Lust und Gefahr - Cate Noble - E-Book

Lust und Gefahr E-Book

Cate Noble

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  • Herausgeber: Knaur eBook
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2010
Beschreibung

Seit Jahren ist Robin in den sexy Detective Jon verliebt. Doch da sie die Schwester seines besten Freundes ist, war sie für ihn tabu – bis sie ihm nun in eine einsame Jagdhütte folgt. Beide ahnen nicht, dass auch ein Killer es auf Jon abgesehen hat ... Lust und Gefahr von Cate Noble, E. C. Sheedy und Shannon McKenna: prickelnde Erotik im eBook!

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Seitenzahl: 452

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Cate Noble / E.C. Sheedy / Shannon McKenna

Lust und Gefahr

Erotische Phantasien

Aus dem Amerikanischen von Tine Mey

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Cate Noble Mein unmoralisches Angebot1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. KapitelE. C. Sheedy Komm und küss mich1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. KapitelShannon McKenna Ein echter Kerl1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel
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Cate NobleMein unmoralisches Angebot

1. Kapitel

Max DeLuca trat aus dem Privataufzug und ging durch den schwach beleuchteten Salon des Firmenpenthouses in Boston. Es war nach Mitternacht, aber trotzdem schaltete er keine zusätzlichen Lampen ein. Ellie lag im Gästezimmer, und er wollte sie nicht aufwecken.

Oder doch?

Er hielt kurz an und sog den leichten Duft von Parfüm ein, der in der Luft hing. Die Wut, die in ihm brodelte und die ihn gequält hatte, seit er vor zwölf Stunden Rom verlassen hatte, verschwand. An ihre Stelle trat eine andere, eine elementare Empfindung: ein heftiges, fast schmerzliches Feuer, das ihn plötzlich erregte. Das schlagartige Verlangen durchfuhr ihn ebenso heftig wie zuvor der Zorn.

Oh, es gab eine Menge Dinge, die er mit seiner Schwägerin – seiner ehemaligen Schwägerin – tun wollte, aber all diese Dinge erforderten ihre volle Aufmerksamkeit. Im Moment war Dornröschen also sicher.

Missmutig machte er einen Abstecher an die Bar. Es war ganz gut so, dass sie nicht wach war. Er hatte miserable Laune und den ganzen Tag über Streit gesucht – aus Gründen, die nur bedingt etwas mit Ellie zu tun hatten.

Was nicht bedeutete, dass er keinen guten Grund hatte, im Augenblick so mies gelaunt zu sein. Wenn es um Ellie ging …

Er schob den Gedanken beiseite. Die Vergangenheit war wie Treibsand: Sie wartete nur auf den ersten gedanklichen Fehltritt, um einen herunterzuziehen. »Tu dir selbst einen Gefallen und kümmere dich um das gerade anstehende Problem«, murmelte er.

Und das Problem, das im Augenblick anstand, war rein geschäftlich. Max wollte, dass Ellie eine Vereinbarung unterzeichnete, um die Dauer der Regelungen auszudehnen, die sein Halbbruder in seinem Testament verfügt hatte. Diese Abmachung würde ihm auch weiterhin die uneingeschränkte Kontrolle über ihre Aktienanteile an seiner Firma garantieren. Vom finanziellen Standpunkt aus gesehen war sein Angebot vernünftig. In den drei Jahren seit Stefans Tod war Max strategisch kluge geschäftliche Partnerschaften eingegangen, und dadurch hatte DeLuca Shipping International sein Geschäftsvolumen fast verdoppelt. Den neuen Verträgen zuzustimmen war eine Routineangelegenheit, die eigentlich schon vor Monaten hätte erledigt werden sollen.

Unglücklicherweise war zwischen Ellie und ihm noch nie irgendetwas Routine gewesen. Ihre jeweiligen Anwälte hatten sich von Anfang an nicht gut verstanden. Dann hatte die Presse die Story ausgeschlachtet und öffentlich die ethischen und moralischen Grundsätze von Max’ Firmenpolitik hinterfragt. Zu dem Zeitpunkt hatte Ellie sich aus den Verhandlungen zurückgezogen und war wochenlang nicht erreichbar gewesen.

Bis vor zwei Tagen. Sie hatte eine E-Mail an Max’ private Adresse geschickt. Ihre Nachricht war rätselhaft gewesen:

Ich möchte Dir einen privaten Deal vorschlagen. Einen Deal, der uns beide befriedigen wird.

Seine Neugierde hatte ihn fast wahnsinnig gemacht. Genau wie seine Lust. Er war bereit gewesen, alles Mögliche zu versprechen, um sie wieder an den Verhandlungstisch zurückzuholen. Doch sie hatte sich geweigert, Details mit ihm zu besprechen, und stattdessen auf einem persönlichen Treffen von Angesicht zu Angesicht bestanden: nur wir beide.

Weil ihre erstaunliche E-Mail ihm eine ziemlich hartnäckige Erektion beschert hatte, war er drauf und dran gewesen, heute Abend einen Vertreter zu schicken. Aber er hatte befürchtet, dass sie das verärgern und die Verhandlungen dauerhaft erschweren und schädigen würde.

Komisch, wie all diese Sorgen während des Fluges verblasst waren. Eine kleine Dosis Wut – oder, um ehrlich zu sein, eine ziemlich große Dosis – hatte ihren Zweck erfüllt. Vielleicht sogar ein bisschen zu gut. Bevor er sich mit Ellie treffen würde, musste er sich beruhigen und über alles nachdenken.

Er warf seinen Aktenkoffer auf einen Ledersessel und wandte sich der Hausbar zu. Die kunstvoll verzierte Karaffe aus Ebenholz enthielt sein Lieblingsstärkungsmittel für angespannte Nerven: einen ausgesprochen seltenen, vierzig Jahre alten Single Malt Scotch. Er füllte genau zwei Finger breit in ein Glas und schenkte sich dann noch etwas nach. Das hatte er sich verdient.

Bevor er einen Schluck nahm, erhob er das Glas zu einem stummen Toast in Richtung der Ahnengalerie an der Wand. Noch eine Familientradition, die Max nicht vorhatte fortzuführen.

Nach sechs Generationen patriarchalischer Maßlosigkeit und legendärer Ausschweifungen hatte DeLuca Shipping International schon am Rande des Bankrotts gestanden, als Max vor sieben Jahren vollkommen unerwartet die Zügel übernommen hatte. Im Alleingang hatte er das Blatt gewendet und die Firma von Grund auf neu strukturiert. Sie schuldeten eigentlich ihm ein wohlwollendes Nicken. Vor allem sein Halbbruder.

Max strich über die Narbe über seinem linken Auge. Die Schuldgefühle, die ihn wegen Stefans Tod geplagt hatten, waren während der gerichtlichen Auseinandersetzungen verschwunden, die um das Vermögen seines Bruders entbrannt waren. Stefan hatte ihrem Vater nachgeeifert – leider vor allem, was dessen schlechte Seiten betraf. Und dazu hatte auch gehört, dass er im wahrsten Sinne des Wortes in jedem Hafen eine andere Frau gehabt hatte – und zu Hause eine Ehefrau, die von alldem nichts geahnt hatte. Wenn Max etwas besser gelaunt und etwas wohlwollender gestimmt gewesen wäre, hätte er Ellie bedauert. Doch es war schließlich nicht so, als hätte er sie nicht gewarnt. Du heiratest den falschen Mann …

Er fühlte sich rastlos und nahm seinen Drink mit nach draußen auf den Balkon. Das Hochhaus bot einen Ausblick auf die funkelnden Lichter des Bostoner Hafens. Für gewöhnlich genoss er diese Aussicht. Doch heute Abend war es der Horizont, der seine Aufmerksamkeit fesselte. Unablässig zuckten heftige Blitze hinter kilometerhohen Gewitterwolken – ein kleiner Vorgeschmack auf einen Sturm, der sich über dem Meer zusammenbraute. Die drückend heiße Julinacht, perfekt für das drohende Unwetter, spiegelte genau seine Stimmung wider.

Der Tag war anstrengend gewesen, sein Transatlantikflug der reinste Marathon von unerfreulichen Geschäftstelefonaten und Videokonferenzen. Alles, was schiefgehen konnte, war schiefgegangen. Begonnen hatte es damit, dass in letzter Minute Neuverhandlungen wegen einer wichtigen Fusion anberaumt worden waren, die dringend benötigtes Kapital in Max’ Kassen gespült hätte. Eigentlich hatte dadurch DSIs Topposition auf dem globalen Schifffahrtsmarkt untermauert werden sollen. Aber der Deal war gescheitert, als Haru Mizuno, der Besitzer eines japanischen Reederei-Konglomerates, plötzlich versucht hatte, aus den Verhandlungen auszusteigen. Er hatte persönliche Gründe vorgeschoben.

