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Zwei Roboter sind unterwegs auf dem Mond und in der Stadt Binaar. Ihre mechanischen Hüllen sind beschädigt und sie haben weder Freunde noch Verbündete. Noch nie zuvor fühlten sie sich so allein und verloren.
Sie haben nur noch einander - und ihre Erinnerungen an ein Leben als organische Lebewesen. Bevor man ihnen die Körper stahl und ihren Geist in diese lädierten Hüllen transferierte.
Nun sind sie auf der Suche nach dem Wesen, das ihnen das antat. Die Zeit drängt. Denn der Dieb weiß nicht, dass nach ihren biologischen Körpern gefahndet wird ...
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Seitenzahl: 145
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
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Was bisher geschah …
Romanze in Stahl
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Lektorat: Michael Schönenbröcher
Titelbild: Néstor Taylor/Bassols
Autor: Wolf Binder
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-2783-0
www.bastei-entertainment.de
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Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ihre Achse verschiebt sich und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Staffel durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 versetzt wird. Nach dem Absturz retten ihn Barbaren, die ihn „Maddrax“ nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese für ihn fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch, das sich im Forschungszentrum CERN auftut, auf einen von zwanzig Monden um einen Ringplaneten versetzt werden.
Sie finden sich – wie Xaana und der Smythe-Roboter zuvor – auf dem Mond Terminus wieder, wo sie ein Psi-Feld ihr früheres Leben vergessen lässt! Immer wieder werden Bewohner von den „Initiatoren“, die in einem Turm residieren, abgeholt und ihrer Persönlichkeit beraubt. Matt will mehr erfahren, und so wird der Turm ihr Ziel. Unterwegs geraten Aruula und er in einem unterirdischen Kerker an das mächtige Volk der Saven, die unbemerkt ein Quantenbewusstsein in Aruula installieren. Als sie endlich in den Turm gelangen, öffnet der „Schläfer“ in Aruula den Kerker. Danach schickt er die beiden zum Wassermond Aquus, wo sie auf Hydree treffen, eine Rasse, deren Nachkommen heute auf der Erde leben. Die Fischwesen geben Matt und Aruula ihre Erinnerungen zurück. Am Südpol kommen sie mit der Hilfe eines Hydree in den dortigen Transferturm und reisen zum Mond Binaar, wo der Smythe-Roboter gelandet sein dürfte. Hinter ihnen sprengt der Hydree den Turm.
Auf Binaar werden sie getrennt. Während Matt in eine Ersatzteil-Zucht gesperrt wird, gerät Aruula an den Avatar eines Friedenswahrers, der in den Menschen Potenzial sieht und ihnen hilft, dann aber vom Smythe-Roboter übernommen wird. Der stellt ihnen eine Falle. Matt und Aruula geraten in eine düstere Version des postapokalyptischen Waashton, in dem Smythe gottgleich regiert. Von dort gelangen sie durch einen Spiegel ins Washington des Jahres 2011, das als Gegengewicht fungiert und in dem Smythe keine Macht hat. Als sie ihn dort durch einen Trick vom Secret Service festsetzen lassen, können sie die Simulation verlassen. Auf der Suche nach dem Transferturm werden sie von Renegaten angeheuert, einen angeblichen Überläufer aus einem Kerker der Initiatoren zu befreien. Er stellt sich als Schwarmintelligenz aus Myriaden winziger Bots heraus, die für die Cyborgs ein „Projekt Exxus“ vorantreiben sollen. Weil Matt und Aruula nun von dem Projekt wissen, werden sie festgehalten. Sie fliehen in die giftige Binaar-Atmosphäre und werden von dem Cyborg Borm gerettet, der früher ein Bio war und dessen Geist in einen Robotkörper gebannt wurde. Sie helfen ihm, seine (organische) Freundin zu retten, die aber stirbt. Zum „Dank“ stiehlt Borm nun ihre Körper …
Romanze in Stahl
von Wolf Binder
„Maddrax? Was … was ist passiert?“
Vor Matthew Drax’ Augen tanzten scharf abgegrenzte Flecken. Ihre Kanten flirrten unwirklich und bereiteten ihm Kopfschmerzen. Eine Wolke aus Geräuschen umgab ihn. Es surrte, tickte, knisterte. Matt drehte den Kopf, doch er konnte die Quelle nicht ausmachen.
