Maria bereitet uns den Weg - Peter Dyckhoff - E-Book

Maria bereitet uns den Weg E-Book

Peter Dyckhoff

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Beschreibung

Peter Dyckhoff meditiert die biblischen Zeugnisse über Maria, um heutigen Menschen spirituelle Lebenshilfe zu geben. Seine Betrachtungen führen zu einer lebendigen Begegnung mit der Gottesmutter. Gerade dort, wo das menschliche Leben an Grenzen stößt, oder da, wo es keine Antworten mehr zu geben scheint, kann es durch Maria einen neuen Anfang geben. » Menschen, die eine lebendige Beziehung zu Maria haben, sind in der Lage, Krisenzeiten besser zu überstehen, trotz Erschütterungen ihren festen Glauben zu bewahren und durch die Fürsprache Marias in der Liebe zu Jesus Christus zu wachsen. Maria geleitet uns zur verborgenen Mitte: zur Liebe Gottes zu uns Menschen und zu unserer Liebe zu ihm« (Peter Dyckhoff).

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PETER DYCKHOFF

Mariabereitet uns den Weg

Biblische Meditationenüber die Mutter Gottes

Impressum

In das vorliegende Buch sind Texte des Autors aus seinen Veröffentlichungen «Im Licht des Segens» (2009) und «Dem Licht Christi folgen» (2012) in bearbeiteter Form eingeflossen.

Bibelzitate folgen der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1985 Katholische Bibelanstalt Stuttgart

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: agentur IDee

Umschlagmotiv: © Gottesmutter von Neroccio (1447–1500), Musée des Beaux-Arts, Dijon

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (E-Book) 978-3-451-80165-5

ISBN (Buch) 978-3-451-32729-1

Inhalt

Maria bereitet uns den WegVorwort

Marias persönliche Worte im Evangelium

Maria glaubt

Maria sagt Ja

Maria voll der Gnade

Maria singt:Meine Seele preist die Größe des Herrn

Maria und Josef

Maria schenkt uns Weihnachten

Marias dreißig verborgene Jahre

Marias Geheimnis

Maria und die Stunde Jesu

Maria trägt auf ihrem Schoß das Leid der Welt

Maria, Urbild der ErlösungNachwort

Bibelstellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Zum Autor

Maria, du Mutter des ewigen Wortes,

du bist in mein Schicksal gekommen,

als mir Angst und es dunkel war

und mein Leben zu zerbrechen drohte.

Du musstest viel Schweres ertragen

und hast zu allem geschwiegen.

Du hast deinen Sohn begleitet bis in den Tod –

Glauben, dass es eine Auferstehung gibt.

Du bist die Wege Gottes gegangen

und aufgenommen worden in den Himmel.

Du, Maria, hast für mich Fürbitte eingelegt

bei deinem geliebten Sohn,

unserem Herrn und Heiland, Jesus Christus.

Und ich durfte neu das Leben

und die göttliche Gnade empfangen.

Dir, du Mutter des Herrn, Wegbereiterin

meines neuen Lebens, sei Lob und Dank

jetzt – und alle Tage – und in Ewigkeit.

 VorwortMaria bereitet uns den Weg

Ave sei gegrüßt, wiederholen Christen im Gebet des «Ave Maria» den Gruß des Erzengels an Maria. Da Maria der Christus ähnlichste Mensch ist – dreißig Jahre hat sie zusammen mit ihm gelebt –, geht von ihr eine ganz besondere Anziehung aus für alle gläubigen Menschen. Sie verehren Maria, da sie einem jeden, der sich an sie wendet, die Gnade ihres Sohnes Jesus Christus vermittelt, im Glauben zu wachsen und fest zu bleiben. Menschen, die eine lebendige Beziehung zu Maria haben, sind in der Lage, Krisenzeiten besser zu überstehen, trotz Erschütterungen ihren festen Glauben zu bewahren und durch die Fürsprache Marias in der Liebe zu Jesus Christus zu wachsen.

