Love Happens - Zwei sind einer zu viel - Iris Fox - E-Book

Love Happens - Zwei sind einer zu viel E-Book

Iris Fox

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Beschreibung

Lola hat von Männern die Schnauze voll, nachdem ihr Freund sie mit ihrer besten Freundin betrogen hat. Kurzerhand wechselt sie Uni und Wohnort und will ganz von vorne anfangen. Doch schon bald nach ihrer Ankunft durchkreuzt der gutaussehende Kristof ihren ausgefeilten Plan vom Singleleben. Der charmante Makler zieht ihr den Boden unter den Füßen weg und Lola ist Hals über Kopf verliebt. Und dann trifft sie auch noch Manuel. Der Student ist nicht nur unheimlich hilfsbereit, sondern mindestens auch genauso süß. Das Gefühlschaos ist perfekt und schließlich trifft Lola eine folgenschwere Entscheidung …

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Die AutorinIris Fox, 1982 in Elmshorn geboren, lebt heute mit ihrer Familie in Syke in der Nähe von Bremen. Nach ihrem Schulabschluss absolvierte sie eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten. Viele Jahre blieb sie dem medizinischen Bereich treu, bis sie nach ihrer Elternzeit in eine Einrichtung für körperlich und geistig beeinträchtigte Menschen wechselte. Obwohl seit jeher unzählige Geschichten in ihrem Kopf herumschwirren, widmet sie sich erst seit 2014 mit viel Herz und Leidenschaft aktiv dem Schreiben von Romanen.

Das BuchLola hat von Männern die Schnauze voll, nachdem ihr Freund sie mit ihrer besten Freundin betrogen hat. Kurzerhand wechselt sie Uni und Wohnort und will ganz von vorne anfangen. Doch schon bald nach ihrer Ankunft durchkreuzt der gutaussehende Kristof ihren ausgefeilten Plan vom Singleleben. Der charmante Makler zieht ihr den Boden unter den Füßen weg und Lola ist Hals über Kopf verliebt. Und dann trifft sie auch noch Manuel. Der Student ist nicht nur unheimlich hilfsbereit, sondern mindestens auch genauso süß. Das Gefühlschaos ist perfekt und schließlich trifft Lola eine folgenschwere Entscheidung …

Iris Fox

Love Happens - Zwei sind einer zu viel

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.   Originalausgabe bei Forever. Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Juli 2016 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016 Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © Matthias Strohmeyer ISBN 978-3-95818-107-6  Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten.

Kapitel 1

Auf und davon

Es war einer dieser fürchterlich schwülen Tage, an denen man keinen klaren Gedanken fassen konnte und die Sonne brennend heiß vom Himmel schien.

Seit drei Tagen suchte Lola schon die ganze Stadt nach einer neuen Bleibe ab, doch es war zum Verzweifeln. Die Studentenwohnheime waren längst belegt und die Wohnungen, die kurzfristig zur Verfügung standen, waren einfach zu teuer.

Aber was soll’s. Sich ärgern half auch nicht weiter. Nachdem sich die Dinge in den letzten Wochen zu Hause so rasend überschlagen hatten, konnte sie von Glück reden, überhaupt so schnell einen neuen Studienplatz bekommen zu haben.

Lola rollte mit den Augen. Bloß nicht weiter daran denken, immer schön nach vorne schauen. Bald hätte sie das Schlimmste überstanden und könnte endlich neu anfangen.

Auch heute hatte sie wenig Hoffnung auf eine Wohnung, doch was blieb ihr anderes übrig, als sich dieses Loch wenigstens einmal anzusehen? Die Wohnung wäre wenigstens bezahlbar.

Genervt stand sie am Straßenrand und wartete auf den Makler. Auf der anderen Straßenseite konnte sie im Schaufenster ihr Spiegelbild erkennen. Die kupferroten Haare zu einem Knoten hochgebunden, das Käppi zum Schutz vor der Sonne schräg darauf gesetzt, schaute sie eine heitere junge Frau an, deren Erscheinung sie nicht sonderlich umhaute. Sie war kein Model-Typ, doch sie mochte ihr Äußeres und fand sich ganz ansehnlich.

Die große Schultertasche hatte sie neben sich auf den Boden fallen lassen. Über den MP3-Player hörte sie ihre derzeitige Lieblingsband Revolverheld.

Während Lola so dastand, überlegte sie, dass sie die Wohnung sowieso nehmen müsste. Egal, ob sie ihr gefiel oder nicht. In einer Woche war der Umzug geplant und irgendwo musste sie schließlich schlafen.

Sie sah der Straßenbahn nach, die im Fünf-Minuten-Takt vorbeifuhr. Ihre Laune sank mit jeder Sekunde mehr. Mit der Cosmopolitan, die sie sich bei ihrer Ankunft am Hauptbahnhof gekauft hatte, fächerte sie sich genervt Luft zu.

In diesem Moment tippte ihr jemand von hinten auf die Schulter. Erschrocken riss sie die Kopfhörer runter und sah direkt in das Gesicht eines ihr unbekannten Mannes.

»Entschuldigung. Sind Sie Frau Brandstedter?«

Lola blinzelte gegen die Sonne. Sie konnte nur die Umrisse des Mannes erkennen.

»Ja, die bin ich. Und Sie müssen Herr Lorenzen sein.« Sie wandte sich dem Mann zu und betrachtete ihn etwas genauer. Ein klassischer Anzugträger.

»Nein, da muss ich Sie leider enttäuschen. Mein Mitarbeiter, mit dem Sie eigentlich einen Besichtigungstermin vereinbart hatten, ist kurzfristig erkrankt. Ich bin Herr Schlüter und habe den Termin in aller Eile übernommen. Der Verkehr zu dieser Uhrzeit ist unberechenbar. Ich kann nur hoffen, Sie haben nicht zu lange warten müssen?« Seine Stimme war äußerst angenehm.

Mit dem Finger deutete er auf die Eingangstür.

»Die Wohnung, die ich Ihnen zeigen möchte, liegt im vierten Stock. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus? Leider gibt es keinen Fahrstuhl.«

Er lächelte und fing an, Lola von oben bis unten zu betrachten. Eigentlich wollte sie diesem Kerl, der über eine halbe Stunde zu spät kam und sie bei dieser sengenden Hitze so lange warten ließ, ordentlich die Meinung geigen. Die richtige Stimmung dafür hatte sie. Nachdem er aber so eine hervorragende Ausrede parat gehabt hatte, sah sie sich gezwungen, ihren Ärger hinunterzuschlucken.

»Nun, ich bin gespannt auf die Wohnung, und der vierte Stock ist kein Problem für mich. Also. Meinetwegen kann es losgehen.« Ihre Augen funkelten herausfordernd.

Mit dem Schlüssel in der Hand schloss er auf. Schwungvoll schwang die Tür nach innen auf.

»Bitte, nach Ihnen.«

Dicht gedrängt an Herrn Schlüter vorbei betrat sie das Treppenhaus. Es war ihr unangenehm, dass sie so verschwitzt war. Das Gebäude war heruntergekommen und klein.

»Ja, ja. Das Treppenhaus ist nicht im besten Zustand, aber dafür grundsolide. Lassen Sie sich davon nicht beirren«, sagte Herr Schlüter, dem Lolas Gesichtsausdruck nicht entgangen war. »Es gibt nur die Treppe, also«, bemerkte er nun doch etwas unsicher.