Doch einige schnelle Recherchen von Max’ Leuten hatten ans Licht gebracht, was wirklich hinter Mizunos sogenannter Krise steckte: Spielschulden bei keinem Geringeren als Peter Fourakis, dem Besitzer einer konkurrierenden griechischen Reederei.

Das war nicht Fourakis’ erster Versuch gewesen, Max zu schwächen. Und es war auch nicht die schlimmste Attacke des Griechen gewesen.

Seit die Nachricht durchgesickert war, dass Ellie McMann DeLuca – von der Boulevardpresse als umwerfend schön, stinkreich und noch zu haben beschrieben – demnächst die volle Kontrolle über ihre beträchtlichen Anteile an DSI erhalten würde, kreiste Fourakis wie ein Geier über ihnen. Ein Foto, auf dem Ellie und Fourakis beim gemeinsamen Dinner zu sehen waren, hatte die Spekulationen über eine mögliche Romanze zwischen den beiden angeheizt. Es hatte Max Magenschmerzen verursacht. Genau wie die Geschichten, die besagten, dass Fourakis der Grund war, warum sie ihre Vereinbarung und die Zusammenarbeit mit Max nicht verlängern wollte.

Zu wissen, dass solche Geschichten meist erfunden waren, half ihm nicht. Er war es gewohnt, seinen eigenen Namen in den Boulevardmagazinen zu lesen. Doch private Details über Ellies finanzielle Situation in solch billigen Schundblättern sehen zu müssen machte Max wütend. Vor allem angesichts der Sicherheitsanweisung, die er vor kurzem erhalten hatte …

Sein Blick verfinsterte sich, als er sich die Einzelheiten ins Gedächtnis rief. Laut des Berichtes wurde Ellie von einem Cyber-Stalker verfolgt. Erst kürzlich hatte sie ihn angezeigt, obwohl er sie schon seit Wochen belästigte. Seit Wochen. Diese Information machte Max noch immer zornig. Ein Teil von ihm wollte sie aus dem Bett zerren und sie schütteln, weil sie nicht umsichtiger gewesen war. Der andere Teil von ihm wurde hart.

Wieder konnte Max nicht verhindern, dass seine Gedanken zu der Frau im Gästezimmer am anderen Ende des Flures wanderten. Und zu den Dingen, die er wirklich gern mit ihr tun würde, wenn er sie aus dem Bett zerrte.

Er trank seinen Scotch aus und starrte zum Mond hinauf, der zwischen Wolkenfetzen hindurchfunkelte. Heute Abend, in einer solch gefährlichen Stimmung hierherzukommen war ein Fehler gewesen. Nicht, dass wegzubleiben eine denkbare Alternative gewesen wäre. Vielleicht sollte er sich umziehen und nach unten in den Fitnessraum gehen. Ganz sicher würde es helfen, sich am Sandsack auszupowern und dann eine Dusche zu nehmen.

Er machte sich auf den Weg in sein Schlafzimmer. Kurz vor dem Zimmer hielt er plötzlich an. Die Tür stand einen Spaltbreit offen, doch was ihn tatsächlich zurückhielt, war der Duft von Parfüm. Er war noch stärker geworden.

War Ellie in seinem Zimmer?

Er schloss die Augen, als ein Bild in seinem Kopf Gestalt annahm: die nackte Ellie. Bei dem Gedanken daran, dass sie in seinem Bett lag, schoss ihm das Blut in den Schwanz. Ruhig, Junge. Er erinnerte sich an ihre Nachricht: Ich möchte Dir einen privaten Deal vorschlagen. Genau wie er – von Angesicht zu Angesicht, echt und direkt, in ihr. Privater konnte es gar nicht sein. Vielleicht war es an der Zeit, dass Ellie und er den Streit austrugen – reinen Tisch machten, ein für alle Mal.

Er schob die Tür auf und ging ins Zimmer. Ein Gentleman hätte wahrscheinlich angeklopft, aber im Augenblick war Höflichkeit das Letzte, wonach ihm der Sinn stand. Im Übrigen war es sein Zimmer, und die offene Tür wirkte außerdem wie eine Einladung.

Hier im Zimmer war der Duft des Parfüms noch stärker. Und irgendwie falsch. Das Parfüm war zu schwer. Er blieb stehen, alle Sinne in Alarmbereitschaft.

»Hallo, Max. Hast du mich vermisst?«

Als Max die Worte hörte, die ihm aus einer dunklen Ecke des Zimmers zugeflüstert wurden, musste er unwillkürlich an eine Schlange denken.

Er erkannte die Stimme der Frau und wusste, warum sie so feindselig klang. Bridgette St. Regis war die bereits dreimal geschiedene Tochter des Ölmagnaten Arnaud St. Regis. Max hatte sich ein paarmal mit ihr getroffen, aber ihre Affäre vor zwei Monaten schließlich endgültig beendet. Die Trennung war nicht freundschaftlich verlaufen – sie beide waren Kontrollfreaks.

Was tat sie hier? Und wo war Ellie?

Max stellte Bridgettes genaue Position im Zimmer fest, bevor er das Licht einschaltete. Sein Blick fiel auf das zerwühlte Bett. Hatte sie darin gelegen?

»Wie bist du hier hereingekommen?« Er bemühte sich, ruhig zu klingen.

Sie trat aus den Schatten hervor. Die Diamanten an ihrem Hals funkelten, als sie die Schultern zuckte. »Der Portier hat mich wiedererkannt.«

Er presste die Kiefer aufeinander. »Vielleicht hätte ich eher fragen sollen, warum du verdammt noch mal hier bist. Denn ich bin nicht in der Stimmung, um mich mit dir zu unterhalten.«

»Da bin ich aber erleichtert.« Mit übertriebener Geste erhob sie ihr Brandyglas und verlagerte unsicher ihr Gewicht von einem Bein auf das andere. Es bestand kein Zweifel daran, dass es nicht ihr erster Drink war. »Reden war nie unsere Stärke. Wir sollten uns einfach wieder vertragen.«

»Zwischen uns ist nichts mehr, Bridgette.«

»Sag das nicht!« Sie senkte die Stimme und gab sich zerknirscht. »Ich weiß, warum du böse bist. Du hast recht – vielleicht hätte ich nicht mit dem Reporter sprechen sollen.«

Einen Moment lang wusste Max nicht, wovon sie redete. Doch dann erinnerte er sich an das Interview, das sie einem dieser Klatschreporter gegeben hatte. »Das ist Schnee von gestern. Vergiss es.«

»Wie soll ich das? Der Reporter war ein Idiot. Er hat mir die Worte im Mund umgedreht – genau wie die Information, dass wir verlobt wären. Offensichtlich hat er der Tatsache, dass ich dich verteidigt habe, eine ziemliche Bedeutung beigemessen.«

»Ich kann mich selbst verteidigen.«

»Tja, ich konnte doch schließlich nicht tatenlos zusehen, wie er unterstellte, dass Il Diavolo kein Herz hat.«

Der Teufel. Wenn sie nüchtern gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich daran gedacht, dass Max diesen Spitznamen, den die Boulevardpresse ihm gegeben hatte, verabscheute und dass er es ebenso verabscheute, im Rampenlicht zu stehen. Und sie hätte sich daran erinnert, dass er ihre Affäre bereits Wochen zuvor beendet hatte – lange bevor sie diesem Reporter ein paar pikante Details aufgetischt hatte.

Bridgette trat näher an ihn heran und drang in seinen persönlichen Bereich ein. »Ich habe dich vermisst, Darling. Und ich vermisse das hier.« Ihre Hand wanderte zwischen seine Beine, und sie griff zu. Sie blickte ihn mit geweiteten Augen an, die vor Vorfreude glänzten. »Wir können noch mal von vorn anfangen. Es kann wieder so werden wie am Anfang. Keine Verpflichtungen. Keine Bedingungen. Nur Sex.«

Das Magazin hatte mit diesem Aufmacher seinen ganz großen Tag gehabt. Max’ Motto: Keine Verpflichtungen. Keine Bedingungen. Nur Sex. Mit einem Mal hasste er es, hasste er sich. Er löste sich aus ihrem Griff.

»Es ist vorbei, Bridgette. Du musst gehen. Ich habe Besuch und …«

Sie unterbrach ihn, als sie sich abrupt umdrehte. »Du hattest Besuch – obwohl ich Stefans kleines Flittchen nicht unbedingt als Gast bezeichnen würde.«

»Was meinst du mit ›hattest‹?« Sein Blick ging zur Tür.

