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Lucinde Hutzenlaub

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Beschreibung

Leberwurstbrote? Ganz unten im Rucksack. Steckdosenadapter? In sechsfacher Ausführung dabei. Zahnbürsten? Leider vergessen. Reisen bildet, ist erholsam und bringt die Familie zusammen. Theoretisch. Praktisch wird die geplante Ferienidylle mit Kindern schnell zur reinen Nervensache. Lucinde Hutzenlaub, Mutter von vier Kindern, macht sich jedes Jahr wieder auf ins Abenteuer Familienurlaub. Enthusiastisch wagt sie sich in den Kampf um Reiseziele, Unterkunft und Kulturprogramm und setzt sich gegen die geliebte Quengelbande durch. Meistens. Ob Bayern oder Australien, Lucinde meistert jeden verrückten Trip. So ziemlich. Erholen kann sie sich ja, wenn die Kinder in der Schule sind. »Unter meinem Bett liegt immer ein gepackter Koffer. Also, emotional gesehen. In Wahrheit liegen dort maximal Wollmäuse.« Lucinde Hutzenlaub

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I haven’t been everywhere, but it’s on my list.– Susan Sonntag

Nach der Reise ist vor der Reise

Verreisen ist toll. Es bildet, ist erholsam und bringt die Familie zusammen. Obwohl: Weder das mit der Erholung noch das mit der Familienbildung weiß man vorher immer so genau, aber ein Abenteuer ist eine Reise auf jeden Fall. Schließlich kann selbst ein im Reisebüro gebuchter Pauschaltrip in ein All-inclusive-Hotel ganz anders beginnen oder enden als geplant. Flüge halten nicht immer, was sie versprechen, Uhrzeiten können für Verwirrung sorgen und allerlei Missverständnisse entstehen, wenn man Pläne schmiedet, aber sie mit keinem bespricht. Oder nur die Hälfte. Wichtig ist bei Chaos aller Art natürlich, dass man die Nerven behält. Dafür ist Urlaub allgemein ja ein gutes Übungsfeld, vor allem, wenn man Kleinkinder, Pubertierende, Großeltern oder Ehemänner dabeihat, die eine völlig andere Vorstellung von links und rechts haben als man selbst.

Jeder von uns hat nun mal ganz konkrete Vorstellungen von einer gelungenen Reise. Dass die nicht immer mit den Vorstellungen der anderen Familienmitglieder übereinstimmen, ist logisch. Mein Sohn William will zum Beispiel immer angeln. Meine Tochter Maria braucht Action, ihre Schwester Lilli Erholung (ich auch, verstehe aber etwas anderes darunter), mein Mann Holger möchte auf gar keinen Fall in einen Luxusschuppen und Paulina, Tochter Nummer drei, will auf gar keinen Fall fliegen. Mein Mann und ich hätten gern mal Zeit zu zweit und gleichzeitig mögen wir Reisen mit Freunden. Es ist nicht einfach, bei der Reiseplanung alle glücklich zu machen. Aber man kann es versuchen. Ja, wir hatten gerade erst grandiose 14 Tage am Meer. Die Sonne schien den ganzen Tag, wir hatten ein sehr schönes Ferienhaus direkt am Strand, die Kinder haben schnell Anschluss gefunden, Holger und ich hatten sogar Zeit zu zweit und wir alle haben uns gut verstanden. Beinahe immer. Wir sind braun, erholt und urlaubssatt, die Rückreise verlief reibungslos und der nette Taxifahrer hat es tatsächlich geschafft, uns und alle unsere Gepäckstücke direkt am Flughafenausgang in seinem Minivan unterzubringen. Dieser Urlaub war eindeutig perfekt. Alle Familienmitglieder sind dementsprechend froh. Alle? Nun, eine einzige Person schaut eher griesgrämig aus dem Autofenster und – nur fürs Protokoll – es ist kein mitgereister Teenager. Schande über mich. Ich bin es selbst. Und warum?

Nun, je näher wir unserem Haus kommen, umso schwerer wird mein Herz. Also, nicht dass ich unser Haus nicht mögen würde, unsere Katze nicht vermisste hätte und mich nicht auf meine Eltern und Freunde freue – ganz im Gegenteil. Es bedeutet einfach nur, dass unser Urlaub vorbei ist.