Seufzend blickte sie auf die schier endlos wirkende Treppe und ging als Erste hinauf. Gleich darauf ärgerte sie sich darüber. Sie spürte, wie seine Blicke auf ihrem Hintern ruhten. Also beschleunigte sie ihr Tempo, um so schnell wie möglich den vierten Stock zu erreichen.

Oben angekommen rieb sie sich in einem kurzen, unbeobachteten Moment nach Atem ringend den Schweiß von der Stirn. Herr Schlüter war im Begriff, die letzten Stufen mit einer Leichtfüßigkeit zu erklimmen, die sie als überaus unverschämt empfand.

»Mein lieber Mann. Sie sind vielleicht die Treppen hinaufgeflogen. Also, um Ihre Kondition mache ich mir keine Sorgen«, setzte er lachend noch einen drauf. Gequält erwiderte sie sein Lächeln, ohne zu wissen, ob es ernst gemeint war oder ob er sich über sie amüsierte.

Während Lola darüber nachdachte, schloss er die Wohnungstür auf der linken Seite auf. Aus der Wohnung auf der rechten Seite drang scheppernde Musik. Der Makler beachtete es nicht und hoffte wohl, sie würde es nicht ansprechen.

»So, das wäre die Wohnung. Falls sie Ihnen zusagt, sie wäre sofort frei.« Mit diesen Worten legte er ihr seine Hand auf den Rücken, schob sie sanft in den Flur der Wohnung und schloss hinter ihr schnell die Tür. Der Lärm aus der Nachbarwohnung war jetzt nur noch ganz leicht zu hören.

Normalerweise hätte sie sich solch ein Benehmen verbeten. Der Schauer aber, den die kurze Berührung des Maklers in ihr ausgelöst hatte, ließ sie erstarren wie eine Salzsäule.

Souverän ging Herr Schlüter vorweg und deutete mit einer Handbewegung nach rechts.

»Hier haben wir das kleine Bad mit Wanne und Fenster. Es ist genügend Platz für eine Waschmaschine. Eine Gelegenheit zum Trocknen Ihrer Wäsche zeige ich Ihnen später im Keller, wenn Sie möchten. Ich würde davon abraten, die Wäsche in der Wohnung zu trocknen.«

Skeptisch ließ sie ihre Augen in seine Richtung schweifen. Dieser Typ irritierte sie. Was geht den meine Wäsche an? Schnell sah sie in eine andere Richtung, als sie bemerkte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.

»Hier drüben kommen wir dann auch direkt in den Wohn- und Essbereich mit Kochgelegenheit. Ich persönlich finde den kleinen Balkon bereichernd für die Wohnung. Doch schauen Sie selbst«, bemerkte der Makler, während er in den überschaubaren Wohnraum eintrat. Er blieb mitten im Raum stehen und lächelte sein wohl charmantestes Maklerlächeln.

Lola riskierte einen Blick nach links in die Kochecke. Es war eine winzige Puppenküche. Nicht sehr viel Platz, aber das Wichtigste war vorhanden. Die Wohnung gefiel ihr.

Den Blicken seiner Kundin folgend, schien Herr Schlüter es nun vorzuziehen, die Wohnung ohne Worte auf Lola wirken zu lassen. Erst nachdem sie ausführlich alles inspiziert hatte, richtete er das Wort wieder an sie.

»Nun, wie gefällt es Ihnen?«

»Ich habe schon schlechtere Wohnungen gesehen.« Ihr Blick ging weiter durch das Zimmer.

»Ja. Sie müssen bedenken, im Moment ist der Wohnungsmarkt wie leergefegt. Ich habe vorhin noch einen schnellen Blick in meinen Computer gewagt, aber so kurzfristig, wie Sie suchen, haben wir derzeit wirklich keine weiteren Wohnungen im Angebot.«

»Ich weiß«, entgegnete sie gereizt. »Ich denke, ich werde die Wohnung wohl auch nehmen müssen.«

Ein Handy klingelte. Herr Schlüter zog sein Telefon aus der Hosentasche und sah drauf.

»Entschuldigen Sie mich bitte für einen Moment, Frau Brandstedter. Da muss ich rangehen.« Ohne sie weiter zu beachten, betrat er den Balkon.

Erst jetzt fiel ihr auf, wie gut er aussah. Mit schief gelegtem Kopf und verschränkten Armen betrachtete sie ihn. Mmh. Wie alt der wohl ist? Vielleicht 45, oder so ähnlich?

Eine Hand am Handy, die andere lässig in der Hosentasche, stand er mit dem Rücken zu ihr auf dem Balkon und hätte als James Bond durchgehen können. Es fehlten nur noch die Backgroundmusik, der Hubschrauber in der Luft und die explodierenden Hochhäuser um ihn herum.

Jetzt nicht so der Pierce-Brosnan-Typ. Nein. Eher der Daniel-Craig-Typ. Ja, genau. Äußerst amüsiert über diesen Vergleich, stimmte sie sich innerlich selbst zu. Sein Haar war kurz, das Gesicht markant und der Anzug saß, wie man neidlos anerkennen musste, wie angegossen.

Lola konnte den Blick nicht von ihm wenden. Sie fragte sich, ob er ohne seinen Anzug immer noch wie Daniel Craig aussehen würde. Krampfhaft versuchte sie sich den letzten James-Bond-Film ins Gedächtnis zu rufen.

Mensch, Lola. Die Hitze setzt dir ganz schön zu. Zum Glück hatte sie die Cosmopolitan noch in der Hand. Mit der fächerte sie sich etwas Abkühlung zu. Und verdammt. Ihm schien die Hitze nichts auszumachen. Wer trug denn bei diesem Wetter freiwillig einen Anzug? Wieder wischte sie sich die Schweißperlen von der Stirn.

Entschieden zwang sie sich, den Blick von ihm zu wenden, um sich wieder der Wohnung zu widmen. Direkt über der Wohnzimmertür entdeckte sie eine kleine Nische und hatte sofort eine Idee. Vielleicht war dort oben genügend Platz für eine Schlafgelegenheit.

Gepackt von ihrem Geistesblitz, zog sie sich einen alten Stuhl heran und stellte sich darauf. Viel konnte sie nicht erkennen, doch für eine Matratze schien es zu reichen. Ganz in Gedanken war sie bereits dabei, dieses kleine Paradies ihren Wünschen nach einzurichten. Mal überlegen. Ich werde eine Leiter brauchen.

»Oh, Sie haben die Nische dort oben also schon entdeckt«, hörte sie Herrn Schlüter direkt neben sich. Vor Schreck fiel sie fast vom Stuhl. Hektisch und unbeholfen wollte sie herunterklettern, geriet dabei aber ins Straucheln. Herr Schlüter konnte sie gerade noch auffangen.

»Vorsicht, junge Dame«, stammelte er, während er Lola im Arm hielt. Er war ihr nun ganz nahe. Die Welt drehte sich für einen Augenblick. Sie konnte förmlich seinen Atem spüren. Förmlich? Zum Teufel noch mal! Sie konnte seinen Atem spüren. James Bond hielt sie, Lola, in seinen Armen! Ein markanter Duft ging von ihm aus, der betörend in ihre Nase zog und sie tief einatmen ließ.

