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Getrieben von ihren innersten Wünschen, lässt die 13-jährige Clara in ihren Träumen ihre ganz eigene Welt entstehen, in der sie wahr werden lässt, was in der Realität unmöglich scheint. Doch ahnt sie nicht, welche Kraft diese Träume haben. Visionen der nahen Zukunft plagen sie Nacht für Nacht, als ein tödlicher Unfall alles verändert. Jede Hoffnung scheint verloren, bis sie ein geheimnisvolles Medaillon findet … Ein Roman für Jung und Alt, mit der Botschaft, keinesfalls aufzugeben. Denn „Hoffnung lebt, weil Träume niemals sterben!“
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Seitenzahl: 199
Veröffentlichungsjahr: 2015
Jessica Vonthin
MELODY
Wenn Träume kein Ende haben
Engelsdorfer Verlag Leipzig 2015
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Zweite überarbeitete Auflage
Umschlagbild: Sabrina Neuhof
Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte bei der Autorin
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
www.engelsdorfer-verlag.de
Für meine Oma, Inge Niemann, geb. Franzelius.
Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.
Johann Wolfgang von Goethe
Cover
Titel
Impressum
Widmung
Planänderung
Ein Wochenende bei Oma
Wieder zu Hause
Freunde ...
Reiten
Der Traum
Wenn ein Wind weht ...
Claras Armee
Der Engländer
Der Autounfall
Ginkgo
Der Neuanfang
Wenn Träume kein Ende haben
An einem sonnigen Sommernachmittag lagen drei Mädchen am Strand der Ostsee und hörten zu, wie das Meer rauschte. Ein Wasserball lag neben ihnen, bis Clara aufstand und ihn den Freundinnen zuwarf, um sie aufzuwecken.
„Hannah, wach endlich auf!“, rief Clara missmutig und strich ihr dunkelblondes Haar zurück, das der Wind ihr ins Gesicht geweht hatte. Ihre tiefblauen Augen blickten streng, während der Ball in hohem Bogen durch die Luft flog. Ihr war langweilig, seit Stunden lagen sie faul am Strand und ihre Freundinnen machten selbst jetzt keine Anstalten, etwas zu unternehmen.
Gewiss, Hannah und Sarah waren ihre besten Freundinnen, nur wollten sie nie wirklich das machen, was Clara ihnen vorschlug. Jeder hatte so seinen eigenen Kopf, und auch in diesem Moment hatten sie keine Lust ins Wasser zu gehen. Das faule Herumliegen und sich von der Sonne bräunen lassen schien eher nach ihrem Geschmack zu sein.
„Was ist so toll daran, wenn ihr immer nur in der Sonne liegt, da ist doch gar kein Spaß dabei?!“, meckerte Clara.
„Und du meinst, dass man im Wasser mehr Spaß haben kann?“, blaffte Hannah zurück.
„Natürlich hat man da mehr Spaß! Guckt euch doch nur mal die großen Wellen an und die vielen schlammigen Algen!“
„Ernsthaft?!“, sagte Sarah plump, „Ich kenne absolut keinen Menschen auf dieser Welt, der Algen im Wasser toll findet. Wären wir in der Karibik, würde ich auch ins Wasser gehen. Aber so? Nein, das Meer stinkt.“
Kopfschüttelnd warf Clara ihrer Freundin den Ball an den Kopf: „Du bist doch so blöd.“
„Sag mir Bescheid, wenn dich die ersten Quallen gestochen haben, dann komm ich und lache dich aus.“
Clara schnaufte enttäuscht, holte sich den Wasserball zurück und lief auf das Meer zu. Trotz der kleinen Ärgernisse mit ihren Freundinnen freute sie sich schon auf die Wellen, die immer größer wurden, je näher sie dem Strand kamen – ein großer Dampfer, der in der Ferne wie ein Spielzeugschiff aussah, durchpflügte das Meer.
Ihre Füße berührten das kalte Wasser, sie ließ den Wasserball fallen und stürzte sich in die herannahenden mit Schaum bedeckten Brecher.