Na ja. Mir graut eben vor den Wäschebergen, dem Staub, den obligatorischen vertrockneten Äpfeln und den vergessenen Pausenbroten, die sich dank Pelzbesatz in den Schultaschen bemerkbar machen. Während Paulina, Maria, Lilli und William ihre Reisetaschen vor die Waschmaschine werfen und behaupten, sie hätten ihre Koffer ausgepackt und die Klamotten dahin geräumt, wo sie hingehören, und zu ihren Freunden aufgebrochen sind, stehe ich in meinem Flur und frage mich, was ich hier soll. Das ist genetisch. Oder vielleicht auch nur chronisch. Und hat nur bedingt etwas damit zu tun, was ich nach jeder Reise zu Hause wieder vorfinde. Und es ist meistens auch nicht wirklich schlimm, es ist nur eben – Alltag. Und an den kann ich mich einfach schlecht gewöhnen. Jedenfalls bin ich dauerhaft fernwehgeplagt und überlege mir bei der Ankunft nach jeder Reise, ob ich nicht doch gleich wieder in den nächsten Flieger steigen sollte. Wenn mich meine Freunde fragen, ob ich sie zum Flughafen oder an die Bahn bringen kann, sage ich sofort Ja und habe hinterher Mühe, meine Sehnsucht in ihre Schranken zu weisen. »Ich will mit!«, ruft mein Herz. »Nix da!«, mein Verantwortungsgefühl. Ich schmiede ständig Reisepläne und will überall hin. Budapest, Bangkok, Berlin? Finnland, Fidji-Inseln, Fuerteventura? Bin schon unterwegs. Gedanklich zumindest. Ich habe auch kein Problem damit, länger zu bleiben, solange es fremd ist.

Unter meinem Bett liegt immer ein gepackter Koffer. Also, emotional gesehen. In Wahrheit liegen dort maximal Wollmäuse. Aber ich habe schnell gepackt, so viel ist klar. Sogar das Gepäck meiner Kinder, wobei: Dank meiner genialen Packliste können die das mittlerweile selbst. Ob später alle Gepäckstücke im Auto sind? Nun, das wird sich zeigen. Aber lesen Sie selbst, was alles passieren kann, wenn wir zu sechst, zu elft, zu dritt oder auch ganz allein unterwegs sind.

Ach, die Welt ist groß und bunt und schön, am liebsten wäre ich noch viel öfter unterwegs. Mit Kindern und ohne, mit Freunden, Eltern, dem Auto, dem Flugzeug, um die Ecke oder ganz weit weg. Von mir aus kann es losgehen!

Das Ziel ist das Ziel

Unterwegs in Deutschland – oder ahnungslos durch das Land

Beim Reisen ist es mir übrigens auch völlig egal, ob mich mein Weg auf die andere Seite der Welt oder nur ein paar Orte weiter bringt. Hauptsache, es gibt Neues zu entdecken. Und das ist durchaus auch hier vor unserer Haustüre möglich.

Doch, ich kenne Deutschland. Allerdings leider schlecht. Man sollte nicht glauben, wie viele schöne Städtchen es gibt, die ich noch nie gesehen habe. Ja, von deren Existenz ich noch nicht einmal wusste.

Die wenigen Male, in denen ich durch mein Heimatland gereist bin, habe ich sehr zielorientiert geplant. Sie führten von A nach B und zwar ohne Zwischenstopp in C.

A, also das Zentrum von allem, ist Stuttgart. Das sagt ja schon einiges. Und B sind Tante Gisela in München, Anja in Berlin, die Buchmesse in Frankfurt oder der Bauernhof in Bayern. Neulich war B eine Preisverleihung in Bad Hersfeld.

Juhu. Bad Hersfeld. Noch nie gehört.

Den Süden kenne ich ja immerhin. Einigermaßen. Ein bisschen. Ich weiß, unterhalb von München kommt nicht mehr viel (also ich meine großstadtmäßig und wenn man die Münchner fragt, sowieso).

Das heißt, nach meiner Einteilung liegt alles andere »oben«. Entweder bei Frankfurt oder bei Hamburg. Oben ist für mich immer Norden. Dresden ist rechts außen und Düsseldorf links. Beides auf halber Strecke nach … oben. Noch Fragen? Ich muss, um die Himmelsrichtungen sortieren zu können, grundsätzlich leise »Nie ohne Seife waschen« vor mich hin sagen und dabei mit dem Zeigefinger im Uhrzeigersinn mitgehen. Menschen, die ganz entspannt Richtungsangaben machen wie »Na ja, nach Ebersbach, da musst du Richtung Südwest ins Remstal und dann Nordost auf die B27 …«, beeindrucken und verunsichern mich zutiefst. So funktionieren Wegbeschreibungen bei mir nicht.

Ich kann alles finden, wenn man mir sagt, ich soll am Edeka nach links und vor der Kneipe, in der ich früher gekellnert habe und in der Olli immer …, nach rechts. Tja. Was soll ich machen? Es ist beschämend, ich weiß. Es ist noch beschämender, wenn man sich nur mal vorstellen mag, dass ich mittlerweile mit vier Kindern jeweils mindestens einmal für die Schule alle Bundesländer und ihre Hauptstädte gelernt habe. Gerade habe ich sie heimlich aufgezählt. Die Hauptstädte. Die Kinder kann ich mir merken. Bei den Hauptstädten sage ich besser nicht, wie viele mir eingefallen sind. Da ist jedenfalls lerntechnisch noch deutlich Luft nach oben (und in diesem Fall ist nicht Norden gemeint). Zu meiner Entschuldigung sei gesagt, dass ich mir schließlich auch keine Landkarte mehr anschauen muss, seitdem mein Mann ein Auto mit Navigationssystem hat. Mein Mann. Ich nicht. Mein Auto ist so alt, dass es noch ein Radio mit Kassettendeck hat. Ich glaube, es steckt auch noch ordentlich Kinderzwieback darin. Aber ein Navi? Nicht vorhanden. Auch keine Sitzheizung, kein anständiges Radio und wenn ich einparken will, piept auch überhaupt gar nichts, um mich vor anderen Stoßstangen, Bäumen oder Betonpfeilern zu warnen. Wenn jemand hinten sitzt, wird gekreischt. Das muss reichen. Richtig alt also. Meine Kinder finden es peinlich alt. Tausend Jahre mindestens.