„Maddrax?“, flüsterte wieder die Stimme.
Aruula! Matt richtete sich auf. Seine Arme waren taub, ohne Gefühl. Aber wenigstens ergaben die Flecken und Formen jetzt ein klareres Bild. Borms Werkstatt!
Wo war Aruula? Vor ihm, auf dem Arbeitstisch, lag nur der teilmontierte Torso eines Roboters.
„Maddrax?“ Die Stimme kam aus dem Schallerzeuger!
Er starrte den Torso ungläubig an.
„Wo … bist du?“
Matt räusperte sich. Es klang, als würde jemand über Metall kratzen. Er blinzelte, doch es wurde nicht dunkel. Die Farben verschoben sich lediglich ins Rot und verloren an Intensität. Irritiert fasste er sich an den Kopf.
Plötzlich tauchte ein mechanischer Greifarm vor ihm auf und schlug gegen einen gläsernen Widerstand.
Matt wiederholte die Bewegung. Vorsichtiger. Das Ding tauchte wieder auf. Es vollführte jene Bewegung, die Matts Arm machen sollte. Er drehte die Hand und beobachtete fasziniert, wie der Greifer vor ihm rotierte.
Matt schluckte, doch die physische Wahrnehmung blieb aus. Ich habe keine Kehle mehr?
Das Ganze artete in einen beängstigenden Traum aus. Es fühlte sich … nein, es fühlte sich eben nicht! Matts Körper war gefühllos!
Die dünne Stimme rief wieder seinen Namen.
Matt taumelte, stieß gegen eine Liege und fiel. Ohne sein Zutun ruderte sein Arm in unmöglichem Winkel nach hinten und verhinderte den Sturz. Matt wagte nicht, sich zu bewegen.
Es ist nicht real. Er lauschte seinem Atem, dem schlagenden Herzen, dem Rauschen des Blutes in seinen Ohren. Nichts.
Er schloss die Augen. Die scharfen Konturen von dreihundertdreiundzwanzig erfassten Objekten glitten in dunkles Rot.
DreihundertdreiundzwanzigObjekte? Unvermittelt tauchten Details auf: zweiunddreißig Verbinder, siebzehn Schlüssel, darunter drei defekte, sechs Sensoren auf der Arbeitsfläche neben einem Mark II Body …
Aruula.
Matt hob den linken Arm und starrte ungläubig auf die Rotationsklinge an dessen Ende. Sie lief surrend an. Erschrocken versuchte Matt, sie von sich zu stoßen, aber sie war ein Teil von ihm!
„Ka-kann … nichts sehen.“ Die Stimme aus dem Schallerzeuger.
„Aruula.“ Matts Sensoren klassifizierten den akustischen Reiz als eigene Stimme und filterten ihn aus. Allein mit dem statischen Knistern seiner Schaltkreise, starrte er auf Aruulas Mark II Body.
Matt schrie. Mit einer Verzögerung von zwei Pikoticks justierten sich seine Akustiksensoren nach.
Ich … nein … unmöglich. Ein Albtraum. Es war doch nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ihn auf Binaar ein derartiger Traum heimsuchte. Kein Grund zur Sorge also. Dennoch starrte er auf Aruulas Roboterhülle.
Matt rief sich zur Ordnung. Er musste systematisch vorgehen, wollte er eine Erklärung finden. Und war es ein Albtraum, konnte er nach dem Aufwachen eine unglaubliche Geschichte erzählen.
„Kann … nichts sehen. Und … fühle nichts. Was ist passiert?“ Aruula klang verletzt und ungewohnt ängstlich.