»Sieh mich an! Ich bin heute Abend hierhergekommen, um zu Kreuze zu kriechen, und was muss ich sehen? Sie – halbnackt in deinem Bett, die Klauen schon nach dir ausgestreckt.«

»Ich bezweifle, dass das …«

Bridgette stampfte mit dem Fuß auf. »Wage es nicht, diese Hexe zu verteidigen! Die Nachricht, die sie hinterlassen hat und die sie ganz beiläufig an die Tiffany-Lampe im Foyer geklebt hat – sehr klischeehaft, Max, wirklich –, hat eindeutig gezeigt, was sie vorhatte.«

Was sie vorhatte: Ein Deal, der sie beide befriedigen würde. Hitze und Wut durchzuckten ihn gleichzeitig. »Wo ist die Nachricht?«

»Weg. Genau wie sie.«

Max hatte genug gehört. Er nahm das Telefon von seinem Nachttischchen und tippte eine Nummer ein, während er über die Schulter hinweg sagte: »Du kannst entweder allein gehen, Bridgette, oder in Begleitung meines Sicherheitspersonals. Auf jeden Fall wird schon ein Taxi auf dich warten, wenn du die Lobby erreichst.«

»So hast du dir das also vorgestellt? Gut, ich werde dir noch etwas mehr Zeit geben, um zur Besinnung zu kommen.« Kalt lachend erhob sie ihr Glas und kippte es über dem Perserteppich aus. »Lass mich nur nicht zu lange warten, Max. Du wirst es bereuen.«

»Ich bin die falsche Person für irgendwelche Drohungen. Lass mich einfach in Ruhe, Bridgette. Mach noch einmal so etwas Wahnsinniges wie das hier und ich werde dich festnehmen lassen.«

»Wir wissen beide, dass du das nicht ernst meinst.« Sie ging zur Tür. »Arrivederci.«

Max sah ihr nach, um sicherzugehen, dass sie auch tatsächlich im Aufzug verschwand. Dann rief er den Portier an. »Bridgette St. Regis ist auf dem Weg nach unten. Wer auch immer sie raufgelassen hat, hat einen großen Fehler gemacht. Wenn so etwas noch einmal vorkommen sollte, kann sich dieser Jemand nach einem neuen Job umsehen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«

»Ja, Sir«, stammelte der Mann. »Aber ich habe gerade erst meine Schicht begonnen.«

»Dann stellen Sie sicher, dass die entsprechende Person meine Nachricht erhält.« Max massierte sich müde die Nasenwurzel. »Ms. DeLuca war heute Abend hier. Ich muss wissen, wann und wie sie verschwunden ist.«

»Ich werde mich sofort darum kümmern, Sir!«

Nachdem er aufgelegt hatte, lief Max rastlos in der Suite auf und ab. Wie viel von dem, was Bridgette erzählt hatte, entsprach der Wahrheit? Die Vorstellung, dass Ellie halbnackt in seinem Bett gelegen hatte, machte ihn fast wahnsinnig – auch wenn es ziemlich unwahrscheinlich war. Und dasselbe galt für die zweideutige Nachricht. Ganz offensichtlich war etwas zwischen den beiden Frauen vorgefallen. Warum sonst hätte Ellie verschwinden sollen? Sie war schließlich sein Gast gewesen, während Bridgette ungebeten aufgetaucht war.

Ein nagender Verdacht beschlich ihn, und er verlangsamte seine Schritte. Das war das dritte Mal innerhalb einer Woche, dass er Bridgette in die Arme gelaufen war. Da die ersten beiden Begegnungen jeweils in einem Restaurant in Rom stattgefunden hatten, hatte er es als Zufall abgetan. Doch das hier? Wie hatte sie wissen können, dass er heute Abend in Boston war?

Vor kurzem erst hatte Max den Sicherheitschef seiner Firma ersetzt, nachdem eine Reihe von Sicherheitslücken aufgetaucht war. Gerard, der neue Securitychef, der auch den Bericht über Ellie vorbereitet hatte, hatte davor gewarnt, dass es eine Menge solcher Lücken gab. War das hier ein Beispiel dafür?

Das Telefon klingelte. »Ace Limo hat Ms. DeLuca vor etwa einer Stunde abgeholt«, sagte der Portier. »Sie haben sie die Küste hinauf nach Rockport gefahren.«

Sofort erkannte Max die Adresse wieder, die der Portier nun ablas. Es war das Strandhaus, das Ellie von ihren Großeltern geerbt hatte. Er hätte wissen müssen, dass sie dorthin flüchten würde.

»Mr.DeLuca?« Der Portier räusperte sich. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

»Ja. Lassen Sie meinen Wagen vorfahren. Ich bin gleich unten.«

Kurz dachte er darüber nach, Ellie zuerst anzurufen. Aber wenn sie tatsächlich eine Auseinandersetzung mit Bridgette gehabt hatte, würde sie seinen Anruf vermutlich nicht entgegennehmen. In letzter Zeit war zwischen ihnen nicht alles eitel Sonnenschein gewesen. Verdammt, er hätte es zwischen sich und Ellie niemals so weit kommen lassen dürfen.

Als der Aufzug kam, trat er hinein und drückte ungeduldig auf den Knopf mit der Aufschrift »Lobby«. Die Türen begannen gerade, sich zu schließen, als sein Blick auf eine zusammengeknüllte Kugel aus pinkfarbenem Papier fiel, die auf dem Boden unter dem Sofa lag. Fluchend drückte er den Knopf, die Türen des Lifts glitten wieder auf, und er verließ den Fahrstuhl.

Hatte Ellie wirklich eine Nachricht hinterlassen? War sie das? Er rief sich Bridgettes Worte ins Gedächtnis: »Die Nachricht, die sie hinterlassen hat … hat eindeutig gezeigt, was sie vorhatte.«

Er nahm den zusammengeknüllten Zettel, strich ihn hastig glatt und erkannte Ellies elegante Handschrift.

Hier ist mein Preis für die Verlängerung unserer Abmachung: Eine Nacht … wie in alten Zeiten. Keine Verpflichtungen, keine Bedingungen, nur Sex. Abgemacht?

2. Kapitel

Ein Geräusch weckte Ellie. Verwirrt fuhr sie hoch. Ihr Verstand war noch immer gefangen im diffusen Nebel zwischen ihrem erotischen Traum und dem Erwachen. Traumus interruptus.

Ihr Atem ging stoßweise, hallte im Zimmer wider. Sie schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und betrachtete die fremden Schatten. Draußen grollte tief und weit entfernt der Donner. Das Gefühl von Panik ebbte ab, als ihr klarwurde, was sie geweckt hatte und wo sie war. Das Strandhaus. Der Sturm.

Sie sank auf ihr Kissen zurück und schloss die Augen, suchte Ruhe. Sofort wurde sie in ihren Traum zurückgeholt. Max … nackt … seine Erektion drängte sich gegen ihren Oberschenkel, als er sich aufrichtete, um in sie zu dringen …

Sie stöhnte. Mit brennenden Wangen drehte sie sich auf den Bauch und vergrub ihr Gesicht in den Laken. Wie konnte sie nach der katastrophalen Szene im Penthouse überhaupt noch an ihn denken?

Es hatte sie so viel Mut gekostet, Max die E-Mail überhaupt zu schicken. »Ich möchte dir einen privaten Deal vorschlagen.«

Schon so lange hatten sie nur über ihre Anwälte miteinander kommuniziert, dass sie nicht sicher gewesen war, ob er persönlich antworten würde. Doch er hatte es getan. Seine Antwort war schnell gekommen und war genauso provokativ gewesen wie ihre Anfrage.

Nenn Deinen Preis. Jederzeit. Egal wo.

Seine Worte hatten sie ermutigt. Ich kann es tun. Sie hatte sich geziert und hatte nur zugestimmt, was Ort und Zeit betraf. Aber dieser schwer erkämpfte Mut war in dem Augenblick verschwunden, als sie im Penthouse das leise Pling des Aufzugs gehört hatte. Zu dem Zeitpunkt war sie bereits dutzende Male in Max’ Bett geklettert – und ebenso oft wieder heraus. Und sie hatte alles noch einmal überdacht: die Auswahl ihrer Unterwäsche, ihr Motiv, ihre Absichten. Doch schließlich hatte es kein Zurück mehr gegeben. Also hatte sie sich in sein Bett gelegt und sich nervös vorgestellt, wie er die verführerische Einladung las, die sie an der Bar hinterlassen hatte.

Nenn Deinen Preis. Das hatte sie getan.

