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Matt schließt einen Deal mit den Kontras auf Novis: Wenn sie ihm eine Passage zum Heimatplaneten der Pancinowa ermöglichen, den Erfindern der Wurmloch-Technologie, kümmert er sich um freiwillige Hirnspender für den Mentalschirm. Nur dort auf Cancriss sieht er noch eine Chance für die Erde.
Das Vorhaben scheint unmöglich, denn ein Sprung zum Wurmloch kann nur vom Transferturm auf dem Ringmond erfolgen. Gemeinsam mit einem der Kontras fliegen Matt und Aruula mitten hinein in die Höhle des Löwen...
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Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Was bisher geschah …
Vorstoß nach Cancriss
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Lektorat: Michael Schönenbröcher
Titelbild: Néstor Taylor/Bassols
Autor: Wolf Binder
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-XXXX-XXXX-X
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese für ihn fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch, das sich im Forschungszentrum CERN auftut, in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht.
Auf dem Ringplaneten herrschen die Initiatoren, die Spezies aus allen Teilen der Galaxis durch das Wurmloch entführen, um sie Kompatibilitäts-Tests zu unterziehen. So geraten auch Matthew Drax, Aruula und Matts Tochter Xaana in das fremde Sonnensystem, stoßen jedoch durch die Einmischung der Kontras auf das dunkle Geheimnis der Systemherren: Man will einen Teil der Menschheit auf den Mond Novis umsiedeln, um deren Gehirne für eine Art Superrechner zu nutzen, und macht sich deren Notlage zu Nutze. Die Gefährten werden ihrer Erinnerungen beraubt; so helfen sie in gutem Glauben den Initiatoren.
Während Aruula und Xaana auf Novis bleiben, reisen Matt und der Initiator Hordelab zur Erde, um Peilsender an hochstehende Zivilisationen zu verteilen, damit sie später evakuiert werden können. Begleitet von Xij, der Mutter Xaanas, und deren Mann Tom Ericson besucht Matt auch die Kolonie Colonel Kormaks, erkennt aber dessen Machtgier und verweigert ihm den Peilsender. So überfällt Kormak die benachbarte Community und eignet sich deren Sender an.
In Agartha wird derweil nach den Plänen der Initiatoren eine Transportplattform gebaut, mit der Hordelab das Wurmloch an jeden beliebigen Ort der Erde versetzen soll, um die Enklaven „einzusammeln“. Die Evakuierung beginnt und alles läuft – aus Sicht der Initiatoren – gut. Dann jedoch zerstören die fanatischen Rev’rends die Transportplattform. Dabei werden die vier Gefährten – Matt, Xij, Tom und Hordelab – ohne Erinnerung an verschiedene Ort versetzt. Drei finden den Weg zurück nach San Antonio, nur Hordelab erlangt sein Gedächtnis nicht zurück und strandet ausgerechnet in Roswell.
Das Wurmloch ist außer Kontrolle, weitere Passagen scheinen unmöglich. Die drei Gefährten durchqueren mit einem Gleiter Miki Takeos das Wurmloch und landen auf Novis, wo sie von Aruulas Visionen erfahren: dass die Offerte der Initiatoren eine Falle sein könnte. Um Klarheit zu erlangen, wollen sie Kontakt zu den Kontras aufnehmen. One befreit drei von ihnen vom Ringplaneten und bringt sie nach Novis, wo Matt & Co. einen Widerstand gegen Colonel Kormak aufbauen.
Endlich trifft Matt auf die Kontras, die seine schlimmsten Befürchtungen bestätigen. Auf Terminus erfährt er die Geschichte der Initiatoren: Einst kristallisierte ihr Planet Kasyn und zwang sie, auf einen der Monde umzuziehen. Um sich vor der Kristallstrahlung zu schützen, entwarfen sie einen Mentalschild, der mit lebenden Gehirnen betrieben wird – nach denen der Messisaner nun die Hirne der Menschen!
