Mama im Unruhestand - Lucinde Hutzenlaub - E-Book

Mama im Unruhestand E-Book

Lucinde Hutzenlaub

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Beschreibung

Mütter sind großartig. Sie bewegen die Welt oder halten sie an, je nach Bedarf. Sie sind Superheldinnen, Schönheitsköniginnen und Vorbilder - solange wir Kinder sind. In der Pubertät streiten wir mit ihnen, distanzieren uns und wollen alles ganz anders machen. Sobald wir selbst Mütter sind, verstehen wir, was sie damals für uns getan haben (gut, das meiste jedenfalls) und wollen ihnen dafür etwas zurückzugeben. Wir wollen ihnen einen gemütlichen Lebensabend bieten. Wer nun meint, das wüssten unsere Rentner-Muttis gebührend zu schätzen, liegt völlig falsch. Jetzt ist ihr Moment gekommen, um selbst noch einmal durchzustarten. So auch die Mutter unserer Bestsellerautorin Lucinde Hutzenlaub: Mit 78 ein Tattoo? Warum nicht. Nach Sri Lanka zur Ayurveda-Kur? Jederzeit. Ein Smart mit Sport Ausstattung? Sowieso. Swing Tanzen, Fahrradtouren – Oma Moses ist dabei. Und Lucinde ist schon vom bloßen Zuhören erschöpft.

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»Ich fürchte, Anpassung ist nicht meine Stärke.« Diane Keaton, US-amerikanische Schauspielerin, *1946

Inhalt

Vorwort und Dank

Was sein muss, muss sein: Um wen oder was geht’s hier eigentlich?

Man muss die Feste feiern, wie sie fallen: Gute Gründe dafür und dagegen

Sei doch icht so streng mit mir: Meine Mutter entdeckt Neues. Und Altes

Notwendig ist nur das Überflüssige: Was man so braucht, Teil 1

Das letzte Hemd hat keine Taschen: Was man so braucht, Teil 2

Humor ist, wenn man trotzdem lacht: Schönes und Trauriges

Gelernt ist halt gelernt: Erziehung. In beide Richtungen

Dank

Vorwort und Dank

Normalerweise bedankt man sich ja ganz am Schluss bei all den Menschen, die zur Entstehung eines Buches beigetragen haben. Das ist durchaus auch sinnvoll. Bei diesem Buch hier ist es ein bisschen anders, denn schließlich schreibe ich über meine Mutter. Ohne ihre Einwilligung wäre das nicht möglich. Und wenn sie nicht diese großartige, lustige und ganz besondere Frau wäre (die mich manchmal auf die Palme treibt, aber dazu später mehr, denn dies ist schließlich eine DANKsagung), hätte ich überhaupt nichts zu erzählen.

Dabei findet sie selbst, ich hätte doch besser über meinen Vater schreiben sollen. Sie sei doch gar nicht so spannend. Das habe ich übrigens auch schon einmal von meiner Großmutter, also ihrer Mutter, gehört, als ich während meines Abiturs eine Seminararbeit über beeindruckende Frauen schreiben sollte und und mir meine Großmutter als Vorbild ausgesucht hatte. Leider hat sie sich damals durchgesetzt und ich schrieb ein Essay über Maya Angelou, eine US-amerikanische Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin. Ich bekam eine Zwei von meiner Deutschlehrerin und zehn Mark von meiner Großmutter. Ich glaube, sie war sehr erleichtert.

Aber meine Mutter ließ sich zu diesem Buch überreden – vor allem, weil ich ihr versprochen habe, dass es durchaus in der einen oder anderen Geschichte auch um meinen Vater gehen wird. Die beiden waren immerhin fünfzig Jahre verheiratet, und nachdem er letztes Jahr gestorben ist, gewöhnt sie sich nur langsam daran, ohne ihn zu sein. Manche Tage sind also nicht ganz so lustig wie andere. Manchmal wird ihr alles zu viel, und dann muss sie einfach raus. In den Schwarzwald, oder sogar richtig weit weg. Nach Sri Lanka beispielsweise. Aber immerhin gibt es dann wieder etwas zu erzählen. Und ich darf!

Großartig! Allerdings hat sie die Erlaubnis an eine Bedingung geknüpft: Ich soll gefälligst ein Buch schreiben, das Spaß macht. Mir. Ihr. Und allen Lesern.

Dabei darf ich mich auch gerne über sie lustig machen. Sagt sie. Ich möchte aber betonen, dass ich das niemals tun würde. Wenn, dann macht sie das schon selbst. Sie ist nämlich klug, souverän und gelassen genug, um auch über sich selbst lachen zu können. Nicht immer, aber dann, wenn es gut passt.

Sie probiert alles aus, was sie interessiert. Denn wenn nicht jetzt, wann dann? Auch von der Fähigkeit, im Moment zu leben, hätte ich gerne etwas ab. Aber das kriegt man nicht einfach so. Das muss man sich »erleben«, sagt sie. Und ich glaube es sofort. Ja, ich habe den allergrößten Respekt vor meiner Mutter.

