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Auf dem Weg zu dem Daa'murendorf, das sich angeblich in Indien befinden soll, vernehmen Grao und Ira einen Lockruf, der sie zu einem Wald zieht. Dort stoßen sie auf Mutantenjäger, die zwei Wulfanen in ihrer Gewalt haben. Indem sie den beiden helfen, beschwören sie Ereignisse herauf, die im Inferno enden - und ein Geheimnis offenbaren, das in einem grünen Daa'murenkristall verborgen liegt. Ist er für den mentalen Ruf verantwortlich? Eigentlich unmöglich, denn alle Kristalle sind vor Jahrzehnten erloschen, und mit ihnen die Geister darin...
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Was bisher geschah …
Durch das Inferno
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Lektorat: Michael Schönenbröcher
Titelbild: Néstor Taylor/Bassols
Autor: Wolf Binder
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5347-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese für ihn fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch, das sich im Forschungszentrum CERN auftut, in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht.
Auf dem Ringplaneten herrschen die Initiatoren, auch „Friedenswahrer“ genannt. Sie entführen Spezies aus allen Teilen der Galaxis durch das Wurmloch, um sie Kompatibilitäts-Tests zu unterziehen. Matt und Aruula können ihnen entkommen und reisen von Mond zu Mond auf der Suche nach ihrer Gefährtin Xaana, die schon Monate zuvor durch das Wurmloch ging.
Mit Hilfe neuer Gefährten finden sie Xaana auf dem Dschungelmond Botan und bekommen die Gelegenheit, die Initiatoren auf dem Mond Messis zu treffen, wo eine Avatar-Delegation – Roboter mit den Geistern der Friedenswahrer – sie erwartet. Durch Einmischung der Kontras, einer Guerillagruppe innerhalb der Initiatoren, stoßen sie jedoch auf das dunkle Geheimnis der Systemherren: Sie beobachten, wie man entführten Messisanern die Köpfe abtrennt! Aber dann werden sie ihrer Erinnerungen beraubt! So können ihnen die Initiatoren eine Offerte unterbreiten: einen Teil der Menschheit auf den Mond Novis umzusiedeln und so vor der Vernichtung zu bewahren. In Wahrheit sollen sie die Messisaner ersetzen.
Während Aruula und Xaana auf Novis bleiben, reisen Matt und der Initiator Hordelab zur Erde, um Peilsender an hochstehende Zivilisationen zu verteilen, mittels derer sie später geortet und per Wurmloch evakuiert werden sollen. Um Kontakt zu Techno-Enklaven aufzunehmen, lassen die Wissenschaftler vom Hort des Wissens einen Satelliten aufsteigen und empfangen erste Funkrufe. Matt, Xij und Tom machen sich mit dem Amphibienpanzer PROTO auf den Weg, derweil Hordelab nach Agartha springt, um die Transport-Plattform für das Wurmloch in Augenschein zu nehmen – und dort festgesetzt wird. Nach einer Rettungsmission in Griechenland treffen Matt & Co. auf die Enklave von Colonel Kormak, erkennen aber dessen Machtgier und setzen sich ab, ohne ihm einen Peilsender zu überlassen.
In Agartha treffen derweil Hordelab und die Daa’muren Grao und Ira aufeinander – und erkennen eine mysteriöse Verbindung zwischen sich. Die beiden verhelfen dem Initiator zur Flucht, und gemeinsam peilen sie mit dem Sprungfeld-Generator Matts Position an. Bei einem Kampf mit der rachsüchtigen Hydritin E’fah erfahren sie von einem Dorf mit überlebenden Daa’muren in Indien. Natürlich wollen Grao und Ira es ausfindig machen. Matt überlässt ihnen PROTO, während er mit Tom, Xij und Hordelab nach Meeraka springt …
Durch das Inferno
von Wolf Binder
Vor Bahadir ragte die Teufelsklaue in den Nachthimmel. Die Gesteinsformation glich tatsächlich den riesenhaften Fingern eines Dämons, der versuchte, zwischen Fels und Geröll an die Oberfläche zu gelangen. Dass er sich bei Nacht allein an diesen Ort wagte, würde ihm die Achtung seiner Kameraden einbringen.