Mein Mann versucht mir einzureden, dass es ja beinahe schon wieder retro ist (und somit total chic), und außerdem, so findet er, kann ich es ruhig noch fahren, bis wenigstens Maria und Lilli ihr erstes Führerscheinjahr hinter sich haben. Das ist frühestens 2019. Da bin auch ich tausend Jahre alt und darf bestimmt schon nicht mehr Auto fahren. Ich spekuliere auf irgendetwas, das dafür sorgt, dass mein Auto ersetzt werden muss, ohne dass ein Unfall passiert oder ich schuld bin. Ich finde, ich bin im besten Cabrio-Alter. Im besten hellblauen Beetle-Cabrio-Alter. Und ich hätte gern mal ein richtig neues Auto. Die riechen so gut.

»Würdest du dein Auto sauber halten, würde auch deines gut riechen«, sagt Holger.

»Hätte ich ein neues Auto, würde ich es auch sauber halten«, sage ich. »Außerdem sind in diesem hier integrierte Kindersitze drin. Das war praktisch, als wir noch drei Kleinkinder und ein Baby durch die Gegend fahren mussten. Aber selbst das kleinste von den Kleinkindern wird im Dezember 18 und das Baby wird zwölf!« Was ich nicht sage, ist, dass ich erst vor ein paar Tagen beim Aussaugen einen Schnuller gefunden habe, woran man unschwer erkennen kann, wie lange die letzte gründliche Innenraumreinigung her ist.

»Und das älteste ist 22«, antwortet Holger. »Da kann es ja mit den Enkeln auch nicht mehr so lange dauern!«

Ich gebe auf. Diese Diskussion geht in eine Richtung, in der ich in ein paar Minuten eine Psychotherapie wegen akuter Midlife-Crisis brauche.

Aber für die Fahrt nach Bad Hersfeld bekomme ich immerhin Holgers Navi-Auto. Trotzdem will ich wissen, wo ich hinmuss. Also: Wo ist Bad Hersfeld?

»In der Nähe von Fulda«, sagt mein Mann.

»Oookaaay … Und wo ist …?«

»Näher aber noch an Gießen.«

»Ja, und wo …?«

Genervt schaut er mich an.

»Das Navi bringt dich hin, okay? Aber wenn du es genau wissen willst: Dreieinhalb Stunden nach oben und ein bisschen nach links.« Ah ja, danke. Warum nicht gleich so?

Bad Hersfeld ist übrigens nicht nur nach oben und ein bisschen links, sondern auch sehr schön. Wieder einmal denke ich, ich sollte endlich einmal durch Deutschland reisen. So richtig. Von Süd nach Nord. Von Ost nach West. Oder einfach von unten nach oben.

Eine alphabetisch geordnete und sicherlich noch erweiterbare Liste der Städte, die es sich schon allein ihres Namens wegen zu besuchen lohnt:

Alf

Aua

Buntekuh

Busendorf

Busenwurth

Drogen

Ehrenzipfel

Elend

Großkuchen und Kleinkuchen

Haßloch

Katzenhirn

Killer

Knüllwald

Kotzendorf

Kuhbier

Lederhosen

Leichendorf

Luschendorf

Möse

Motzen

Ohnewitz

Ranzig

Schabernack

Schwarze Pfütze

Sexbierum

Sommerloch

Tittenkofen

Tuntenhausen

Ursulapoppenricht

Tussenhausen

Witzenhausen

Wixhausen

Städtereisen mit Holger

Als wir uns kennenlernten, Holger und ich, gab es meine älteste Tochter Paulina schon. Sie war damals zwei Jahre alt. Wir hatten also nie diese unbeschwerte »Komm, lass mal losfahren und sehen, wo wir landen«-Phase. Urlaube mussten abgestimmt werden. Mit dem Kindsvater, den Schulferien und mit Holgers Urlaub. Nicht tragisch. Das machen schließlich alle Menschen mit Kindern so. Aber wir waren jung und neugierig, das Leben und die Welt lagen verheißungsvoll vor uns und wir wollten alles anschauen, auskosten und erleben. Städte wollten wir bereisen, jedes Jahr mindestens einen Kontinent erforschen. Na ja, ich jedenfalls. Holger wäre aber schon auch mitgekommen.