Mit seinen eigenen Worten, seinem Motto, hatte sie angeboten, für eine Nacht in seinen Armen ihre Seele an den Teufel zu verkaufen. Lange bevor sie Stefan geheiratet hatte, war sie mit Max zusammen gewesen. Und sie hatte nie aufgehört, sich zu fragen … was wäre wenn? Wenn sie noch eine Nacht miteinander verbringen würden, könnte sie ihn dann vergessen und ihr Leben weiterleben?

Sie unterdrückte ein weiteres Stöhnen. Gott, hatte sie wirklich geglaubt, das würde ausreichen, um ihn vollkommen zu vergessen? Eine Nacht?

Ja, das hatte sie. Wie ein Katerbier oder so etwas. Früher einmal hatten sie und Max allem Anschein nach perfekt zusammengepasst. Aber vielleicht war es auch nie so gewesen. Vielleicht täuschte ihre Erinnerung sie, und sie sah statt der Realität nur ein paar schöne Phantasiebilder. Ganz sicher jedenfalls hatten diese Vorstellungen – ob nun wirklich oder nicht – ihr Urteilsvermögen beeinträchtigt. Da Max es offensichtlich vermied, mit ihr allein zu sein, hatte sie sich entschlossen, die Vereinbarung wegen der Aktienanteile als Druckmittel zu verwenden. Auf diese Weise wollte sie ihn dazu zwingen, sich persönlich mit ihr zu treffen.

Großer Fehler.

Sie würde niemals vergessen, wie Bridgette St. Regis ins Zimmer gestürmt war und geschrien hatte: »Was machen Sie in Max’ Bett? Wie können Sie es wagen, meinen Verlobten verführen zu wollen? Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass er an den abgelegten Frauen seines kleinen Bruders interessiert ist, oder?«

Gedemütigt war Ellie aus dem Penthouse geflüchtet.

Max war verlobt. Die Nachricht hatte sie schockiert. Wie hatte sie alles so falsch verstehen können? Sicher, die Boulevardpresse hatte Bridgette und Max eine Affäre unterstellt, aber dem unersättlichen Il Diavolo wurde beinahe jede Woche eine Liaison mit einer anderen Frau angedichtet. Ellies Quelle jedoch – der sie von nun an nie mehr vertrauen würde – hatte ihr versichert, dass Max in keiner ernsthaften Beziehung mit einer Frau steckte.

Nicht zum ersten Mal hatte Ellie die Hinweise falsch gedeutet. Die extremen Maßnahmen, die die unschönen Gerichtsverhandlungen um Stefans Nachlass möglichst schnell hatten beenden sollen, hatte Max nicht um ihretwillen ergriffen. Als nach Stefans Tod die Skandale kein Ende zu nehmen schienen, hatte Max die Führung übernommen und alle Kläger abgefunden. Sie musste annehmen, dass er seine Anteile an DSI beliehen hatte, um das erforderliche Geld aufzutreiben, damit er alles noch vor der Hochzeit mit Bridgette regeln konnte. Was bedeutete, dass er ihre Vereinbarung nur verlängern wollte, um seine finanztechnische Position zu sichern.

Ellie schlug die Hände vors Gesicht. Am Morgen würde sie Max’ Vereinbarung wie gesehen unterzeichnen. Das wäre ihre Entschuldigung. Mea culpa. Und dann würde sie ihren Anwalt damit beauftragen, eine Überschreibung der Aktien zu Max’ Gunsten auszuarbeiten. Das wäre ihr Hochzeitsgeschenk.

Max verdiente es, sämtliche Anteile an der Firma zu besitzen. Das war für sie nie ein Thema gewesen. Alles, was sie aus Stefans Nachlass forderte, war das, was sie in die Ehe mit eingebracht hatte: das Erbe ihrer Großeltern und ihren Mädchennamen. Das würde es ihr erlauben, noch einmal von vorn zu beginnen und ihre ehemals aufstrebende Design-Firma wiederzubeleben. Unglücklicherweise war ihr nie aufgefallen, wie sehr sich ihre und Stefans Finanzen verwickelt hatten und wie kompliziert dieses Geflecht geworden war. Verdammt, ihr waren so viele Dinge an ihrer Ehe nicht aufgefallen.

Ellie setzte sich auf. Sie konnte nicht schlafen. Im Haus war es warm. Auf ihren Armen funkelten Schweißperlen. Wieder grollte der Donner, lauter und unheilverkündend. Nachdem er verklungen war, wirkte das Haus ungewöhnlich still. Mit einem Blick auf den Radiowecker stellte Ellie fest, dass der Strom ausgefallen war.

»Großartig«, murmelte sie. Was konnte heute Nacht sonst noch schiefgehen?

Sie schob die zerwühlten Laken zur Seite und kletterte aus dem Bett. Während sie den Morgenmantel, den sie vom Stuhl genommen hatte, über ihr kurzes Nachthemd zog, ging sie in Richtung Tür. Wenn sie sowieso schon wach war, konnte sie ebenso gut …

Ein Geräusch ließ sie erstarren. Glas war zerbrochen. Unten.

Instinktiv nahm sie das schnurlose Telefon vom Nachttisch. Aber ohne Strom konnte sie auch das Telefon nicht benutzen. Und ihr Handy war unten an die Ladestation angeschlossen.

Der Gedanke an die unheimlichen E-Mails, die sie die letzten Wochen hindurch erhalten hatte, schoss ihr durch den Kopf. Zuerst hatte sie sie einfach gelöscht und war davon überzeugt gewesen, dass sie ein dummer Scherz waren, inszeniert von einem übereifrigen Paparazzo. Doch dann hatte sie ein paar Fotos erhalten, die sie beim Einkaufen, beim Essen und beim Verlassen ihres Apartments in Manhattan zeigten. Die Polizei hatte den Mann, der die E-Mails geschickt hatte, als »Cyber-Stalker« bezeichnet. Zu dem Zeitpunkt hatte der Begriff unwirklich geklungen. Fremd, schwer zu fassen.

Aber jetzt fiel ihr seine letzte Nachricht ein: Ich will zusehen, wie Du träumst.

»Hör auf!«, wisperte sie. Wenn sie nachgab und sich von ihm einschüchtern ließ, hätte er schon gewonnen. Im Übrigen konnte der Cyber-Mistkerl unmöglich wissen, wo sie sich befand. Sie hatte New York erst am Nachmittag verlassen, um nach Boston zu reisen, und war von dort bereits wieder geflohen.

Im Haus war es still, und sie fasste Mut. Statt dir die schrecklichsten Dinge auszumalen, solltest du lieber einmal logisch nachdenken. Eine Sturmfront war im Anzug. Der Wind hatte vermutlich bloß irgendetwas gegen das Haus geschleudert. Die Tatsache, dass die Alarmanlage nicht losgegangen war, war der entscheidende Beweis. Denn selbst bei einem Stromausfall lief das System über Batterie weiter. Es war also höchst unwahrscheinlich, dass jemand ins Haus eingedrungen war.

»Siehst du? Alles ist in Ordnung.« Sie würde nach unten gehen, alles überprüfen und sich vielleicht ihren Laptop schnappen. Sie machte eine Schleife in den Gürtel ihres Morgenmantels und ging zur Tür.

Als sie gerade die Hand um den Türknauf schloss, ertönte ein anderes Geräusch. Näher diesmal, im Flur. Da! Jetzt wiederholte sich das Geräusch, klar und eindeutig. Das Knarren der Stufen.

Jemand ist im Haus. Und er kam die Treppe hinauf.

Panik und Entsetzen prallten in ihrem Kopf aufeinander und ließen nur einen Gedanken zu: Raus hier! Vergiss die Kleider, vergiss die Schuhe, verschwinde einfach! Sie schlich durchs Zimmer zum Fenster und öffnete es leise.

Das alte Strandhaus im Stil der sechziger Jahre hatte einen schmalen Balkon, der beinahe das gesamte obere Stockwerk säumte. Sie würde runterklettern, zu den Nachbarn rennen und um Hilfe bitten. Auf dem Balkon wandte sie sich noch einmal um, um hinter sich das Fenster wieder zu schließen. Wenn jemand in ihr Schlafzimmer kam, wollte sie ihn nicht unbedingt sofort auf ihre Spur bringen.

Keine Wolke verdeckte den Mond, der fast voll war und alles in ein gespenstisches blaugraues Licht tauchte. Ihr weißer Morgenmantel schien in der Dunkelheit geradezu zu leuchten. Sie drückte sich in die Schatten unter dem schmalen Dachüberstand. Eine Windböe wehte Sandkörner gegen ihre nackten Beine, als sie sich zur anderen Seite des Hauses, an der Stufen hinunterführten, vorantastete. Sie stürzte die Treppe beinahe runter. Wieder grollte Donner. Gleichzeitig setzte mit dicken, schweren Tropfen der Regen ein.