Als der junge Barbar ein mattes Leuchten in den Felsspalten bemerkte, setzte für einen Moment sein Herzschlag aus. Aber anstatt Reißaus zu nehmen, suchte er einen Weg hinein.
Irgendwann stand er vor einem grünen Kristall, fast so groß wie Bahadir. Er musste unermesslich wertvoll sein, war aber zu groß, um ihn zu bergen. Bahadir zog sein Schwert, wild entschlossen, zumindest ein Bruchstück aus dem Juwel zu hacken …
„Kannst du mich nicht verstehen oder willst du es nicht?“, fauchte Ira in der Sprache der Wandernden Völker. Die Daa’murin funkelte ihr Gegenüber an und überlegte, wie sie ihm ihre Absichten begreiflich machen konnte, ohne dafür die ganze Nacht zu brauchen. Nicht zum ersten Mal sehnte sie die verlorenen telepathischen Kräfte der Daa’muren zurück.
Vor ihr, neben dem Lagerfeuer, stand die Ursache ihres Unmuts: ein Mann in abgetragenem Lederwams und Stoffhosen. Unter seiner gekrausten Stirn blitzten wache Augen, und genau wie der Vollbart war auch das dunkle Haar schlampig geschnitten. Er hielt eine unterarmlange Klinge kampfbereit in der Rechten. Die Finger seiner Linken tanzten vor und zurück, hatten einen Dolch, mehrere Wurfmesser und eine Gürteltasche unbekannten Inhalts zur Auswahl.
Wie unsinnig diese Drohgebärde doch war. Selbst wenn er sie verletzte, konnte sie mit der Fähigkeit zum Gestaltwandel die Wunden rasch wieder verschließen. Aber der Typ sah in ihr lediglich eine Frau mit langem Haar und üppigen Rundungen. „Dummer Mensch“, stieß Gal’hal’ira frustriert aus.
Blitzschnell zog er ein Messer und warf es nach ihr. Einen Schritt vor Ira blieb es zitternd im Boden stecken. „Nenne Worgor nie wieder einen Dummkopf!“, drohte er. „Nur weil ich die Gebote des Ödlands achte, bist du noch am Leben. Überlege gut, wen du beleidigst, Technofrau.“
Ira sah ihn groß an. Dieser Mistkerl verstand ihre Sprache! „Wenn ich dich töten wollte, hätte ich dich mit meinem Gefährt überrollt.“ Sie deutete über ihre Schulter auf den Amphibienpanzer PROTO.
Der Mann stieß einen scharfen Pfiff aus. „Dishi! Tup!“
Im Unterholz raschelte es und eine Gestalt in langem Umhang und Lederwams trat aus dem Dunkel des Waldes: eine Frau, knochig und hochgewachsen. Auf der gespannten Sehne ihres Bogens lag ein Pfeil und wies auf Ira.
Auf der gegenüberliegenden Seite knackten Zweige und Blätterwerk rauschte, als ein kahlköpfiger Hüne in den Lichtkreis des Feuers trat. Er war mir Speer und Keule bewaffnet.
Ira verdrehte die Augen. Die Situation war dabei, ihr zu entgleiten, dabei hatte sie nur Informationen einholen wollen.
Einen Moment lang sah es aus, als wollte Worgor angreifen. Spielerisch wirbelte er die Klinge in seiner Hand, ließ sie in die andere springen und steckte sie dann mit einer fließenden Bewegung in die Scheide. Ein breites Grinsen trat auf seine Züge und offenbarte fleckige Zähne. „Nachdem wir das geklärt haben: Seid willkommen an Worgors Feuer.“ Er trat einen Schritt zurück und wedelte einladend mit der Hand.
Ira starrte in konsterniert an. Das war’s? Der Streit war beigelegt? Sie war zwar weit davon entfernt, diesem Worgor zu trauen, aber welche Wahl hatte sie schon?
„Nächstes Mal nehme ich den Erstkontakt auf“, erklang Grao’sil’aanas Stimme hinter ihr. Er hatte die Gestalt eines blasshäutigen männlichen Primärrassenvertreters angenommen. Kleiner als Ira, aber von gedrungenem Körperbau.
