Lore-Roman 93 - Regina Rauenstein - E-Book

Lore-Roman 93 E-Book

Regina Rauenstein

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Beschreibung

Einst waren Marion und Rudolf glücklich, doch heute liegt ihre Ehe in Scherben. Während Rudolf sehr viel auf Reisen war, blieb Marion oft allein. Ihre nie schlummernde Eifersucht machte ihr das Herz zunehmend schwer, denn sie litt sehr an der Einsamkeit.
Heute steht zwischen den Eheleuten eine unüberwindbare Mauer, denn Marion ist sicher, einen Beweis dafür zu haben, dass Rudolf sie auf seinen Reisen betrügt. Das Recht, sich zu den ungeheuerlichen Anschuldigungen zu äußern, verweigert sie ihrem Mann.
Marion will nur noch fort, ihre Ehe ist ihr zu einem Gefängnis geworden. Sie spürt nichts mehr als Hass und Verachtung für Rudolf. Aber ihr Mann will sie nicht gehen lassen und setzt alles auf eine Karte. Er wagt ein Spiel mit hohem Einsatz und nimmt sich etwas, was Marion ihm freiwillig niemals mehr gegeben hätte ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Nur sein Kind war ihr geblieben

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Natalia Bostan / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0578-3

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Nur sein Kind war ihr geblieben

Muss sie immer auf Liebe verzichten?

Von Regina Rauenstein

Einst waren Marion und Rudolf glücklich, doch heute liegt ihre Ehe in Scherben. Während Rudolf sehr viel auf Reisen war, blieb Marion oft allein. Ihre nie schlummernde Eifersucht machte ihr das Herz zunehmend schwer, denn sie litt sehr an der Einsamkeit.

Heute steht zwischen den Eheleuten eine unüberwindbare Mauer, denn Marion ist sicher, einen Beweis dafür zu haben, dass Rudolf sie auf seinen Reisen betrügt. Das Recht, sich zu den ungeheuerlichen Anschuldigungen zu äußern, verweigert sie ihm.

Marion will nur noch fort, ihre Ehe ist ihr zu einem Gefängnis geworden. Sie spürt nichts mehr als Hass und Verachtung für Rudolf. Aber ihr Mann will sie nicht gehen lassen und setzt alles auf eine Karte. Er wagt ein Spiel mit hohem Einsatz und nimmt sich etwas, was Marion ihm freiwillig niemals mehr gegeben hätte ...

Es war ein sonniger Tag, als Walter von Gerhard seinen Wagen durch die stillen Straßen der Gartenvorstadt lenkte. Wie Schmuckkästchen wirkten die kleinen Häuschen, die von wildem Wein und Rosen umrankt waren. Wohin das Auge sah, blühten Blumen in verschwenderischer Fülle, und ihr betörender Duft hing in der Luft.

Träumend sah er in das farbige Blütenmeer. Ein Lächeln lag um seinen Mund. Ja, so würde auch einmal sein Haus aussehen, das er sich bauen ließ, um die geliebte Frau damit zu überraschen.

Walter von Gerhard atmete tief die vom Blütenduft geschwängerte Luft. In seinen dunklen Augen schimmerte eine sehnsüchtige Zärtlichkeit.

»Mari«, flüsterte er.

Der Mann war in seinen Gedanken versunken. Helles Kinderlachen schreckte ihn plötzlich auf. Wie erwachend sah er sich um und lenkte dann den Wagen vorsichtig durch die kleine übermütige Schar, die sich unbekümmert auf der Straße tummelte.

Plötzlich tauchte ein kleines Mädchen mit wehendem Röckchen dicht vor seinem Wagen auf. Ein einziger Schrei erklang ...