»Ich, ich …«, stotterte sie. Dabei sah sie in seine Augen. Gefesselt von seinem Blick, konnte sie ihre Augen nicht von ihm abwenden. »Ich, ich glaube, ich nehme die Wohnung.« Nicht imstande, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, verweigerten ihr die Muskeln den Gehorsam.

Fast schien es, als hätte er gar nicht zugehört. Verdattert schüttelte er kurz den Kopf und kniff die Augen für einen Augenblick zu.

»Bitte was?«, fragte er plump.

»Ich glaube, ich nehme die Wohnung«, sagte Lola noch einmal langsam, damit er sie dieses Mal auch wirklich verstand.

»Das ist gut«, sagte der Makler. »Das ist sehr gut.«

Für einen kurzen Moment glaubte sie, jedoch konnte sie sich auch irren, der Makler käme mit seinem Gesicht ein kleines Stück auf sie zu. Fast so, als wolle er sie küssen. Aber nein. Das konnte nicht sein. Da musste sie sich einfach irren. Oder doch nicht? Für wen hält der sich?

Ihre Atmung hatte mittlerweile ausgesetzt. Machtlos, irgendetwas dagegen zu unternehmen, zog sein Blick den ihren weiterhin magisch an. Fest und glatt fühlte sie den Stoff seines Anzuges, der sich an ihren Oberkörper schmiegte. Die Umarmung seiner Hände brannte auf ihrem ohnehin erhitzten Körper. Warum zur Hölle fühlt sich das so verdammt gut an?

Ein Riesenkrach aus dem Treppenhaus drang zu den beiden herüber, der sie aus ihrer Trance erwachen ließ. Lola und Daniel Craig lösten sich erschrocken voneinander.

»Sieh zu, dass du Land gewinnst, du dämlicher Hurensohn. Lass dich hier nie wieder blicken! Ich hab endgültig die Schnauze voll von deinem Gelaber. Ich bin fertig mit dir!« Eine unverkennbar weibliche Stimme schrie grölend durchs Treppenhaus, dass es einem durch Mark und Bein ging.

Der Makler war genauso verdattert wie Lola selbst, ging aber zielstrebig zur Tür. Ein wenig enttäuscht über das rasche Ende dieser unfreiwilligen Umarmung folgte sie ihm. Allerdings etwas langsamer. Zu gerne hätte sie gewusst, was als Nächstes passiert wäre.

Sie sahen gerade noch, wie ein junger Mann mit ein paar Habseligkeiten unter dem Arm geknickt das Weite suchte. Er hatte wohl begriffen, hier heute nichts mehr ausrichten zu können.

Eine junge Frau, schwarz gekleidet wie die Nacht, schmiss einen ganzen Arm voll Klamotten und anderer Gegenstände über das Geländer. Der polternde Lärm, der daraufhin durchs Treppenhaus schallte, ließ Lola verschreckt die Augen zusammenkneifen.

Es wurde wieder leise im Treppenhaus.

»Hallo, ich bin Cordula«, wandte sich die dunkle Gestalt nun an Lola. »Und? Ziehst du hier ein oder habe ich dich jetzt verschreckt?« Sie fragte ganz ungeniert.

Noch überrascht und perplex von den Geschehnissen gerade eben, sah Lola die junge Frau an, die aussah, als sei sie direkt der Hölle entsprungen. Die Schwärze ihrer Haare, ließ sie augenblicklich an Ebenholz denken und hätte Schneewittchen mit Sicherheit vor Neid erblassen lassen. Ihr mystisches Augen-Make-up bildete einen perfekten Kontrast zu ihren strahlend hellblauen Augen, die so sanftmütig dreinblickten wie die Unschuld in Person. Eine Haut wie Porzellan und ein mit zarter Spitze besticktes, schwarzes Kleid komplettierten ihren Look. Mit der Widersprüchlichkeit, die von ihr ausging, war Lola vollends überfordert. Abgesehen von ihrem Äußeren, war sie ihr aber sympathisch.

»Ja, ich bin die Neue. Verabschiedest du alle deine Besucher auf diese Art? Nur, damit ich mich darauf vorbereiten kann, meine ich.«

Sie reichten sich die Hände. »Nur, wenn es solche Scheißkerle sind wie Hektor. Vor denen muss man sich nämlich gewaltig in Acht nehmen«, brüllte sie den zweiten Satz nach unten gerichtet durchs Treppenhaus, damit es nun auch wirklich die ganze Welt wusste.

Die junge Frau hielt sich nicht mehr lange im Flur auf, sondern hob die Hand zum Gruß.

»Man sieht sich.«

Gleich darauf war sie wieder in ihrer Wohnung verschwunden.

Lola und Herr Schlüter mussten schmunzeln.

»Nun«, sagte er, »scheint so, als würden Sie mit Ihrer neuen Nachbarin ganz gut zurechtkommen.«

Das stimmte. Sie mochte Cordula jetzt schon.

Zurück in der Wohnung zog der Makler mit nervösen Fingern eine Mappe aus seiner Aktentasche hervor, mit der er zur spärlichen Küchenzeile herüberging.

»Dann wollen wir uns jetzt den wichtigen Dingen zuwenden, nicht wahr? Ich brauche dann bitte Ihren Personalausweis, damit ich die Daten aufnehmen kann.« Er fummelte aus seiner Mappe ein Formular hervor. Danach suchte er in seiner Aktentasche nach einem Kugelschreiber.

»Nanu, vorhin hatte ich ihn doch noch«, grummelte er vor sich hin.

Lola wühlte ebenfalls in ihrer Tasche herum. Natürlich sollte der Perso im Portemonnaie sein, war er aber nicht.

Herr Schlüter hatte seinen Kugelschreiber gefunden. Ungeduldig wartete er auf den Ausweis.

Mit ihren Händen versuchte sie den verflixten Ausweis zu ertasten. Gequält lächelte sie dem Makler kurz zu, um dann die Nase erneut tief in die Tasche zu stecken. Schlussendlich kam sie mit einem großen Seufzer wieder hervor.

»Es hilft wohl nichts.«

Beherzt nahm sie die Tasche, ging einen Schritt zurück und leerte den gesamten Inhalt über dem Fußboden aus. Ein filmreifes Rumsen, Klappern und Rascheln hallte durch den Raum, während tausend Dinge langsam, aber sicher zu Boden fielen. Mit hochgezogener Augenbraue beobachtete Herr Schlüter skeptisch das Szenario.

»Einen Moment. Gleich hab ich ihn«, schmunzelte Lola und amüsierte sich königlich über das ungläubige Gesicht ihres Maklers. Er lehnte sich etwas vor, um sie beim Durchwühlen ihrer Sachen besser beobachten zu können.

»Aha, da ist er ja. Bitte sehr.«

Erleichtert schoss sie vom Boden auf und wollte den Ausweis an ihn weiterreichen. Ihr Mund war von seinem nur noch wenige Zentimeter entfernt. Nicht fähig, den Blick von seinen Lippen abzuwenden, atmete sie wieder diesen unverkennbaren Duft ein. Für einen Moment glaubte sie, sich in ihm zu verlieren.

Mit einem verschmitzten Lächeln und einem Augenaufschlag, der zum Niederknien war, nahm er den Ausweis entgegen. Ihre Fingerspitzen berührten sich leicht. Den Ausweis in den Händen haltend, ließ er die perplexe Lola stehen und fing an, auf der Küchenzeile alle wichtigen Daten abzuschreiben.