Gemeinsam traten sie ans Feuer, wo Worgor mit seinen ungleichen Begleitern saß und ihnen neugierig entgegensah. Er zuckte die Achseln. „Stell dich dumm und du lernst dein Gegenüber kennen. Hier draußen muss man nicht nur das dreckige Dämonenpack fürchten.“
„Dämonen?“ Ira lachte auf. „Du bist abergläubisch?“
„Ich glaube, was ich sehe“, erwiderte Worgor. „Von euch Technos hatte ich bis jetzt auch nur gehört. Aber bevor wir weitersprechen, sagt mir erst eure Namen.“
„Ira.“ Sie nickte ihm zu. „Und das ist Grao. Wir kommen aus einem Bunker weit im Westen, in Tuurk, und wir wollen nach Induu1).“
„Ein weiter Weg“, sagte Worgor nachdenklich. „Was wollt ihr dort?“
„Wir sind auf der Suche nach unseresgleichen“, mischte sich Grao ein. „Das sollte als Antwort reichen.“
„Tut es, tut es.“ Worgors Blick heftete sich auf Ira. „Ira, nicht wahr? Du denkst, ich sei einfältig, an Dämonen zu glauben? Dann lass mich dir etwas zeigen.“ Er zog einen brennenden Ast aus dem Feuer, erhob sich und bedeutete ihr, ihm zu folgen.
Ira ignorierte Graos warnenden Blick und folgte Worgor ein Stück abseits des Lagerfeuers. Hinter ein paar Felsen war ein echsenartiges Reittier angebunden, eine sogenannte Dechse. Wie aus dem Nichts tauchten zwei identisch aussehende Primärrassenvertreter vor ihnen auf und versperrten ihnen den Weg. Sie mussten auf der Lauer gelegen haben.
„Heda!“, rief Worgor. „Erschreckt nicht unsere Gäste. Und lasst uns mal allein, ich übernehme das.“
Die beiden verzogen sich widerspruchslos in Richtung des Feuers.
Worgor führte Ira an einen Wagen, über dem eine geflickte Tuchplane hing. Mit einem Ruck zog Worgor sie herunter. Der Wagen war ein großer Käfig. Aus der massiven Bodenplatte ragten Metallstangen, die von vernieteten Bändern zusammengehalten wurden. An der Rückseite und zum Kutschbock hin war das Gefängnis aus massivem Holz gezimmert und mit Eisen beschlagen.
Worgor hämmerte gegen die Stäbe. Wütendes Fauchen war die Antwort. Ein schwerer Zottelkörper warf sich gegen das Gitter und rüttelte wutschnaubend daran. Worgor schien nicht davon beeindruckt und stocherte weiter mit der Fackel zwischen den Stäben herum. „Was ist? Zeigt schon euer Kunststück!“
Im unsteten Licht der Fackel konnte Ira nicht sofort erkennen, was sich im Käfig befand.
„Ihr sollt reden, verdammte Viecher!“, schrie Worgor. Wütend schlug er mit der Fackel auf das Gitter – und gab auf. „Dann eben nicht.“ Er wandte sich Ira zu und grinste. „Das hier meinte ich mit Dämonen. Zwei Wolfsdämonen, um genau zu sein.“
Jetzt erkannte Ira in der Ecke des Käfigs ein behaartes, entfernt menschliches Wesen mit Fischmaul und Reißzähnen. Es waren Wulfanen! Der Größere von ihnen stellte sich vor den anderen. Auch wenn sie nach außen hin Aggressivität zeigten, konnte Ira ihre Angst spüren. Es waren keine primitiven Geschöpfe, keine Tiere und schon gar keine Dämonen; sie trugen Wunden am Körper und im Gesicht und fürchteten um ihr Leben.
„Ihr … jagt diese Wesen?“, fragte Ira und suchte dabei in Worgors Augen nach einer Gefühlsregung wie Bedauern oder Verlegenheit.
Doch Worgor schlug sich mit der Faust auf die Brust und lachte. „Hättest du nicht gedacht, was? Dabei sind diese Biester nicht einmal die Schlimmsten. In den Jahren als Dämonenjäger hab ich viel kranken Mist gesehen.“ Er machte eine bedeutungsvolle Pause. „Du musst wissen, ich bin gefährliches Arschloch.“
Ira nickte. Und musste sich zusammenreißen, nicht ihre wahre Gestalt anzunehmen und diesem anmaßenden Barbaren die Arroganz aus dem Leib zu prügeln.