Ruckartig trat Walter von Gerhard auf die Bremse, dass der Wagen mit einem harten Ruck zum Stehen kam. Kreidebleich sprang er hinaus und beugte sich mit zitternden Knien über das Kind, das mit geschlossenen Augen vor ihm lag. Mit bebenden Händen tastete er den kleinen Körper ab, der außer ein paar Hautabschürfungen zum Glück keine Verletzung aufwies. Ein erleichterter Atemzug hob seine Brust.

»Ich glaube, es ist noch einmal gutgegangen«, wandte er sich mit heiserer Stimme an die Umstehenden, die aus den Häusern gelaufen waren und nun die Unglückstelle umstanden. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Kennt einer von euch das Kind? Wohnt es hier in der Nähe?«

Ein paar Kinder wiesen auf das gegenüberliegende Haus. Der Mann richtete sich etwas auf und schüttelte den Kopf.

»Wie kann man ein so kleines Kind ohne jede Aufsicht lassen?«, sagte er dann unwillig. Er hob die Kleine vorsichtig auf und überquerte mit schnellen Schritten die Straße.

In diesem Augenblick fühlte er sich am Arm berührt.

Eine weinende Kinderstimme flehte: »Bitte, bitte, sagen Sie Frau Barring, dass ich keine Schuld habe.« Ein paar nasse Augen sahen ihn flehend an. »Ich musste auf die kleine Gitta aufpassen. Aber sie ist mir einfach davongelaufen, und ehe ich sie einholen konnte, da war es schon geschehen.«

Walter von Gerhard blieb stehen. Mit ernsten Augen sah er auf das kleine Mädchen hinunter, das ungefähr elf Jahre war.

»Du brauchst keine Angst zu haben, Kleine. Du hast keine Schuld an dem, was passiert ist«, versicherte er.

Dankbar leuchteten die Augen des Kindes auf, dann eilte es vor ihm auf das Haus zu und öffnete die Tür.

***

Marion Barring hatte von dem Vorfall auf der Straße nichts bemerkt. Sie saß über eine feine Stickerei gebeugt. Sie ahnte nicht, dass ihr kleines Mädchen in Lebensgefahr schwebte.

Als die Tür ungestüm aufgestoßen wurde, hob sie unwillig den Kopf und sah das eintretende Mädchen erstaunt an. Aber der Verweis, den sie schon auf der Zunge hatte, erstarb, als sie den Mann ins Zimmer kommen sah. Ihre Augen weiteten sich beim Anblick ihres Kindes auf seinen Armen. Ihr blutleerer Mund öffnete sich zu einem Schrei. Doch kein Laut war zu hören.

Sie sah nur das Kind, ihr kleines Töchterchen. Sie hatte keinen Blick für den Mann, der bei ihrem Anblick wie unter einem Schlag zusammenzuckte. Er sah sie aus fassungslosen Augen an.

Langsam stand die Frau auf. Sie machte ein paar unsichere Schritte auf den Mann zu, der noch immer in der Tür stand, ihr Kind auf dem Arm hielt und mit einem überraschten Blick auf die bleiche Frau sah.

Aber die sah nur ihr Kind. Ihre Hände hoben sich. Eine fürchterliche Angst stand in ihren Augen.

»Was ist geschehen? O mein Gott, was ist mit Gitta?«, fragte sie.

»Es ist noch einmal gutgegangen, Marion«, sagte er, und seine Stimme klang spröde.

Bei seinen Worten schlug das Kind in seinen Armen die Augen auf. Verständnislos hingen die dunklen Kinderaugen an dem Gesicht des fremden Mannes. Jäh bäumte sich der kleine Körper auf. Verlangend streckte die Kleine die Arme nach der Mutter aus.

»Mami, Mami«, jammerte es.

Mit einem Satz stand die Frau vor dem Mann. Sie riss ihm ungestüm das Kind aus den Armen und presste es lachend und weinend an sich.

»Mein Liebling, mein kleiner Liebling. Mein Gott, wie konnte das geschehen?«

Sie begann, den kleinen Körper in fieberhafter Erregung abzutasten.