Durch ihre Bereitschaft, sich dem Anruf Gottes zu öffnen, wird Maria zum Urbild des Glaubens und der Erlösung, zu einem Urbild unserer christlichen Existenz. Sie öffnet Gott ihr Herz, sodass Gott im Herzen Marias den neuen und ewigen Bund mit den Menschen beginnen kann. Das Ja zu Gottes Plan, das sie in Nazaret gesprochen hat, hält sie durch bis unter das Kreuz ihres Sohnes, als ihr Herz vom Schmerz durchstoßen wird, wie ihr Simeon prophezeit hat.

Das Buch «Maria bereitet uns den Weg» möchte Lebenshilfe geben, die für viele Menschen zu einem großen Bedürfnis geworden ist. Warum müssen so viele Menschen erst Um- und Irrwege gehen, um den für sie richtigen Weg zu erkennen? Gerade dort, wo das menschliche Leben an Grenzen stößt, oder da, wo es keine Antworten mehr zu geben und das Leben zu Ende zu sein scheint, kann es durch Maria einen neuen Anfang nehmen. Sie ist die Trösterin der Betrübten und legt Fürbitte ein bei ihrem geliebten Sohn Jesus Christus.

Es wird beim Lesen des Buches empfohlen, zwischenzeitlich immer wieder die Stille aufzusuchen, um der Vertiefung des Glaubens und den Anforderungen der Welt besser gerecht zu werden. In jedem Text wird auf die Heilige Schrift Bezug genommen, um ihre Aktualität bewusst zu machen, größere Zusammenhänge aufzuzeigen und um jegliche Angst vor Veränderung und letztlich vor dem Tod zu nehmen. In diesen «Biblischen Meditationen über die Mutter Gottes» werden wir eingeladen, uns nicht nur im Glauben an Maria zu orientieren, sondern uns auch von ihr auf unserem Lebensweg anleiten und führen zu lassen. Sie bereitet uns den Weg durch dieses Leben zu unserer endgültigen Bestimmung, dem ewigen Leben.

Maria geleitet uns zur verborgenen Mitte: zur Liebe Gottes zu uns Menschen und zu unserer Liebe zu ihm. Wenn wir aus den Sakramenten leben und im Gebet der Ruhe eine Zeit lang vor Gott schweigen, auf ihn hören und ihm durch unser Leben antworten, folgen wir der stillen Weisung Marias. Diese entspricht nicht nur dem Wort Christi, sondern auch seiner Spur, die unmittelbar zu seinem und unserem Vater führt. Auf diesem Weg – es gibt keinen besseren und schnelleren zu Gott – ist Maria Vorbild im Glauben.

Das unendlich große Geschenk der Liebe Gottes an uns Menschen nimmt einen neuen Anfang mit Maria. Ein Engel kommt nach Nazaret. Ohne jegliche Vorleistung wird Gottes Wort und Geist durch Maria zu menschlichem Leben. Das messianische Geschehen, die Herabkunft des Heiligen Geistes auf Maria, geschieht in ihren Glauben hinein. Gott hat die Erde erwählt, um auf ihr Mensch zu werden. In Maria hat er sich einen Menschen ausersehen, um durch ihn menschliche Gestalt anzunehmen. Sie ist die Erwählte und Begnadete, in die Gottes Himmel sich ganz hineinschenkt, um die Mutter Jesu Christi zu sein. Als der Engel ihr die Frohe Botschaft verkündet, verzichtet Maria auf die Einsicht des Verstandes und setzt dafür die Hingabe des Herzens ein.

Dass Maria die Mutter des Herrn ist, dass sich Gottes Geist auf sie herniederließ, um dieses Geschehen zu wirken, geschah aufgrund ihres Glaubens. Die Seligpreisung Marias, die wir im Magnifikat mitvollziehen, geht weiter bis zum Jüngsten Tag. Es ist gut, Maria anzurufen, dass sie uns helfe, so zu glauben, wie sie geglaubt hat.