Clara liebte das Meer. Schon als kleines Kind hatte sie von Meerjungfrauen und anderen Fabelwesen geträumt und wie schön es wäre, selbst eines zu sein. Jedes Mal, wenn sie im Meer untertauchte, tat sie so, als wäre sie selbst eine Meerjungfrau. Sie öffnete unter Wasser die Augen, schwamm bis auf den Grund und erfreute sich – trotz der schlechten Sicht – an den schönen Muscheln und Steinen. Es gab so viel zu entdecken. So viele Schätze, die die Ozeane der Welt verborgen hielten. Wäre sie kein naturwissenschaftlicher Analphabet, würde sie vermutlich Meeresbiologin werden.
Nach einer halben Stunde zog es Clara wieder an Land. Ihr Magen knurrte fürchterlich. Das Mädchen kam aus dem Wasser und stapfte hungrig durch die Algenpampe, die sich am Strand um ihre Füße schlang.
Inzwischen hatte auch Hannah Hunger bekommen. Sie klappte den Korb auf, um etwas zum Knabbern rauszuholen, während Sarah noch tief und fest schlafend in der Sonne lag.
„Na, Hunger?“, fragte sie, als Clara näher kam. „Schwimmen macht hungrig.“
„Schlafen auch“, erwiderte die Freundin, woraufhin ihr Clara einen vielsagenden Blick zuwarf.
Beide aßen ein gut belegtes Sandwich und tranken Cola aus der Flasche, als Sarah mit einem lauten Gähnen plötzlich erwachte.
„Was macht ihr denn da, habt ihr etwa schon Hunger?“, fragte sie und rieb sich verschlafen die Augen.
„Also, ich kann’s mir wenigstens erlauben, ich hab mich bewegt, was man von euch nicht behaupten kann!“, grinste Clara breit und zeigte ihre Zähne, in denen sich Salatblätter verfangen hatten.
„Na toll, jetzt hängt dir das Grünzeug nicht nur an den Füßen, sondern auch noch im Gesicht“, lachte Sarah und legte sich wieder schlafen.
Nach ein paar Stunden verdunkelten sich die Wolken. Es wurde kühler, Wind kam auf und die Freundinnen begannen zu frösteln. Hannah rüttelte Sarah sanft wach, um den Heimweg anzutreten. Während sie eilig ihre Sachen zusammenpackten, fiel Clara auf, dass ihr ein Schuh fehlte. „Ich bin mir sicher, ich hatte beide Flip Flops hierhin gelegt.“
„Vielleicht hat der Wind ihn weggeweht“, überlegte Sarah.
Schnaufend stemmte Clara die Hände in die Seiten und suchte im Sand nach dem verschwundenen Schuh. Sie ging ein wenig abseits ihres Liegeplatzes, falls der Wind den Flip Flop tatsächlich weggeweht haben sollte. Während sie durch den weichen Sand ging, genoss sie dessen Wärme, die sich mit jedem Auftreten um ihre Füße legte. Eigentlich waren Schuhe generell am Meer unnötig.
Ah! Mist! Clara fluchte. Sie war auf etwas Kantiges getreten. Erst dachte sie, es wäre ein Stein, doch beim genaueren Hinsehen entdeckte sie etwas silberglänzendes aus dem Sand hervorstechen. Sie bückte sich und grub es aus dem Sand. Es war ein kleiner Anhänger. Irgendeiner der Badegäste musste ihn wohl verloren haben. Die Form erinnerte Clara an eine Fischflosse. Zwar hatte sie keine Ahnung, was es genau darstellen sollte, doch gefiel ihr das Schmuckstück, weshalb sie es in ihre Tasche steckte.
„Ich hab ihn!“ Clara wurde aus ihren Gedanken gerissen. Hannah wedelte den gesuchten Flip Flop durch die Luft. Mit einem letzten Blick auf das Buch steckte Clara es sich in die Tasche und ging wieder zu ihren Freundinnen hinüber.
Mit vollgepackten Händen liefen sie über den Damm – einem betonierten Weg, der sie am Strand entlang direkt zu einer kleinen Eisdiele führte.
„Ich nehm’ Schoko!“, rief Hannah kichernd – der Eisverkäufer schielte furchtbar, was sie leicht amüsierte.
Clara knuffte sie in die Seite, konnte sich aber ein Grinsen auch nicht verkneifen.
„Eine Kugel Stracciatella bitte!“, sagte sie und warf einen Blick auf Sarah, die unschlüssig vor der Eistafel stand und das Angebot studierte.