»Ist dir auch wirklich nichts geschehen? Hast du keine Schmerzen, Gitta?«

Walter von Gerhard stand mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt und sah sie unverwandt an.

Erst nach einer Weile besann sich Marion Barring auf den fremden Mann, der ihr das Kind gebracht hatte. Langsam hob sie den tränenschweren Blick. Doch das Wort des Dankes blieb ungesprochen. Mit einem leisen Aufschrei wich sie zurück.

»Du ...?«, entrang es sich ihr nach einer Weile.

Ganz langsam stieg eine dunkle Schamröte in ihr bleiches Gesicht. Mit einem unergründlichen Blick sah er sie an. Dann nickte er.

»Ja, Marion. Ich bin es. Ausgerechnet mir musste dein Kind vor den Wagen laufen. Wenn das kein Wink des Schicksals war.«

Tief senkte sich der blonde Frauenkopf, wie unter einer schweren Schuld.

Ein Schluchzen zitterte durch ihre Stimme, als sie leise flehte: »Verzeih mir, Walter! Ich konnte dir die Wahrheit nicht sagen. Es ging über meine Kraft.«

Der Mann zwang sich zur Ruhe. Jetzt war nicht die Zeit, um Geständnisse zu machen.

»Lege erst einmal das Kind hin, und rufe einen Arzt! Ich muss die Gewissheit haben, dass der Kleinen nichts geschehen ist. Über das andere, was uns beide angeht, können wir später noch sprechen.«

Er wandte sich an das kleine Mädchen, das noch immer weinend neben ihm stand.

»Ich habe doch keine Schuld«, beteuerte es schluchzend.

»Nein, du hast keine Schuld.« Er fuhr dem Kind zart über das Haar. Dann griff er in seine Tasche und holte ein Geldstück hervor. »Kauf dir etwas auf den Schreck, Kleines.«

Die tränennassen Augen leuchteten dankbar auf. Das Mädchen knickste und sah ihn voll Vertrauen an; dann wandte es sich an die Frau, die ihr Kind mit zitternden Händen in sein Bettchen gelegt hatte.

»Ich sage beim Doktor Bescheid, Frau Barring, gell?«

Stumm nickte die Frau. Sie konnte nicht sprechen. Angst presste ihr die Kehle zusammen. Plötzlich sank sie an dem Kinderbett in die Knie. Ein trostloses, verzweifeltes Weinen schüttelte sie. Es war eine lähmende Stille im Zimmer; nur das unterdrückte Weinen der Frau war zu hören. Es riss und zerrte an den Nerven des Mannes, der die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht auf die weinende Frau zu stürzen und sie tröstend in seine Arme zu nehmen.

Nein, erst musste er wissen, warum sie ihn belogen hatte! Warum hatte sie ihm nicht die Wahrheit gesagt? Er hatte nichts davon gewusst, dass sie ein Kind hatte. Hatte sie so wenig Vertrauen zu ihm? Schätzte sie ihn so schlecht ein, dass sie Angst hatte, ein Kind könne ihn zurückschrecken? Warum nur hatte sie in all den Wochen geschwiegen? War sie sich seiner Liebe so wenig sicher?

Grübelnd wandte der Mann sich ab. Er trat an das Fenster und sah mit brennenden Augen hinaus. Vergebens suchte er nach einer Antwort. Er wusste keine. Er konnte es nicht fassen, dass Marion ihn so hatte hintergehen können.

Der eintretende Arzt unterbrach sein Grübeln. Schnell trat er auf den Doktor zu, nannte seinen Namen.

»Ich glaube, Herr Doktor, der Kleinen ist nichts geschehen. Aber ich möchte Sie doch bitten, die Kleine gründlich zu untersuchen, und falls Sie es für nötig halten, eine Einweisung ins Krankenhaus vornehmen. Ich möchte, dass nichts versäumt wird.«

Prüfend sah der Doktor in das bleiche und erregte Männergesicht. Dann nickte er nur und verschwand im Nebenzimmer.