»Schreib das mit dem Tattoo«, sagen meine Kinder. »Nein, die Geschichte, wie ihr das Auto gekauft habt!« Mein Mann. Mein Sohn wünscht sich die peinliche Story mit dem Akkordeonspieler oder die von ihrem eigenen Stern in Baden-Baden. Und ich?

Mir fallen auch einige Geschichten ein. Und ja, ich erzähle sie fast alle. Schließlich ist sie meine Mutter. Großartig, lustig, manchmal störrisch, immer einzigartig.

Sie ist so viel unterwegs, dass ich oft schon erschöpft bin vom bloßen Zuhören. Rad- und Wandertouren, Fernreisen, Singen, Tanzen, Wandern, Freunde treffen und umsorgen – sie ist immer auf Achse.

Dabei könnte sie sich doch jetzt wirklich zurücklehnen und ihr Leben genießen. Ganz in Ruhe Yoga machen, Frühstücken gehen und Bücher lesen. Entspannung, Gelassenheit und Ruhe.

»Bücher lesen? Auf der Couch liegen? Entspannen? Spinnst du? Niemals, Lucinde. Für so was hab ich doch überhaupt keine Zeit.«

Tja. Sehen Sie? Es gibt genug zu erzählen.

Am besten, ich fange gleich an. Was meinst du, Mama?

Mama?

Mama?

MAMA?

Oh. Schon weg.

Ach ja, beinahe vergessen: Danke, Mama. Für alles. Ich hab dich lieb,

deine Lucinde

Was sein muss, muss sein: Um wen oder was geht’s hier eigentlich?

Ein Stern, der ihren Namen trägt

Als ich auf die Welt kam, war meine Mutter knapp dreißig. Und selbst wenn es für mich nach wie vor kaum vorstellbar ist, hatte sie auch vor mir schon ein Leben. Und zwar eines, das nicht minder aufregend war.

Meine Mutter war zweimalige Olympiateilnehmerin und zwar sowohl 1964 in Tokio als auch 1968 in Mexiko. Sie nahm an den Europameisterschaften 1966 in Budapest teil und gewann Bronze über 100 Meter und Silber sowohl im 80-Meter-Hürden- als auch im 4-x-100-Meter-Lauf.

In diesem Jahr wurde sie außerdem zur »Sportlerin des Jahres« gewählt (zusammen mit Helga Hoffmann) und erhielt 1967 das Silberne Lorbeerblatt.

Als ich geboren wurde, hatte sie ihre sportliche Karriere allerdings schon eine Weile beendet. Nicht meinetwegen, sondern wegen eines Achillessehnenrisses, den sie sich bei den Olympischen Spielen in Mexiko 1968 zugezogen hatte. Aber auch wenn ich vermutlich damals noch keinen Einfluss auf ihre Entscheidung gehabt hätte, bin ich doch sehr froh, dass ich nicht der Grund dafür war. Trotzdem bekam sie nach wie vor viele Briefe mit Autogrammwünschen, Reporter besuchten uns, oder ich entdeckte ein Foto von ihr in irgendeinem Magazin.

Aber am meisten beeindruckt hat mich trotzdem, dass sie ein eigenes Sammelbildchen zum Einkleben hatte. Wahnsinn, oder?

Mein Vater hatte extra für ihre Medaillen einen ziemlich langen Couchtisch anfertigen lassen. Dort konnte man sie alle unter Glas bewundern. Ich verbrachte viel Zeit damit, die Inschriften auf den glänzenden Plaketten, den Anstecknadeln und Broschen zu entziffern. Ganz besonders gefiel mir ein silbernes Lorbeerblatt. Dass es sich dabei um die höchste verliehene sportliche Auszeichnung handelte, die man in der Bundesrepublik Deutschland erhalten kann und die meine Mutter 1967 erhielt, war mir nicht bewusst. Ich fand es einfach schön.

Für mich fühlte sich die Vorstellung von meiner Mutter auf einem Siegertreppchen vor großem Publikum eher merkwürdig an und so, als hätte sie jemand verwechselt. Ein bisschen hatte ich das Gefühl, ich müsste der Welt sagen, dass da ein Irrtum vorlag. Meine Mutter war (und ist) eben meine Mutter. Basta. Nun, daran haben die Autogrammwünsche natürlich auch nichts geändert.

Dass sie so ausgesprochen sportlich ist, hat mir in meiner eigenen Jugend aber leider nichts gebracht. Die, die ich gerne beeindruckt hätte, waren Jungs und Mädchen in meinem Alter, und die hatten mit einer ehemals erfolgreichen Sportlerin wenig am Hut. Die Olympischen Spiele von 1968 waren 1982, als ich zwölf Jahre alt war, beinahe ein gefühltes Jahrhundert her.