Unter deine Barmherzigkeit

flüchten wir uns, Gottesgebärerin.

Unser Flehen weise nicht zurück in der Not,

sondern rette uns in Gefahr,

du einzig Reine, einzig Gesegnete.

Gebet aus der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts,einem Toten mit ins Grab gegeben

Marias persönliche Worte im Evangelium

Genannt wird Maria, die Mutter Jesu, nur an wenigen Stellen im Neuen Testament – abgesehen von den Kindheitserzählungen bei den Evangelisten Lukas und Matthäus. Die Kindheitsgeschichten wurden erst später an den Anfang der Erzählung des Lebens Jesu gesetzt. Der Anteil des Marienlebens am öffentlichen Wirken Jesu ist mit Ausnahme der «Hochzeit zu Kana» sehr gering. Erst bei der Passion Christi wird Maria vom Evangelisten Johannes wieder erwähnt. Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich (Johannes 19,25–27).

In allen vier Evangelien gibt es insgesamt nur sechs Marienworte, das heißt, sechs Mal spricht Maria persönlich. Diese sechs Worte aus ihrem Mund sollen im Folgenden bedacht werden.

Das erste Marienwort

Wie soll das geschehen,

da ich keinen Mann erkenne?

Lukas 1,34

Die Kindheitsgeschichte Jesu wird vom Evangelisten Lukas – anders als bei Matthäus – aus dem Blickwinkel Marias erzählt. An ihr, die in demütiger Zurückhaltung und geistlicher Besonnenheit lebt, hat Gottes Heilshandeln begonnen. Sechs Monate nach der ersten Sendung des Engels Gabriel zu Zacharias schickt Gott den Engel nach Nazaret zu einer Jungfrau. Ihr Name ist Maria. Der Name «Maria» hat in der jetzt beginnenden Heilsgeschichte Weihe und Glanz. Maria ist mit einem Mann namens Josef verlobt. Bis zur Hochzeit bleibt die Verlobte im Haus ihres Vaters. Die Enthaltsamkeit vorehelicher Gemeinschaft ist selbstverständlich für sie.

Der Engel Gabriel kommt vom Antlitz Gottes her, und mit ihm setzt eine Bewegung vom Himmel auf die Erde ein: das Kommen Gottes zu den Menschen. Zu Maria wird kein beliebiger Engel gesandt, sondern der Erzengel Gabriel. Gott schickt seinen höchsten Engel, um die wichtigste aller Botschaften zu bringen. Gabriel erscheint nicht plötzlich, sondern er tritt bei Maria ein und begrüßt sie mit einer Freudenbotschaft. Maria ist begnadet, die Engelsbotschaft als Offenbarung Gottes zu empfangen und aus dem Glauben zu verstehen.

Nicht, dass er eintrat, aber dass er dicht,

der Engel, eines Jünglings Angesicht

so zu ihr neigte; dass sein Blick und der,

mit dem sie aufsah, so zusammenschlugen,

als wäre draußen plötzlich alles leer

und, was Millionen schauten, trieben, trugen,

hineingedrängt in sie: nur sie und er;

Schaun und Geschautes, Aug und Augenweide

sonst nirgends als an dieser Stelle –: sieh,

dieses erschreckt. Und sie erschraken beide.

Dann sang der Engel seine Melodie.

Rainer Maria Rilke

Maria wird verheißen, dass sie die Mutter des erwarteten Messias aus dem Haus Davids werden wird. Der Termin des Empfangens jedoch bleibt vorerst Geheimnis. Das verheißene Kind wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Größe und Gottessohnschaft werden somit schon dem irdischen Jesus eigen sein. Maria vernimmt die Frohe Botschaft, betrachtet jedoch zunächst schweigend die Worte. Sie widersetzt sich weder durch Unglauben noch gehorcht sie spontan aus Leichtsinn. Auf diese Weise vermeidet sie sowohl den Leichtsinn Evas als auch den Unglauben des Zacharias. Maria ist demütig – und nur den Demütigen schenkt Gott seine Gnade.

Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? (Lukas 1,34) Indem Maria nach dem «Wie» fragt, drückt sie bereits ihre innere Haltung aus, dass sie in den Plan Gottes einstimmt und bereit und offen ist für die Vorsehung Gottes. Mit ihrer Frage bekennt sie, dass es geschieht, und sie zweifelt nicht daran, dass es geschehen soll, doch fragt sie nach dem «Wie». Maria glaubt an die Botschaft, ohne die Frage nach einem Zeichen zu stellen. Sie glaubt, und dann erst sucht sie für die auftauchende Frage eine Antwort. Die Frage, das erste persönlich gesprochene Wort Marias im Evangelium, ist wichtig, denn sie lässt auf horchen: Wie können Jungfräulichkeit und Mutterschaft vereint werden?

Maria zeigt durch ihre Frage eine einschränkende Haltung, da sie sich vom Menschlichen her die Verwirklichung der Botschaft Gottes durch den Engel Gabriel nicht erklären kann. Sie mag gedacht haben: «Als Verlobte habe ich in der nächsten Zeit bis zu meiner Heirat kein eheliches Zusammensein – sicher nicht bis zu dem nahe gedachten Termin der verheißenen Empfängnis. Denn Gottes Zusage wird nicht lange auf sich warten lassen.»

Der Engel erklärt Maria, sie werde als Jungfrau einen Sohn empfangen. Die schöpferische Allmacht Gottes, bei dem nichts unmöglich ist, wird das Wunder in Maria bewirken. Gemeint ist der Heilige Geist, der am Anfang der Schöpfung über den Wassern schwebte, und jetzt aus der Höhe herabkommt. Wie eine Wolke wird die Kraft des Höchsten sie überschatten und in ihr wirksam werden. Die Wolke lässt Gottes machtvolle Gegenwart erkennen – sie verbirgt ihn aber auch gleichzeitig vor den Augen der Menschen und wahrt das göttliche Geheimnis.

Wie Adam als Erster der Menschen von Gott erschaffen wurde und dadurch in einem besonderen Verhältnis zu Gott stand, geschieht hier am Beginn des Christusereignisses in Maria eine neue Schöpfung. Durch Maria ergreift Gott die Initiative zur Vollendung der Heilsgeschichte. Heilig ist Jesus, weil er vom Heiligen Geist im Mutterschoß gebildet wird und mit seiner ganzen Existenz in Gott wurzelt, von ihm durchwaltet und erfüllt ist.

Ich grüße dich zur Stund

mit Gabrielis Mund:

Ave, die du bist voller Gnaden.

Du hast des Höchsten Sohn,

Maria rein und schön,

in deinem keuschen Schoß getragen,

den Heiland Jesus Christ,

der uns ein Retter ist

aus aller Sünd und allem Schaden.

Georg Braun (1675)

Als ihr zum Tod verurteilter Sohn hingerichtet wird, steht Maria unter dem Kreuz. Wie wunderbar war dagegen der Beginn des Christusereignisses, als ihr Raum ganz von hellem Licht erfüllt war. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben (Lukas 1,33). Wird Maria, unter dem Kreuz stehend, zweifelnd gefragt haben: «Gehen Gottes Verheißungen so in Erfüllung?» Nein, sie wusste seit der Verheißung der Geburt Jesu – und dies war in ihrem Glaubensfundament zutiefst verankert –, dass Jesus der Sohn des Höchsten ist und seine Herrschaft kein Ende haben wird.

Herr, gib auch mir die Kraft, wie du sie Maria verliehen hast, mich auf deine Entwürfe meines Lebens einzulassen. In einem Psalm beten wir: Ebne deinen Weg vor mir (Psalm 5,9). Sollten wir nicht lieber beten: «Ebne meinen Weg vor dir»? Angesichts des Marienlebens verstehen wir, dass ein tief gläubiger Mensch nur beten kann: Ebne deinen Weg vor mir. Denn sonst könnten wir ihn nicht gehen. Dies sollten wir in Stille bedenken.