Als ihr Fuß den Boden berührte, bemerkte sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Bevor sie irgendetwas tun konnte, legte sich ihr eine Hand über den Mund. Ein starker Arm schob sich unterhalb ihrer Brüste um ihren Bauch und zog sie an einen durchtrainierten männlichen Körper.

Außer sich vor Angst trat sie um sich und versuchte, sich freizukämpfen, doch ihr Angreifer war ihr körperlich überlegen, größer und stärker. Angst kroch ihr in die Knochen und machte ihr das Atmen schwer, als ihr klarwurde, dass es zwei Angreifer gab. Einer befand sich im Haus, der andere hier draußen bei ihr. Der Gedanke daran, was sie mit ihr vorhatten, bereitete ihr Übelkeit. Vergewaltigung. Mord. Sie musste kämpfen, musste fliehen …

»Ellie, ich bin es.«

Beim Klang der Stimme – dem rauhen Flüstern, das sie aus ihren Träumen kannte – schossen ihr Tränen der Erleichterung in die Augen. Max. Sie schmiegte sich an ihn. Was machte er hier?

»Du musst ganz leise sein«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Wir sind nicht allein.« Ermutigend drückte er sie an sich. »Nick kurz mit dem Kopf, wenn du verstanden hast, und ich lass dich los.«

Sie nickte. Als er sie losgelassen hatte, wandte sie sich zu ihm um. Er hatte sie in eine versteckte Ecke gezogen. Wie immer berührte sie schon seine bloße Anwesenheit. Dieser Mann hatte eine beeindruckende Präsenz, schien alle physikalischen Gesetze außer Kraft zu setzen. Mit seinen eins zweiundneunzig ragte er über ihr auf. Sein längeres, dunkles Haar, das er normalerweise zurückgebunden hatte, war offen. Nass vom Regen umrahmte es sein Gesicht. Im fahlen Mondschein gab ihm die glänzende Narbe über dem Auge ein finsteres Aussehen. Er wirkte wie ein düsterer Racheengel. Il Diavolo.

»Bist du in Ordnung?«, raunte er. »Hat er dir weh getan?«

»Nein.«

»Ist er noch da drin?«

Wieder nickte sie und deutete nach oben. »Er ist im oberen Stockwerk.«

Blitz und Donner zogen Max’ Aufmerksamkeit auf sich, und er blickte kurz in den Himmel. Dann drückte er ihr einen Autoschlüssel in die Hand. »Vor dem Tor steht ein schwarzer Geländewagen. Schließ dich ein. Meine Sicherheitsleute sind unterwegs.«

Sie packte seinen Arm. »Wohin gehst du?«

Zuerst hatte sie den Eindruck, dass er ihr nicht antworten würde, doch schließlich umfasste er ihr Kinn. »Ich will nicht, dass der Kerl – wer immer er auch ist – ungeschoren davonkommt.«

»Aber was ist, wenn er bewaffnet ist? Oder wenn er nicht allein ist?«

»Ich komme schon klar.« Er ließ seinen Arm sinken und wich einen Schritt zurück. »Und jetzt geh. Der Sturm wird noch sehr viel schlimmer werden.«

Als wäre das eine Aufforderung gewesen, wurde der Regen stärker. Ellie ging los und drehte sich dann noch einmal um. Eigentlich wollte sie Max bitten, vorsichtig zu sein, doch er war schon verschwunden. Fest umklammerte sie den Schlüssel in ihrer Hand. In gebückter Haltung, um sich vor dem peitschenden Regen zu schützen, rannte sie zur Auffahrt.

Gerade als sie das Tor erreicht hatte, hörte sie, wie jemand ihren Namen rief. Sie verlangsamte ihre Schritte und drehte sich um. Eine große Person – ein Mann – brach aus dem Dunkel hervor und lief direkt auf sie zu. Zu spät stellte sie fest, dass es nicht Max war.

Entsetzt rannte sie los. Der Mann überquerte den Hof und sprang vor sie. Sie kam zum Stehen. Sogar in der Dunkelheit konnte sie erkennen, dass eine schwarze Skimaske sein Gesicht verbarg. Sie traf seinen unheimlichen Blick, und in dem kurzen Moment blitzten seine Zähne auf, und sein Mund verzog sich zu einem dämonischen Lächeln.

»Nicht so schnell, Ella-Baby.« Er machte einen Satz nach vorn, und seine Finger berührten ihre Schulter.

Unfähig, den Blick abzuwenden, taumelte sie zurück. Ella-Baby war der Kosename, den ihr Cyber-Stalker benutzte.

Wieder wollte er ihren Arm packen. Sie wandte sich scheinbar nach links und rannte dann blitzschnell in die entgegengesetzte Richtung los. Sie musste zurück zum Haus. Der eiskalte Regen prasselte herab und schmerzte auf ihrer Haut. Sie konnte kaum etwas sehen und stürmte quer durch die Blumenbeete. Atemlos stieß sie eine Vogeltränke aus Stein um, in der Hoffnung, ihren Verfolger dadurch zu behindern. Sie hörte, wie der Mann fluchte, als er stolperte.

Ohne sich umzublicken, hastete sie weiter und baute ihren Vorsprung aus. Wo war Max? War er noch immer im Haus? War er verletzt? Plötzlich rutschte sie im Schlamm aus. Hilflos ruderte sie mit den Armen, und es gelang ihr, das Gleichgewicht wiederzufinden, doch durch diese kurze Verzögerung holte ihr Verfolger wieder auf. Er erwischte das Rückenteil ihres Morgenmantels.

»Hab dich!«, knurrte er.

»Nein!« Verzweifelt zerrte Ellie am Gürtel des Morgenmantels. Und tatsächlich schaffte sie es hinauszuschlüpfen. Sie hastete zur Garage. Es gab keine Möglichkeit, diesem Mann zu entkommen. Sie musste sich verstecken.

Max kam um die Ecke des Hauses gelaufen und prallte beinahe mit ihr zusammen. »Ellie! Hier bin ich!«

Vor Erleichterung wurden ihre Knie weich. Sie warf einen Blick über ihre Schulter, konnte ihren Verfolger jedoch nicht entdecken. »Er ist da draußen!«

»Ich kümmere mich darum. Lauf!« Max gab ihr einen kleinen Stoß und verschwand.

Ellie rannte um die Garage herum. Mit einem Mal durchzuckte sie ein höllischer Schmerz, als irgendetwas Scharfes sich in ihre nackte Fußsohle bohrte. Sie unterdrückte einen Aufschrei und lehnte sich vollkommen außer Atem an die Garagenwand. Sie versuchte, ihre Ferse zu belasten, aber sie konnte es nicht. In was auch immer sie getreten war, es steckte noch in ihrem Fuß.

Am Himmel zuckten Blitze, und in der kurzen Helligkeit, die entstand, konnte sie die Szene überblicken. Ihr Angreifer lief die lange Auffahrt entlang, gefolgt von Max. Die Dunkelheit verschluckte sie schließlich.

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Wenn Max etwas passierte … Fieberhaft sah sie sich um. Über ihr war ein kleines Garagenfenster. Wenn sie hineinklettern könnte, würde sie vielleicht etwas finden, das sich als Waffe eignete.

Hinter den Büschen schob sie sich näher an das Fenster heran, konnte es aber noch immer nicht erreichen. Eiskaltes Regenwasser strömte vom Dach und rann ihr über den Rücken. Frustriert zog sie sich zurück. Plötzlich hörte sie, wie Max ihren Namen schrie. Sie wandte sich wieder der Auffahrt zu.

»Hier!«, rief sie. Doch sie merkte schnell, dass er sie nicht sehen und auch nicht hören konnte.

Sie winkte ihm zu, wollte einen Schritt machen und schrie auf. Sogar die leichteste Belastung ihres verletzten Fußes war extrem schmerzhaft.

Im nächsten Moment tauchte Max neben ihr auf. Er packte sie am Oberarm und stützte sie beim Gehen. »Du bist verletzt!«

»Ich glaube nicht, dass es schlimm ist.« Sie hüpfte auf einem Bein. »Nur ein Schnitt. Hast du ihn erwischt?«

»Nein. Der Mistkerl hat es bis zu seinem Wagen geschafft und ist abgehauen.«

Ellie erschauderte. Das bedeutete, dass der Mann noch immer da draußen war. Vermutlich würde er es wieder versuchen. Sie schlang die Arme um sich.

»Ich habe einen Teil seines Nummernschildes entziffern können«, fuhr Max fort. Er öffnete die Knöpfe seines nassen Hemdes, während er weiterredete, und zog es dann aus.

