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Die Evakuierung nach Novis läuft an! Und weil Matthew Drax die Bunkerbesatzung in Bodrum vor Colonel Aran Kormak schützen will, soll dies nach dem indischen Dorf der nächste Zielpunkt für die Transportplattform sein. Er ahnt nicht, dass Kormak und Vasraa, denen Matt den Peilsender verwehrt hatte, längst gehandelt haben. Die Technos aus der Enklave Izmir wollen die Passage durch das Wurmloch und damit eine Chance auf ihr Überleben um jeden Preis und schrecken vor nichts zurück, um dies zu erreichen. Es ist in der Tat ein grausamer Plan ...
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Seitenzahl: 160
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Was bisher geschah …
Ein grausamer Plan
Leserseite
Cartoon
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Lektorat: Michael Schönenbröcher
Titelbild: Néstor Taylor/Bassols
Autor: Wolf Binder
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5558-1
www.bastei-entertainment.de
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Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese für ihn fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch, das sich im Forschungszentrum CERN auftut, in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht.
Auf dem Ringplaneten herrschen die Initiatoren, die Spezies aus allen Teilen der Galaxis durch das Wurmloch entführen, um sie Kompatibilitäts-Tests zu unterziehen. So geraten auch Matthew Drax, Aruula und Matts Tochter Xaana in das fremde Sonnensystem, stoßen jedoch durch die Einmischung der Kontras auf das dunkle Geheimnis der Systemherren: Man will einen Teil der Menschheit auf den Mond Novis umsiedeln, um deren Gehirne für eine Art Superrechner zu nutzen, und macht sich die Zwangslage zu Nutze, dass der Erdmond abzustürzen droht. Doch dann werden die Gefährten gefangen und ihrer Erinnerungen beraubt. So helfen sie in gutem Glauben den Initiatoren bei ihren Versklavungsplänen.
Während Aruula und Xaana auf Novis bleiben, reisen Matt und der Initiator Hordelab zur Erde, um Peilsender an hochstehende Zivilisationen zu verteilen, mittels derer sie später geortet und evakuiert werden sollen. Um Kontakt zu Techno-Enklaven aufzunehmen, lassen die Wissenschaftler vom Hort des Wissens einen Satelliten aufsteigen. Begleitet von Xij, der Mutter Xaanas, und deren Mann Tom Ericson macht sich Matt mit dem Amphibienpanzer PROTO auf den Weg, derweil Hordelab nach Agartha springt, um den Bau einer Transport-Plattform für das Wurmloch zu überwachen. Derweil trifft Matt auf die Kolonie Colonel Kormaks, erkennt aber dessen Machtgier und überlässt ihm keinen der Peilsender.
In Agartha begegnet Hordelab den Daa’muren Grao und Ira, die eine mysteriöse Verbindung zwischen sich erkennen. Als sie von einem Dorf mit überlebenden Daa’muren in Indien erfahren, wollen Grao und Ira es ausfindig machen. Matt überlässt ihnen PROTO, während er mit den anderen nach Meeraka springt und sie dort Abenteuer in Waashton, El’ay und Sub’Sisco erleben.
Nach langer Fahrt stoßen Grao und Ira, denen der Splitter eines Daa’murenkristalls den Weg weist, auf Fort Allahabad am Ganges, das ein Dutzend Daa’muren von den Menschen erobert hat. Angeführt werden sie von einem Sol, der in einem beschädigten Kristall eingesperrt ist – jener, zu dem der Splitter passt! Während Grao sich seinem Volk zugehörig fühlt und das Bruchstück herausgibt, hat Ira Vorbehalte. Schließlich kommt es zum Bruch zwischen ihnen – auch weil der Sol, der sich nun aus seinem Gefängnis befreien kann, Iras Körper fordert. Als letzten Dienst verhilft Grao ihr zur Flucht …
Ein grausamer Plan
von Wolf Binder
Zekiya hetzte über die steinige Piste. Sie rannte, stolperte, fiel, schlug sich das Knie auf. Der Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen, aber sie durfte nicht liegenbleiben, musste weiter.
Sie kam unsicher auf die Beine. Ein warmer Wind blies ihr Sand entgegen und ließ die zerrissene Bunkerkleidung flattern. Wie weit noch? Erleichtert entdeckte sie zwischen sandfarbenen Felsblöcken die weißgrauen Mauern Bodrums.