„Keine Angst“, sagte er, „ich bin hier. Gib mir noch etwas Zeit.“
Aruulas Schallerzeuger knackte.
Neben dem Arbeitstisch stand das Dymorflextron: die Verkleidung zerschmettert, Kabel aus der Verankerung gerissen und Mikrobausteine wie Popcorn aufgeplatzt. Auf einer Liege entdeckte er eine reglose Frau: Lacia.
Ein humanoider, wenn auch nicht menschlicher Körper. Das lockige blonde Haar umrahmte ein blasses Gesicht. Ein weißes Laken bedeckte den Großteil ihres Körpers. Sie war zweifellos tot.
Wo war Borm? Matthew erinnerte sich, dass er ihm eine Injektion verpasst hatte. Wo? War? Borm?
Matt stampfte zornig durch die Werkstatt und trat nach allem, was ihm im Weg stand. Ein Wandregal wankte bedrohlich und entleerte scheppernd seinen Inhalt auf den Boden.
Vor Matt ragte eine polierte Körperabdeckung aus einem Stapel. Matt stieß ihn lärmend um, packte die Abdeckung und hielt sie vor sein Gesicht.
In der gekrümmten Fläche spiegelten sich drei rot glimmende Augen, die von einer gläsernen Kopfkuppel geschützt wurden. Schlieren wogten durch die Kuppel und verbargen einen Teil der Elektronik. Eine Lichtreihe flackerte auf, verzerrt von der Oberfläche, über die er sie betrachtete.
Er weigerte sich, den Anblick zu akzeptieren. Matt schrie zornentbrannt und riss ein weiteres Regal aus der Halterung. Wieder und wieder schlug er gegen die Metallwand, bis sie sich ausbeulte und Risse auftraten.
Es ist nicht real! Meine Hände, sie … sie … Er starrte auf seinen Greifarm. Er blutete nicht. Blanke Kratzspuren zogen sich über die Oberfläche. Matt öffnete die Klaue und schloss sie wieder.
„Borm wird bezahlen“, stieß er hervor. „Ich erwürge diesen Mistkerl!“
Ein leises Knacken vom Arbeitstisch her. „Maddrax? Was ist los? Warum dieser Lärm?“
Matt schnappte nach Luft, doch die physische Reaktion blieb aus. Ich … dieser Körper braucht keinen Sauerstoff.
„Borms Geschichte muss wahr sein“, sagte Matt. „Er war ein Bio und strandete im Körper einer Maschine. Denn genau das … hat er mit uns gemacht.“
Matt streckte seinen Arm nach Aruulas Roboterhülle aus, wagte es aber nicht, sie zu berühren.
„Borm benutzte deinen Körper, um den Geist der sterbenden Lacia zu retten. Dann hat mir der Scheißkerl meinen Körper gestohlen und ist zusammen mit seiner Geliebten verschwunden. Borm hat unsere beiden Körper gestohlen, Aruula. Wir sind jetzt Maschinen.“
Die Schallmembran blieb ruhig.
„Aruula?“
„Ich … glaube es nicht. Es … es ist nur ein Traum, nicht wahr?“
Matt schüttelte den Kopf. Eine sinnlose Geste. „Ich fürchte, nein. Höchstens eine Holo-Simulation, so wie in Smythes Lagerhaus. Aber das ist eher unwahrscheinlich.“
„Es gibt doch noch andere Möglichkeiten, oder …?“ Aruula verstummte.
Irgendwie erinnerte Matt die Situation an sein Leben mit Gilam’esh, als er in der Vergangenheit des Mars für hundert Jahre mit dem Geist des Hydree verschmolzen war.1) Aber damals war Matt darauf angewiesen gewesen, dass Gilam’esh seinen Einflüsterungen folgte. Jetzt war er selbst Herr über den fremden Körper – und er würde alles daransetzen, dass dieser Zustand schnellstmöglich vorüberging.