»Sie heißen also Eleonore Brandstedter, ja?« Sein Tonfall bekam einen amüsierten Klang.

»Ja! Wieso die dämliche Frage?«, giftete sie ihn an.

»Ach, nur so. Ein ungewöhnlicher Name. Hört man nicht mehr so oft.«

Mit der Anspielung auf ihren Namen hatte er einen wunden Punkt getroffen, und sie war nicht bereit, auch nur eine Sekunde weiter auf dieses Thema einzugehen. Ihr verbissener Gesichtsausdruck zeigte ihm das auch ganz deutlich.

»Tut mir leid«, sagte er, als er begriff, wie heikel dieses Thema war. Mit einem versöhnlichen Blick sah er ihr in die Augen.

»Aber alle nennen mich Lola«, hörte sie sich trotzig sagen. Oh, nein. Wie dämlich! Lola biss sich auf die Unterlippe. Das interessiert hier doch nun wirklich keine Sau! Vor Scham wäre sie am liebsten im Erdboden versunken.

»Kristof«, hörte sie den Makler sagen. »Mich nennen alle Kristof.« Er reichte ihr seine Hand.

Ihr stockte der Atem. »Angenehm.«

In dem Moment, als sich ihre Hände berührten, lief ihr ein wohliger Schauer über den Rücken und ihre Nackenhaare stellten sich auf. Herrn Schlüter, oder besser gesagt Kristof, immerhin waren sie jetzt per Du, schien es nicht anders zu gehen. Allerdings räusperte er sich schnell, entzog Lola rasch seine Hand und hielt sich an der Aktentasche fest.

»Nun, Lola. Ich werde die Papiere heute Abend noch fertig stellen, dann kannst du morgen bereits den Vertrag unterzeichnen.«

Kaum hatte sie den Ausweis wieder in ihre Tasche gestopft und ihre Habseligkeiten vom Fußboden verstaut, ging Kristof zur Tür.

Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss.

»Mein Wagen steht ein paar Meter vom Haus entfernt. Kann ich dich ein Stück mitnehmen?«

Lola wusste, sie hätte besser Nein sagen sollen. Aber bei dem Gedanken an die Herfahrt und die stickige Straßenbahn, die an solch einem heißen Sommertag wahrlich kein Vergnügen war, ließ sie sich hinreißen.

»Ja, gerne. Wieso nicht? Es wäre nett, wenn du mich zum Hostel fahren könntest. Du hast doch hoffentlich eine Klimaanlage im Auto?«

Amüsiert nickte Kristof ihr zu, während sie die Treppen hinabstiegen. Ihr Blick fiel auf den Ehering an seiner rechten Hand. Eigentlich überraschte es sie nicht mehr, dass der Ring eine Enttäuschung für sie war.

Lola saß auf dem ledernen Beifahrersitz eines dunkelblauen BMW und überlegte, wann sie das letzte Mal so nervös gewesen war. Mit einem Blick aus dem Fenster versuchte sie sich abzulenken, doch das brachte nichts. Kristof schien ihre Verzweiflung zu spüren.

»Was führt dich in unsere Stadt?«

Sie war dankbar über den Knochen, den er ihr zuwarf.

»Ich möchte hier studieren. Deshalb brauche ich die Wohnung auch ganz dringend. Nächste Woche soll es schon losgehen und ohne Bleibe hätte ich unter einer Brücke schlafen müssen.«

»Nun, ganz so schlimm wäre es wohl nicht geworden. Aber freut mich, dass ich dir so schnell helfen konnte.«

Er warf ihr ein unverschämt charmantes Lächeln zu. Irgendetwas faszinierte sie an Kristof. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Ihm blieb das nicht unbemerkt.

»Was ist?«

»Ach, eigentlich nichts«, erwiderte sie gewollt gelangweilt und spielte mit dem Henkel ihrer Handtasche herum. Ihr Herz klopfte.

»Ich habe mich gerade gefragt, wie alt du bist, und vorhin, als du mich aufgefangen hast, hatte ich das Gefühl, wir hätten uns fast geküsst. Dumm, oder?« Das war jetzt echt dreist, gab Lola gedanklich zu.

Sein Blick war fest auf den Verkehr gerichtet. Das Lächeln um seinen Mund herum war verschwunden. Na toll! Jetzt ist es so weit. Jetzt fährt er rechts ran und schmeißt mich raus. Wohnung ade. Mensch, Lola! Halt doch einfach mal die Klappe.

Aber Kristof fuhr nicht rechts ran. Kristof sagte kein Wort. Die ganze weitere Autofahrt über sagte er kein Wort! Ihr wurde es unheimlich. Sie starrte aus dem Fenster und hoffte, die Fahrt hätte bald ein Ende.

Als das Auto endlich auf dem Parkplatz vor dem kleinen Hostel parkte, verdunkelte sich über ihnen der Himmel. Es fing an zu regnen und dicke Regentropfen suchten sich entlang der Autoscheiben laut prasselnd ihren Weg. Der Motor verstummte.

Lola war nicht imstande, den Blick von ihm abzuwenden. Sie wusste, er würde noch etwas zum Besten geben, bevor er sie herauswarf. Sein Blick war fest nach draußen gerichtet.

»Ich bin im Mai 49 Jahre alt geworden«, legte er los. »In deinen Augen vermutlich ein alter Sack.« Bei dem Vergleich musste er grinsen, wurde aber sofort wieder ernst. »Und ja. Vorhin hätte ich dich beinahe geküsst. Frag mich bitte nicht, wieso, denn ich glaube, es wäre besser, dieses Thema nicht weiter zu vertiefen. Im Übrigen möchte ich mich für mein Verhalten bei dir entschuldigen. Dass ich verheiratet bin, hast du ja bereits bemerkt.«

Wie ein kleines Kind, das sich eine Strafpredigt anhören musste, lauschte sie seinen Worten. Dann hatte er vorhin den Blick auf seinen Ehering mitbekommen. Boah, wie peinlich!

»Beantwortet das deine Frage?« Mit messerscharfem Blick fixierte er ihre Augen.

Sie konnte seinen Blick nicht deuten und war mit seiner Reaktion auf ihre Frage überfordert. Sie hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit.

»Ich …« Die Stimme versagte ihr. »Du, ist schon okay«, versuchte sie es erneut. »Ich meine …«

»Du kannst morgen früh gegen 9:30 Uhr in mein Büro kommen«, fiel er ihr ins Wort. »Bis dahin habe ich den Vertrag fertig.« Er drückte ihr eine Visitenkarte in die Hand.

Seine Stimme wurde sanfter. »Ich wünsche dir eine gute Nacht.«

Über Lola hinweggebeugt öffnete er die Beifahrertür. Diese Geste kam einem Rausschmiss gleich, doch Lola störte sich nicht daran. Sie genoss die Gegenwart von Kristof und spürte abermals dieses wohlige Gefühl, welches seine unmittelbare Nähe in ihr auslöste.

Wie er ihr so ungeniert auf ihre Frage antwortete. Sogar zugab, dass es ihm ähnlich ging wie ihr. Nämlich, dass auch er sich zu ihr hingezogen fühlte, um sie im gleichen Augenblick aus dem Auto zu werfen. Ja, also … irgendwie fand sie das sogar sexy.

»Bis morgen«, hauchte sie mit zittriger Stimme, während sie sich aus dem Auto stahl.