„Erdbeere schmeckt gut!“, murmelte sie. „Ich nehm’ Erdbeereis! – Eine Kugel bitte!“
Nachdem Hannah für alle bezahlt hatte, machten Sie sich auf den Weg in die Siedlung. Sie waren müde, und das „Rumgealbere“ ließ mehr und mehr nach, je näher sie ihrer Straße kamen – der Steinstraße. Jeder wohnte nur einen Katzensprung vom anderen entfernt und selbst der Strand lag in unmittelbarer Nähe zur Siedlung.
„Was machen wir in den nächsten Tagen?“, fragte Clara plötzlich.
„Wie wäre es mit Kino? Da läuft gerade der neueste Harry-P.-Film“, schlug Hannah vor.
„Das wär’ne Idee!“, platzte Clara voller Freude aus sich heraus – sie, der größte Fan überhaupt.
„Ok, meinetwegen!“, stimmte Sarah zu. „Ich würde aber lieber in den Hansapark.“
„Das eine schließt ja das andere nicht aus“, zwinkerte Clara ihrer Freundin zu.
„Dann würde ich sagen morgen Kino und übermorgen Freizeitpark.“
„Perfekt!“ Mit diesem letzten Wort verabschiedete sich Clara von ihren Freundinnen und lief geradewegs nach Hause – Steinstraße 12, ein Einfamilienhaus, mit knallrotem Spitzdach und Garten. Die meisten Familien der Grömitzer Siedlung besaßen einen kleinen Garten am Haus, manche noch eine Garage – wie bei Hannah und Sarah. Anderen dagegen fehlte beides. Clara fühlte sich jedenfalls wohl, und sie wohnte gern in der Siedlung „Meeresblick“.
Als sie vor ihrem Haus stand, hörte sie ein lautes Geräusch. Sie wandte sich um und ihr Blick fiel auf die Garage, die ihr Vater erst vor zwei Jahren gebaut hatte.
Clara runzelte die Stirn, als sie sah, dass ihr Vater mit Mühe die Autoreifen aufpumpte.
„Papa“, rief sie verwundert, „Wieso pumpst du die Reifen auf?“
„Was? Ach so, Clara! Äh … ja … also, zumindest versuche ich es. Wir fahren bald zur Oma und der eine Reifen hier macht mir Ärger.“
Claras Miene verzog sich augenblicklich. „Zu Oma?“
„Ja. Du hast Ferien.“
„Äh, ja?“
„Du hast frei, also, warum sollten wir nicht mal wieder nach Hamburg fahren?“
Dem Mädchen stand der Mund offen. „Och, ich weiß nicht, vielleicht, weil ich meine Zeit anderweitig planen wollte?!“
„Fauch mich nicht so an.“
„Ich fauche nicht!“ Clara zog die Augenbrauen zusammen und verschränkte die Arme.
„Wenn du dein Gesicht weiter so verziehst, bekommst du Falten.“
Zähneknirschend und stocksauer rannte Clara entschlossen ins Haus, die schmale Holztreppe hoch in ihr Zimmer, das unterm Dach lag. Wütend schleuderte sie ihre Tasche in die nächste Ecke und warf sich auf ihr Bett. Ihr sieben Jahre alter Hund Shadow – ein Golden Retriever – war ihr gefolgt und schleckte nun tröstend ihr Gesicht ab.
„Ach, Shadow!“, schluchzte sie. „Das ist so gemein von denen, wir haben doch noch sechs Wochen Ferien. Wieso müssen sie ausgerechnet diese Woche zu Oma fahren? Immer muss alles nach deren Pfeife gehen. Das hätte ihnen auch echt früher einfallen können! Wenn die was vorhaben, müssen die Kinder gleich springen – ohne Rücksicht.“ Clara rollte sich auf den Rücken und starrte die Decke an. „Was für eine grausame Welt.“
Shadow wusste gar nicht, was sie meinte, aber er schlabberte weiter ihr Gesicht ab, bis Clara ein kleines Grinsen von sich gab.
„Wenn ich dich nicht hätte, Shadow!“ Sie kraulte ihm sanft das Fell. „Aber du musst doch auch sagen, dass ich recht habe! Oder?“ Sie schaute den Rüden tief einatmend an, dieser blickte ihr mit seinen treudoofen Augen ins Gesicht. „Ja, natürlich. Es ist deine Pflicht als Hund meiner Meinung zu sein.“ Clara strich ihrem Hund über das goldbraune Fell. „Ich werde dann mal Sarah und Hannah anrufen und ihnen sagen, dass was dazwischen gekommen ist.“ Das Mädchen stand vom Bett auf und ging die Treppe hinunter in den Flur. In einer Nische auf einem kleinen Tisch stand das Haustelefon – langsam tippte sie die Nummer von Hannah ein.