„Aruula?“
Der Schallerzeuger blieb stumm, doch in der Kopfpartie flackerten Lichter auf. Zwei davon signalisierten eine Fehlfunktion im Ausgabemodul. War Aruula bei Sinnen und konnte nicht mehr sprechen? Körperlos gefangen in einem Stahlmantel und unfähig zu kommunizieren?
Lebendig begraben.
Matt handelte. Er packte einen Doccex-Schlüssel und verband die Kontakte der Steuereinheit mit den darunterliegenden Leiterbahnen. Sie waren verschlissen und stark korrodiert. Sicher eine Folge der fehlenden Kuppel und Schutzatmosphäre.
Woher weiß ich das alles? Woher kenne ich die Bezeichnungen? Ihm wurde klar, dass er Zugriff auf Informationen haben musste, die in Borms Computerhirn gespeichert waren.
Die Lichter hörten auf zu flackern und Matt hörte, wie die Schallmembran übersteuerte.
„Aruula! Beruhige dich! Ich kann dich wieder hören.“
Ein scharrendes Geräusch, unterbrochen von kurzen Pausen.
„Ich werde dir helfen, so gut ich kann. Hab etwas Geduld.“
Matt musterte die Bauteile, die neben dem Torso auf der Arbeitsfläche lagen. Seine Sensoren analysierten, schlussfolgerten und halfen Matt, deren Funktion zu verstehen. Nach zwölf Zentos – zwanzig Minuten, nicht zwölf Zentos, korrigierte er sich – hatte er Aruulas Sensorenphalanx vervollständigt und an die Versorgungsleitung angeschlossen. Eine improvisierte Lösung, aber sie musste nur standhalten, bis sie ihre Körper zurückerhielten. Und das werden wir!
„Beängstigend“, sagte Aruula. „Alles sieht anders aus. Schärfer, härter und die Farben sind verschoben.“ Alle drei Augen glühten. „Wie hat er es angestellt? Ich weiß nur noch, dass ich Lacia für die Operation säuberte, dann wurde es schwarz um mich.“
Matt schilderte die wenigen Erinnerungen, über die er verfügte. Aruula war bewusstlos zu Boden gesunken und Matt hatte helfen wollen. Der Tekk konnte ihn überwältigen und ihm eine Injektion verabreichen. Einmal war Matt kurz aus der Bewusstlosigkeit erwacht, doch das Maschinenwesen hatte ihn erneut betäubt.
„Wohin ist Borm verschwunden?“, fragte Aruula. „Hast du eine Ahnung, was er vorhat?“
Matt verneinte. „Ich weiß nur, wo sie nicht hingehen: in die Zuchthöhlen. Ansonsten werden sich ihre Pläne kaum von den unseren unterscheiden. Sie versuchen Binaar zu verlassen.“
„Dann müssen wir sie stoppen, bevor es ihnen gelingt!“
„Oder bevor die Initiatoren auf sie aufmerksam werden.“ Matt seufzte. „Wir brauchen Hilfe.“
„Wir sollten uns an die Renegaten wenden“, schlug Aruula vor, „oder besser noch an One. Die Schwarmintelligenz hilft uns sicher weiter.“
Was wollten sie ihnen sagen? Hallo, wir sind jetzt ebenfalls Roboter. Helft uns bitte, unsere Körper zurückzuholen.
Aber selbst wenn sie die Renegaten auf ihrer Seite hätten und sie die Flüchtigen aufspürten, warum sollte Borm den Körpertausch rückgängig machen?
Eine neue Woge der Wut rollte heran. Emotionen gingen offenbar nicht durch den Geisttransfer verloren, aber was war mit dem, das man allgemeinhin als „Seele“ bezeichnete?
Ob Matt wollte oder nicht: Genau jene Punkte, in denen er an Borm gezweifelt hatte, widerfuhren nun ihm selbst. Matt blieb nichts als die Hoffnung darauf, dass seine Persönlichkeit keinen Schaden erlitt.