In unserem ersten Jahr flogen wir mit Paulina nach Kreta, wo wir die Erfahrung machten, dass Retsina nur halb so gut schmeckt, wenn der Strand vor dem Hotel auch nichts anderes als ein großer Sandkasten ist, in dem jeder darauf Wert legt, sein eigenes Spielzeug zu benutzen. Und dass ein Urlaub sich vermutlich nur dann auch nach Erholung anfühlt, wenn man nicht ständig ein aufgewecktes Zweijähriges aus dem Pool, anderen Hotels oder fremden Autos klauben muss. Kinderbetreuung wäre gut, aber erstens waren uns solche Hotels zu teuer und zweitens distanzierten wir uns von Eltern, die ihre Kinder im Urlaub in die Kinderbetreuung gaben. Uncool. Noch. Diese Einstellung sollte sich bald ändern. Spätestens als Paulina ein bisschen größer war, Maria, Lilli und William geboren wurden und wir mit unseren Finanzen und Ansichten ein wenig großzügiger sein konnten. Dann kam die Kinderbetreuung. Davor waren wir in Bayern auf dem Bauernhof und einmal auf Rügen bei drei Wochen Dauerregen. Gab ein prima Fernsehprogramm damals. Und ich war noch nie so erholt und ausgeschlafen nach einem Urlaub.

Aber gut. Zurück zu den Anfängen: Wir wollten unsere Kinder kulturell aufgeschlossen erziehen. Wir wollten ihnen die Welt zeigen und jedes Jahr eine Stadt anschauen. Nun, die Zeit rast. Und wir waren immerhin schon in … äh … Tübingen und Esslingen und beinahe wären wir vor sieben Jahren mal nach Straßburg gefahren. Das zählt. Das muss einfach zählen!

Vor drei Jahren (nach mittlerweile beinahe 15 Jahren Ehe) schenkte mir mein Mann nun die allererste Städtereise zum Geburtstag. In Form eines Gutscheins. Ich mag Gutscheine nicht. Ich habe nämlich sehr viele. Viel zu viele. Es scheint mir, als ob für meine Familie mein Geburtstag immer sehr überraschend kommt. Ich habe Gutscheine für Massagen, Küche auf- oder Spülmaschine ausräumen, Müll runtertragen, Tisch decken und Wäsche zusammenlegen. Ich könnte ein komplett arbeitsfreies Jahr verbringen und gemütlich von der Couch aus meinen Kindern dabei zuschauen, wie sie herumwuseln und ihre Gutscheine abarbeiten. Tun sie aber nicht. Nie. Ich habe trotzdem alle aufgehoben. Wenn meine Kinder selbst mal Familie haben, räche ich mich. Zur Geburt ihrer Kinder bekommen sie von mir Enkelbetreuungsgutscheine, Erziehungsberatungsgutscheine, Katzen- oder Hunde-in-den-Ferien-fütter-Gutscheine. Ha! Jedenfalls: Mein Mann hat alles noch getoppt, in dem er mir nicht nur einen Gutschein schenkte, sondern auch noch »Städtereise in eine Stadt deiner Wahl« draufschrieb. Hallo? Das heißt so viel wie: Wir fahren in eine Stadt, die du aussuchst, machen eine Reise, die du organisierst und buchst, wofür du die Kinder ebenso wie die Katze unterbringst, die du vorbereitest, für die du einkaufst, vorkochst und packst, und ich zahle das Ganze. Danach darfst du mir für mein tolles Geschenk danken und mich bis in alle Ewigkeit anhimmeln. Danke, kann ich da nur sagen! Danke schön!

Er hat es sicher nett gemeint.

Aber konnte er haben: Ich träumte also schon mal von einem schicken Hotel in Kopenhagen, einem Stadtbummel und vielen Museumsbesuchen in New York an Weihnachten, Shanghai, Rio oder ganz gewagt: eine Reise in meine Studienstadt San Francisco. Dresden, Palermo, Dubrovnik oder Dublin? Die Entscheidung fiel mir schwer.

Nun, bis zu meinem Geburtstag im kommenden Jahr war ich jedenfalls nirgends. Aber Holger hatte sich was ganz Besonderes für mich ausgedacht: Ich bekam Konzertkarten für Gregory Porter in Karlsruhe. Und – tadaaa – weil Karlsruhe eine Stadt ist, war der Gutschein vom letzten Jahr auch gleich mit abgegolten. Toll! Juhu! Karlsruhe! Eine Übernachtung war selbstverständlich nicht notwendig (nach Karlsruhe fährt man schließlich nur eine knappe Stunde) und im eigenen Bett schläft man doch sowieso am besten. Nichts gegen Karlsruhe. Wirklich. Ist auch irgendwie schön da. Aber eben nicht New York.

Dafür aber liehen wir uns Räder aus und fuhren einmal zum Schloss (das Schloss wurde gerade renoviert), machten vor dem Bauzaun ein lustiges Foto und radelten wieder zurück. Und! Wir aßen sogar einen Salat in einem Biergarten. Ist das nicht eine supertolle, echt coole, megaspannende und vor allem romantische Städtereise? Womit habe ich das nur verdient?