Ein paar Mal habe ich während meiner Schulzeit aber trotzdem versucht, meine Sportlehrer mit den Erfolgen meiner Mutter zu beeindrucken. Denn sie waren die Einzigen, die wussten, wer meine Mutter war. Das wäre auch äußerst hilfreich gewesen, denn leider hat sie mir weder ihre Sportlichkeit noch sportlichen Ehrgeiz vererbt. Seit Jahren gehe ich zwar joggen, da kann man auch nicht viel falsch machen, aber würde man sich vom Auf-der-Couch-Liegen und Bücher-Lesen eine Top-Figur verdienen, wäre dies definitiv meine erste Wahl. Ich bin riesig und sehe sportlich aus, aber das ist eine optische Täuschung.

Nein, noch nicht einmal Basketball ist je eine Option gewesen, weil ich auf gar keinen Fall rennen, einen Ball dribbeln und andere Menschen, meine Füße, eventuelle Hindernisse oder gar einen Korb im Auge behalten kann. Gleichzeitig. Bälle und ich? Niemals. Dennoch habe ich diese Frage vermutlich tausendmal gehört. Die Sportlehrer waren zwar begeistert, allerdings nicht von mir, und das Einzige, was ich je in ihren Augen sah, war Mitleid.

Meine Mutter hat allerdings auch ihre Jugend und jungen erwachsenen Jahre komplett durchtrainiert oder auf Wettkämpfen rund um den Globus verbracht, getreu ihrem Motto, dass Athleten die Welt sehen müssen.

Einerseits hat ihr das alles natürlich tatsächlich sehr gefallen, andererseits hat sie dadurch aber auch das eine oder andere verpasst. Um diesen Mangel irgendwie zu kompensieren, habe ich meine Jugend nicht in Sportvereinen verbracht, sondern in der Kunstschule, beim Querflöten und bei den Pfadfindern. Wie sollte da aus mir auch eine Basketballerin werden?

Obwohl ich in sportlicher Hinsicht also eine Enttäuschung bin, darf ich sie jedes Jahr auf den Sportlerball begleiten, mit all den ehemaligen Olympioniken und beeindruckenden Athleten vergangener Zeiten an einem Tisch sitzen und eine klitzekleine Ahnung davon spüren, wie sie früher war. Es ist, als wäre ich Teil eines sehr aktiven Klassentreffens.

Die Tatsache, dass meine Mutter schon so viele Jahre zu diesem Ball eingeladen wird, beweist jedenfalls, dass ihre sportliche Vergangenheit wohl doch kein Irrtum ist. Schön und spannend ist es jedenfalls immer.

Nachtrag:

Letztes Jahr wurden die Sportler des Jahres übrigens zum fünfzigsten Mal gekürt, und deshalb hatten sich die Veranstalter etwas ganz Besonderes ausgedacht: Den Weg zum Kurhaus in Baden-Baden zieren nun große goldene Sterne, jeweils mit dem Namen des Sportlers oder der Sportlerin und dem Jahr, in dem sie gewonnen haben. Sehr nach Hollywood sieht das aus und es gefällt mir sehr.

Der Stern meiner Mutter liegt irgendwo hinter Boris Becker und vor Rudi Altig, nach Heike Henkel und vor Schumi. Ein großer Stern, der ihren Namen trägt. So stolz ich deshalb auf sie bin: Sie ist für mich trotzdem in erster Linie meine Mutter. Und schon allein dafür hat sie mindestens noch einen viel größeren Stern verdient.

Steckbriefe

Die Mutter:

Karin Reichert-Frisch, geboren 1941 in Stuttgart

Startete für die Stuttgarter Kickers und ab 1966 für den 1. FC Salamander Kornwestheim in den Disziplinen Hürden, Staffel und 100 Meter

Ihre größten sportlichen Erfolge:

Europameisterschaften 1966 in Budapest

Silber 100 Meter Lauf

Silber 80 Meter Hürdenlauf

Bronze 4-mal-100-Meter-Staffel (mit Renate Meyer, Hannelore Trabert und Jutta Stöck)

Außerdem startete sie bei den Olympischen Spielen

1964 in Tokio

1968 in Mexiko

1966 wurde sie zur Sportlerin des Jahres gewählt.

1967 bekam sie das Silberne Lorbeerblatt, die höchste sportliche Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland.

Karin Reichert-Frisch ist verwitwet, hat eine Tochter, nämlich mich, und vier Enkel. In der Disziplin Kindererziehung war sie übrigens auch sehr erfolgreich. Und zwar sowohl bei den Hürden als auch den Endspurts, den Kurzsprints und auf der Langstrecke.

Die Tochter:

Lucinde Hutzenlaub, geboren 1970 in Stuttgart

Ihre größten sportlichen Erfolge:

Lernte laufen. Lief. Läuft immer noch.

Lucinde ist verheiratet, hat drei Töchter und einen Sohn.