Als der Motor wieder startete, hielt sie für einen Moment inne. Dicke Regentropfen liefen ihr über Haar und Gesicht, doch sie beachtete es gar nicht. Das Auto fuhr an.

Erst als das Motorengeräusch in weite Ferne rückte, schaute sie sich um. Die Rücklichter des dunkelblauen BMW verschwanden hinter der nächsten Kurve. Dann ging sie, mittlerweile tropfnass, hinein.

Auf dem Weg zu ihrem Zimmer bemerkte sie, wie dieser Mann dabei war, sich gedanklich vollkommen in den Vordergrund zu drängen, und Lola überkam eine ungute Vorahnung. Ganz sicher hatte er nicht vor, diesen Platz so schnell wieder freizugeben.

Sie versuchte sich zu beruhigen, indem sie ihren Gefühlsausbruch dem unheimlich schwülen Wetter zuschrieb. Mit Männern wollte sie für die nächsten hundert Jahre nichts mehr zu tun haben. Wer war sie denn, sich den gleichen Müll direkt nach der Trennung von Dominik erneut anzutun?

»Zum Teufel mit euch blöden Gefühlen«, murmelte Lola.

Außerdem war er doch viel zu alt für sie. Immerhin war sie gerade einmal 21 Jahre alt. Also wirklich!

Dann war er auch noch verheiratet. Das jedoch wunderte sie überhaupt nicht. Ein Mann wie er. Mit dem Aussehen und Auftreten. Dieses markante Gesicht. Lola verdrehte die Augen. Dieser berauschende Duft, der von ihm ausging, drängte sich wieder in ihr Gedächtnis und vernebelte ihr alle Sinne. Sie überlegte, ob … Nein! Halt! Schluss! Was ist hier denn los? Von ihren eigenen Gedanken überrumpelt, tadelte sie sich selbst. Böse Gedanken. Schreckliche Gedanken. Pfui!

Verwirrt blieb sie stehen. Welche Zimmernummer hatte sie doch gleich? Ein Blick auf den Anhänger ihres Schlüssels verriet es ihr.

»Na toll, zu weit gegangen«, schnaubte sie verächtlich und drehte um.

Erschöpft lehnte sie sich rücklings gegen ihre Zimmertür und ließ die Tasche fallen. Mit einem dicken Seufzer rutschte sie nieder, um mit einem lauten Plumps auf dem Po zu landen. Alle viere von sich gestreckt saß sie da. Sie blickte nach links. Dort befand sich die heiß ersehnte Dusche. Dorthin, so beschloss Lola, würde sie als Allererstes gehen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Danach würde sie Mia anrufen und ihr von der neuen Wohnung berichten. Ihre Freundin musste unbedingt auf dem Laufenden gehalten werden. Das war ein Naturgesetz. Von dem Makler würde sie nichts erwähnen. Wozu auch?

Kaum war Lola am Morgen eingestiegen, fuhr die Straßenbahn mit einem unbarmherzigen Ruck an. Sie hatte ihre liebe Mühe, ihr Gleichgewicht zu halten und dabei noch den Ticketautomaten anzupeilen, der, wie sollte es auch anders sein, genau am anderen Ende der Straßenbahn montiert war. Auf ihrem Weg dahin konnte sie es nicht verhindern, mit dem einen oder anderen Fahrgast unbeabsichtigt auf Tuchfühlung zu gehen. Augenblicklich stieg ihr wieder dieser übel riechende, beißende Geruch in die Nase, den sie von den vorherigen Fahrten in brütender Hitze bereits bestens kannte.

Vergeblich versuchte sie am Schalter ihr Fahrticket in den Ticket-Terminal einzustecken. Sie hantierte erst in die eine, dann in die andere Richtung mit der Karte, doch es wollte ihr einfach nicht gelingen. Das Ding schien zu klemmen. Tapfer versuchte sie es weiter.

»Verdammter Mist. Blödes, dämliches Drecks … Wäre ja auch zu viel verlangt, wenn die blöden Dinger benutzerfreundlich … Aua!«

Zack, da war der Fingernagel auch schon ab. Klassischer Fall von »Das Dummerchen ist mit der Hand abgerutscht und hat sich blöderweise den Fingernagel abgebrochen«! Wütend über sich selbst und ihre Ungeduld schlug sie mit der flachen Hand gegen dieses Ungetüm, woraufhin ihre Hand augenblicklich anfing, stechend zu brennen.

Das Ticketproblem war jedoch immer noch nicht gelöst. Verzweifelt ging sie einen Schritt zurück. Erst jetzt bemerkte sie in einiger Entfernung einen jungen Mann, der an der Wand lehnte. Amüsiert sah er zu ihr herüber. Ein spitzbübisches Lächeln glitt ihm übers Gesicht. Ihre grünen Augen funkelten böse zu ihm herüber. Es war unübersehbar. Er genoss dieses Schauspiel, das sich ihm bot.

»Brauchst du vielleicht Hilfe?«, rief er ihr zu. An ihrem abgebrochenen Fingernagel knabbernd blickte Lola verächtlich in seine Richtung.

»Sehe ich etwa so aus?«

Ich? Hilfe? Niemals! Schon gar nicht von dieser Grinsekatze dort drüben.

Sie drehte ihm den Rücken zu. Mit einem Blick auf ihr Ticket in der linken Hand wurde ihr schmerzlich bewusst, dass sie sehr wohl Hilfe gebrauchen konnte. Ein leichtes Jammern konnte sie sich daher nicht verkneifen.

Der junge Unbekannte konnte dieses Trauerspiel nicht mehr länger mit ansehen. Er kam auf sie zu.

»Darf ich?«

Er zeigte auf ihre Hand. Lola resignierte. Sie gab ihm, was er verlangte. Er betrachtete kurz das Ticket, drehte es in die richtige Position und … oh, Wunder! Bei ihm funktionierte es auf Anhieb.

»Bitte sehr, junge Frau.« Stolz hielt er Lola die Karte hin.

Diese Prozedur hatte nicht länger als ein paar Sekunden gedauert. Verdutzt nahm sie die Karte entgegen und bemerkte, wie ihr Mund offen stand. Schnell schloss sie ihn. Es war ihr mehr als unangenehm, so einen peinlichen Auftritt hingelegt zu haben für nichts und wieder nichts.

Ihr Gegenüber strahlte über das ganze Gesicht und strich sich nebenbei eine widerspenstige braune Haarsträhne aus der Stirn. Diese Geste irritierte sie. Sie brachte Lola in einen Konflikt, den sie so nicht kannte. Obwohl er ihr so nett half und sie im Prinzip auch wirklich dankbar dafür war, beschloss irgendetwas in ihr, diese Grinsekatze nicht zu mögen. Dabei sah er sie mit so offenen, ehrlichen Augen an. Das Glitzern in seinem Blick hielt sie für einen kurzen Augenblick gefangen. Eigentlich war er ganz süß …

Gequält erwiderte sie sein Lächeln.

»Danke sehr«, brachte sie widerspenstig, aber dennoch artig über die Lippen, drehte sich entschlossen von ihm weg und suchte, so schnell es eben bei dieser wackeligen Fahrt möglich war, das Weite.

Etwas weiter abseits von dem Unbekannten konnte sie einen Sitzplatz ergattern. Angewidert fragte sie sich nun aber, wo dieser penetrante Schweißgeruch herkam, und drehte sich auf ihrem Sitz nach hinten um. Aber welcher von den mitfahrenden Personen die übel riechende Quelle war, konnte sie beim besten Willen nicht ausmachen.