Nichts gegen Karlsruhe: Das Konzert war genial, die Location toll und der Salat lecker. Aber eine Städtereise habe ich mir irgendwie anders vorgestellt. Ich sehe schon, so etwas muss man selbst machen. Aber ich könnte ihm als Dank trotzdem ja einen Gutschein schreiben: Zehn Minuten überbordende Freude mit wahlweise (bitte ankreuzen): Juchzen. Umarmen. Anhimmeln.

Dabei hätte er mich doch nach Hamburg, Berlin, Stockholm oder Kopenhagen entführen können. Nach Reykjavik, Brüssel, Rom, Barcelona oder Amsterdam? Zürich? New York, Leipzig, doch endlich Straßburg oder Wien? Hm. Alles muss man selbst machen. Aber gut, ich bin ja flexibel. Und ich glaube, ich will als Allererstes endlich nach Venedig.

Venedig oder nicht Venedig – Planungsfehler

Eigentlich wollte nicht nur ich, sondern wir alle schon lange nach Venedig. Lange, bedeutungsschwere Pause. Denn ein Satz, der mit »eigentlich« beginnt, verheißt schließlich überhaupt nichts Gutes. Man kann sich also schon denken, dass aus Venedig nichts wurde. Und das, obwohl ich seit meiner Jugend ganz dringend in diese Stadt reisen will. Ich glaube Venedig nämlich einfach nicht. Das kann doch alles nicht wahr sein! Dieser Inbegriff der romantischen Kulisse, den muss doch jemand erfunden haben! Ich will mir unbedingt diese Kanäle mit den tollen alten Häusern und den Millionen gestreiften Pfosten anschauen. Mit diesen Gondolieri. Den Brücken. Und den vielen Venezianern, die immer alle Karnevalsmasken tragen. Auch beim Einkaufen, beim Sport oder auf dem Klo. Täglich. Außerdem sind die Menschen dort grundsätzlich üppig-historisch gekleidet und tragen Federmasken und Turmfrisuren. Dass das so ist, weiß man einfach. Sieht man schließlich in jedem Reiseführer.

Ich hatte als Kind ein Venedig-Puzzle von Mordillo, falls den noch jemand kennt. Es war das schwierigste Puzzle, an das ich mich jemals gewagt habe, denn alles war geringelt. Die Gondolieri trugen geringelte Shirts, die Katzen an den Stegen waren irgendwie gestreift und aus dem Wasser ragten krumm und schief diese Markierungspfosten wie überdimensionale rot-weiße Weihnachtszuckerstangen. Seitdem will ich dahin und mit eigenen Augen sehen, was es mit dieser Stadt auf sich hat.

»Kann man da angeln?«, will William wissen, als ich ihm von meinem Herzensurlaubsziel erzähle. Denn das ist sein Auswahlkriterium für einen angemessenen Urlaubsort dieser Tage. Geringelt hin oder her, völlig piepegal. Wenn man angeln kann, ist der Urlaubsort okay. Das Problem: Man muss es dann auch machen. Das Dilemma ist also folgendes: Sagen wir, man kann angeln, wird ein kleiner Junge seinen Vater so lange bearbeiten, bis dieser, anstatt sich mit uns die historische Altstadt anzusehen, sich an den Kanalrand setzt und seine Angel ins Wasser hält. Sollte dies nicht erlaubt sein (was wir uns alle wünschen würden), wäre mein Sohn empört und auch schwer nur wieder mit dieser Stadt zu versöhnen. Denn wenn es irgendwo Wasser gibt, gibt es Fische. Und wenn es Fische gibt, muss man angeln. Das ist Pflicht, Gesetz und die Natur der Dinge.

Will man nun nicht unbedingt den weiten Weg nach Venedig auf sich nehmen, nur um dann sicherlich sehr kleine Fische aus einem eher fragwürdigen Gewässer zu ziehen, dann sollte man sich entweder doch für Sightseeing entscheiden oder an irgendeinen See fahren. Weit weg von Venedigs Lagune. Oder in den Schwarzwald. Der ist bei uns quasi vor der Haustüre, ähnlich beliebt bei Japanern wie Venedig und außerdem flächendeckend mit Fischzuchtbetrieben besiedelt.

Ich will aber Sightseeing. Und ich bin kein Japaner. Den Schwarzwald kenn ich schon. Da gibt es keine Sights, die ich noch nicht gesehen habe, und überhaupt sieht es überall dort so aus wie, nun, eben bei uns vor der Haustüre. Brauch ich nicht. Hab ich schon.