Fragen über Fragen: Ein Interview mit meiner Mutter

Ihre sportlichen Erfolge kann man bei Wikipedia und in allerlei sportlichen Chroniken nachlesen, und auch sonst weiß ich natürlich einiges über meine Mutter. Immerhin haben wir nun auch schon beinahe fünf Jahrzehnte miteinander verbracht, da bleibt es nicht aus, dass man Dinge erfährt, typische Eigenschaften und interessante Verhaltensmuster immer wieder erkennt. Aber trotzdem gibt es bestimmt vieles, was ich noch nicht über sie weiß. Dass sie nicht gern Fragen über sich beantwortet und sehr genau darauf achtet, dass Gespräche über sie nicht etwa unkompliziert ablaufen, ist mir allerdings genauso bewusst, wie dass sie gern in die Sauna geht, weil sie da so angenehm entspannen kann. Außerdem gilt in unserer Sauna Redeverbot, was sie wiederum beinahe dazu zwingt, mit mir zu sprechen. Verbote reizen meine Mutter schon seit jeher sehr. Wenn ich also Glück habe und es ein wenig geschickt anstelle, passt sie vielleicht dort nicht ganz so gut auf, und ich erfahre doch noch das eine oder andere, was ich noch nicht wusste und was sie mir womöglich unter normalen Bedingungen nicht erzählen würde. So oder so: Einen Versuch ist es wert.

»Sag mal, Mama, würdest du mir ein paar Fragen über dich beantworten?«

»Über mich?«

»Ja, über dich. Um dich geht es ja auch in diesem Buch. Ich kann mir ja nicht alles ausdenken, oder?«

»Warum eigentlich nicht? Das wäre doch sicher viel interessanter! Und lustiger wäre es auch.« Sie lacht.

»Das bezweifle ich.«

»Ach Lucinde, ich weiß nicht … Fragen über mich? Wen interessiert das alles überhaupt? Kannst du nicht einfach über jemand anderen ein Buch schreiben?«

»Ich kenne niemanden, der so ist wie du.«

»Schon klar. Aber sicher fallen mir die guten Sachen erst wieder heute Nacht ein, und ich ärgere mich, dass ich dir genau das Falsche erzählt habe. Und dann ist es zu spät.«

»Ach Quatsch! Es ist nicht zu spät. Ich schreibe immerhin ein Buch und kein Gedicht. Das braucht bestimmt noch eine ganze Weile. Du kannst mir also auch morgen früh noch erzählen, was dir wichtig ist. Sogar noch übermorgen und überübermorgen.«

»Und überüberüber …? Ich will einfach das Richtige sagen, damit nicht irgendjemand da draußen später denkt, ich sei eine verrückte Alte.«

»Warum sollten das jemand denken? Erstens haben die meisten selbst eine Mutter, und zweitens: Seit wann interessiert es dich, was die Leute denken? Das ist ja eben das Großartige an dir. Du machst das, was du für richtig hältst und was dir Spaß macht. Wenn das bedeutet, dass du eine verrückte Alte bist, kannst du stolz auf dich sein. Ich bin es jedenfalls. Und außerdem kannst du gerne lesen, was ich geschrieben habe. Das wäre sogar gut, dann kann ich sicher sein, dass du mit den Geschichten einverstanden bist.«

»Ich soll … Das ganze Buch?«

»Das ganze Buch.«

»Ich weiß gar nicht, wann ich das machen soll! Nee, Lucinde, weißt du was? Ich bin mit allem einverstanden, was du schreibst – hoffe ich zumindest. Und weißt du was? Man sollte sich nicht immer so viele Gedanken machen. Das verursacht doch nur Bauchschmerzen. Und Bauchschmerzen braucht kein Mensch, oder? Und überhaupt: Was willst du eigentlich wissen?«

Was ich wissen will ist eigentlich, ob das Bild, das ich von meiner Mutter habe, mit dem übereinstimmt, das sie von sich hat. Aber weil ich genau weiß, dass meine überaus großzügige Mutter mit Insiderinformationen über sich selbst eher geizig ist, muss ich anders vorgehen. Ich brauche eine richtige Strategie. Denn wenn ich ihr sage, was ich erfahren will, würde sie von mir verlangen, ihr erst einmal zu erzählen, warum ich ausgerechnet das wissen möchte. Ich weiß also, dass ich anders anfangen muss. So gut kenne ich sie immerhin also schon einmal. Was bin ich nur für ein Fuchs! Also:

»Wie würdest du dich denn selbst beschreiben?«

»Ja, also, ich würde sagen, dass ich loyal bin. Zuverlässig. Neugierig. Engagiert. Vertrauensvoll, das sieht man ja schon daran, dass ich dein Buch nicht lesen will, stimmt’s?«

»Vertrauensvoll oder eher lesefaul?«

»Na hör mal!«

Pause.