Schweigend kehrten sie ans Lagerfeuer zurück, wo sich Grao und Dishi ein wortkarges Blickduell lieferten.
„Der Herr Dämonenjäger hat mir seine Dämonen gezeigt“, antwortete Ira auf Graos fragenden Blick. An Worgor gewandt fuhr sie fort: „Was hast du mit ihnen vor?“
Der schnaubte belustigt. „Ihr kommt wirklich von weit her. Wir bringen sie natürlich zum Candemir nach Kudas. Er zahlt gutes Geld für diese Bestien.“
Candemir … Das schien eine Art Herrscher oder Stadtoberer zu sein. Ira hörte das Wort zum ersten Mal.
„Und was passiert dann mit ihnen?“, fragte sie.
„Was kümmert’s mich? Der Candemir macht die Regeln und hat Unmengen Gold in der Tasche.“
„Kudas? Ist das eine Stadt?“, hakte Grao ein.
„Euch muss man wohl alles erklären.“ Worgor seufzte. „Kudas liegt eine halbe Tagesreise in östlicher Richtung. Vermutlich ist sie der letzte Ort inmitten dieser Wälder, wo sich Menschen noch sicher fühlen können. Unüberwindbare Mauern, jede Menge Soldaten und Stadttore, die sich erst wieder bei Sonnenaufgang öffnen.“
„Wie geht man dort mit Fremden um?“
„Wenn du kein Dämon bist, hast du nichts zu befürchten“, eröffnete ihm Worgor. „Außer vielleicht, von vorn bis hinten übers Ohr gehauen zu werden. Solltet ihr eine Absteige suchen, kann ich euch das ’Dagdools’ empfehlen. Ist billig, der Wirt klaut nicht und vergisst schon mal die Zeche zu kassieren.“
„Danke für den Tipp.“ Grao nickte ihm zu. „Wir werden uns Kudas ansehen und unsere Vorräte dort aufstocken.“
„Vergesst nicht, die Dürre treibt die Preise hoch. Fleisch ist noch bezahlbar, aber Wasser wird immer teurer. Kein Wunder, selbst in den wenigen Sumpfstreifen trocknen schon die letzten Pfützen aus. – Wenn ich dir einen Rat geben darf …“ Er lehnte sich zu Ira herüber. „Falls euch unterwegs ein Dämon begegnet, dann kassiert ihn ein. Er deckt mit Leichtigkeit die Kosten für eure Vorräte. Oder“, er zwinkerte Ira zu, „du leistest mir heute Nacht Gesellschaft, dann bekommst du die Vorräte von mir.“
„Danke nein“, sagte Ira kühl und erntete einen Seitenblick von Grao. „Was ist?“
Grao zuckte die Achseln. „Es wird Zeit“, meinte er. „Wir müssen morgen zeitig los.“ Er deutete auf PROTO und erhob sich.
„Ihr werdet uns doch nicht schon allein lassen?“ Worgor wirkte überrascht. „Ihr habt noch nicht mal von meinem Brandwasser gekostet. Oder von meinem Rauchkraut.“ Er klopfte auf seine Gürteltasche.
„Danke, aber wir gehen schlafen“, lehnte Ira sein Angebot ab.
Worgor zog eine Flasche hervor und entkorkte sie. „Passt auf, dass euch die Dämonen nicht beim Schlafen zusehen. Dann kriechen sie in eure Köpfe!“
„Wenn das stimmt“, sagte Ira, „ist es dann nicht dumm, im Freien zu schlafen?“
Worgors Kinn klappte hinunter, während Ira und Grao zu PROTO hinüber gingen.