„Ich schaffe das!“ Sie lief weiter, trat in ein Loch und fing sich in letzter Sekunde. Endlich gelangte sie ans Tor, lehnte sich entkräftet dagegen. „Lasst mich rein!“, rief sie. „Bitte! Die Siragippen …“
Verzweifelt trommelte sie mit ihren kleinen Fäusten gegen den Stahl.
Entfernter Donner drang in den Tempel. Gewitterwolken hielten das Abendlicht davon ab, durch das Glassegment im Dach zu fallen, und nur das grüne Glimmen der Speichereinheit des Sol hob die gekerbten Säulen und die Gesichter der versammelten Daa’muren aus dem Dunkel.
Die Lin aus seiner symbiotischen Einheit sah Grao aus traurigen Augen an. Saatra mochte seine Empfindungen nicht teilen, aber sie schien diese zu verstehen – Graos Gefühle für Gal’hal’ira.
Ira hatte einen Schlag gegen den Kopf erhalten und hing benommen im Griff von Chra’lan’unik und zweier weiterer Daa’muren.
Der Sol hatte ihren Körper als seine Heimstatt erwählt, wollte dadurch dem Kristallgefängnis und seiner energetischen Auslöschung entgehen. Rationale Motive, denen mit keiner Logik beizukommen war. Warum aber fühlten sie sich dann falsch an?
Weil ich Ira verpflichtet bin. Der Sol würde Iras ontologisch-mentale Substanz in sich aufnehmen, damit sie nicht verlorenging. Was wird von ihr bleiben außer emotionsbefreiten Erinnerungen?
Erinnerungen! Unruhe erfasste ihn. Der Sol würde zwar herausfinden, wo Ira die Peilsender versteckt hatte, aber er würde auch alles über Maddrax erfahren – und Grao.
Bei diesem Gedanken kam er sich schäbig vor. Hierbei ging es einzig und allein um Ira, nicht um ihn.
Grao richtete seinen Blick wieder nach oben. Regen, der auf das Bleiglas prasselte, verwischte die Sicht auf die graue Wolkendecke. Sol’daa’muran, betete Grao, beleuchte mir den Weg.
Ein naher Donnerschlag schien ihm zu antworten, doch der Himmel blieb so dunkel wie zuvor. Andere Laute mischten sich in das Heulen der Windböen.
Schreie?
Etwas ratterte metallisch. Die Tür zum Innenraum wurde aufgestoßen und ein Drakulle stürzte herein. „Weichhäute überall! Wollen uns Tötung!“, schrie er.
Draußen wiederholte sich das erbarmungslose Rattern. Nun erkannte Grao das Geräusch: eine Gewehrsalve!
Verteidigt Daa’mura!, gellte die körperlose Stimme des Sol in Graos Kopf.
Lärm brandete auf, als sich die versammelten Daa’muren in Bewegung setzten. Selbst Unik und seine Helfer entließen Ira aus ihrem Griff und stürmten mit wütendem Gebrüll zu den Ausgängen.
Grao packte Saatra am Handgelenk. „Ihr habt den Sol gehört! Wir müssen Daa’mura verteidigen!“, schrie er und scheuchte die wankende Ira zum Ausgang. „Auch du stehst in der Pflicht!“
Daa’muren schwärmten aus, während Windböen kalten Regen über den Platz trieben. Am Vorratslager flackerte das Mündungsfeuer automatischer Waffen auf, ebenso vom Dach des gegenüberliegenden Quartierverbunds. Projektilsalven rissen Wunden in die Körper der Gestaltwandler. Dampf fauchte heraus und zwang die Verteidiger in Deckung.
Tote Drakullen und auch einige befriedete Primärrassenvertreter lagen über den Innenhof verteilt. Querschläger pfiffen durch die Luft und direkt vor Grao spritzte Dreck hoch.
Fluchend zog er Saatra und die noch immer benommene Ira in den Schutz eines nahen Gebäudes. „Saatra!“, schrie er gegen den Lärm an und zog sie nah zu sich. „Kennst du ein sicheres Versteck?“
Die Lin wies in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Zwei Drakullen liefen geduckt heran. „Entsendung von Unik“, grunzte einer. „Verhaftung wandelbare Ira!“ Fordernd streckte er seine Klaue nach ihr aus.