Vorstoß nach Cancriss
von Wolf Binder
„Blassgelb?“ Scyprana war fassungslos. „Mein Rang wurde aufgehellt, weil ich nicht linientreu genug bin?“
„Dein Tonfall gefällt mir nicht“, antwortete Gremialsmitglied Hugdompel über die Podkom-Verbindung.
„Ich bitte um Verzeihung, aber …“ Scyprana starrte das handtellergroße Pod an und suchte nach Worten, die allem einen Sinn verliehen. „Als leitende Entwicklerin habe ich meinen Wert mehrfach unter Beweis gestellt. Warum sollte ich mich mit Politik aufhalten?“
„Ehemalige Entwicklerin“, korrigierte Hugdompel. „Bei Fragen zu deiner Funktionsenthebung sprichst du am besten mit meinem Assistenten. Keglsurrn ist vollumfänglich informiert.“
Das Verbindungssymbol erlosch. Scyprana atmete ein und wieder aus. Dann warf sie das Pod gegen die Wand.
Vorbei an zahlreichen gelbstufigen Initiatoren, die niederen Aufgaben nachgingen, eilte Scyprana durch die Gänge des Zentralkomplexes. In letzter Zeit war sie auf viele Hellrangige gestoßen. Oder kam es ihr nur so vor, weil sie vor drei Rotationen selbst zu einer Blassgelben aufgehellt worden war?
Früher hatte Scyprana die eingeschüchterten Blicke dieser Ränge auf sich gezogen, nun waren es nur noch abschätzige Blicke und die stammten vom Sicherheitspersonal.
So rasch verlief der Abstieg einer leitenden Entwicklerin, ohne deren Geschick, Talent und Leidenschaft das Volk der Kasynari1) schon lange untergegangen wäre. – Die Einbringung exosolarer Probanden war allein wegen Scyprana und ihrem Team möglich.
„Technologie-Hangar Loccetar“, sagte sie aus Gewohnheit, als sie das Sprungfeld erreichte.
Doch der Nullzeit-Transport fand nicht statt.
Im ersten Moment vermutete sie eine Störung, doch dann erinnerte sie sich: Blassgelbe Ränge verfügten gerade über ausreichend Berechtigungen, um nicht dem Verwertungsprozess zugeführt zu werden.
Und was wollte sie überhaupt im Hangar? Ihren Nachfolger sprechen? Man würde sie nicht einmal zu ihm vorlassen. Es war, als hätte man sie aus ihrem Zuhause ausgesperrt.
Scypranas verkrampfte sich, ballte die Hände zu Fäusten und hatte Mühe, sich zu beherrschen.
Einatmen. Ausatmen.
Verloren sah sie sich im Korridor um. Sie hatte keine Freunde. Am nächsten kamen dem die Techniker ihres Hangars, doch würden sie riskieren, mit ihr zu sprechen? Wie Scyprana bemühten sie sich, politischen Themen fernzubleiben. Und jetzt war Scyprana so ein Thema!
Es blieb ihr nichts anderes übrig, als in das Quartier zurückzukehren, dem sie gerade erst entflohen war; diese nüchterne, seelenlos graue Anordnung von Raumzellen und mitten drin ihr Gefährte. Vermutlich war er schon wach. Allein der Gedanke an ihn …
Einatmen. Ausatmen.
Wenige Zentos später hielt Scyprana vor dem Eingang ihres Quartiers. Das Türblatt glitt zur Seite und süßlicher Geruch schlug ihr entgegen.
Keglsurrn sah auf, in seiner Hand eine Schale mit rosaglimmender Morgensättigung. „Prana!“, sagte er mit vollem Mund.
„Nenn mich nicht so“, antwortete sie. Seit ihr Gefährte vor drei Rotationen in den Purpur-Rang aufgestiegen war, hasste sie die Verniedlichung ihres Namens. Sie war keine verblasste Prana!