Als sie außer Hörweite waren, ergriff Grao ihren Arm. „Sollen wir sie neutralisieren?“, fragte er. „Wir haben alles Wissenswerte erfahren, und ich habe nicht den Eindruck, dass diese Dämonenjäger ein großer Verlust wären.“
Ira schüttelte den Kopf, eine menschliche Geste. „Auch wenn er ein primitiver Mistkerl ist, wir werden niemanden töten. Sehen wir uns lieber Kudas an und prüfen, ob die Menschen dort eine Evakuierung nach Novis wert sind.“
„Und wir müssen tatsächlich unsere Vorräte aufstocken“, erinnerte Grao sie. „Unsere Reserven sind beinahe aufgebracht.“
Ira streckte sich. „Erst mal ruhen wir uns aus. Geh schon mal vor; ich komme gleich nach.“
„Was hast du vor?“
„Ein kurzer Spaziergang durch den Wald.“
„Tu nichts Dummes“, forderte Grao.
„Dafür bist du doch zuständig.“ Ira grinste ihm zu, umrundete den Amphibienpanzer und mied dabei den Feuerschein. In der Dunkelheit wandelte sie ihre Gestalt.
Vor 25 Jahren
Im rotflackernden Licht des Feuers beobachtete Kdar’lan’noor, wie die Hal unruhig im Schlaf zuckte. Er strich ihr beruhigend über die Schuppen. Er war ihr so nah und doch weiter entfernt als je zuvor. Sie waren die letzten Überlebenden der symbiotischen Einheit Kdar.
Kdar’hal’barats Atem wurde gleichmäßiger und ihr Körper entspannte sich. Sie erwachte. „Früher habe ich nie geträumt“, sagte sie. „Nun suchen mich jede Nacht diese Bilder heim.“
Auch Noor erinnerte sich. Vor einer halben Gestirnumkreisung war der Wandler mit seinen Kämpfern in die Schlacht gezogen, aber noch bevor sie den Feind erreichten, wurden sie von mentalen Vernichtungswellen getroffen. Noor war bei dem Absturz schwer verletzt worden. Zu schwer, als dass er sich selbst heilen konnte.
„Es ist seltsam still ohne den mentalen Kontakt“, sagte Barat und richtete sich auf. „Wenn ich dich und die anderen nicht angetroffen hätte, müsste ich glauben, die Letzte unserer Art zu sein.“
„Es war nötig“, sagte Noor. „Der Oqualun brauchte unsere mentale Kraft, um den Feind zu besiegen.“ Es auszusprechen, half nur bedingt, den Verlust der Telepathie zu akzeptieren. Vor allem, weil der Wandler versprochen hatte, wiederzukehren und jeden aufzunehmen, dessen Körper zerbrochen worden war. Aber er hatte es nicht getan. Nach seinem Sieg nahm er die ontologisch-mentale Substanz aller überlebenden Daa’muren in sich auf – mit der Ausnahme der Zurückgebliebenen. Sieben Anomalien, von denen Noor wusste.
„Manchmal kommt es mir wie ein Traum vor“, sagte Barat. „Oder eine Prüfung.“
Noor schüttelte den Kopf. „Wir schulden dem Schöpfer unsere Existenz, aber er kreierte uns nicht, um seine Taten zu hinterfragen. Wir sollen nur den Weg beschreiten.“
„Wie auch immer der aussehen mag, Lan.“ Damit traf sie seinen wunden Punkt.
In ihrer Gruppe aus sieben Daa’muren war der höchste Rang der eines Lan. Kdar’lan’noor und Chra’lan’unik. Kein Lun, kein Sil war unter ihnen, nur zwei Erfahrene, denen es oblag, die Geschicke der Gruppe zu lenken. Es gab keinen Sol, der ihnen den Weg wies, und ihr Schöpfer hatte sie ohne erkennbare Aufgabe zurückgelassen.
So zogen die Sieben unerkannt durch das Land, einem unbestimmten Ziel entgegen, einzig in der Hoffnung, auf ihresgleichen zu treffen.
„Wir bekommen Besuch“, erklang Uniks Stimme aus der Dunkelheit.
Noor erhob sich und trat zum Aussichtsposten am Rand des Schuttberges, auf dem sie ihr Lager aufgeschlagen hatten. Unik wies auf das Ruinenmeer, das sich zu ihren Füßen ausbreitete.
Im kalten Sternenlicht glichen die Mauerreste dem verfaulenden Leib eines Giganten. Der Sternenhimmel spiegelte sich im schwarzen Band der Flussmündung und ließ diesen Ort nur noch trostloser erscheinen. Es war eine kalte Welt, die durch ihre weiteste Entfernung im Sonnenumlauf noch abstoßender wirkte.