„Das denke ich nicht“, sagte Grao. In einer raschen Bewegung durchstieß sein zum Schwert umgeformter Arm den Schädel des Drakullen und spießte den hinter ihm stehenden gleich mit auf. „Das Versteck?“, wiederholte Grao seine Frage an Saatra.
Die Lin nickte irritiert. „Vor dem Osttor liegt eine Felsgruppe mit ein paar Höhlen.“
Grao spähte nach Osten. Keine Mündungsblitze, keine verräterischen Schemen, keine Kampfhandlungen. „Du wirst dich verstecken, bis sich die Lage beruhigt hat!“
„Wir sollen Daa’mura verteidigen. Ich werde meinen Beitrag leisten!“
„Und ich dulde keinen Widerspruch“, fuhr Grao sie an. Als er Saatras Erschrecken bemerkte, fügte er hinzu: „Ich komme gleich nach, dann verteidigen wir gemeinsam unsere Heimat.“
„Was ist mit Ira?“
„Sie hat eine andere Aufgabe“, antwortete er ausweichend. „Versteck dich jetzt!“
Die Lin schlang ihre Arme um Ira und drückte sie, dann schlich sie die Wand entlang und verschwand.
„Du hast eine Aufgabe für mich?“, krächzte Ira. Sie schien noch immer mitgenommen. „So wie der Sol?“
„Wir müssen uns zu PROTO durchschlagen. Kannst du dich umformen?“
Sie nickte.
Mit einem Gedankenimpuls leitete Grao die Verwandlung ein. Seine Hautschuppen verschoben sich und imitierten die Form eines Drakullen.
Ira folgte seinem Beispiel.
Ganz in ihrer Nähe zerfetzte die Explosion einer Handgranate einen Drakullen.
„Los!“, rief Grao und zerrte Ira mit sich. Sie rannten quer über den Platz. Grao hatte nicht vor, sich in den Kampf einzumischen. Sie mussten nur unbeschadet den Amphibienpanzer erreichen.
Sie tauchten in den Schutz einer schmalen Gasse, von der ein Durchgang zum äußeren Festungsring abzweigte. Zu spät bemerkte Grao eine Bewegung im Durchgang. Er stieß Ira zur Seite und verdichtete seine Körperschuppen.
Grelles Mündungsfeuer blitzte auf und Projektile hagelten mit mörderischer Wucht gegen seine Brust. Grao brüllte auf. Noch im Lauf drehte er den Oberkörper, um zumindest einem Teil der Geschosse zu entgehen. Die Haut am Arm platzte auf und heißer Dampf trat aus.
Grao rammte dem menschlichen Schützen die Faust gegen die Brust, dass der hintüber kippte und benommen liegenblieb.
Schmerz pulste durch den Körper des Daa’muren, selbst nachdem er seinen Körper nachformte und die Wunden verschloss. Der Dampfverlust schwächte ihn und zusätzlich lähmten die kühlen Temperaturen seine Bewegungen.
„Idiot!“, rief Ira. Sie hatte ihn erreicht.
„Sind nur Fleischwunden. Davon sterbe ich nicht.“
„Von einer Kugel im Kopf schon!“ Ira schüttelte den Kopf und kniete sich zum Schützen.
„Lass ihn“, sagte Grao wütend. „Er ist am Leben. Denk endlich mal an dich und komm mit!“
Ohne Deckung hasteten sie durch die Gärten des äußeren Festungsrings und gelangten ans westliche Haupttor. Grao schob es auf.
Direkt vor ihnen stand PROTO. Regen prasselte auf die Panzerung nieder und das Licht der Abendsonne reflektierte sich darin. Der dreitägige Staubsturm hatte um das massive Gefährt einen Sandwall aufgehäuft, den der Regen in klebrigen Schlamm verwandelt hatte.
„Leg die Heckluke frei“, sagte Ira. „Ich muss noch etwas holen und bin gleich wieder da.“
Ira rannte an PROTO vorbei und suchte im grauen Regenschleier nach den Ruinen, die ihr den Weg zum Versteck der Peilsender wiesen.