Ich. Will. Nicht. Angeln. Ich. Will. Nach. Venedig. Außerdem hat mir mein Mann das zur Hochzeit als Hochzeitsreise versprochen. Ist 18 Jahre her. Und ich war schwanger. Gingen wir eben nur ins Thermalbad. Aber jetzt ist doch der perfekte Moment! Maria muss für die Schule außerdem Tod in Venedig lesen. Da haben wir es. Perfekt! Die Schule ist doch immer wieder der allerbeste Reisegrund. Bildung! Wissen! Erkenntnisse! »Du, Mama?«, fragt die Tochter, »geht es in dem Buch um den quälenden Tod von Teenagern durch übereifriges, zwanghaftes Kirchenbesichtigen?« Äh. Nun. Ich sehe, sie ist schon ganz in die Materie eingetaucht. Dabei bin ich wirklich keine besessene Kirchenbesucherin. Ich will einfach nur wissen, ob auch die Kathedralen in der geschichtsträchtigen Stadt alle geringelt sind. Ich kann auch prima in der Sonne sitzen und Cappuccino trinken. Lilli anscheinend auch, denn sie sagt dazu gar nichts. Das kann man bei einem Teenager durchaus als Zustimmung gelten lassen.

Ich buche. Die erste Nacht wollen wir auf halber Strecke auf einem Agriturismo, einem Bauernhof vor Verona, verbringen. Mit Blick auf die Stadt. »Oh, Verona!«, seufze ich verzückt, »wie gern würde ich einmal dort in der Arena eine Oper hören! Nabucco! Carmen! La Traviata! Aida!«

Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Lilli, Maria und William synchron geschockt die Augen aufreißen.

»Romeo und Julia?«, versuche ich zaghaft doch noch mein Glück bei den Mädchen. Irgendwo tief vergraben müssen die beiden doch wenigstens eine ganz kleine romantische Ader haben? Nein? Haben sie nicht.

»Meinst du diesen komischen schnulzigen Film mit Leonardo di Caprio? Da war der noch voll jung! Voll kitschig! Hat bestimmt so ’ne Frau geschrieben, die keine Ahnung von Action hat!«, sagt Maria.

Äh ja.

»William Shakespeare?« Ich ernte doppeltes Schnauben.

Lilli ergänzt: »Shakespeare? Spielt der auch mit? Na und? Total unrealistisch das Ganze. Und uralt! Mindestens aus den Neunzigern oder so. Was ist damit?« Hilfe!

Bevor William sich nach eventuellen Gewässern in Verona erkundigen kann, lobe ich die Vorzüge des unterwegs gebuchten Landgasthofes: Schafe, Ziegen, Hühner, Katzen, zwei Ponys. Wein. Brot. Käse. Der kulinarische Verführungsversuch gilt eher meinem Mann, der auch ganz gern Opern hört. Hören würde. Und eigentlich gar nicht überredet werden muss.

Überhaupt sind die Interessen meiner Familie gar nicht so leicht unter einen Hut zu bringen. Denn die Angelfrage meines Sohnes ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere heißt: »Kann man da shoppen?« Und wenn man es genau nimmt, hat die Hutzenlaub’sche Urlaubsmedaille sogar noch eine dritte, nämlich die »Gibt’s da WLAN?«-Seite. Angeln und Shoppen gleichzeitig strapaziert meine Vorstellungskraft schon ein wenig, aber nun auch noch WLAN? Ich bin überfordert. Auf dem Bauernhof gibt es kein WLAN und man kann nicht shoppen gehen. Es sei denn, man gehört zu der verschwindend kleinen Pubertistengruppe, die sich shoppingtechnisch für eingemachtes Obst und selbst geräucherten Schinken interessiert. Tut man in unserem Falle nicht. Wenn man es nicht anziehen oder auf die Nägel und ins Gesicht streichen kann, ist es uninteressant für Maria und Lilli.

Wenigstens findet William, dass Ziegen und Schafe ein ganz angemessener Ersatz für Fische sind, und die Mädchen werden sich ja wohl einen Tag auch in der Natur aufhalten können, ohne sogleich an akuter Vereinsamung durch WhatsApplosigkeit sterben zu müssen. Wenn man ihre Gesichter sieht, muss man allerdings mit dem Äußersten rechnen.

Ich beschäftige mich nun seit circa sieben Stunden verteilt auf drei Tage mit dem Thema Venedig und bin ein wenig gereizt ob der mangelnden Begeisterung meiner Kinder und der komplett fehlenden organisatorischen Unterstützung meines Mannes. Aber da es ja mein Wunsch war, dorthin zu fahren, bleibe ich dran. Und weil ich glückliche Menschen um mich haben will, habe ich nach dem Bauernhof vor Verona nun auch noch eine wunderschöne Wohnung mitten in der Altstadt von Venedig für uns gefunden. Hohe Decken, geschmackvolle, moderne Einrichtung, spannende Bilder an der Wand, ein großes Bad und eine super Küche. Nicht zu vergessen die vielen kleinen Läden, die sich in unmittelbarer Nähe befinden. Ach, denke ich so bei mir, alles richtig gemacht.

»Wozu brauchen wir so ein schickes Appartement, wenn wir uns die Stadt anschauen wollen?«, fragt mich da mein pragmatischer Mann ein wenig irritiert ob des nicht ganz so schnäppchenmäßigen Preises dieses Kleinodes. Er kann wirklich überall schlafen und beansprucht keinerlei Komfort für sich.