Zwischen brüchigem Mauerwerk flackerte das unstete Licht mehrerer Fackeln.
„Diese Primärrassenvertreter ermüden meine Geduld.“ Noor seufzte. „Man sollte meinen, ein Toter würde reichen, um sie von uns fernzuhalten.“
„Was sie wohl im Schilde führen?“, sagte Unik und ging nicht auf Noors Rede ein. „Sie sind nur zu dritt und notdürftig bewaffnet. Lass uns mit ihnen sprechen.“
„Dann dürfen wir sie nicht erschrecken.“ Noors Hautschuppen raschelten, als sie in die Form eines grobschlächtigen Mannes mit wettergegerbter Haut glitten. Als Daa’mure konnte er zwar die Gestalt, nicht aber seine Körpermasse verändern. Rein aus Abschreckungsgründen zog er einen hünenhaften Krieger einem dickbäuchigen Gaukler vor. „Sag es den anderen“, wies er Unik an.
Kurz darauf erreichten die Primärrassenvertreter das Lager der vorgeblichen Söldnertruppe und traten an das Lagerfeuer, wo Noor und Unik auf sie warteten. Ein zartgliedriger Mann im weißen Gewand führte die Gruppe an, die beiden Begleiter dienten augenscheinlich seinem Schutz.
„Ich bin Ajith und verbeuge mich vor euch“, sagte er und neigte den Kopf. „Verzeiht, dass ich in dunkler Nacht störe, aber zweifelsohne wisst ihr von unserem Drakullen-Problem. Je kälter es ist, desto sicherer sind wir vor ihnen, denn die Echsenartigen verlangt es nach Wärme.“
„Ich kann sie gut verstehen“, sagte Noor. Eine ferne Erinnerung an die Lavameere von Daa’mur flackerte in ihm auf. Wehmut und Zorn erfüllten Noor. Er deutete auf die Bewaffneten. „Warum kommst du zu uns, wenn du dich ängstigst? Es haben bereits deinesgleichen den Tod gefunden. Sollten wir es nicht dabei belassen?“
„Eine unglückliche Fügung“, sagte Ajith. „Aber wenn die Menschen aufhören, miteinander zu reden, werden sie einander nicht verstehen.“
Noor bleckte die Zähne, doch es waren nur die unscheinbaren Stummel eines Primärrassenvertreters. Es war beleidigend, mit einem Menschen gleichgesetzt zu werden. Immer weniger verspürte er Lust, sich mit diesem Ajith auseinanderzusetzen.
„Die gute Nachricht zuerst“, sagte Ajith freudig. „Wir gewähren euch Gastrecht auf unserem Hoheitsgebiet, und ihr dürft so lange bleiben, wie ihr wollt. Schließlich sollten wir Menschen zusammenhalten. Für Männer eurer Fähigkeiten bieten sich …“
„Was denkst du, wer du bist, minderwertige Bioorganisation? Wir lassen uns nicht für eure Dienste einspannen. Scher dich in das Loch zurück, aus dem du gekrochen bist!“
Ajith zuckte zurück. „Bitte verzeih“, sagte er. „Es lag nicht in meiner Absicht, euch zu kränken. Lasst uns von vorn beginnen. – Willkommen in Allahabad. Ich bin Ajith und spreche für die Herren der Stadt.“ Er musterte Noor und jene Begleiter, die nahe genug am Feuer standen. „Wem haben wir das Vergnügen unsere Gastfreundschaft anbieten zu dürfen?“
„Du darfst mich Noor nennen. Wir sind Krieger auf der Durchreise.“
„Hm.“ Ajith nickte und wirkte nachdenklich.
„Wenn du mir keinen Glauben schenkst, dann …“
„Das ist es nicht, Herr.“ Ajith lächelte gewinnend. „Ich dachte nur gerade daran, dass ihr so anders seid als die Menschen dieser Stadt. Es gibt nicht viele von uns, und die Kriegsführung wurde uns durch äußere Umstände aufgezwungen. Vielmehr sind wir Handwerker, Schöngeister und Wissenshüter.“
„Schwächlinge“, fasste Noor zusammen.