Es fiel ihr schwerer als erhofft, denn der Staubsturm hatte dem umliegenden Allahabad unterschiedlichste Trümmer entrissen und sie über die Ebene zwischen Fort und Waldsaum verteilt. Zersplitterte Balken und Beplankungen ragten aus den Sanddünen, eine große Stoffplane flatterte im Wind.
Die ungefähre Richtung wusste sie, also lief sie los. Kurz darauf stieß sie auf die gesuchten Ruinen. Sie erschrak. Jemand hatte sich daran zu schaffen gemacht und Teile von den Sandverwehungen befreit.
Der Regen schluckte die Geräusche, trotzdem näherte sie sich jetzt mit äußerster Vorsicht. Hinter einem Mauerrest hockte ein Mensch. Seine Haare klebten in Strähnen am Kopf. Unbewegt starrte er zum Wald hinüber, obwohl er bei diesen Verhältnissen kaum etwas entdecken würde. Er nieste und drehte sich herum.
Ira drückte sich in Deckung.
Der Mensch hielt auf einen frisch aufgeschichteten Schuttberg zu und stieg durch eine verborgene Öffnung in die Tiefe.
Ein Keller? War das der Zugang, über den die Angreifer in das Fort eingedrungen waren? Uudai hatte berichtet, dass dieser Ort lange Zeit den Menschen gehört hatte. Es war nicht abwegig, dass es geheime Fluchttunnel gab. Und diese führten immer in zwei Richtungen.
Ira ließ den Mann unbehelligt. Ihre Priorität galt den Peilsendern, die sie im alten Brunnenschacht versteckt hatte – vor ihrem Volk und vor Grao. Sie musste auf Nummer sicher gehen, dass sie nicht durch einen dummen Zufall in deren Hände gerieten.
Vorsichtig schlich sie zum Brunnenschacht, aber es schien keine weiteren Wachen zu geben.
Sie verhärtete die Hautschuppen zu schmalen, mehrgelenkigen Siragippen-Beinen, mit denen sie auf der Kletterpartie nach unten Halt fand.
Aus zahlreichen Rissen strömte Wasser und die Schachtwand war rutschig. Ein Ziegelstein brach unter Iras Gewicht und sie rutschte ab. Scharfe Felskanten schrammten über die Schuppenhaut und der runde Ausschnitt vom Wolkenhimmel schrumpfte zusammen.
Ira spreizte die Beine ab und kam mit einem Ruck zum Stillstand. Der schmutzig schäumende Wasserspiegel lag nur wenige Meter unter ihr – und darauf tanzte der Beutel mit den Sendern.
Sie zögerte nicht, schnappte ihn sich und kletterte wieder nach oben. Endlich erreichte sie die Oberkante und verwandelte sich in ihre Daa’murengestalt zurück. Jetzt konnte sie …
Hinter ihr erklang ein Aufschrei. Sie fuhr herum und sah den Menschen von vorhin, der sie erschrocken anstarrte.
„Ich werde dir nichts tun“, sagte Ira und streckte die Arme zur Seite.
Der Gesichtsausdruck ihres Gegenübers wandelte sich in grimmige Entschlossenheit. Der Mann zog ein Kurzschwert und stürmte laut schreiend auf Ira zu.
Sie wehrte seine Angriffe ab, aber das brachte ihn noch mehr in Rage. Schließlich rammte sie ihm beide Arme gegen den Oberkörper. Er fiel, schlitterte rückwärts über den schlammigen Boden und stieß mit dem Kopf gegen einen Stein.
Ira fluchte und rannte hinterher.
Der Mann hustete Blut und machte keine Anstalten, aufzustehen.
„Das war sowas von unnötig, du Idiot.“
Er drehte den Kopf und sah sie hasserfüllt an. „Stirb mit mir!“, keuchte er und zog ein faustgroßes schwarzes Ei aus der Tasche. Etwas sprang mit einem hellen Ping davon ab.
Eine Granate! Ira verhärtete ihre Hautschuppen und warf sich herum, als die Druckwelle sie bereits erfasste.
Es war eine mühselige Drecksarbeit gewesen, die Rampe freizulegen. Zum Glück musste Grao den Amphibienpanzer nicht auch noch rundum von den Verwehungen befreien. Die sollten für das Ungetüm kein Hindernis sein.