„Ja, hier Hannah?“
„Ich bin’s, Clara! Hier, ich kann diese Woche doch nicht … meine Eltern woll’n, dass ich mit ihnen zu meiner Oma fahre!“
„Ne, oder?! Könnt ihr nicht ein andermal zu deiner Oma fahren?“
„Scheinbar nicht. Ich würde auch lieber hierbleiben und mit euch ins Kino gehen, aber meine Eltern zwingen mich regelrecht dazu, ich hab’s mir ja auch nicht ausgesucht!“
„Und du kannst wirklich die ganze Woche nicht?“
„Ne … aber ich mein, die Ferien haben ja erst angefangen. Und ich hätte da noch eine Bitte! Könntest du das auch Sarah sagen?“
„Ja, kann ich machen!“, stöhnte Hannah. „Dann tschüss und viel Spaß bei deiner Oma!“
„Mach’s gut.“ Clara legte auf und wurde das Gefühl nicht los, dass Hannah sauer war. Aber was kann ich dafür, dachte sie und hörte, wie die Küchentür aufging.
Mutter stand im Türrahmen.
„Mit wem hast du denn gesprochen?“
„Das war Hannah, ich hab ihr nur gesagt, dass ich morgen nicht mit ins Kino kann und die ganze Woche nicht da bin.“
„Ach so? Aber hör mal, deswegen brauchst du doch nicht gleich so ein Gesicht zu ziehen, ihr könnt doch auch ein andermal ins Kino gehen oder läuft gerade ein interessanter Film?“
„Hm … ja schon! Weißt du, wir wollten eigentlich in den neuen Harry-P.-Film gehen, aber das fällt ja nun flach …“
„Och, Clara! Schon wieder dieser Film? Du denkst in letzter Zeit an nichts Anderes mehr! – Hol mal bitte deinen Vater von draußen, es gibt jetzt Essen!“
Clara wartete nicht lange und lief hinaus, wo ihr Vater immer noch mühsam versuchte, die Autoreifen aufzupumpen.
„Ach verdammt!“, hörte sie ihn schimpfen.
„Äh … Papa?“
„Oh … was für ein Mist! – Was ist denn Clara, du siehst doch, dass ich hier beschäftigt bin?!“
„Das Essen ist fertig, du sollst reinkommen!“
Mit einem Seufzer stand ihr Vater vom Boden auf und steckte die Hände in die Hosentaschen. „Na ja, solange das hier nicht mein Job ist!“
Clara war schon vorgegangen und setzte sich auf ihren Platz. Es gab Pizza und ein bisschen von dem gestrigen Blattsalat. Clara konnte kaum einen Bissen runterkriegen, sie dachte die ganze Zeit nur an Hannah und daran, wie enttäuscht sie jetzt sein musste.
„Beeilt euch mit dem Essen, die Sachen müssen noch zusammengepackt werden!“, presste Claras Mutter mit vollem Mund heraus. „Und nehmt lieber ein bisschen mehr mit – es kann ja sein, dass wir länger bleiben!“
„Was, länger? Auf gar keinen Fall, ich fahr nur die eine Woche mit euch zu Oma!“, meckerte Clara.
Ihre Mutter und ihr Vater verdrehten genervt die Augen und einigten sich mit Blicken, keinen Kommentar abzugeben.
Clara stand vom Tisch auf und schaffte es gerade mal, ein knappes: „Bin fertig!“ zu sagen. Mit einer kurzen Handbewegung forderte sie Shadow auf, ihr ins Zimmer zu folgen. Kurzerhand ließ sie die Küchentür hinter sich ins Schloss schnappen und stolzierte die Treppe empor.