Sie überlegte kurz, ob sie sich woanders hinsetzen solle. Da das Schicksal es nun aber so wollte, dass nur noch in unmittelbarer Nähe der dämlichen Grinsekatze von eben ein Plätzchen frei war, beschloss sie, jegliche unnötige Bewegung bei dieser Affenhitze zu vermeiden und fügte sich für die restliche Fahrt in ihr Schicksal. An der übernächsten Haltestelle musste sie ohnehin aussteigen. Von dort aus waren es nur noch ein paar Schritte bis zum Maklerbüro.

Eine junge Mitarbeiterin führte Lola vom Empfang aus in ein kleines Büro, das modern eingerichtet war.

Lola setzte sich. Ihr Blick glitt über den Schreibtisch. Sofort wurde ihre Aufmerksamkeit magisch von einem ihr abgewandten Bilderrahmen angezogen. Nur zu gern wäre sie sofort wieder aufgesprungen, um den Tisch herum gegangen und hätte dieses Bild begutachtet. Ahnte sie doch, dass auf dem Bild die Person war, die Kristof diesen Ring an den Finger gesteckt hatte.

Sie blickte sich kurz um und zupfte nervös an ihrem Kleidersaum herum. Dabei trippelte sie mit den Füßen. Nein, Lola! Benimm dich. Du willst diese Wohnung haben. Versau es jetzt nicht auf den letzten Metern. Überhaupt. Was geht es dich an?

Geduldig würde sie warten, beschloss sie. Souverän würde sie den Vertrag unterschreiben, ihm noch einen schönen Tag wünschen und dann mit ihren neuen Wohnungsschlüsseln das Büro verlassen. Niemals im Leben würden sie sich wiedersehen. Warum sollte sie also das Bild so sehr interessieren?

Sie wartete, wartete, wartete und wartete. Die Beine übereinanderschlagend blickte sie auf ihre Armbanduhr. Mittlerweile wartete sie schon mehr als zehn Minuten. Lola ärgerte sich über sich selbst. In der Zwischenzeit hätte sie schon tausendmal dieses dämliche Bild ansehen können und niemand hätte es bemerkt.

Resigniert ließ sie sich nach hinten in den Stuhl fallen, warf den Kopf in den Nacken und drückte sich ihre Tasche fest an den Bauch. In diesem Moment ging die Tür auf und Kristof trat herein.

Lola erschrak.

Sie setzte sich kerzengerade hin, während Kristof noch eine ganze Weile hinter ihr im Regal herumkramte. Ganz nervös machte er sie damit. Ihre Füße fingen wieder an, hin und her zu trippeln. Gerade heute war das Fußtrippeln aber äußerst ungünstig, denn bei jedem Trippel-Trappel hörte man die Nieten und Laschen ihrer Römersandalen klimpern. Jeder Blinde hätte in diesem Augenblick bemerkt, dass Geduld nicht Lolas Stärke war. Insgeheim hatte sie den leisen Verdacht, auch Kristof könnte dies schon aufgefallen sein.

Langsam, in ein Schriftstück versunken, ging er an ihr vorbei und nahm ihr gegenüber am Schreibtisch Platz. Scheiße. Wie souverän der ist. Ihre Geduld war am Ende.

Irgendwie musste er dies gespürt haben, denn er ließ das Blatt Papier, welches zuvor so sehr seine Aufmerksamkeit erregt hatte, auf den Tisch fallen und sah sie direkt an. Energiegeladene Blitze pfiffen zwischen ihren Augen hin und her. Feurige Wärme nahm von Lola Besitz und ließ ihr ganz wohlig ums Herz herum werden. Die Wärme lullte sie vollständig ein, bis sie das Gefühl hatte, im Universum zu versinken.

Lola, aufwachen! Er spricht mit dir! Ihr Unterbewusstsein versuchte sie aus ihrer Trance zu holen. Verdattert schaute sie ihn an.

»Hast du gut hergefunden?«, wiederholte er.

»Ähm, ja. Ich denke schon«, stammelte Lola verlegen.

»Sehr schön«, erwiderte er und widmete sich dem Schriftstück.

»Ich habe hier, wie versprochen, den Mietvertrag. Du musst ihn nur noch unterzeichnen. Danach können wir uns direkt auf den Weg zur Wohnung machen. Der Hausbesitzer ist heute Vormittag vor Ort und wir können gleich die Schlüsselübergabe hinter uns bringen. Ich denke, in Anbetracht der Kürze der Zeit, die dir für den Umzug zur Verfügung steht, dürfte das in deinem Interesse sein.«

Nachdem er geendet hatte, schob er ihr die Papiere über den Schreibtisch zu und legte ihr seinen Kugelschreiber hin.

Lola räusperte sich und rutschte auf ihrem Stuhl umher. Sie hatte kaum ein Wort wahrnehmen können, da genau in dem Moment, als er zu sprechen anfing, eine frische Brise durchs Fenster an Kristof vorbeigeweht war und den Weg direkt zu ihrer Nase gefunden hatte. Erneut hatte sie diesen hinreißenden, markanten Duft vernommen, der ihr abermals alle Sinne zu rauben schien. Wie kann ein Mensch nur so gut riechen?

Also noch mal langsam zum Mitschreiben. Wohnung. Vertrag. Schlüsselübergabe. Heute. Heute? Wir? Heißt das, ich fahre gleich mit ihm in die Wohnung? Oha, das kann ja was werden! Aber dann hätte sie es in einem Aufwasch hinter sich und müsste ihn nie mehr wiedersehen. Gefühlschaos ade! Diesen Gedanken galt es jetzt im Auge zu behalten.

Sie setzte sich also noch ein wenig gerader hin, als sie ohnehin schon saß, überflog entschlossen den Vertrag und ignorierte die Blicke, die er ihr zuwarf. Die ganze Zeit, wohlgemerkt. Trotzig aufs Papier starrend las sie brav bis zum Ende und unterzeichnete. Zum Schluss legte sie den Kuli wieder auf den Tisch und hielt ihm die Blätter unter die Nase.

Ein triumphierendes Grinsen huschte über ihr Gesicht. Sie hatte es tatsächlich geschafft! Sie hatte nicht nur Dominik, diese Lusche, aus ihrem Leben verbannt, sondern hatte zudem wahrhaftig mitten im Semester einen Studienplatz weit, weit weg von zu Hause ergattert und in der Kürze der Zeit nun auch noch eine Wohnung.

Zufrieden ließ sie sich nach hinten in den Stuhl plumpsen. Sie bemerkte, wie Kristof sie amüsiert beobachtete. Ihm schien ihre vor Lebensfreude strotzende Art zu gefallen.

»Nun, ich gratuliere dir.«

Er stand auf und sie reichten sich die Hände.

Der Anfang war gemacht.

Kapitel 2

Ankommen

Es wäre überaus dämlich gewesen, jetzt, da sie so eine hübsche Bleibe ihr Eigen nennen durfte, die folgende Nacht noch im ungeliebten Hostel zu verbringen, daher war Lola ins Hostel hinüber gefahren, um ihre paar Habseligkeiten in die neue Wohnung zu schaffen. Sie wollte lieber die letzte Nacht vor ihrer Heimreise in der neuen Wohnung verbringen. Auch wenn das jetzt bedeutete, Luftmatratze und Schlafsack organisieren zu müssen.