„Ich spüre Wudans Gegenwart nicht mehr“, sagte Aruula. „Versprich mir, dass Borm dafür bezahlt.“
„Das wird er. Aber bevor es dazu kommt, müssen wir deinem Körper noch etwas Zeit widmen.“
Matt stellte die Werkstatt auf den Kopf, wesentlich vorsichtiger als beim ersten Durchgang. Nun war er bemüht, keines der potentiell unentbehrlichen Ersatzteile zu beschädigen. Nach und nach fand er unter den verschiedenen Teilen die passenden Komponenten für Aruulas mechanischen Körper. Lediglich ein Bein stammte von einer anderen Baureihe.
Intuitiv verstand er es, die Werkzeuge zu benutzen. Das verhinderte jedoch nicht, dass er mehrere defekte Teile aussortieren musste. Offenbar war Borm nicht immer zimperlich mit den Komponenten umgesprungen.
Matt aktivierte die Hauptleitung und in den Mark II kam Leben. „Sei vorsichtig und bewege dich langsam.“
Aruula erhob sich, ging ein paar Schritte auf und ab und hielt vor Matt. Sie nahm ihn an seinen künstlichen Armen. „Es ist … unnatürlich.“ Ihre Stimme kratzte und klang verbittert.
„Wir haben schon schwierigere Situationen gemeistert“, versuchte sich Matt in Zweckoptimismus. „Als Kriegerin der Dreizehn Inseln weißt du das besser als sonst jemand. Dieser Körper ist nur ein kurzzeitiger Ersatz, aber wir brauchen ihn. Du machst dich besser mit ihm vertraut.“
Matt wandte sich der Transfermaschine zu, dem Dymorflextron. Offenbar hatte Borm das Gerät vor seiner Flucht demoliert. Deutlicher konnte er nicht kundtun, dass er nicht daran dachte, den Transfer rückgängig zu machen. Borm hatte alles erreicht, worauf er lange Zeit hingearbeitet hatte: Er hatte wieder einen organischen Körper und die Partnerin, die er liebte, an seiner Seite.
Das Dymorflextron war arg in Mitleidenschaft gezogen. Sowohl die Verkabelung als auch die zerstörten Mikrobauteile bereiteten Matt Sorgen. Anders als bei Aruulas Reparatur stellten sich hier keine Schlussfolgerungen und Erkenntnisse ein. Was, wenn er einen Anschluss falsch herstellte? Welche Konsequenzen würde das haben?
Seinen oder Aruulas Verstand würde er keinesfalls durch eine behelfsmäßige Reparatur aufs Spiel setzen. Und selbst wenn die Maschine intakt wäre, er könnte sie nicht bedienen. Wie auch immer er es drehte und wendete, die Hoffnung auf eine Rückkehr wurde immer kleiner.
Ein metallischer Arm rutschte ungelenk über Matts Schulter. „Entschuldige“, sagte Aruula und zog den Arm zurück. „Ich bin es noch nicht gewohnt.“
Matt drehte sich zu ihr. „Wir müssen uns nicht daran gewöhnen, weil wir unsere Körper zurückbekommen.“
„Kannst du die Transfermaschine reparieren?“
„Ich wüsste nicht, weshalb es nicht gelingen sollte.“ Dabei fielen ihm hunderte Gründe ein.
Aruulas Roboterkopf drehte sich nach links und rechts. „Hast du eine Ahnung, wo Schnurrer ist?“
Der leblose Körper lastete schwer auf Borms Schultern, aber um nichts auf Binaar würde er ihn zurücklassen. Seine Lungen stachen und sein Herz hämmerte, als wollte es den Brustkorb sprengen, doch er schritt weiter. Schweiß brannte in seinen Augen.
Er stolperte, schaffte es gerade noch, einen Sturz zu vermeiden, und schlug hart mit der Schulter gegen eine Wand.