Mühsam richtete Marion sich bei seinem Eintritt auf. Als sie den Arzt erkannte, schluchzte sie auf.

»Ich habe Angst, Doktor«, stöhnte sie.

»Wer wird denn gleich so schwarzsehen. Nur nicht so aufgeregt. Es ist doch noch alles gut gegangen«, beruhigte er sie gutmütig und trat an das Kinderbett.

Die kleine Gitta kannte den Doktor gut und hatte vor ihm keine Angst. Sie lachte ihm zu und ließ sich von ihm untersuchen.

»Es ist wirklich kein Grund zur Aufregung, Frau Marion. Der Kleinen ist nichts geschehen. Sie wird ein wenig schlafen, und dann ist alles wieder in Ordnung.« Er griff ihre Hände und schüttelte wieder ernst den Kopf, als die Frau leise und qualvoll aufstöhnte. »Beruhigen Sie sich, Frau Marion. Sie wissen doch, dass jede Aufregung, Gift für Ihr Herz ist«, sagte er und hob warnend den Finger. »Sie müssen sich schonen, kleine Frau. Mit Ihrem Herzen ist nicht zu spaßen.«

Sie versuchte ein Lächeln, das aber misslang.

»Es ist ja schon vorbei«, entrang es sich ihren Lippen, die sich bläulich gefärbt hatten.

Prüfend sah er sie an. Irgendetwas an der tonlosen Stimme machte den erfahrenen Arzt stutzig. Er kannte Frau Marion schon zu lange, um sich täuschen zu lassen. Dann wandte er sich wieder dem Kind zu.

»Ich hoffe es, Frau Marion«, sagte er sehr ernst. Er strich dem Kind zärtlich über das dunkle, seidige Haar. »Nun wird aber geschlafen, Gitta. Wenn du wieder aufwachst, dann darfst du wieder mit den anderen Kindern spielen.«

»Ich mag aber nicht schlafen, Onkel Doktor«, maulte das Kind.

Der Arzt lachte und drohte mit dem Finger.

»Wenn du nicht artig bist, dann muss ich dich mitnehmen, Gitta. Dann kannst du deine Mami nicht sehen.«

Erschrocken riss das Kind die Augen auf. Das kleine Gesicht verzog sich. Aber noch funkelte Trotz in den schwarzen Augen. Wild schüttelte das Kind den Kopf.

»Ich bleibe bei Mami. Ich will nicht mit dir gehen«, begehrte es auf. »Mami, ich will bei dir bleiben. Gell, du lässt mich nicht mit dem Onkel Doktor gehen?«

Zärtlich umfasste die Frau den kleinen Kinderkörper.

»Wenn du tust, was der Onkel Doktor sagt, dann darfst du bei mir bleiben«, versprach sie.

Das Kind legte sich zurück und kniff ganz fest die Augen zusammen.

»Ich schlafe schon ganz fest. Du kannst mich nicht mehr mitnehmen«, murmelte es.

Der Arzt lachte herzlich. »So ein kleiner Racker! Aber nun muss ich weiter. Ich habe noch allerhand zu tun.«

Walter reichte dem Arzt dankbar die Hand.

»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass alles so glimpflich abgegangen ist, Herr Doktor. Wenn der Kleinen etwas zugestoßen wäre! Ich darf gar nicht daran denken!«, stieß er hervor.

Ernst nickte der Arzt vor sich hin.

»Ein Menschenleben wiegt sehr schwer, ob man nun schuldig ist oder nicht.« In der Tür wandte er sich noch einmal um und sagte zu Marion: »Da habe ich doch fast vergessen, Grüße an den Herrn Gemahl zu bestellen. Wo steckt er denn überhaupt? Er hat sich schon seit einiger Zeit auf unserem Herrenabend nicht sehen lassen. Wir würden uns freuen, wenn er mal wieder käme.«

Das Letzte rief der Arzt schon beim Hinausgehen. So entging ihm auch, dass Walter wie unter einem Peitschenhieb zusammenzuckte.

