf der Welt als nur Gabriele.
»Wann wollen wir heiraten?«, fragte er, als er seine Lippen endlich widerstrebend von ihrem süßen Mund gelöst hatte. »Was hältst du davon, wenn wir im Spätherbst heiraten? Bis dahin kann ich genügend gespart haben, und große Ansprüche stellen wir ja beide nicht.«