Grundsätzlich hat er damit natürlich recht, aber er reist mit mir. Und ich will nicht wissen, ob man da angeln kann, auf Shoppen kann ich auch verzichten (obwohl, so ein bis zwei Paar Schuhe aus Italien …?), WLAN ist nett, aber nicht lebensnotwendig, selbst auf Opernbesuche verzichte ich zur Not, ebenso wie auf Shakespeare, wenn nur die Familie glücklich ist. Aber: Ich möchte eine schöne Unterkunft. Ich will mich nicht in einem Bad ekeln oder mich in einem Schlafzimmer unwohl fühlen. Nein, ich möchte in der Designerküche unserer Gastgeberin keine Fünf-Gänge-Menüs kochen (und schon zehnmal keinen in der Lagune selbst gefangenen Fisch!), ich möchte mich nur bei meinem ersten Kaffee am Morgen entspannt an einen unklebrigen Tisch setzen, die Aussicht genießen und abgesehen von einem wohligen »Hach!« nichts sagen müssen. Schon gar kein irritiertes »Huch!«.

Das mit dem Bad ist echt wichtig. Wenn ein Bad nicht sauber ist, dann krieg ich Herpes. Und schlechte Laune.

Wenn es also mein Urlaubsglück positiv beeinflusst, eine etwas teurere, tollere Wohnung zu mieten, dann machen wir das. Zumal ich nun mal die Reiseplanerin bin. Und im Zweifel sage ich eben, es hätte keine andere gegeben. Ha.

Nachdem ich stolz meine Buchungen ansehe und mich schon mal im Voraus auf einen leckeren Cappuccino in der Sonne und anregend unverständliches italienisches Gemurmel freue, runzelt Lilli die Stirn.

»Äh, wann ist das noch mal genau?«

»In den Osterferien. Wieso?«

Nur zur allgemeinen Erläuterung: Die Osterferien beginnen in acht Tagen. Die allgemeinen Baden-Württembergischen Schulferien stehen in unseren Kalendern. Und alle Kinder wissen, wann sie frei haben.

Lilli: »Also, ich habe dir doch gesagt, dass ich da mein Sozialpraktikum im Kindergarten machen muss! Ich kann da nicht weg! Ich muss das machen! Ich …«

Sozialpraktikum? Lilli? Noch nie gehört. Aber okay. Einatmen. Ausatmen. Wundern. Ist es nicht so, dass ich gerade in körperlicher Anwesenheit von Lilli einen Urlaub gebucht habe, zu dem sie nun nicht mitkommen kann, weil ihr plötzlich auffällt, dass sie da arbeiten muss? In den Ferien?

»Wie? Du kommst nicht mit?«, mischt sich nun auch Maria ein. Ich bin einigermaßen beruhigt, dass sie auch leicht säuerlich schaut. Immerhin ist sie sonst »nur« mit Holger, William und mir unterwegs. Keiner zum Shoppen. Alle nur angeln. »Hä? Wie soll denn das gehen?« Entnervt schaut sie mich an, dabei kann ich da doch am wenigsten dafür. Wie soll was gehen? Und woher soll ich das wissen? Ich bin hier nur die Mutter. »Ich habe da meinen Intensivkurs Mathe! Das weißt du doch!«

Weiterer, beleidigter Blick, so als ob ich Venedig gebucht hätte, nur um sie persönlich zu ärgern. Und nein. Ich weiß es nicht. Ich wusste es nicht. Mir hat niemand irgendetwas gesagt. Mir sagt sowieso nie irgendjemand irgendwas. »Also Mama, wir können da jetzt eben beide nicht mit.«

Meine Töchter sind sich nie einig. Bis auf jetzt.

»Wie? Moment: Ihr kommt nicht mit? Ich habe doch alles schon gebucht! Venedig! Nur für euch! Und außerdem – ich lasse euch doch nicht hier allein! Was da alles passieren kann! Und …«

»Ja, Mama. Und du bist sowieso die Allerärmste!«

Hä? Ich bin zwar grundsätzlich derselben Meinung, besonders jetzt gerade, da ich zwei Bauernhofzimmer und eine sauteure Wohnung in Shoppingnähe für fünf Personen gebucht, eine Reiseroute geplant und mehrere Stunden meines Lebens dafür geopfert habe. Nicht zu vergessen die abwertenden Blicke meiner Töchter und das Shakespeare-Fiasko? Aber was hat das denn damit zu tun?

»Ist ja auch egal.«

Nein! Ist es nicht! Es ist nicht egal! Es ist viel schlimmer, denn ich mag ein wenig schwer von Begriff sein, aber blöd bin ich nicht. Und jetzt habe ich sie durchschaut. Es gibt nichts zu beschönigen: Meine von mir zu Ehrlichkeit, Anstand und Respekt erzogenen Mädchen haben das alles von langer Hand geplant. Was hab ich mir da nur eingebrockt, als ich mir selbstständige und kluge Kinder gewünscht habe? Und am besten welche, die ein bisschen so sind wie ich? O Mann. Augen auf bei den Charakterwünschen sage ich da nur. Das hab ich jetzt davon, denn:

»Total easy. Ihr fahrt mit William nach Venedig und wir bleiben hier. Irgendjemand muss ja auch die Katze füttern!« Tolles Argument. In unserer Nachbarschaft gibt es viele hochqualifizierte Katzenfütterer. »Wir könnten ja eh nicht wirklich feiern, weil wir ja beschäftigt sind!« Synchroner Augenaufschlag. Ich glaube kein Wort.