***

Eine Weile herrschte unheimliche Stille im Raum. Marion wagte nicht, den Blick zu heben und Walter von Gerhard anzusehen, der noch immer auf die geschlossene Tür starrte.

Endlich, es schien der Frau wie eine Ewigkeit, fragte er heiser: »Was wird hier eigentlich gespielt? Wie kommt der Doktor dazu, Grüße an deinen Mann zu bestellen? Soll das bedeuten, dass du verheiratet bist?«

Langsam hob sie das Gesicht zu ihm auf und sah ihn angstvoll an.

»Bitte, Walter! Lass dir erklären«, flehte sie leise.

Er stand hochaufgerichtet vor ihr. Sein Gesicht schien zu einer Maske erstarrt. Nur seine hellen Augen blickten in zornigem Schmerz.

»Antworte auf meine Frage, Marion! Bist du verheiratet?«, wehrte er schroff jede Erklärung ab.

Langsam sank ihr Kopf auf die Brust, und das war dem Mann Antwort genug. Bitter lachte er auf. Ein wilder Schmerz trieb ihm den Schweiß auf die Stirn.

»So also ist das? Das ist deine Liebe und Treue, auf die ich Burgen gebaut hätte! Verheiratet! An einen anderen Mann gebunden! Während ich Narr an dich wie an eine Heilige glaubte! Während ich schon das Haus baue und mir täglich und stündlich ausmale, wie herrlich das Leben mit dir sein wird!« Mit einem Keuchen brach er ab und starrte sie wild an. Er machte einen Schritt auf sie zu und packte so hart ihre Schultern, dass sie leise aufschrie. »Warum hast du das getan? Sag mir, warum? Du hast mir doch Liebe geschworen? Hast in meinen Armen gelegen! Und doch war alles nur Lüge? Eine einzige große Lüge? Deine Schwüre, deine Küsse, deine Zärtlichkeit! Warum, Marion? Warum hast du das getan?«

Er ließ sie so jäh los, dass sie taumelte.

»Nein, nein«, schrie sie unter seinen Anklagen verzweifelt auf. »Nein, das ist nicht wahr! Du musst mir glauben, Walter. Bitte.«

»Dir glauben? Jetzt noch glauben? Verlangst du nicht ein wenig viel?«, fragte er bitter und sah sie verächtlich an.

»Ich liebe dich, Walter! Mein Gott, ich liebe dich! Alles, was ich gesagt habe, war keine Lüge. Es war mir bitter ernst damit.« Fieberhaft fuhr sie fort: »Es stimmt, ich bin verheiratet. Ich habe nicht mit dir davon gesprochen! Aber nicht, weil ich ein Spiel mit dir treiben wollte! Gott ist Zeuge, wie groß meine Liebe zu dir ist. Doch ich hatte einfach nicht den Mut, dir die Wahrheit zu sagen, weil ich Angst hatte, dass dann alles zwischen uns aus sein würde. Ich hatte Angst, Walter! Grässliche Angst, dich zu verlieren. Deshalb habe ich geschwiegen, obwohl ich mir immer wieder fest vorgenommen hatte, dir endlich alles zu sagen. Ich konnte es nicht. Es ging über meine Kraft.«

Der Mann war tief betroffen. Irgendetwas in der flehenden, weichen Stimme berührte sein Herz und ließ die Handlungsweise der geliebten Frau in einem milderen Licht erscheinen. Mein Gott, wie liebte er diese Frau! Der harte Glanz in seinen Augen wurde weicher. Schon öffnete sich sein Mund zu einem versöhnenden Wort.

In diesem Augenblick wurde die Tür ungestüm aufgestoßen. Eine Knabengestalt stürmte ins Zimmer.