„Es war nicht meine Entscheidung, sondern die des Gremials. Ich diene lediglich, so gut ich kann. Genau wie du. Wir sind doch alle nur kleine Schaltkreise im großen Ganzen.“
„Und hätte es in deiner Macht gelegen, du hättest ebenso entschieden.“
„Ich meinte lediglich, dass ich die Beweggründe des Gremials nachvollziehen kann.“
„Und du willst mein Gefährte sein?“, brauste Scyprana auf.
Keglsurrn wischte sich mit dem Handrücken über den dünnlippigen Mund und warf die Schale mit der kaum angerührten Morgensättigung in den Reinigungsschacht. Seine Bewegungen waren fahrig und die blassgraue Haut war schon immer ein Gradmesser für seinen Gemütszustand gewesen; der Streit mit Scyprana schien ihm zuzusetzen.
Geschieht ihm recht. Scyprana wusste, dass er nur ein Rädchen im Getriebe war, aber verdammt noch mal, er sollte sie unterstützen und nicht seine Vorgesetzten verteidigen!
„Setzen wir uns einen Moment“, sagte Keglsurrn und wies auf die ausgefahrenen Sitzgelegenheiten im Vollzugsabschnitt. „Bitte.“
Wollte er sich entschuldigen? Widerwillig folgte Scyprana seinem Ersuchen.
„Du trägst noch immer die graue Techniker-Kombination“, bemerkte Keglsurrn und strich seine silbern glänzende Uniform glatt.
„Natürlich.“
„Genau genommen bist du nicht mehr Teil des Techniker-Corps. Jemand könnte Anstoß daran nehmen.“
„Und warum sollte jemand das tun?“
Keglsurrns lange Finger zitterten, versuchten etwas zu greifen, das nicht da war – einer jener kurzen Momente, in denen die Maske abfiel, die er als notwendig erachtete.
Emotionslos, leidenschaftslos, leblos.
„Du hast dich zu deinem Nachteil verändert“, sagte Scyprana.
„Das Zusammenleben in diesen schwierigen Zeiten erfordert andere Qualitäten als Aufsässigkeit.“
„Ich bin nicht aufsässig, ich habe einfach kein Interesse an Politik.“
„Diese Kontras sind dabei, den großen Plan zunichtezumachen! Sie treiben einen Keil in unsere Gemeinschaft und riskieren damit unser aller Ende. Der Zeitpunkt könnte nicht heikler sein, jetzt, wo wir auf jedes einzelne Gehirn der exosolaren Einheiten angewiesen sind.“
„Stelle ich mich dem etwa entgegen?“ Scyprana verschränkte die Arme vor ihrer Brust. „Nur wegen der technischen Lösungen des Hangars Loccetar läuft der Mentalschirm überhaupt noch! Ihr könnt die Ernte optimieren, die Rechenleistung rationieren, aber nur durch die Arbeit meiner Techniker haben wir Zugang zu den Versorgungsmonden!“
„Und wie stehst du zum Gremial?“
Scyprana zuckte die Achseln. „Jede Funktionsgruppe braucht eine Steuereinheit. Es wird schon passen, was sie machen. Was kümmert es mich?“
„Genau das ist ein Problem: Es darf dir nicht egal sein! Dein Desinteresse verunsichert hochrangige Initiatoren, es macht dich unberechenbar.“
„Ich konzentriere mich auf meine Aufgabe und bin verdammt gut darin. Das sollte doch reichen!“
Keglsurrns Pod klirrte. Er warf einen Blick auf die Anzeige und wischte die Symbole mit einer raschen Geste beiseite. „Initiatoren in hoher Position haben Vorbildwirkung. Sie tragen eine Verantwortung und du wirst ihr nicht gerecht.“ Keglsurrn machte eine Pause. „Deine Aufgabe ist mehr, als nur ein paar Bauteile zusammenzuschrauben.“
„Du hast recht.“ Scyprana imitierte seine Sprechpause. „Meine Leidenschaft hat nichts mit Schrauben und Nieten zu tun.“
Erstaunt sah Keglsurrn sie aus seinen tiefschwarzen Augen an.