»Okay, beides. Auf jeden Fall bin ich auch noch spontan. Oder nein, schreib das nicht. Ich bin nicht spontan. Ich wäre es nur gern. Dafür … vielleicht … nicht ganz so diplomatisch?«

»Ja, das kann man wohl sagen.«

»Na und? Ich bin auch versöhnlich. Sehr sogar. Eigentlich bin ich einfach unbeschreiblich.«

»Wo du recht hast …«

»Und wer ich bin … Ja, wer bin ich eigentlich? Das frage ich mich wirklich auch immer wieder. Und weißt du, was das Interessanteste daran ist? Wer ich bin, kann sich täglich ändern!«

»Gibt es irgendetwas, worauf du besonders stolz bist?«

»Also Lucinde, du kannst Fragen stellen! Das ist ja wohl echt schwierig. Worauf ich stolz bin … Da muss man sich ja selbst loben! Nein, darin bin ich echt schlecht.«

»Du sollst mir doch nicht sagen, worin du schlecht bist, Mama. Wenn du mich beschreiben müsstest, würden dir doch tausend gute Sachen einfallen.«

»Na ja, tausend vielleicht nicht gerade. Aber vielleicht zehn?«

Lacht.

»Herzlichen Dank auch. Du bist ehrlich, auch wenn es wehtut, das hast du bei deinen Eigenschaften vergessen. Aber du hast verstanden, worauf ich hinauswill, stimmt’s? Was würde deine Mutter antworten, wenn ich ihr diese Frage stellen würde?«

»Sag das doch gleich. Also: Ich glaube, ich habe meiner Mutter im Krieg und in der Nachkriegszeit schon sehr geholfen. Ich sah ja niedlich aus, mit meinen blitzenden Augen und den langen Zöpfen, und ich konnte schon immer gut mit Leuten umgehen. Jedenfalls bin ich für meine Mutter immer einkaufen gegangen, denn ich habe es jedes Mal geschafft, noch irgendein kleines Extra zu bekommen. Da musste ich ganz schön viel laufen und manchmal auch kreativ sein. Aber das hat mir nicht geschadet.«

»Was hast du sonst noch für Erinnerungen an den Krieg?«

»Was ich nie vergessen werde, sind die Sirenen. Dieses Geräusch … es war furchtbar. Wenn ich so etwas heute höre, fühle ich immer die gleiche Angst wie damals. Wie wir in den Luftschutzbunker gerannt sind … manche Erinnerungen kann man mit einem einzigen Geräusch sofort wieder hervorholen. Und Silvesterknaller mag ich aus diesem Grund auch immer noch nicht. Aber ich habe auch schöne Erinnerungen. Der Park am Bopser, das war mein persönlicher Abenteuerspielplatz. Dort war ich immer und habe die tollsten Sachen gespielt. Natürlich hatte ich auch Freunde. Vor allem Jungs. Wir haben dort großartige Stunden gehabt. Und später wurden wir nach Waldenbuch evakuiert. Das war was ganz anderes so auf dem Land. Ich habe Stuttgart zwar vermisst, aber die Natur dort, die Felder und Wiesen, das war schon auch sehr schön.«

»Würdest du sagen, dass dich der Krieg geprägt hat?«

»Natürlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Menschen gibt, den Krieg nicht prägen würde. Manche Dinge sind kostbarer als andere – das habe ich schon als Kind begriffen. Leben. Schöne Erlebnisse. Zeit mit Menschen zu verbringen. Man weiß nie, wie oft man noch die Gelegenheit dazu hat. Und ich habe gelernt, auch in kritischen Situationen immer pragmatisch und einigermaßen gelassen zu bleiben.«

»Das hat dir sicher auch in deiner Ehe geholfen, oder? Mit einem Mann wie meinem Vater verheiratet gewesen zu sein, konnte ja manchmal ganz schon abenteuerlich werden, nicht wahr? Zum Beispiel damals in Südamerika, als ihr beide mit dem alten Jeep mitten in diesem ziemlich reißenden Fluss steckengeblieben seid, ohne eine Menschenseele weit und breit, und du dann losgezogen bist und Hilfe geholt hast?«

»Ganz genau. Mir wird immer noch ganz flau, wenn ich nur daran denke, was alles hätte passieren können. Da, in diesem Moment habe ich allerdings nicht wirklich viel darüber nachgedacht, was zu tun ist. Ich bin einfach los. Na ja. Hätte auch anders ausgehen können. Und es ist mir immer noch schleierhaft, wie wir da rausgekommen sind. Und dann hat dein Vater auch noch kurz darauf die Höhenkrankheit bekommen. Ich habe wirklich gedacht, er stirbt. Das war schlimm. Manchmal hatten wir wirklich mehr Glück als Verstand. Aber darum geht es doch auch manchmal im Leben, oder? Glück.«