Sie beobachtete ihn, gefesselt vom Anblick seines nackten Oberkörpers. Ihr Mund ging auf und wieder zu. Ihr fiel auf, dass er weiterhin sprach, als er ihr das Hemd nun entgegenstreckte. Sie versuchte es mit einem Scherz. »Das wird mich wohl kaum trocken halten.«

»Mir ging es eigentlich auch eher darum, dich zu bedecken.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf das Tor zum Grundstück. »Ich habe dir doch gesagt, dass meine Sicherheitsleute jeden Moment eintreffen.«

Ellie sah an sich herunter, und zum zweiten Mal in dieser Nacht fühlte sie sich furchtbar verlegen. Ihr klatschnasses Nachthemd war komplett durchsichtig geworden. Im schwachen Licht schien ihre blasse Haut unter dem Stoff praktisch zu strahlen. Kalt und nass ragten ihre Nippel geradezu unzüchtig hervor.

Sie hob die Arme, um sich selbst zu bedecken. Max kam näher und legte ihr sein Hemd um die Schultern. Ehe sie etwas sagen konnte, zog er sie in seine Arme und drückte sie an seine Brust. Trotz des Windes und des Regens verströmte sein Körper Wärme. Sie zitterte, fühlte sich schrecklich und schämte sich.

»Lass uns reingehen, damit du dir was Trockenes anziehen kannst«, sagte er. »Meine Männer werden die Polizei benachrichtigen.«

Ellie schüttelte den Kopf. »Du hast schon genug getan.«

»Genug? Ich habe noch nicht einmal angefangen.«

Sie wurde wütend, als sie seinen verärgerten Tonfall wahrnahm. »Ich komme schon allein damit klar, Max.«

»So wie du im Penthouse mit Bridgette klargekommen bist? Ich glaube nicht.«

3. Kapitel

Der Sturm entlud seinen Zorn in einer Folge von gigantischen Blitzen. Max hob Ellie hoch und presste sie an seine nackte Brust, um sie vor den heftigen Windböen zu beschützen, die selbst das kleinste Sandkorn in ein gefährliches Geschoss verwandelten.

Sein erster Impuls war es gewesen, sie von hier fortzubringen – doch im Augenblick mussten sie erst einmal Unterschlupf vor dem wütenden Sturm finden. Außerdem wollte er ihren Fuß untersuchen.

Mit Ellie auf dem Arm lief er über die Terrasse und trat durch die Tür ins Haus, durch die auch der Eindringling gekommen war. Glasscherben knirschten unter den Sohlen seiner Schuhe, als er durch die offen stehende Glastür das Haus betrat. Ellie stockte der Atem, als hätte sie in diesem Moment begriffen, dass der Mann auf diesem Weg eingedrungen war.

Durch die hellen Blitze konnte man Teile der Inneneinrichtung erkennen. Langsam und vorsichtig umrundete Max die Möbel im Wohnzimmer und ging in Richtung Küche. Auch wenn er seit einer Ewigkeit nicht mehr in dem Haus gewesen war, so war er sich sicher, dass er die Raumaufteilung niemals vergessen würde.

Ellie wand sich auf seinem Arm. »Du kannst mich jetzt runterlassen.«

»Nein.«

»Bitte, Max …«

Er verstärkte seinen Griff noch. Auf diese Weise unterbrach er sie und unterband für den Moment auch jede weitere Frage. Und je weniger er im Augenblick sagte, desto besser.

Der Gedanke daran, was hätte passieren können, brachte das Fass zum Überlaufen. Max war mehr als wütend. Schlecht gelaunt war er hierhergefahren, hatte immer und immer wieder über die Szene mit Bridgette und über Ellies Nachricht nachgedacht. Sobald er angekommen war, hatte er den parkenden Wagen am Straßenrand bemerkt, halb verdeckt von den Bäumen. Irgendetwas an diesem Anblick hatte seine Alarmglocken zum Schrillen gebracht.

Er hatte sich entschlossen, sich erst einmal umzusehen. Und plötzlich hatte er Ellie erblickt, die aus dem Fenster kletterte. Es war klar, dass etwas sie zu Tode erschreckt haben musste. Wahrscheinlich ein Einbrecher. Er hatte den Strahl einer Taschenlampe im Haus ausmachen können, aber der Mann war seltsamerweise kurz darauf ebenfalls aus dem Fenster geklettert und hatte Ellie verfolgt.

Verdammt! Was wäre passiert, wenn Max nicht in diesem Moment aufgetaucht wäre? Was wäre mit ihr geschehen? Seine Gedanken kreisten um die Berichte über den Stalker. War es derselbe Typ? Sein Drang, diesen Mistkerl zu verprügeln, war überwältigend.

In der Küche setzte Max Ellie auf der Anrichte neben der Spüle ab. Der Zorn des Sturmes schien immer noch weiter zuzunehmen. Donner hallte nach, wie eine Drohung, dass noch mehr zu erwarten war. Der Regen trommelte gegen die Scheiben, und es klang eher, als würden kleine Metallkügelchen statt Wassertropfen gegen die Fenster peitschten.

Er schob den Vorhang vor dem großen Fenster zur Seite und hoffte, dass das Licht der Blitze die dunkle Küche ein wenig erhellen würde. Doch es half nicht.

»Taschenlampe?«, knurrte er.

»Äh … im Schrank auf deiner linken Seite müsste eine Kerze im Glas sein.«

Aber er konnte die Kerze nicht entdecken. Er schüttelte den Kopf und öffnete leise fluchend Schubladen und Schranktüren, bis er die Kerze gefunden hatte. Dann wollte das uralte Feuerzeug, das daneben gelegen hatte, nicht funktionieren. Er brauchte ein paar Versuche, bis der Docht der Kerze schließlich brannte. Er stellte sie neben die Spüle. Der Schein war, wenn auch schwach, zumindest beständiger als die Blitze.

Max trat wieder zu Ellie, nahm ihren linken Fuß hoch und winkelte Ellies Bein so an, dass er die Wunde im Kerzenlicht betrachten konnte. Ein dickes, dreieckiges Stück Glas steckte noch immer tief in Ellies Ferse.

»Wie schlimm ist es?«, fragte sie.

Statt ihr zu antworten, drehte Max den Kaltwasserhahn voll auf. Der Zorn, den er verspürt hatte, weil er ihren Verfolger nicht erwischt hatte, schoss ihm wieder durch die Adern. Nur wegen dieses verfluchten Mistkerls war sie verletzt. Er wollte am liebsten …

»Bitte, sag doch was, Max.« Ellie berührte seinen Arm und lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. »Sag irgendetwas.«

»Das wird weh tun.« Mit einem Ruck zog er die Glasscherbe heraus und hielt Ellies Fuß dann in den Wasserstrahl.

Er spürte, wie sie ihre Finger in seinen Armen vergrub. Und er hörte, wie sie scharf einatmete und einen Aufschrei unterdrückte. Als er aufblickte, hatte sie den Kopf gesenkt. Sie zog sich zurück und griff nach einem der Handtücher.

Reue erfüllte ihn. Dass er ihr weh getan hatte – auch wenn es unter dem Deckmantel der Hilfe geschehen war –, ließ seine Wut augenblicklich verrauchen. Er kam sich wie ein brutaler Unmensch vor. Aber bevor er sich entschuldigen konnte, erklang ein ohrenbetäubender Knall. In den Baum vor dem Küchenfenster hatte der Blitz eingeschlagen. Unzählige Lichtblitze schienen in der Küche zu explodieren, als Zweige gegen das Fenster krachten.

Max hatte Ellie wieder hochgehoben. »Lass mich dich an einen sichereren Ort bringen.« Im Wohnzimmer musste er kurz anhalten, damit seine Augen sich an das Dunkel gewöhnen konnten. Dann trug er sie zu einem Sofa und setzte sie vorsichtig ab. »Ich komme gleich wieder.«

Er ging zurück in die Küche, holte die Kerze und ein weiteres Handtuch. Als er wiederkam, sah er, dass sie sich in die Ecke des Sofas zurückgezogen hatte.

Mit geschlossenen Augen presste sie sich das Handtuch an den Fuß. Sie wirkte erschöpft, unglücklich und unfassbar zerbrechlich.

Max fühlte sich wie ein Idiot, weil er so unsensibel auf ihren Schmerz reagiert hatte. Er versuchte, seine Wut zu rechtfertigen, doch es gelang ihm nicht. Sie war heute Abend angegriffen worden, nicht er.