Das zweite Marienwort

Ich bin die Magd des Herrn;

mir geschehe, wie du es gesagt hast.

Lukas 1,38

Aus der nach Verständnis suchenden Frage und dem Nachsinnen Marias ist jetzt ihre volle Zustimmung zum Plan Gottes herangereift. Ihr Jawort beschließt das Gespräch mit dem Engel Gabriel. Maria gibt aus ihrem tiefen Glauben heraus ihre Einwilligung und antwortet damit auf die Frage Gottes. Mit dem Wort Ich bin die Magd des Herrn sagt sie, dass sie einverstanden ist mit dem, was der Herr konkret mit ihr vorhat. In diesem zweiten Marienwort liegt der Höhepunkt der Verheißung der Geburt Jesu – nicht in dem geheimnisvollen Vorgang der vaterlosen Empfängnis. Der Sinn ihres Lebens besteht darin, für Gott verfügbar zu sein. Maria will nichts anderes als diesen Sinn erfüllen. So steht am Anfang des Lebens Jesu der Glaube seiner Mutter.

Mir geschehe, wie du es gesagt hast – dieses Wort aus ihrem Mund bezeugt völlige Verfügbarkeit und aktive Bereitschaft in einem. Gott hat angeklopft, und Maria hat ihm geöffnet. Gott zwingt nicht. Maria soll in freier Entscheidung eine Antwort auf die Botschaft des Engels Gabriel geben. Aus dem, was der Engel zu ihr sagt, hat sie den Willen Gottes erkannt, der für sie an erster Stelle steht und den es zu erfüllen gilt.

Der Mensch kann nur Heil finden, wenn er auf Gottes Stimme horcht und den göttlichen Willen in seinem Leben verwirklicht. Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt (Matthäus 7,21).

Mit Abraham hat die Heilsgeschichte begonnen. Die tragende Kraft des Heilwirkens Gottes hat mit Johannes dem Täufer den alttestamentlichen Höhepunkt erreicht. Am Beginn des Neuen Testamentes gibt Marias Bereitschaft Gott Raum, in ihr das Wunder zu wirken. In Maria hat der Herr die Basis für die Entstehung seines Messias durch das Wirken des Heiligen Geistes gefunden, und in Jesus Christus, geboren aus der Jungfrau Maria, findet das Wort Gottes seine Vollendung.

Nachdem Maria ihr Jawort gegeben hat, ist die Sendung des Engels erfüllt. Er geht leise, so wie er auch bei Maria eingetreten ist, indem er ihr das letzte Wort lässt, ja, indem er jetzt alles Gott selbst überlässt. Danach verließ sie der Engel (Lukas 1,38b).

Obwohl der Engel sie verließ, bewahrte Maria ihren starken Glauben bis unter das Kreuz ihres geliebten Sohnes und weit darüber hinaus.

Können wir aus tiefem, gläubigem Herzen auch in den Stunden, wo uns das Licht des Engels zu verlassen scheint, lebenswahrhaftig folgende Worte beten? Mir geschehe, wie du es gesagt hast. Herr, gib mir die Kraft der Treue auch da, wo mich das Licht des Engels, das Licht der Lebensstunde verlässt.

Das dritte Marienwort

Meine Seele preist die Größe des Herrn,

und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.

Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.

Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.

Denn der Mächtige hat Großes an mir getan,

und sein Name ist heilig.

Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht

über alle, die ihn fürchten.

Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:

Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;

er stürzt die Mächtigen vom Thron

und erhöht die Niedrigen.

Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben

und lässt die Reichen leer ausgehen.

Er nimmt sich seines Knechtes Israel an

und denkt an sein Erbarmen,

das er unseren Vätern verheißen hat,

Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.