»Hauptsache, es ging gut aus, oder?«

»Da hast du recht. Aber vielleicht haben der Krieg und überhaupt mein ganzes Leben auch dazu geführt, dass ich großes Vertrauen habe.«

»Vertrauen? Darauf, dass alles gut wird?«

»Na ja, ganz so einfach ist das Leben ja auch nicht. Nein, es wird nicht immer alles gut. Wie soll das auch gehen? Aber ein Spruch hat mich immer begleitet und auch bestärkt, wenn etwas eben nicht gut war. Er hat mich schon oft getröstet. ›Man kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand.‹ Daran glaube ich, und diese Geborgenheit fühle ich auch, wenn ich mir das so vorstelle. Schön, nicht?«

»Das ist wirklich ein sehr schöner Gedanke.«

»Darum geht es doch: Die Verantwortung für sein eigenes Tun übernehmen und darauf vertrauen, dass alles einen Sinn hat. Das ist vielleicht sogar wichtiger, als dass alles gut ausgeht. Dieses Vertrauen macht mutig. Und reiselustig. Ach ja, weil du gefragt hast, worauf ich stolz bin: Ich bin sehr stolz darauf, dass ich mit 18 mit dem Schiff in die USA gefahren bin, ohne zu wissen, was mich dort erwartet. Ich wollte einfach weg und die Welt erkunden. Ohne Telefon und Fax. Ohne Mails oder Whatsapp. Das kann man sich heute ja gar nicht mehr vorstellen. Aber ich habe es ganz allein geschafft. Klar hat mich mein Onkel erst einmal aufgenommen, aber ich habe mir dort sofort einen Job im Krankenhaus besorgt. Das hat wirklich riesig Spaß gemacht. Und obwohl mich das schon ein bisschen Überwindung gekostet hat, habe ich einen Verein gesucht und auch gefunden, in dem ich trainieren konnte.«

»Das wusste ich gar nicht.« HA! Genau solche Dinge wollte ich herausfinden.

»Ich hab es dir ja auch noch nie erzählt. Aber das macht mir jetzt doch auch ein bisschen Spaß, muss ich sagen. Und noch etwas weißt du nicht: Ich habe in diesem Verein mit Wyoma Tyus trainiert. Die hat später drei Medaillen bei Olympia gewonnen, und wir sind uns in Tokio wiederbegegnet und haben dort Trikots getauscht. Aber als wir gerade angefangen hatten, gab es auch in den USA Wettkämpfe und ich durfte auch mitmachen, weil ich ja für meinen Verein gestartet bin. Und stell dir vor: Ich war sogar mal amerikanische Meisterin. Unglaublich!«

Scheint, als hätte meine Mutter doch noch Spaß an unserem Gespräch gefunden. Und das ist gut, denn ich fange ja quasi gerade erst an.

»Wie kam das eigentlich alles mit dem Sport?«

»Ich habe mich einfach immer gern bewegt. Als wir in Waldenbuch evakuiert waren, bin ich immer barfuß über die Felder gerannt. Das ist meine erste Erinnerung an das Rennen. Ich bin immer nur gerannt. Gehen gab es für mich einfach nicht. Und ich war sehr oft im Wald und hab Eichhörnchen gejagt, oder mit meinem Vater später dann, als wir wieder in Stuttgart zurück waren, Holz gesammelt. Dann fanden in der Schule die kleinen Wettrennen und Sportwettkämpfe statt, aber ich wurde ziemlich schnell ausgeschlossen, damit auch andere einmal gewinnen können. Deshalb und wahrscheinlich auch, weil ich nicht ganz so leicht zu bändigen war, hat dann mein Vater einen Freund gefragt, der irgendwas mit den Stuttgarter Kickers zu tun hatte. Und dann hab ich dort angefangen, Leichtathletik zu trainieren. Es war toll, endlich das machen zu dürfen, was ich so richtig gut konnte und fürs Gewinnen gelobt zu werden, anstatt gar nicht erst mitmachen zu dürfen. Aber ich hätte sicher noch viel besser sein können. Für mich war der Sport eigentlich immer nur ein Spiel und vor allem Spaß. Auch wenn sich das vielleicht jetzt merkwürdig anhört, aber ich war überhaupt nicht ehrgeizig. Deshalb habe ich auch nie wirklich bis zu meiner Leistungsgrenze trainiert. Wer weiß, was ich alles hätte erreichen können? Dass ich nicht an diese Grenze gegangen bin, bereue ich wirklich.«

»Was bereust du denn sonst noch?«

»Ich habe als Jugendliche mal meinen Vater angelogen. Einmal nur, wegen irgendeiner Party. Ich hab gesagt, ich würde mit einer Freundin Mathe lernen. Kein Wunder, dass er mir das nicht geglaubt hat. Er hat mich auflaufen lassen. Als ich nach Hause kam, hat er mich gefragt, wie es bei meiner Freundin gewesen war. Und ich habe weitergelogen. Ich wusste nicht, wie ich da wieder rauskommen soll und habe mich gleichzeitig schrecklich gefühlt. Jemanden anzulügen ist schon furchtbar genug, aber wenn derjenige jemand ist, der an dich glaubt und dem du selbst absolut vertraust, und du begreifst, dass du etwas so Kostbares vielleicht zerstört hast – wegen einer Party, an die ich mich noch nicht einmal mehr erinnern kann -, das ist einfach das Schlimmste. Immerhin ist Vertrauen eines der höchsten Güter, die man hat, finde ich. Das bereue ich wirklich und dass ich mich immer noch nach all den Jahren an diesen Moment erinnern kann, zeigt einfach auch, wie viel es mir ausgemacht hat.