An ihrem Kleiderschrank blieb sie stehen, legte den rechten Zeigefinger auf ihren Mund und überlegte: Hm, mal sehn … was nehm ich denn mit? Also, das hier und äh … dann das und … nee, das hier nicht, das kommt auf den Haufen und … – „Puh, packen ist ganz schön anstrengend!“
Die Hälfte von Claras Sachen, die sie aus dem Schrank geholt hatte, lagen nicht im, sondern neben dem Koffer, aber das beachtete sie nicht – erst, als sie über den Berg Klamotten stolperte. Da lag sie nun, frustriert, mit geschlossenen Augen und atmete tief durch. Sie stützte ihren Kopf auf die Hände und blinzelte Shadow an. „Oh, man, Shadow! So schwer kann das Kofferpacken doch nicht sein! Ich bin ein totaler Versager.“ Sie schüttelte genervt den Kopf. „Also noch mal von vorn …“ Nach einer dreiviertelstunde hatte sie schließlich alles verstaut. Allerdings füllten ihre Bücher den meisten Platz aus.
Von ihrem Hund gefolgt, polterte sie mit dem Koffer nun die Treppe hinunter, als ihre Mutter plötzlich aus der Küche sah.
„Oh!“, rief sie verwundert. „Na so voll hättest du deinen Koffer aber nicht packen brauchen!“
„Ach was, Mama! Da ist ja nur das Notwendigste drin!“
Ihre Mutter runzelte die Stirn und wandte sich wieder dem Geschirr zu, das sie erstmal nur zusammenstellen konnte, da sie Vater bei den Autoreifen zur Hand gehen musste. Männer waren eben nicht immer so toll, wie sie von sich behaupteten.
Als die Reifen endlich fertig waren, schleifte Clara ihren Koffer über den holprigen Fußweg zum Auto. Und während sie versuchte, das sperrige Ding im Kofferraum zu verstauen – was bei der Fülle nicht ganz einfach war – kam ihr Vater mit zwei großen Reisetaschen aus dem Haus und rief schon von weitem: „Was nimmst du denn so viel mit? Wir fahren doch nicht in die Karibik!“
„Mama hat gesagt, lieber zu viel als zu wenig“, entgegnete Clara und ächzte dabei. „Hilf mir lieber mal, der Koffer hat schließlich kein Eigenleben!“
„Da wäre ich mir bei deinen Sachen manchmal nicht so sicher.“
„Ernsthaft?!“ Clara schaute ihren Vater schräg an.
„Ich sag ja nur.“
Papa warf einen kritischen Blick in den gähnenden Kofferraum, packte das überstehende Ende des Koffers und stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen. Zwei Minuten später steckte Claras Koffer zwischen der Werkzeugtasche, einer Wolldecke, zwei großen Beuteln und Papas Kameratasche fest. Die Klappe ging nun zu, doch es galt auch, die beiden Reisetaschen irgendwie ins Auto zu verfrachten. Mit faltiger Stirn dachte der Vater darüber nach, wie er das bewerkstelligen sollte. Da fragte Clara unvermittelt: „Wann wollt ihr eigentlich fahren? Ich hab bis jetzt immer nur von euch gehört, ich soll meine Sachen packen, aber wann wir genau fahren, habt ihr mir nicht gesagt.“
„Ich schätze, jetzt gleich. Sobald deine Mutter mit allem fertig ist, geht’s los!“
„Und … wenn die Reisetaschen im Auto sind!“, ergänzte Clara gewichtig, als ihr plötzlich einfiel, dass Shadows Körbchen fehlte sowie sein Fressen.
Sie rannte wie vom Blitz getroffen an ihrer Mutter vorbei, die gerade mit einem Imbisskorb für unterwegs aus dem Haus kam, ins Wohnzimmer, schnappte sich das Körbchen und die Leine und verschwand Sekunden später in der Küche, um Shadows Dosenfutter einzupacken. „Was für ein Stress!“, fluchte sie leise auf dem Weg zurück zum Auto, das abfahrbereit vor dem Haus stand. Ärgerlich schlug sie die Kofferraumklappe hoch, stopfte Shadows Utensilien zwischen das Gepäck und kramte für die Fahrt noch ein Buch aus dem Koffer. Dann schlug sie die Kofferraumklappe zu und schnaufte nachdenklich durch. Das Auto war voll, das Gepäck verstaut, die Reifen aufgepumpt und der Streit konnte beginnen – wie üblich.
Claras Eltern fingen an herumzumeckern, weil sie sich nicht einigen konnten, wer fahren sollte. Clara verdrehte die Augen, schlug die Hände über ihren Kopf zusammen, schaute in den Himmel und rief: „Womit hab ich das nur verdient?!“