Lukas 1,46–55

Wer das Loblied Marias liest, betet oder gar singt, ist aufgerufen, mit zu jubeln. Der so Betende öffnet sich mit Maria für Gottes Heil, das auch sein Leben verändern und bereichern möchte. Maria preist Gott, der alle Unordnung und alle Sündhaftigkeit in der Welt auf heben wird. Ihr Lobpreis Gottes und die messianische Freude durchdringen die Tiefen Marias, ihre Seele und ihren Geist. Das Ausbrechen in diesen wunderbaren Gottesjubel spiegelt die heitere und freudige Haltung ihrer Seele wider.

Was aber löst den dankerfüllten Hymnus aus, in den Maria kurz nach ihrer Ankunft bei ihren Verwandten Elisabet und Zacharias einstimmt? Durch den Gruß Marias vermag Elisabet, vom Heiligen Geist erfüllt, die ihr von ihrem Kind im Mutterschoß bezeugte Wahrheit zu deuten und in Worte zu fassen. Sie weiß nicht nur, dass Maria empfangen hat, sondern auch, wen sie empfangen hat. Elisabets Christuserkenntnis ist durch und durch vom Heiligen Geist gewirkt. Elisabet wird durch die Begegnung mit Maria zur Prophetin, nimmt den Lobpreis des Engels auf und bestätigt ihn. Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes (Lukas 1,42).

Die Preisung Marias, die vom Engel ausgegangen ist, beginnt jetzt auch unter den Menschen. Das Zeichen des Engels, der Hinweis auf Elisabet, hat sich jetzt für Maria bewahrheitet. Sie weiß aus dem prophetischen Mund Elisabets, dass sich die Verheißung erfüllt hat und sie Mutter des Herrn ist. Damit erhält alles vorher Berichtete und Geschehene einen tiefen Sinn und wird verständlich.

Maria besingt im Magnifikat die Erfüllung des Verkündeten und drückt damit ihren persönlichen Dank aus. Niemand vermochte das Geheimnis der Menschwerdung Jesu auf Erden so wunderbar zu besingen wie die Mutter des Herrn. Im Lobpreis, dem dankerfüllten Hymnus Marias, steigert sich das Bekenntnis zu dem von Gott gewirkten Wunder noch einmal auf eine ganz besondere Weise. Maria, die mit Niedrigem zufrieden war, wurde ausersehen, Gottes Sohn zu empfangen. Sie möchte nur demütiges Werkzeug der Gnade Gottes sein und tritt daher mit ihrer Person ganz hinter dem zurück, wozu Gott sie braucht. Und gerade durch dieses demütige Verhalten wird sie erhöht von der Erde bis zu den Sternen.

Im Magnifikat wird aus dem Dank für die große Heilstat Gottes die Anbetung des allerheiligsten Namens des Herrn. Noch einmal wird Gottes Herabkunft gepriesen und als Erbarmen bezeichnet. Danach folgt im Lobgesang Marias ein universaler heilsgeschichtlicher Ausblick, in dem das machtvolle, Ordnung schaffende Tun Gottes am Ende der Tage angesprochen wird. Maria sieht den tatsächlichen Weltzustand mit den Augen Gottes und spürt, dass sich viel ändern muss, wenn die göttliche Ordnung wiederhergestellt werden soll. Die menschliche Wirklichkeit des Kommens Gottes in Jesus Christus kann die Umkehr der verkehrten Zustände in der Welt bewirken.

Die messianische Erneuerung bezieht sich nicht nur auf Israel, sondern auf die gesamte Welt. Gott erinnert sich an all das, was er verheißen und versprochen hat. Er denkt an sein Erbarmen, das er unseren Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig (Lukas 1,54–55). Das den Vätern zugesicherte Erbarmen wird jetzt durch Jesus Christus, den Maria empfangen hat, Wirklichkeit. Hier nennt Maria am Ende ihres Lobgesangs Abraham, den Vater der Verheißung, und seine Nachkommen. So wie Gott sich Maria gegenüber als Heiland erweist, erfüllt er die den Vätern gegebenen Verheißungen.