„Fukus!“ Er ließ Lacia zu Boden gleiten und stützte sich keuchend ab. Nur ein paar Zentos, danach würde es wieder gehen.
Körperlicher Schmerz war ihm fremd geworden. Obwohl seine eigene organische Existenz nur wenige Runden zurücklag, hatte er vergessen, wie limitierend diese Empfindung war. Einer der wenigen Vorteile, die er als Mechanischer besessen hatte: ausschließlich seelische Qualen.
Vor einem Zirko hatte er mit Lacia die Werkstatt verlassen und bereits unzählige Gänge, Korridore und Hallen passiert. Sollte Maddrax in diesem Moment erwachen und die Verfolgung aufnehmen, würde er selbst bei größer Effizienz viele Rotationen brauchen, um den Bereich abzusuchen.
Diese Zeit würde Borm ihm nicht geben.
Er bemerkte einen Verfolger: ein kleines katzenähnliches Tier. Maddrax und Aruula hatten es bei sich gehabt. Es hatte ihn laufend angefaucht, und während Borm den Körpertausch vollzog, hatte es vor der Schleuse gelärmt. Verdammtes Ungeziefer!
„Verschwinde! Husch!“ Mit einer Organischen über der Schulter war er auffällig genug. „Hau ab! Wir mögen uns nicht, schon vergessen?“
Borm rieb sich mit dem Jackenärmel den Schweiß von der Stirn und musterte den Korridor. Er war allein. Noch. Absichtlich mied er Ulman-Coldra, wo er Maddrax und seine Begleiterin gefunden hatte. Er wollte nicht auf Binaari treffen, die Maddrax womöglich kannten. Dies bedeutete aber, dass er zwangsweise einen stärker frequentierten Bereich durchqueren musste.
Borm atmete tief durch. Er hasste die Gegenwart von mechanischen Wesen. Und als Bio hatte er guten Grund, sie zu fürchten. Er rückte die braune Kutte zurecht und zog die Kapuze ins Gesicht. Dann hob er Lacia an und legte sie sich über die Schulter.
Er verließ den Korridor und betrat einen Platz, auf dem mehrere Händler illegale Waren anboten. Etwa ein Dutzend Cyborgs und ein paar Vollmechanische tummelten sich auf dem Platz. Einer von ihnen pfiff lautstark auf einen Quallenmechanoiden ein.
Borm atmete flach und imitierte einen staksenden Gang. Billiges Theater. Es gab genug Androiden, die sich geschmeidig bewegten, nur die minderwertigen Modelle staksten. Borm hatte beschlossen, letztere Art zu imitieren. Wenn er äußerlich schon wie ein Bio aussah, sollten Beobachter nicht mit dem Schlagrohr auf die dürftige Imitation hingewiesen werden.
„Ein Bio!“, rasselte etwas von der Seite.
Borm erschrak. Ein Tekk mit drei Spinnenbeinen und einem Schalenkopf hockte neben einer Schleuse. Ein Dooika. Warum hatte er ihn erst jetzt bemerkt? Wie unzureichend sein organischer Körper doch sah.
„Lass mich helfen. X3 befreit dich von deiner organischen Last“, rasselte der Spinnenbeinige lauter.
„Was heißt hier Bio? Für diese Beleidigung sollte ich dir die Beine demontieren!“, schnauzte er zurück.
„Du bist ein Android?“ X3 klang skeptisch.
„Was sonst? Man sollte dich verschrotten, wenn du den Unterschied nicht erkennst. Ich sollte dich den Schwarzen melden.“
Die Beine des Tekks klackerten und hoben den Körper an. „Ich wollte nur sichergehen. Brauchst du Mintan? Ich habe zwar nicht viel, aber ich könnte es dir für den Bio über deiner Schulter geben.“
Borm wandte sich ab und ging weiter, vergaß dabei nicht, den gestelzten Gang beizubehalten.
„Du solltest dir den Laufmechanismus überholen lassen, dein Gang sieht furchtbar aus“, klang es abfällig hinter ihm.