»Mami, Mami! Was ist mit Gitta?«

Die helle Knabenstimme zitterte vor Angst. Seine großen blauen Augen, die Walter so an die geliebte Frau erinnerten, sahen die Mutter voller Furcht an.

Sanft zog Marion das Kind in ihre Arme und strich mit bebenden Händen über das weiche blonde Haar.

»Es ist schon gut, Dieter. Bedanke dich bei dem Herrn dort. Er hat Gitta vor großem Schaden bewahrt.«

Das Kind wandte sich um. Dann glitt ein strahlendes Lächeln über das Kindergesicht. Höflich kam der Junge auf den Mann zu und reichte ihm die kleine Hand.

»Vielen Dank«, klang es höflich an Walters Ohr.

Er sah mit schmerzlicher Verwunderung in das klare Kindergesicht. Marions Augen, durchzuckte es ihn schmerzhaft. Fahrig strichen seine Hände über den wirren Haarschopf.

»Nicht mir musst du danken, mein Junge, sondern dem lieben Gott. Er hat deine Schwester davor beschützt, dass sie jetzt böse verletzt ist. Er hat ihr einen guten Schutzengel gegeben«, sagte er rau.

Ernst hingen die Kinderaugen an ihm.

»Ich werde dem lieben Gott heute Abend ganz besonders dafür danken. Es ist dann noch früh genug?«, fragte der Junge etwas unsicher.

Ein kleines Lächeln huschte um Walters Mund.

»Der liebe Gott ist geduldig, mein Kind. Er wartet auch bis heute Abend«, versicherte er.

Wie komisch der Onkel das gesagt hat. Das Kind blickte fragend die Mutter an. Es wunderte sich über den fremden Ausdruck in ihrem Gesicht. Die Mami sah aus, als ob sie weinen wollte. So sah sie immer aus, wenn der Papi garstig zu ihr gewesen war. Ob der fremde Mann auch mit Mami geschimpft hatte wegen Gitta?

Das Knabengesicht nahm einen kampfbereiten Ausdruck an. Wenn der fremde Mann der Mami wehgetan hatte, dann bekam er es aber mit ihm zu tun.

Schon wollte er eine Frage stellen. Doch plötzlich wurden seine Augen groß und starr. Er sah, wie seine Mutter die Augen schloss und sich mit einem ächzenden Laut zum Herzen griff.

»Onkel! Onkel!«, schrie das Kind gellend auf und stürzte auf die wankende Frau zu.

Walter, der sich wortlos zum Gehen gewandt hatte, fuhr bei dem entsetzten Schrei des Kindes herum. Gerade noch rechtzeitig, um die taumelnde Frau vor einem schweren Sturz zu bewahren.

»Marion«, stöhnte er verzweifelt, während seine Augen in das todbleiche Gesicht der Frau blickten. Er hielt die Bewusstlose in seinen Armen und presste sie einen Moment angstvoll an sich.

»Leg sie hierher, Onkel«, sagte die bebende Kinderstimme. Er sah, dass der Junge die Tür zum Nebenzimmer geöffnet hatte und ihm zuwinkte.

Walter trug die Bewusstlose in den Nebenraum und legte sie behutsam auf das bereits aufgedeckte Bett.

»Hol einen Arzt, schnell«, raunte er dem Jungen zu.

Dieter schüttelte den Kopf. »Ich hole Tante Marian. Sie weiß Bescheid.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, stürmte der Junge aus dem Zimmer.

***

Walter war mit der geliebten Frau allein. Mit brennenden Augen starrte er auf die Frau, die wie eine Tote in den weißen Kissen lag. In seinem Herzen war ein einziger Aufruhr, aus dem er keinen Ausweg mehr fand.

Er war keines klaren Gedankens mehr fähig. Der Sturz aus dem Glück in die tiefste Hölle der Pein war zu plötzlich gekommen.