Immer wieder hallten Schüsse und Gewehrsalven aus Richtung des Forts. Der Kampf war noch im Gang und Grao konnte nichts anderes tun als zu warten.
„Wo bleibst du?“, stieß er hervor. „Unser Volk braucht mich!“
Grao war sicher, dass Ira die versteckten Peilsender holte. Aber warum dauerte das so lange?
In den Regenschleiern blähte sich mit einem Mal eine Lichtkugel auf und jagte mit Donnerhall Tröpfchenwolken nach allen Seiten davon. Für einen Moment klärte sich die Sicht, dann schloss der Regen die Lücke wieder.
„Ira!“ Grao rannte los, zur Quelle der Explosion hin. Er wusste bereits, dass diese dummen Primärrassenvertreter über Handgranaten verfügten. Warum aber trieben sie sich ausgerechnet hier draußen damit herum? Ira musste auf einen von ihnen getroffen sein.
Er erreichte einige Ruinenreste und sprang auf einen Sockel. Seine Gefährtin lag neben einem zersplitterten Holzkonstrukt abseits der Ruinen. Sie war am Leben, aber Dampf strömte aus mehreren Wunden. Grao eilte zu ihr und half ihr auf die Beine.
„Der Beutel!“, stieß Ira hervor und wies zur Seite.
Das mussten die Peilsender sein! Grao griff sich den Beutel und brachte Ira zu PROTO zurück.
Ihm war erst leichter, als sich die Heckluke hinter ihnen schloss. Vorsichtig setzte er Ira auf einer Liege im Mittelsegment ab. Inzwischen hatte sie sich wieder so weit im Griff, dass sie die Wunden selbst schließen konnte.
„Das war knapp“, knurrte er.
„Ich weiß.“
„Und alles nur, weil du deinem Volk die Evakuierung nach Novis verweigerst.“
Iras Kopf ruckte hoch. „Es kann nicht funktionieren“, sagte sie bestimmt. „Sie würden niemals mit den Menschen auf Novis kooper-“
„Lass gut sein“, winkte Grao ab. „Wir haben keine Zeit für fruchtlose Diskussionen.“ Er sah sie eindringlich an. „Wir müssen uns trennen. Fahr nach Agartha. Sicher ist Maddrax bereits aus Meeraka zurück und wartet auf uns.“
„Du kommst nicht mit?“
„Wie könnte ich? Unser Volk braucht mich, allen voran Grao’lin’saatra. Kannst du verstehen, dass ich sie nicht im Stich lassen will?“
„Aber mich schon?“
„Nicht ich habe dich im Stich gelassen, sondern du dein Volk.“ So hart hatte er es nicht sagen wollen, aber es entsprach der Wahrheit. „Kehre zu den Menschen zurück und vergiss deine Herkunft. Aber das wird nichts daran ändern, dass du eine Daa’murin bist!“
Nur mühsam unterdrückte Ira ihren Zorn, Grao sah es ihr deutlich an. „Ich gebe dir noch eine Chance, dich zu beweisen“, sagte er. „Gib mir einen Peilsender, dann können wir …“
„Ich kann nicht. Das wäre zu gefährlich für die Menschen in der neuen Heimat.“
„Dann hast du dich also für den Untergang der Daa’muren entschieden.“
Ira schüttelte ungläubig den Kopf. „Der Sol will meinen Körper! Wie kannst du auf seiner Seite stehen?“
Grao schnaubte nur. Er sah die Sinnlosigkeit seiner Bemühungen ein. Ira war am sichersten, wenn sie sich weit weg von Daa’mura befand. „Ich werde dich vermissen, Gal’hal’ira. Und jetzt fahr zu deinen Menschen.“
Er widerstand der Versuchung, sie zu umarmen, verließ einfach den Panzer und schloss die Heckluke.
Kurz darauf heulte der Antrieb auf. Die Plastiflex-Räder drehten durch und spritzen nassen Sand nach hinten weg. PROTO nahm Fahrt auf und verschwand im Regen.
Abschiede verliefen niemals auf die Weise, die man sich erhoffte. Grao öffnete eine Hautfalte und zog den Peilsender hervor, den er entwendet hatte. Und manche Trennung währte kürzer als erwartet.