Aber vielleicht habe ich dadurch etwas Wesentliches über Werte begriffen. Siehst du? Schon wieder sind wir beim Sinn.«

»Wenn man es so sieht, war es vielleicht sogar wichtig, oder?«

»Ja, das kann natürlich sein. Und wenn wir schon dabei sind: Ich wäre gern weiter in die Schule gegangen. Hätte sehr gern das Abitur gemacht. Aber wir waren zu viert, meine beiden Schwestern und mein Bruder, und Abitur war eben für uns Mädchen nicht vorgesehen. Ich habe meinen Vater ewig bearbeitet, und schließlich hat er mir erlaubt, auf ein kaufmännisches Gymnasium zu gehen. Aber diese ganzen Zahlen und Formeln waren einfach nichts für mich. Nach einem Jahr ging es einfach nicht mehr. Dabei wäre ich wirklich gern Forscherin geworden. Am liebsten Biologin. Ich hatte als Kind die tollste Gräsersammlung, die man sich nur vorstellen kann. Da habe ich jahrelang dran gearbeitet und bin viele Kilometer dafür gelaufen. Manchmal denke ich darüber nach, wie es gewesen wäre, wenn ich das wirklich durchgezogen hätte. Aber dann wären andere Dinge nicht passiert, die mich auch sehr glücklich gemacht haben. Ich hätte vielleicht deinen Vater nie kennengelernt und dich hätte ich womöglich auch nicht.«

»Das würdest du aber wirklich bereuen, oder?«

»Absolut. Aber ach, es gibt einfach immer so viele Möglichkeiten, sich zu entscheiden. Das macht mich manchmal ganz irre.«

»Entscheidungen sind nicht so wirklich deine Stärke, oder?«

Meine Mutter wirft ein Handtuch nach mir.

»Was willst du damit sagen?«

»Ich? Gar nichts.« Ich probe einen unschuldigen Augenaufschlag, der mir gründlich misslingt. Meine Mutter lacht.

»Und vielleicht hätte ich auch im Ausland bleiben sollen. Neuseeland hat mir echt gut gefallen.«

»Aber als du dort warst, warst du ja schon siebzig?«

»Na und? Es ist doch nie zu spät für ein Abenteuer, wenn es ein gutes ist, oder?«

»Zurück zu deinen Berufswünschen. Du wolltest also Biologin werden?«

»Ja, aber dafür hätte ich mich, wie gesagt, in der Schule mehr anstrengen müssen. Aber das ging einfach nicht. Ich konnte nicht so lange still sitzen. Tänzerin wäre ich auch gern geworden. Aber das hätte mein Vater mir niemals erlaubt.«

»Und warum nicht?«

»Ehrlich gesagt weiß ich das gar nicht so genau. Vielleicht, weil es für ihn kein richtiger Beruf war? Oder jedenfalls nichts, womit sich eine junge Frau ihr Geld verdienen sollte? Früher war das einfach anders, Lucinde: Wenn mein Vater Nein gesagt hat, hieß das nein und wurde auch nicht diskutiert. Ein bisschen konnte ich immer versuchen, ihn umzustimmen, aber ich wusste, wann Schluss war. Und das war bald. Vielleicht hätte ich einfach hartnäckiger sein müssen. Aber das bin ich eben einfach nicht. Das gehört vermutlich auch auf die Liste mit den Dingen, die ich bereue: Ich war immer zu harmoniebedürftig und habe meine Wünsche und Träume hinter die von anderen angestellt. Zuerst hinter meine Geschwister und Eltern, dann in der Ehe hinter deinen Vater. Das bereue ich.«

»Würdest du meinen Kindern raten, das anders zu machen?«

»Ich wünsche mir, dass alle deine großartigen, unterschiedlichen und besonderen Kinder ihren eigenen Weg gehen, auch wenn er für sie und andere vielleicht nicht immer bequem ist. Ich wünsche mir für Lilli, Maria, Paulina und William, dass sie nicht so kritisch mit sich sind. Ich habe immer gedacht, Selbstkritik wäre vor allem ein Mädchenthema, aber wenn ich mir deinen Sohn so anschaue … Jungs können das offensichtlich genauso. Vielleicht habe ich da auch in der Erziehung was falsch gemacht. Immerhin habe ich dich zu so einem selbstkritischen Wesen erzogen. Und du hast es weitergegeben.«