In der Mitte des Couchtisches standen drei Kerzen, die Max schnell entzündete. Zwar wurde es durch die Kerzen nicht wesentlich heller, aber Max schob sie trotzdem näher an die Tischkante. Er kniete sich vor Ellie auf den Boden. »Es tut mir leid, wenn ich dir weh getan habe, El.« Sanft ergriff er ihren Knöchel. »Darf ich?«

Ohne auf ihren Widerstand zu achten, nahm er ihren Fuß entschlossen, aber behutsam hoch. Dann entfernte er das Handtuch. Die Wunde blutete noch immer, wenn auch nicht mehr ganz so stark. In dem schwachen Licht war es schwierig festzustellen, wie schlimm der Schnitt war. Max faltete ein frisches Handtuch zu einem provisorischen Verband, legte ihn mit leichtem Druck an und befestigte ihn an ihrem Knöchel.

»Bist du gegen Tetanus geimpft?«

Ellie nickte stumm. Verdammt, er hasste es, wenn er mit Schweigen gestraft wurde. Auch wenn er es nicht anders verdient hatte.

»Wir warten jetzt eine Weile, um zu schauen, ob es aufhört zu bluten«, fuhr Max fort. »Dann kann ich sehen, ob es genäht werden muss.«

Das brachte sie zum Sprechen. »Ich glaube nicht, dass es so schlimm ist.« Sie rutschte auf dem Sofa ein Stückchen vor.

»Das werde ich entscheiden.« Er ergriff ihre Hand, um sie daran zu hindern, das Handtuch abzunehmen, und stellte fest, dass ihre Finger eiskalt waren. »Himmel, Süße, du bist ja vollkommen durchgefroren.«

Eingehend musterte er sie und bemerkte, wie sehr sie darum kämpfen musste, aufrecht sitzen zu bleiben. Vorsichtig berührte er ihren Arm. Ihre Haut war kalt, und sie zitterte am ganzen Körper – vermutlich nicht nur wegen der Kälte, sondern auch aufgrund eines Schocks. Sie musste nötig aus den nassen Klamotten.

Kurzerhand nahm er die Decke, die dekorativ über die Rückenlehne des Sofas gebreitet war. Dann setzte er sich neben Ellie auf die Couch und zog sie auf seinen Schoß. Dass sie sich kaum wehrte, bereitete ihm Sorgen.

Sein nasses Hemd hing noch immer über ihren Schultern, aber es war offen, und darunter schmiegte sich der durchsichtige Stoff des Nachthemdes an ihre Brüste. Er erhaschte einen Blick auf ihre zarten Nippel, die sich dunkel unter dem Nachthemd abzeichneten. Weiter unten deutete ein Schatten dunkler Löckchen darauf hin, dass sie kein Höschen trug – eine Tatsache, die Max schon vermutet hatte, seit seine Hand ihren nackten Po gestreift hatte, als er sie zum ersten Mal hochgehoben hatte.

»Du musst raus aus den feuchten Klamotten, sonst holst du dir noch den Tod. Komm.« Er sprach mit ruhiger Stimme. Wie einem Kind redete er ihr gut zu, während er ihr mit schnellen, zweckmäßigen Bewegungen sein nasses Hemd auszog.

Achtlos ließ er es auf den Boden fallen. Das feuchte Nachthemd folgte. Das schien ihren Widerstand zu wecken, doch ehe sie irgendetwas tun konnte, hatte Max schon die Decke um ihren Rücken geschlungen. Er zog sie eng an seine Brust und hielt sie mit einer Hand fest, während er mit der anderen ihre langen, feuchten Haare aus der wärmenden Decke zog.

Sie gab einen unterdrückten Protestlaut von sich, als nackte Haut auf nackte Haut traf. Aber genauso schnell verstummte sie wieder, legte ihren Kopf an seinen Hals und schmiegte sich auf der Suche nach Wärme an ihn. Ihre Wangen und ihre Nase fühlten sich eiskalt an. Mittlerweile zitterte sie furchtbar.

Max klemmte die Ecken der Decke ein und murmelte beruhigend auf Ellie ein, während er sicherstellte, dass jeder Zentimeter ihres Körpers, der nicht gegen seine Brust gepresst war, richtig zugedeckt war. Sie rührte sich und kuschelte sich enger an ihn. Obwohl sie vollkommen durchnässt worden war, konnte er noch den zarten blumigen Duft ihres Shampoos wahrnehmen. Das Gefühl, ihre Nippel an seiner Brust zu spüren, ließ ihn nicht kalt.

Mit zusammengebissenen Zähnen ermahnte Max sich, dass es hier nicht um Sex ging. Ja, genau. Wenn es um Ellie ging, wanderten seine Gedanken immer in diese Richtung. Sogar – oh, Mann – als Ellie mit Stefan verheiratet gewesen war. Max hatte seine einzige Möglichkeit darin gesehen, sie zu meiden.

Und in diesem Haus zu sein rief eine Menge alter Erinnerungen wieder wach. Und Reue. Vor sieben Jahren war er Ellie hier zum ersten Mal begegnet. Sie hatten sich oben im Schlafzimmer geliebt. Damals war sie noch Jungfrau gewesen – aber nicht mehr lange. Als er sich daran erinnerte, verstärkte er unwillkürlich seine besitzergreifende Umarmung.

Mit fünfundzwanzig hatte er geglaubt, er hätte schon alles gesehen, was die Welt zu bieten hatte, wohingegen sie erst neunzehn gewesen war – schüchtern, anständig und voller Leben. Sie und ihre Freundinnen vom College hatten im Strandhaus gewohnt, während ihre Großeltern in Übersee gewesen waren. Der Sommer war idyllisch gewesen.

Oder war es nur die Ruhe vor dem Sturm gewesen? Ellie war ins College zurückgekehrt. Sie beide hatten Versprechungen gemacht. Doch ein paar Wochen darauf war sein Vater gestorben, und Max war gezwungen gewesen, nach Italien zu ziehen und eine Rolle zu übernehmen, auf die er sich schlecht vorbereitet gefühlt hatte. Zwölf Monate später waren Ellies Großeltern bei einem tragischen Zugunglück ums Leben gekommen. Zu dem Zeitpunkt hatte Stefan sich hinterhältig eingeschlichen …

Scheiße. Wem wollte Max etwas vormachen? Egal, wie oft er das Warum und Wie durchspielte, am Ende kam er immer zu demselben Ergebnis: Es war damals dumm von ihm gewesen, sie gehen zu lassen.

Ein besonders lautes Donnergrollen ließ sie zusammenzucken. Max drückte sie. Schuldgefühle wegen der Vorfälle dieser Nacht nagten an ihm. Obwohl er ihr die Schuld geben wollte, weil sie nicht vorsichtiger gewesen war, fühlte er sich verantwortlich. Wenn Bridgette nicht ins Penthouse gekommen wäre, wäre Ellie geblieben. Er hätte ihre Nachricht bekommen. Und sie würden jetzt die Bedingungen ihres »Deals« aushandeln – oder sie bereits in die Tat umsetzen – und sich nicht mit den Nachwirkungen eines Überfalls auseinandersetzen müssen.

Wie lange sie dort saßen, wusste Max nicht. Der Sturm hörte genauso abrupt auf, wie er begonnen hatte. Der Wind legte sich, und plötzlich war alles still.

Ellie wand sich und versuchte, sich aufzusetzen. Doch Max hielt dagegen und zog sie bewusst wieder an sich, denn er wollte nicht, dass die Innigkeit dieses Augenblicks schon vorüber war.

»Fang am Anfang an und erzähl mir, was heute Nacht hier passiert ist«, sagte er.

Sie räusperte sich. »Irgendetwas hat mich geweckt. Der Strom war ausgefallen, also bin ich aufgestanden. Und da habe ich gemerkt, dass jemand im Haus ist und die Treppe raufkommt. Das hat mich so erschreckt, dass ich aus dem Fenster geflohen bin.«

»Hattest du die Alarmanlage eingeschaltet, bevor du zu Bett gegangen bist?«

»Natürlich! Aber sie ist nicht losgegangen.«

Max nahm sich vor, die Anlage gründlich durchchecken zu lassen. »Ich weiß, dass es in letzter Zeit ein paar Vorfälle gab und dass du einige unschöne E-Mails erhalten hast.«

»Woher weißt du das?«

»Wir hatten Probleme in der Firma. Also habe ich ein Unternehmen engagiert, um die Risiken und Schwachstellen feststellen zu lassen.«

»Und man hat mich als Risiko eingestuft?« Sie klang verletzt.