Scyprana zuckte zusammen. Genau wegen dieses Blickes hatte sie ihn damals als Gefährten erwählt.
„Ich komme zu spät.“ Keglsurrn hielt sein Pod hoch. „Vielleicht überwindest du in der Zwischenzeit deinen verletzten Stolz und entwickelst dich weiter. Zeige Interesse an den kooperativen Erfordernissen unserer Gesellschaft. Mach dich mit der politischen Situation vertraut, der Lage auf den Monden. Wenn ich dir helfen kann, melde dich einfach.“
Obwohl er, rein logisch gesehen, in vielem recht haben mochte, waren seine Worte billig. Er musste nichts beweisen und konnte sich hinter den Beschlüssen seiner Vorgesetzten verstecken. Scyprana wollte ihn nicht so einfach davonkommen lassen und hatte auch schon eine Idee.
„Wie soll ich zu diesen Informationen kommen? Dank des Gremials habe ich gerade noch ausreichend Befugnisse, mir einen Becher Canquat-Lake zu synthetisieren.“
„Es ist übertrieben, deine Berechtigungen mit Entkeimungskräften zu vergleichen.“
„Willst du behaupten, ich hätte noch Zugang zu allen Informationen?“
„Natürlich nicht.“
„Dann forderst du von mir, dass ich mich informiere, und enthältst mir gleichzeitig wesentliche Daten vor? Warum gibst du mir nicht einfach deine Berechtigungskarte?“
Obwohl Keglsurrns Gesichtszüge zur emotionslosen Maske erstarrt waren, erkannte Scyprana, dass er mit sich rang.
„Hier.“ Er reichte ihr die Karte. „Ich dürfte das nicht tun. Es widerspricht der Weisung des höchsten Gremiums, aber ich bin dein Gefährte und unterstütze dich nach Kräften. Das werde ich immer tun.“
Verdrossen griff Scyprana nach der Karte.
„Ich bin nicht der stupide Befehlsempfänger, als den du mich hinstellst.“
„Du Rebell.“
Auf Keglsurrns Pod flackerten Symbole. Ein erneuter Ruf. „Bitte achte darauf, was du damit anstellst. Vor allem keine Nullzeit-Sprünge in den Techniksektor.“ Er erhob sich und sah Scyprana fordernd an.
„Worauf wartest du?“, fragte sie, obwohl sie es genau wusste: eine Umarmung, ein kleines Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit. Doch seit ihrer Funktionsenthebung schaffte sie es nicht. Keglsurrn stand für den Apparat, der sie grundlos abgestraft hatte.
„Ich bin auf deiner Seite, vergiss das nicht.“ Keglsurrn nickte ihr zu und verließ das Quartier.
Nachdenklich betrachtete sie seine Berechtigungskarte. Miniaturisierte Datenleitungen glitzerten wie Silberfäden darauf, schufen eine Art Tiefeneffekt. Vermutlich bereute Keglsurrn längst, dass er ihr die Karte ausgehändigt hatte. „Was soll ich mit dir anfangen?“, flüsterte sie.
Das Pod klirrte metallisch.
Keglsurrn? Scyprana sah auf die Anzeige, doch der Anrufer unterdrückte seine Kennung.
Es klirrte erneut.
Oder war es jemand aus dem Gremial? Hatte man den Fehler eingesehen und wollte Scyprana zurückholen, weil es eine technische Unmöglichkeit zu meistern galt?
Scyprana nahm den Ruf an.
„Ich brauche deine Hilfe.“
„War nicht anders zu erwarten“, antwortete sie mit einem Schmunzeln. „Wer spricht überhaupt?“
„Ist das wichtig? Du bist wertvoll und solltest nicht aus politischen Gründen bestraft werden.“
„Niszarrl?“, riet sie.
„Hugdompel hat einen großen Fehler gemacht“, sagte der Anrufer, ohne auf Scypranas Worte einzugehen.