Aber was soll ich tun? Der Mathekurs ist sicherlich sinnvoll und ich erinnere mich dunkel, dahingehend eine Empfehlung von Marias Lehrer bekommen zu haben (woher sollte ich denn wissen, dass er ausgerechnet in den Osterferien stattfindet?), und einen passenden Praktikumsplatz zu bekommen, ist wirklich auch schwierig. Andererseits: Will ich meine Kinder wirklich allein zu Hause lassen? Darf man das überhaupt?

Ein kleines, feines Lächeln liegt auf den Gesichtern von Lilli und Maria. Siegesgewiss zwinkern sie sich zu. Herzloses Pack.

Na warte, irgendwann werdet ihr mich anflehen, mit euch nach Venedig zu fahren, alle beide. Ich weiß es genau. Aber dann nehme ich euch nicht mehr mit. Ich habe ja auch meinen Stolz.

Wofür alle meine Kinder übrigens ihre megawichtigen Termine absagen oder gleich in der Lage sind, vorausschauend zu planen, ist ein Urlaub in Bayern. Um genau zu sein, in Frohmaching.

Ich packe meinen Koffer

Frohmaching – Glücksgefühle beim Packen

Kennen Sie Frohmaching? Nein? Kein Wunder. Frohmaching ist auch auf keiner Landkarte verzeichnet. Es ist schließlich kein Ort, den man mithilfe von Koordinaten, Breitengraden oder einem Navi finden könnte (noch nicht einmal mit Holgers!). Es ist mehr so eine Gegend. Eine Gegend, die, wie der Name schon sagt, froh macht. Eine Gegend zwischen Truchtlaching, Sondermoning, Zorneding, Obing und, ja, sogar Tittmoning. Manche Menschen finden besagten Platz aber auch oben an der Nordsee, im Allgäu oder in der Eifel. Die meisten Menschen haben ein eigenes. Und wenn nicht, sollten sie sich schleunigst eines erreisen.

Unser persönliches Frohmaching beginnt gleich hinter München, nämlich genau dort, wo man auf der Autobahn Richtung Salzburg plötzlich am Horizont die schneebedeckten Berge sieht. Wir haben da so einen Hutzenlaub’schen Wettbewerb: Wer zuerst die Berge sieht, hat gewonnen und bekommt wahlweise ein Bier oder ein Eis. Ich brauche weder noch, denn ich bin sowieso ein Gewinner. Mein Herz wird leicht, mein Kopf wird leer und der Urlaub beginnt.

Am besten fährt man gleich in Wasserburg raus und dann immer weiter, bis man endlich ganz in Frohmaching angekommen ist. Der erste Biergarten an der Hauptstraße ist ein Meilenstein, der Zwiebelturm sowieso und die blau-weißen Rautenfahnen an jeder Ecke weisen den richtigen Weg wie der rote Teppich bei der Oscarverleihung.

Es gibt magische Plätze. Sehnsuchtsplätze. Orte, an die ich immer schon einmal reisen wollte und die meistens viele Flugstunden weit weg sind. Weit weg von meinem Alltag, von meinen Pflichten und allem Vertrauten. Sie sind verheißungsvoll, weil unbekannt und abenteuerlich (zumindest in meiner Fantasie), und es gibt viele exotische Dinge zu essen. Asien. Afrika. Aserbaidschan. Letzteres kenne ich nur vom Eurovision Song Contest.

Frohmaching ist nicht exotisch. Es zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass es genau das Gegenteil davon ist (es sei denn, man ist zum Beispiel Japaner). Frohmaching ist nämlich mehr als vertraut und das seit beinahe zwanzig Jahren.

Ich weiß, was ich für eine Reise dorthin einpacken muss. Ich weiß, was mich erwartet (und auch wer). Ich weiß, wie jede Kuh, jeder Hund, jede Katze und auch jeder andere Gast hier heißt. Ich weiß, wie es riecht, wie es dort aussieht und dass es schön wird, selbst wenn es regnet. Ich muss dort nichts erkunden, denn ich kenne alles schon. Es gibt dort kein anständiges Telefonnetz (und überhaupt wenig Telefone – die Nummern der Festnetzanschlüsse sind dreistellig!) und um ins Internet zu kommen, brauche ich einen Code. Aber das ist mir viel zu anstrengend und überhaupt, warum sollte ich? WhatsApp-Nachrichten braucht von hier aus kein Mensch, denn ich habe alles schon tausendmal fotografiert und geteilt. Ich will eigentlich auch gar nichts teilen. Ich will alles für mich. Das ganze große entspannte Nichts. Alles meins.