»Sie haben alle Mitarbeiter und Teilhaber überprüft, Ellie. Inklusive aller Polizeiberichte, Führungszeugnisse, staatlicher Urkunden – reine Routine. Ich weiß über den Stalker Bescheid. Glaubst du, dass ein Zusammenhang zwischen den Vorfällen besteht?«

Einen Moment lang fürchtete er, dass sie ihm nicht antworten würde. Doch dann nickte sie. »Der Kerl hat heute Nacht etwas gesagt, das er auch in seinen Nachrichten an mich geschrieben hat.«

»Was sind das für Nachrichten?«

»Die Cyber-Version von obszönen Anrufen – ›Ich-stelle-mir-vor-wie-du-nackt-aussiehst‹ und solche Sachen.«

Ich bringe ihn um, dachte Max. »Wann hat das alles angefangen?«

»Vor drei Wochen.« Sie strich sich über die Stirn.

Ungefähr zur selben Zeit hatten die Medienberichte über ihre Aktienanteile begonnen, überschlug er. »Warum hast du so lange damit gewartet, zur Polizei zu gehen?«

»Ich habe es vor mir hergeschoben, bis …« Ihre Stimme erstarb.

»Bis was? Du kannst mir ruhig alles sagen.«

»Er hat mir ein Foto geschickt, auf dem ich im Coffeeshop zu sehen bin. Kaum eine Stunde vorher bin ich erst dort gewesen. In seiner letzten Nachricht stand, dass er mich gern beim Schlafen beobachten würde.« Sie ließ die Schultern sinken. »Er weiß offensichtlich, dass ich in New York lebe, also dachte ich, ich wäre hier sicher.«

»Wer wusste, dass du nach Rockport fahren wolltest?«

»Niemand. Es war eine Entscheidung in letzter Sekunde, und es war schon spät, als ich das Penthouse verlassen habe.« Nun blickte sie ihm in die Augen. »Woher weißt du überhaupt, wohin ich gefahren bin?«

»Vom Limousinen-Service.« Und es war erstaunlich leicht gewesen, an diese Information zu kommen. Wer hatte es noch herausgefunden?

»Aber woher wusstest du, dass ich Hilfe brauchte?«

»Das wusste ich nicht. Um ehrlich zu sein, bin ich hergekommen, weil ich wütend war, dass du einfach aus Boston abgehauen bist.« Er konnte spüren, wie ihre Anspannung wuchs, doch er wollte das Thema nicht einfach so fallenlassen. Es war besser, alles offen auszusprechen. »Ich war nicht gerade begeistert, Bridgette heute im Penthouse anzutreffen. Ich habe sie nicht eingeladen.«

Abwehrend hob sie die Hand. »Ich hätte nicht …«

»Ich habe deine Nachricht gefunden, El.«

Schweigen. Sie zog die Decke enger um sich, rückte von ihm ab und versuchte, seitwärts von seinem Schoß zu rutschen. Aber Max hielt sie fest.

»Tja, das ist mir alles sehr unangenehm«, sagte sie schließlich. »Mein Verhalten im Penthouse war vollkommen unangemessen, Max. Mir war nicht klar, dass du und Bridgette verlobt seid.«

»Gott! Wir sind nicht verlobt. Wir sind überhaupt nicht zusammen, wenn du es genau wissen willst. Unglücklicherweise hat Bridgette sich mit einem Reporter unterhalten. Du weißt offenbar, was geschrieben wurde. Du hast es ja zitiert.«

Eine Nacht. Keine Verpflichtungen, keine Bedingungen, nur Sex.

Es hatte ihm nicht gefallen, mit seinem anrüchigen Motto konfrontiert zu werden – und schon gar nicht von Ellie. Also hatte er sich auf die ersten beiden Worte konzentriert. Eine Nacht. Als er und Ellie zusammen gewesen waren, war ihre gemeinsame Zeit viel zu kurz gewesen. Verflucht, in dem Sommer hatten sie höchstens sechs Mal miteinander geschlafen. Alles hatte sich gegen sie verschworen: Zuerst hatten sie keinen ungestörten Moment gehabt, und dann hatte das Schicksal zugeschlagen. Eine Nacht wäre bei weitem nicht genug, um all das Bedauern und die verlorenen Jahre aufzuholen.

Er ergriff ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Selbst im schwachen Licht konnte er deutlich lesen, was in ihrem Gesicht stand. Das ganze Thema quälte sie, und das Aufeinandertreffen mit Bridgette war einfach noch zu frisch.

Dennoch fuhr er fort und gab ihr nicht die Chance, sich zurückzuziehen. »Im Endeffekt habe ich Folgendes zu sagen: Ich akzeptiere deinen Vorschlag mit einer Änderung. Ich will eine Woche. Sieben Tage, nicht nur einen Tag. Abgemacht?«

4. Kapitel

Der Mann betrachtete die Fotos, die er auf dem Bett in seinem Motelzimmer ausgebreitet hatte. Er nahm sein Lieblingsbild in die Hand. Aufgenommen vor nicht einmal achtzehn Stunden. Ella-Baby. Er war ihr von Manhattan zum Flughafen LaGuardia gefolgt. Und während er gemeinsam mit ihr auf den Abflug gewartet hatte, war es ihm gelungen, mit seiner Digitalkamera einige unbeobachtete Momente festzuhalten.

In diesem Augenblick hatte er ihre Faszination, ihr Wesen gebannt. Andere sahen nur ihr blondes Haar, die leuchtenden grünen Augen und ihren phantastischen Körper, doch er sah ihren Geist. Ihre innere Magie. Frauen wie sie kamen direkt in den Himmel, wenn sie starben. So wurden Engel erschaffen.

Mit dem Teufel verhielt es sich dagegen anders. Unwillkürlich ballte er die Hände zu Fäusten. Er war zornig gewesen, als der andere Mann aufgetaucht war. Und mehr als nur ein bisschen beängstigt. Heilige Scheiße, DeLuca war außer sich vor Wut gewesen.

Am Ende hatte jedoch er den Sieg davongetragen. Es war ihm gelungen, zu fliehen. Und er hatte einen weiteren Tag gewonnen, um zu kämpfen. Kein Leid, kein Unrecht … noch nicht. Aber nachdem er diesen Job erledigt hätte, würde er sich überlegen, wie er sich an DeLuca rächen könnte.

Er warf einen Blick auf die Uhr. Wenn alles so gelaufen wäre, wie er es geplant hatte, wäre er noch immer mit ihr im Strandhaus. Wie geplant bedeutete, dass es im Morgengrauen vorbei gewesen wäre. Nachdem er nun geduscht und sich beruhigt hatte, war er sich nicht mehr so sicher, ob er wollte, dass es so schnell vorbei war.

Heute Nacht hatte er sie berührt, hatte unter seiner Hand ihr Herz schlagen spüren. Ihre Reaktion, ihre Angst waren besser gewesen, als er es sich vorgestellt hätte. Und er dürfte das alles noch einmal tun. Ausgezeichnet.

Ja, die Polizei würde sich des Falles annehmen, aber er machte sich deshalb keine Sorgen. Die letzten drei Male hatten sie ihn auch nicht erwischt. Er war gut in dem, was er tat: störende Ex-Ehefrauen und Geliebte loszuwerden. Und er war jeden Cent seiner Bezahlung wert. Obwohl er sich hatte vorstellen können, sich auch umsonst um Ellie zu kümmern. Seine letzten Ziele waren ältere, unglückliche Frauen gewesen. Mit ihnen hatte er nicht das tun wollen, was er mit Ellie tun wollte.

Er nahm das Prepaidhandy in die Hand, das er am Tag zuvor gekauft hatte, und wählte eine Nummer.

Die Person nahm das Gespräch nach dem ersten Klingeln an. »Ja?«

»Sie haben es vermasselt. Und mein Lohn hat sich gerade verdoppelt.«

»Kommen Sie mir nicht so.«

»Sie sollten sich um DeLuca kümmern.«

»Es gab Probleme. Erzählen Sie mir lieber, was passiert ist.«

Er fasste die Ereignisse der Nacht zusammen. »DeLuca hat am Ende wie ein Held dagestanden.«

»Wo ist Ellie jetzt?«

»Bei ihm.«

»Hat einer von beiden Sie gesehen? Oder gibt es irgendwelche Spuren, die zu Ihnen führen könnten?«

»Nein.« Er hatte seinen Koffer zurückgelassen, aber darin befand sich nichts Besonderes oder Ungewöhnliches. Der Inhalt war nicht zurückverfolgbar. Wal-Mart verkaufte vermutlich täglich tausende Rollen Klebeband.

»Dann halten Sie sich bedeckt, bis ich mir etwas überlegt habe. Sie wird möglicherweise nach New York zurückkehren, doch bis dahin hat man die Sicherheitsvorkehrungen bestimmt verbessert.«

»Wir wissen beide, dass das kein Problem ist. Lenken Sie nur DeLuca ab – ich kümmere mich um den Rest.«

5. Kapitel

Abgemacht?« Ellie war sich nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte. Er wollte eine Woche? »Max, ich …«