Im Regen bemerkte er zahlreiche Gestalten, die auf das Fort zuhielten. Endlich krochen die Drakullen aus ihren Löchern. Brüllend reckte Grao seine Fäuste in die Luft und bedeutete ihnen, ihm zu folgen.
Es war an der Zeit, den Angriff auf Daa’mura zu beenden.
„Öffnet das Tor!“, befahl Hakan.
Entlang des Bodens bildete sich ein Spalt. Das Licht der Morgensonne eroberte den kalten Beton, aber auch der Wind fand die Öffnung und blies Sand herein.
Zierliche Hände tasteten durch den Spalt. Er war kaum weit genug, als sich die abgezehrte Kindergestalt schon hindurchdrückte.
„Nur die Ruhe“, beschwichtige Hakan. Der sanfte Tonfall seiner Stimme überraschte ihn selbst. „Wir lassen dich ja rein.“
Schon auf dem Überwachungsmonitor hatten sie die zerrissene Bunkerkleidung des Mädchens der Enklave in Izmir zugeordnet. Kormaks Stützpunkt. Höchste Vorsicht war geboten.
Auf den ersten Blick entdeckte er weder Waffen noch Sprengsätze. Sie war nur ein schluchzendes, zitterndes Mädchen, dreckverschmiert mit Schrammen und blauen Flecken.
Gehetzt musterte sie Hakan und die beiden Bewaffneten an seiner Seite. In ihrem Blick lag nackte Angst. Beinahe schien es, als wollte sie wieder hinausschlüpfen.
„Dir passiert nichts.“ Hakan drückte Nedim sein Strahlengewehr in die Hand, ging in die Knie und streckte dem blonden Mädchen mit dem strähnigen Haar eine Hand entgegen. „Ich bin Hakan.“
Sie sah ihn unschlüssig an. „Die Siragippen“, sagte sie nur und deutete zum Tor.
„Hier kommen sie nicht rein.“ Er bedeutete Nedim, das Tor zu schließen. „Wie heißt du?“
„Zekiya“, sagte sie und ergriff seine Hand. Die Berührung war zartgliedrig und klamm.
Nachdem sie gemeinsam aufgestanden waren, schenkte sie ihm einen langen undeutbaren Blick aus ihren braunen Augen. Hakans Herz machte einen Satz. Am liebsten hätte er sie sofort zu Gündo, dem ärztlichen Leiter des Bunkers gebracht, aber er durfte diesem Impuls nicht nachgeben.
„Ich hab Hunger“, sagte sie.
„Du bekommst später was. Zuerst werde ich dir jemanden vorstellen.“
Hakan führte sie zum selten genutzten Befragungszimmer. „Warte da drinnen auf mich. Ich bin gleich zurück.“
Widerstrebend trat sie in den Raum, der neben einem schlichten Tisch nur zwei Stühle beinhaltete.
Hakan schloss die Tür und postierte seine beiden Leute vor dem Eingang, dann suchte er einen Raum auf, der ein Stück den Gang entlang lag.
„Dein erster Eindruck?“, fragte Hennah.
„Sie ist verletzt, eingeschüchtert und unbewaffnet. Um die zehn Jahre alt, schätze ich.“ Er zuckte die Achseln.
„Und sie kommt aus Izmir.“ Hennah kratzte sich den kahlen Schädel und betrachtete den Monitor, auf dem Zekiya zu sehen war. Unschlüssig stand sie im kleinen Raum und konnte sich nicht für einen der Stühle entscheiden. Letztlich wählte sie den rechten aus.
Die Kommandantin warf Hakan einen ernsten Blick zu. „Es geht nicht anders.“
Er folgte ihr ins Befragungszimmer.
Zekiya erschrak sichtlich über die kahlgeschorene Hennah. Umso öfter suchte sie Blickkontakt zu Hakan. Er war Hennas Stellvertreter und wollte keinesfalls die Befragung sabotieren, also stellte er sich an die Mauer, verschränkte die Arme und gab sich alle Mühe, abweisend zu wirken.
„Du sitzt in meinem Stuhl“, sagte Hennah barsch. „Los, weg da.“
Zekiya sprang auf und eilte zum anderen Stuhl.