„Das hat er“, bestätigte sie, doch ihr Misstrauen war geweckt. Wollte ihr jemand Aussagen entlocken, die ihr zum Verhängnis werden konnten? „Wer spricht da?“
„Ein Opfer politischer Entwicklungen, genau wie du.“
„Und weiter?“
„Ich brauche deine Hilfe. Es gibt nicht viele, die dafür in Frage kommen. Du scheinst dir nicht viel aus Politik zu machen. Das würde auch nur stören. Was ist Politik anderes als eine Rechtfertigung, um keine eigene Meinung vertreten zu müssen? Das erfordert Mut und Leidenschaft.“
Niszarrl. Scyprana war sicher, seine Stimme zu erkennen. Er war aufrecht und fähig, aber kein Philosoph. War er ihr Nachfolger geworden und wollte Scyprana mit geistlosen Reden hinters Licht führen? „Ich denke nicht, dass ich Interesse habe.“
„Die Linientreuen haben dich abgestraft und erniedrigt. Warum willst du unbedingt zu ihnen gehören? Ich brauche deine Hilfe, deine Fähigkeiten, ohne die Auflage fragwürdiger Verhaltensregeln.“
Sie hatte sich doch nicht geirrt. Er wollte ihr eine politische Signatur anheften. „Von dir hätte ich das nicht erwartet, Niszarrl. Such dir jemanden, der dümmer ist.“
Das One-Fragment registrierte das vorzeitige Ende der Podkom-Verbindung. Worin hatte das Problem gelegen? War seit dem Initialereignis zu viel Zeit verstrichen? Für biologische Einheiten war Zeit stets ein maßgeblicher Faktor.
Regenerationszeit, in der sich eine Neuausrichtung festigen konnte, aber genauso war der Rückfall in alte Muster möglich. – Einen Teil dieser Erkenntnis verdankte One seinem Trägergehirn: dem Kilian-Bewusstsein.
Das war unerwartet, kommentierte die Kilian-Komponente unvorhergesehen.
Ones Analyse zeigte die gleiche Folgerung. Die biologische Einheit Scyprana hatte das Stimmmuster korrekt mit ihrem Vertrauenskontakt Niszarrl assoziiert. Auf objektiver Ebene hatten die Parameter gepasst. Demnach musste es am Gespräch selbst liegen. One hatte die Dialogführung der Kilian-Komponente überlassen und nur Wortformung und Ableitung über die Kommunikationskanäle vorgenommen.
Scyprana war die perfekte Kandidatin. Die gescannten Gespräche wiesen auf ausreichend Unmut hin, um einen Wandel zu vollziehen. Und mit ihren Fähigkeiten war sie bestens für die Aufgabe geeignet.
Wir sollten sie noch nicht verloren geben.
One vertiefte die physische Durchdringung des Trägergehirns, sandte vorsichtig seine kugelförmigen Einzelteile aus und synchronisierte sich neu mit dem Kilian-Bewusstsein. Dann verstärkte er die Prozesslast auf die biologische Komponente.
Das One-Fragment suchte Kontakt zu seinem Schwarm, doch die Masse seiner Gesamtheit stand nicht zur Verfügung. Nach letzten Informationen war sie in das Novis-Habitat der Menschen zurückgekehrt. Dem Fragment stand dadurch nur ein Teil der Informationen zur Verfügung. – Fielen Initiatoren vorzugsweise in alte Muster zurück oder beschritten sie in erster Linie neue Wege?
Die vorliegenden Daten reichten nicht aus, um eine statistisch relevante Aussage zuzulassen. One würde keine weitere Rechenkapazität darauf verwenden. Letztlich musste er bereits mehr Leistung aus dem Gehirnverbund nutzen, als vertretbar erschien. Jede Nutzung hinterließ Spuren, die auf One und seine biologische Komponente hindeuten konnten.
One verzeichnete eine neuerliche Kapazitätsanforderung an den Gehirnverbund. Der Mentalschirm war instabil. Seine Schwankungen kamen unvorhergesehen und belasteten die Systeme, aber die Initiatoren gaben sich offenbar damit zufrieden, dass er nicht kollabierte.