Durch den Hochmut Adams kam der Tod in die Welt, durch die Demut Marias wurde das Tor zum Leben wieder sichtbar.

«Die Demut Marias wurde zu einer heiligen Treppe, über die Gott auf die Erde herabgestiegen ist» (Augustinus).

«Aber auch ihr seid selig, die ihr gehört und geglaubt habt. Denn jede Seele, die geglaubt hat, empfängt auch und bringt das Wort Gottes zur Welt und erkennt seine Taten» (Ambrosius).

Ob das Magnifikat standhält in der Stunde der äußersten Not, in der Stunde des äußersten Leides? Der Bischof einer großen Diözese schrieb seinen Priestern einen Brief, in dem er sie bat, in der Stunde einer großen Krise, in der sich Dunkelheit zusammenzieht, das Magnifikat zu beten.

Preisung in der Not befreit.

Das vierte Marienwort

Kind, wie konntest du uns das antun?

Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht.

Lukas 2,48

Die Eltern Jesu kommen jährlich der gesetzmäßigen Wallfahrtspflicht nach. Sie nehmen den zwölfjährigen Jesus mit nach Jerusalem, obwohl die gesetzliche Verpflichtung erst mit dem 13. Lebensjahr beginnt. Die Familie bleibt bis zum Ende der gesamten Paschafest-Zeit in Jerusalem. Zu der Zeit hatte Jerusalem ungefähr fünfzigtausend Einwohner, und zu den Pilgerzeiten zum Pascha-, Pfingst- und Laubhüttenfest kamen noch einmal fünfzigtausend Pilger hinzu. Da die meisten Pilger in Gruppen reisen, kommt es vor, dass sich Angehörige aus den Augen verlieren. So vermuten die Eltern den Knaben Jesus auf dem Rückweg bei Verwandten, in der Hoffnung, ihn abends nach dem ersten Tagesmarsch auf dem verabredeten Sammelplatz zu treffen. Dreißig bis vierzig Kilometer am Tag müssen die Pilger drei Tage lang zurücklegen, um von Jerusalem nach Galiläa zu kommen.

Der Zwölfjährige ist heimlich in Jerusalem geblieben, damit ihn seine Eltern nicht daran hindern, mit den schriftkundigen Gelehrten zu disputieren. Da Männer und Frauen in der Regel getrennt voneinander pilgern, können die Kinder mit einem von beiden Elternteilen gehen. Deshalb denken Maria und Josef, dass der junge Jesus, den sie nicht bei sich sehen, mit dem jeweils anderen unterwegs ist. Voll Angst stellen sie jedoch fest, dass er bei keinem der beiden ist. Sie suchen ihn bei Verwandten und Bekannten, finden ihn aber nicht. Dann kehren Maria und Josef nach Jerusalem zurück, um ihn dort zu suchen. Am folgenden Tag finden sie ihn schließlich im Tempel. Jesus sitzt in der Tempelsynagoge vor anerkannten Gelehrten, denen er zuhört und Fragen stellt. Alle, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten (Lukas 2,47).

Nicht nur Jesu natürlich-geistige Begabung wird sichtbar, sondern auch sein Wissen um den Willen Gottes. In Jesus leuchtet die Weisheit Gottes auf, die in ihm ist und aus ihm redet. Die Gelehrten, ihre Schüler und die umstehenden Zuhörer sind höchst erstaunt über das Verständnis Jesu. Nicht weniger sind seine Eltern erstaunt, als sie den Zwölfjährigen zu Füßen anerkannter Gelehrter sitzen sehen. Sie sind über den Anblick, der sich ihnen nach langem Suchen bietet, durchaus nicht erfreut, sondern betrübt. Das angstvolle Suchen und der Schmerz der Eltern schwingen mit in der vorwurfsvollen Frage der Mutter: Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht (Lukas 2,48).