Mit all ihrem Gepäck war sie vor ihrer neuen Wohnungstür zum Stehen gekommen und hatte ihre Sachen mit einem lauten Plumps auf den Boden fallen lassen. Sie war noch gar nicht wieder zu Atem gekommen, da steckte Cordula ihre Nase durch die Tür. Das Plumpsen von ihren Habseligkeiten musste sie angelockt haben.

»Herzlich willkommen, Nachbarin«, rief sie keck und schloss Lola in die Arme. Völlig überrumpelt von so viel Herzlichkeit erwiderte Lola diese Begrüßung. Sie war einfach zu erschöpft, um zu widersprechen.

»Mensch, du bist ja völlig fertig von der Schlepperei«, bemerkte Cordula mit einem Blick auf die Gepäckstücke rings umher.

»Komm doch erst einmal auf einen Sprung zu mir herüber. Ich mach uns eine schöne Flasche Wein auf, wenn du magst. Ich wollte gerade zu Abend essen. In Gemeinschaft isst es sich doch viel schöner, oder hast du heute noch was vor?« Während Cordula so vor sich hin schnatterte, schob sie sie vor sich her in ihre Wohnung.

»Aber meine Sachen«, protestierte Lola lautstark.

»Ach, lass nur«, winkte Cordula ab. »Die klaut schon keiner. Wir sind hier ganz oben. Nachher helfe ich dir beim Hereintragen.«

Lola gab auf. Schon nach kurzer Zeit waren die beiden Frauen, so verschieden sie auch sein mochten, in ein anregendes Gespräch vertieft. Der Abend verlief sehr ungezwungen und harmonisch. Mittlerweile saßen die Mädels bei der zweiten Flasche Weißwein.

»Und? Worauf wirst du heute Nacht schlafen? Ich habe vorhin keinen Schlafsack bei dir gesehen, oder täusche ich mich da?« Ihre neue Nachbarin nippte an ihrem Glas.

»Eine sehr gute Frage. Ich wollte eigentlich noch Schlafsack und Matratze besorgen, doch dann bist du mir über den Weg gelaufen und hast mich aufgehalten.« Ein Blick auf die Uhr verriet, dass die Läden seit geraumer Zeit geschlossen waren.

Cordula hatte eine zündende Idee parat. »Du, da kann ich helfen. Ich hab irgendwo im Keller noch meinen ganzen Campingkram herumliegen. Da ist ein Schlafsack dabei, und eine Gästematratze kannst du auch von mir haben. Immerhin bin ich schuld an deinem Leid, oder?« Froh über die Lösung, die sie ihrer neuen Freundin vermelden konnte, klopfte Cordula sich kurz auf die Oberschenkel. Zielstrebig stand sie auf. Auf Lola achtete sie nicht weiter.

»Das wäre eine Möglichkeit. Wenn es dir keine zu großen Umstände bereitet, dann …«

Mit einem lauten Krach fiel die Tür ins Schloss und Lola kniff vor Schreck die Augen zusammen. Cordulas Schritte verhallten auf dem Weg in den Keller.

»Na, das nenne ich mal Entschlossenheit«, bemerkte sie trocken, lehnte sich zurück und nahm einen Schluck Wein, während sie auf Cordula wartete.

Weit nach Mitternacht wälzte Lola sich immer noch in ihrem Schlafsack. Sie war gerade dabei, einzuschlafen, als sie ein leises Klopfen vernahm. Sie horchte auf. Hatte sie richtig gehört? Zu neu waren all die ungewohnten Geräusche in der Wohnung. Vor allem dieses kaum wahrzunehmende tick-tsch, tick-tsch, welches alle paar Minuten ganz leise durch den Raum schwebte, Lola aber nicht zuordnen konnte, trieb sie seit über 45 Minuten schier in den Wahnsinn.

Das Klopfen verstummte. Erneut legte sie ihren Kopf auf die Matratze, schloss die Augen und zwang sich zur Ruhe.

Nach kurzer Zeit war das Klopfen wieder da. Dieses Mal etwas beherzter. Lola setze sich in ihrem Schlafsack auf. War jemand an der Haustür? Vielleicht Cordula?

Es klopfte erneut. Nun war es deutlich zu hören.

Mit einem lauten Seufzer beschloss sie, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie schälte sich aus dem Schlafsack und tapste leisen Schrittes barfuß bis zur Haustür. Durch den Türschlitz konnte man schwach das Licht des Treppenhauses durchschimmern sehen. Eine Stimme flüsterte leise ihren Namen.

»Lola? Bist du da?«

Ohne Vorankündigung fing ihr Herz an, wie wild zu schlagen. Es raste förmlich im Galopp. Schnappatmung setzte ein und es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter.

»Kristof?«, flüsterte sie ungläubig. Natürlich. Wer denn sonst? Sie kannte doch sonst niemanden in der Stadt. Aber was wollte er hier? Mitten in der Nacht.

Schier endlos lange Sekunden verstrichen und Lola war hin und her gerissen. Sie wusste nicht, ob sie einfach wieder in den Schlafsack krabbeln oder den Mut aufbringen sollte, Kristof die Tür zu öffnen, also blieb sie mucksmäuschenstill hinter der Tür stehen.

»Wahrscheinlich ist sie gar nicht da«, sprach er auf der anderen Seite der Tür zu sich selbst. Die Schritte im Treppenhaus entfernten sich langsam.

Nervös biss sie sich auf die Unterlippe. Warum nur wollte sie nicht, dass er jetzt wieder ging? Es ergab keinen Sinn. Er war ein fremder Mann. Zugegeben, ein recht gut aussehender fremder Mann, der unwahrscheinlich anziehend auf sie wirkte, aber sie wusste rein gar nichts über ihn. Er könnte ein gottverdammter Psychopath sein.

Ihre Gedanken waren zwiegespalten. Da gab es dieses unmissverständliche Verlangen danach, ihm nah zu sein. Sie wollte ihn kennen lernen, auch wenn sie den Grund dafür nicht verstand. Doch sie wollte auch ihre guten Vorsätze nicht komplett aufgeben. Schließlich war sie in eine andere Stadt gezogen, um sich voll und ganz auf ihr Studium konzentrieren zu können.

Nein. Sie wollte keine neue Beziehungskiste. Eigentlich wollte sie nicht einmal einen verdammten One-Night-Stand, und schon dreimal wollte sie kein Verhältnis mit einem verheirateten Mann! Okay, nun mal ruhig Blut mit den jungen Pferden, hätte ihr verstorbener Opa jetzt zu ihr gesagt. Gleich von einem Verhältnis zu sprechen, wäre wohl an den Haaren herbeigezogen. Trotzdem ist es nicht richtig!

Andererseits fragte sie sich – und indirekt, da sie ihn nun schon einmal mit ins Boot geholt hatte, auch ihren Opa: Was spricht gegen ein unbefangenes Kennenlernen? Dabei könnte sie auch mehr über die ehelichen Verhältnisse dieses Mannes in Erfahrung bringen. Sie müsste ihm ja nicht gleich ihre Zunge … Aber lassen wir das. War nicht so gemeint, Opa!