Im Toleranzbereich zweigte One Kapazität aus dem Gehirnverbund für sich ab. Die nahende Katastrophe für das Kollektiv der Initiatoren half One in seiner parasitären Situation.
Es war ein Glücksfall, dass Kommunikation als Prozess höchster Priorität eingestuft und direkt über den Gehirn-Verbund geleitet, protokolliert und archiviert wurde. Im Begriffsvermögen der biologischen Einheiten musste dies größtmögliche Sicherheit darstellen.
Ein Trugschluss.
Die Kilian-Komponente pulsierte gequält. One reduzierte die Prozesslast auf das Gehirn, damit es einer dauerhaften Schädigung entging und nicht Gefahr lief, ausgemustert zu werden.
Scyprana wird uns helfen, beharrte das Bewusstsein. Ich kenne diese Art Mensch; das mangelnde Interesse an Politik ist nur ein Zeichen ihrer Angst, sich gegen die Machthaber aufzulehnen. Ihre technischen Leistungen zeugen von Hingabe und brillantem Verstand. Sie ist die Verbündete, die wir suchen.
Das Bewusstsein erlag einer Fehleinschätzung. Scyprana war kein Mensch, sondern ein Initiator. One steigerte die Rechenlast erneut und zwang das Bewusstsein in einen Lastzyklus. Bis auf Weiteres durchforstete es neue Gesprächs- und Kommunikationsinhalte nach Schlüsselbegriffen. One hatte sich auf das Mindestmaß beschränkt: One, Kilian, Kontra.
Die restlichen Kapazitäten verwandte er auf das Scannen der Kommunikationsarchive. Dort irgendwo würde sich ein Helfer finden lassen. Jemand, der Arme und Beine für One zur Verfügung stellen konnte, damit er mehr sein konnte als nur ein parasitärer Lauscher.
Während Aruula gedankenversunken weiter den beiden Greys folgte, verhielt Matthew Drax seinen Schritt. Das Panorama war atemberaubend. Hinter dem morgendlichen Dunstschleier in Bodennähe schwang sich eine Bergkette auf. Die Luft war feucht und der kühle Wind trug den Geruch des Waldes mit sich, der sich zu ihrer Linken in der Ferne verlor.
Novis.
Nach den Informationen, die er auf Terminus erhalten hatte, war sich Commander Drax über die Rolle im Klaren, die der terraformte Mond für die Menschheit spielte. Nicht nur Ersatz-Erde und Zuflucht der letzten Menschen, sondern auch das Feld, auf dem die Initiatoren Gehirne ernteten, um den Schutzschirm um das „Juwel im Inneren“ aufrechtzuerhalten.
„Kommst du?“ Aruula hatte sich nach ihm umgesehen, während die beiden Kontras wortlos dem Pfad folgten, den sie eingeschlagen hatten. Es waren die letzten, mit denen die Menschen in Kontakt standen. Einer nach dem anderen waren sie gefallen. Wie viele von ihnen gab es noch, und was mochte sie in der Kontra-Station erwarten, zu der sie unterwegs waren?
Aruula kam zurück. Sie griff nach Matt und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Du sahst aus, als hättest du es nötig.“
„Kein schlechter Anfang.“ Matt lächelte schwach. „Wir nehmen uns viel zu wenig Zeit für uns.“
„Was bereitet dir Kummer?“ Sie seufzte und beantwortete die Frage selbst: „Ich weiß, unsere Zukunft erscheint im Moment düster und Novis noch als die beste Lösung.“
„Nicht die beste“, sagte er. „Aber ob das funktioniert …?“
In ihren Augen blitzte Erkennen auf. „Du meinst die Idee, den Mond mit einem Wurmloch in seine alte Bahn zu versetzen. Die Kontras sagten doch, dass ihre Leute dazu nicht in der Lage wären.“
„Darum setze ich meine ganze Hoffnung auf die Pancs.“