»Merkst du was?«

»Merke ich …? Oh, dass du meine Tochter bist?«

»Na ja, und dass du das mit der Selbstkritik immer noch ganz gut drauf hast.«

»Stimmt. Ganz schön überflüssig. Weil im Grunde sind wir alle genau richtig geworden.«

»Im Grunde?«

»Lucinde, du nimmst es aber auch wieder genau! Also, was rate ich den Vieren noch?«

»Uh, meine Mutter, der Interviewprofi! Finde ich gut, dass du wieder zur eigentlichen Frage zurückkehrst.«

»Tja. Gelernt ist halt gelernt.« Einer der Lieblingssprüche meines Vaters, den meine Mutter irgendwann übernommen hat. Den habe ich wirklich lange nicht gehört.

»Also, ich rate ihnen, dass sie ihre Träume nie aufgeben und an ihre Ziele glauben. Manchmal könnten sie ruhig auch ein bisschen egoistischer sein und sich selbst mehr achten. Ich weiß ja, dass das gar nicht so leicht ist.

Ich wünsche mir, dass William respektvoll mit Frauen umgeht. Dass auch er sich selbst die Freiheit erlaubt, seinen eigenen Weg zu gehen und nicht aus Vernunftgründen irgendeinen Beruf ergreift, der ihm nicht gefällt.

Ich wünsche mir, dass ihr alle jeden Abend mit Frieden im Herzen und guten Gedanken einschlafen könnt. Das finde ich wirklich wichtig. Man schläft viel ruhiger, und es bedeutet ja schließlich auch, dass man sein Bestes gibt. Dafür ist es wichtig, dass sie ihre Intuition pflegen. Und natürlich wünsche ich mir für sie, dass sie glücklich sind. Sie sollten auf gar keinen Fall mit einem Partner zusammenbleiben, den sie nicht lieben.

Offen und tolerant sollen sie sein und die Welt entdecken. Für ihre Werte einstehen und sich nichts und niemandem unterwerfen, ohne dabei den Respekt vor anderen zu verlieren. Ich wünsche ihnen ein klares Nein und ein starkes Ja. Und ich wünsche ihnen von Herzen, dass sie die Schönheit der Natur wahrnehmen und mit allen Lebewesen achtsam umgehen.«

»Wow. Das war ja beinahe eine Predigt!«

»Siehst du. Und dir rate ich auch etwas.«

»Okay?«

»Du bist immer beschäftigt und in Eile. Ich freue mich zwar, wenn du Spaß an deinem Beruf hast und erfolgreich bist, aber trotzdem: Mach ein bisschen weniger und genieße mehr den Moment. Das hört sich zwar vielleicht wie ein Kalenderspruch an, aber ich weiß einfach, dass wir uns später an die besonderen und einzelnen Momente erinnern. Aber man muss sich auch die Zeit dafür nehmen und sie erleben. Ach ja, und wenn ich schon die Chance dazu habe, so was zu sagen: Hör auf deine alte Mutter.«

»Ja, Mama. So alt bist du ja jetzt auch noch nicht. Und überhaupt: Weniger machen und mehr genießen? Wo war da mein Vorbild in den letzten vierzig Jahren?«

»Och …«

»Apropos: Was hast du denn sonst noch so vor?«

»Oh, ich würde gerne noch mal den Jakobsweg gehen. Das fände ich schön. Und ich habe gehört, es gibt so was Ähnliches auch in Japan. Hm. Oder beides? Ich würde gerne noch mal eine Sprache lernen oder vertiefen. Da würde sich wahrscheinlich Spanisch anbieten. Oder vielleicht doch Japanisch? Türkisch? Singalesisch? Ich würde gerne eine Aufgabe übernehmen. Irgendwas Ehrenamtliches, wo man etwas für andere tun kann. Neulich habe ich in der Suppenküche gearbeitet. Das war … nein, schön kann man nicht sagen. Es war sehr anstrengend, und ich war total erschöpft hinterher. Aber auch demütig und dankbar. Und stolz. Es geht uns einfach richtig gut, Lucinde.«

»Und zum Vergnügen?«

»Yoga wäre wahrscheinlich nicht schlecht. Für die Gelenke und die Beweglichkeit und so. Aber vor allem will ich tanzen.«

»Tanzen finde ich gut. Kann ich mitkommen?«

»Mal schauen. Sind wir jetzt endlich fertig?«

»Gleich.«

»Gut, dann können wir ja endlich noch einen Saunagang machen. Den brauche ich jetzt aber auch. Jetzt habe ich mich echt lange genug mit mir selbst beschäftigt. Wird Zeit, mal wieder was anderes zu sehen.«

»Und dafür willst du ausgerechnet einen Saunagang machen?«