Vor Aufregung fing ihr Herz wild an zu pochen. Es schlug energisch von innen gegen ihren Brustkorb. Eine Gänsehaut zog über ihren Körper hinweg, die ganz bestimmt nicht von der Kühle der Nacht herrührte, sondern vielmehr von dem Entschluss, den sie soeben getroffen hatte. Ach, scheiß drauf!

Energisch drehte sie den Schlüssel im Schloss herum. Es knackte laut in die Stille hinein. Sie erschrak selbst vor dem lauten Geräusch und hielt inne.

Sie horchte. Die Schritte im Treppenhaus verstummten für einen Augenblick, dann kamen sie langsam wieder näher.

»Lola, bist du da? Hier …« Er stockte kurz. »Ich bin es, Kristof.« Seine Stimme klang nervös und holprig.

Ein Schatten verdeckte das Licht, das durch den Türspalt am Fußboden schien, und sie wusste, er stand jetzt wieder vor ihrer Tür. Sie hörte ihn sachte hin und her wippen.

Langsam drückte sie die Türklinke herunter und öffnete einen Spalt weit. Vor ihr stand ein ziemlich verunsicherter Kristof. Doch sogar jetzt, um diese Uhrzeit, trug er immer noch Anzug und Hemd. Wahrscheinlich geht er mit den Dingern auch schlafen. Mit treudoofen Augen sah er sie an.

Sie rieb sich die Augen. »Kristof, was willst du hier? Noch dazu um diese Uhrzeit?«

Urplötzlich war sie wirklich müde und hätte im Stehen einschlafen können. Warum tat sie es nicht? Ach ja, Kristof. Vor der Tür. Mitten in der Nacht. Sie nahm die Hand vom Gesicht und blinzelte ihn an. Ihre Augen hatten sich noch nicht ganz an das Licht im Flur gewöhnt.

Wie ein kleiner Schuljunge druckste Kristof herum. »Lola, kann ich bitte kurz mit dir reden? Ich weiß, die Uhrzeit ist ungünstig und ich hätte wohl besser vorher anrufen sollen, aber ich habe das dringende Bedürfnis, mit dir zu sprechen. Nur ein Wort von dir und ich gehe sofort wieder. Versprochen.« Als würde er einen auswendig gelernten Text aufsagen, sprudelten die Worte aus ihm heraus.

Panisch zeigte er mit der Hand die Treppe hinunter. »Du sollst jetzt bitte nicht das Gefühl bekommen, ich wäre ein verdammter Psychopath oder so!«

Lola war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte, zuckte mit den Schultern und ließ ihn herein.

Als die Tür ins Schloss fiel, war es stockfinster. Der Flur war schmal und es gab noch kein Licht, also beschloss Lola, ihr verdammtes Kribbeln im Bauch – ja, es war wieder da, welch Überraschung – einfach zu ignorieren und sich an Kristof vorbei ins Badezimmer zu hangeln. Sie spürte seinen Atem dicht vor ihrem Gesicht und den Stoff seines Hemdes auf ihrem nackten Oberarm, als sie an ihm vorbeihuschte. Kristof schien geradezu apathisch Luft zu holen.

Im Bad angekommen drückte sie auf den Schalter und die Dunkelheit verschwand. Den Blick auf den Boden heftend, huschte sie erneut an ihm vorbei, tapste direkt in die Küche, um dort das Licht der Dunstabzugshaube anzustellen. Das war die zweite Lichtquelle in der Wohnung. Mehr Beleuchtung gab es noch nicht.

Lola stützte sich an der Küchenzeile ab und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Also: Kristof steht wahrhaftig zur nachtschlafenden Zeit vor meiner Tür und will etwas mit mir besprechen. Angestrengt dachte sie nach. Etwas besprechen. Was denn bitte besprechen? Liegt doch auf der Hand, was der will! Oder nicht?

Langsam betrat Kristof den Raum. Eine Gänsehaut überkam sie. Wortlos blieb er dicht hinter ihr stehen und wartete darauf, dass sie sich umdrehte.

War dies der Moment, in dem sie sich mal wieder in das größte Chaos stürzen würde? Und, was viel wichtiger war: Wollte sie das überhaupt? Sie bemerkte den Duft, der von ihm ausging. Ein Schnupfen wäre jetzt äußerst hilfreich gewesen. Dann hätte sie bei Weitem klarer denken können.

Sie schloss ihre Augen und traf eine Entscheidung. Sie würde sich jetzt umdrehen und ihn freundlich, aber entschieden bitten zu gehen. Huch. Wo ist er?

Kristof stand nicht mehr am selben Platz wie eben. Mittlerweile ging er nervös im Zimmer auf und ab. Während er dies tat, fuhr er sich immer wieder mit beiden Händen durch die Haare.

Als sich Lolas Aufmerksamkeit auf ihn richtete, hielt er in der Bewegung inne. Mit einem Augenaufschlag, der zum Dahinschmelzen war, sah er ihr in die Augen. Alles schön und gut, dachte Lola, doch so langsam wurde ihr das Ganze zu bescheuert. Hier stand ein Mann in den mittleren Jahren zu nachtschlafender Zeit vor ihr und schaffte es nicht, den Mund aufzubekommen. Es reichte.

»Also, entweder erzählst du nun langsam mal, was du auf dem Herzen hast, oder du verschwindest wieder. Ich bin müde und habe keine Lust, hier noch lange herumzustehen.«

Er stand ganz schön unter Druck. Sie merkte, wie er förmlich nach Worten rang.

»Gott, ich hasse mich für das, was ich hier tue«, hörte Lola ihn mehr zu sich selbst sagen.

»Was?«, fragte sie entgeistert.

Völlig ferngesteuert ging Kristof auf sie zu, um kurz vor ihr stehen zu bleiben. Mit großen Augen sah sie ihn an und wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie wollte etwas sagen, kam aber nicht dazu. Kristof schien den Plan, den er sich zurechtgelegt hatte, weiter in die Tat umsetzen zu wollen. Er kam noch ein Stück näher und hob beide Hände, als wolle er Lolas Gesicht berühren. Voller Panik wich sie ein gutes Stück zurück. Fest presste sie sich rücklings an die Küchenzeile.

»Was machst du da?«, brachte sie im Flüsterton hervor.

Ihr Blick glitt von seinen Augen zu seinem Mund, der ihr nun gefährlich nahe kam. Lola spürte, wie sich seine Fingerspitzen auf ihre Wangen legten und er ihr Gesicht sachte in seine Hände nahm. Ihr Blick ging wieder zu seinen Augen, die sie feurig ansahen.

»Dich küssen«, hauchte Kristof ihr zu, und das Zittern seiner Stimme ließ eine leichte Nervosität seinerseits erahnen.

Eine wohlige Wärme legte sich um Lola. Das Blut schoss ihr in die Wangen und ihre Hände wurden vor Aufregung ganz schwitzig. Sie wollte protestieren, doch eigentlich auch wieder nicht.

Er kam ihr noch ein Stückchen näher und Lola spürte seinen Atem auf ihrem Gesicht. Ehe sie sich versah, küsste Kristof zart ihre Unterlippe. Er traute sich nicht, die Augen zu schließen, schien immer auf dem Sprung. Wusste nicht, wie weit er gehen durfte.

Lola schloss für einen kurzen Augenblick ihre Lider und genoss die zärtliche Berührung auf ihren Lippen. Dann besann sie sich schlagartig und öffnete blitzschnell die Augen.