Mini Adventure ins Glück - Sanne Hipp - E-Book
SONDERANGEBOT

Mini Adventure ins Glück E-Book

Sanne Hipp

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Nachdem Kim von ihrer Geliebten verlassen wird, fällt sie in ein Loch, aus dem sie selbst nicht mehr herauskommt. Eine Maßnahme zur Behandlung ihrer Depression ist die regelmäßige Bewegung in freier Natur. Kurz entschlossen kauft sich die OP-Fachpflegekraft einen VW-Bulli und nimmt sich vor, an den Wochenenden ins Grüne aufzubrechen, um Mini-Abenteuer zu erleben, die bisher zu kurz gekommen sind. Doch was hat sie sich bloß dabei gedacht, schon zum allerersten Ausflug ihre Kollegin einzuladen? Wird sich diese spontane Entscheidung als eine gute erweisen? »Mini Adventure ins Glück« ist eine romantische Liebesgeschichte zweier Frauen, die mitten im Leben stehen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mini Adventure ins Glück

SANNE HIPP

Dies ist ein fiktiver Roman. Auch wenn manche Orte, die im Buch erwähnt werden, existieren, ist doch die nähere Beschreibung reine Fiktion. Dies bezieht sich ebenfalls auf die Handlung und ganz besonders auf die beschriebenen Personen und deren Verhalten. Nichts davon entspricht der Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden und tatsächlich existierenden Personen sind dem Zufall geschuldet und nicht beabsichtigt.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Danksagung

Über die Autorin

Klappentext

Nachdem Kim von ihrer Geliebten verlassen wird, fällt sie in ein Loch, aus dem sie selbst nicht mehr herauskommt. Eine Maßnahme zur Behandlung ihrer Depression ist die regelmäßige Bewegung in freier Natur. Kurz entschlossen kauft sich die OP-Fachpflegekraft einen VW-Bulli und nimmt sich vor, an den Wochenenden ins Grüne aufzubrechen, um Mini-Abenteuer zu erleben, die bisher zu kurz gekommen sind.

Doch was hat sie sich bloß dabei gedacht, schon zum allerersten Ausflug ihre Kollegin einzuladen? Wird sich diese spontane Entscheidung als eine gute erweisen?

KapitelEins

Sonntagmorgen acht Uhr.

Die kühle Luft atmete sich ungewöhnlich feucht. Nebelschwaden trieben über dem sanft dahinfließenden Wasser der Donau. Kims Kajak schaukelte leicht. Man saß in diesen Dingern tiefer, als sie angenommen hatte. So gesehen, waren ihre Beine beinahe unterhalb des Wasserspiegels, und sie war froh, sich für die wärmere Jogginghose entschieden zu haben. Sie hätte gefroren, bevor der Einsteigerkurs überhaupt richtig begonnen hätte.

Kim sah hinüber zum Ulmer Münster, dessen Spitze nicht mehr zu erkennen war. Der Nebel kam ihr ganz gelegen. So gab es vielleicht weniger Augenzeugen bei ihren ersten, etwas unsportlich anmutenden Bemühungen.

Dabei stellte sie sich als Anfängerin gar nicht so blöd an, immerhin war es ihr als Erste der kleinen Gruppe gelungen, in ihr Kajak einzusteigen. Sie hatte sogar schon ihren Spritzschutz korrekt fixiert. Nun hielt sie erwartungsvoll das Doppelpaddel in der Hand und beobachtete amüsiert ihre beiden Kollegen, die noch auf dem Steg standen und sich um die richtige Einstiegstechnik bemühten.

»Nein, nein, nicht so!«, hörte sie Roy, ihren Kursleiter,sagen. »Hier musst du dich festhalten, wenn du so einsteigen möchtest, wie du es vorhast.« Er demonstrierte Errat, dem etwas kauzigen Sektionspfleger, der eigentlich Erhardt hieß, noch einmal die richtige Methode. »Hier am Cockpitrand musst du dich festhalten und deinen Fuß genau in die Mitte des Kajaks stellen.«

»Cockpit? Ich dachte, ich mache einen Paddelkurs und keinen Pilotenschein«, murrte Errat.

»Vielleicht ist es besser, ich halte dein Kajak fest und du rutschst zuerst mit dem Hintern rüber und holst dann die Beine nach«, bot Roy dem ungelenken Mann an.

»Nein. Ich schaff das. Kim hat es ja auch hinbekommen!«

Kim lachte. Das verbissene Bemühen ihres Kollegen entschädigte sie für das frühe Aufstehen. »Ich bin eine Frau. Ich habe ein besseres Gefühl für die Balance«, rief sie ihm über das Wasser zu. Ob das stimmte oder nicht, wusste sie nicht. Allein die Behauptung reichte aus, um die männlichen Kollegen zu ärgern.

»Du warst kaum schneller als ich«, konterte Ben, der nun auch in seinem Boot saß. Klar, dass er zu seiner Ehrenrettung mit kräftigen Paddelschlägen auf sie zusteuerte.

»Du hast deinen Spritzschutz falsch festgemacht. Die Schleife zeigt nicht nach außen. Du kannst gleich noch mal an Land zurückfahren und das in Ordnung bringen.«

Kims Grinsen vertiefte sich, als sie sein enttäuschtes Gesicht sah. Jaja, auch der bestaussehende und kompetenteste HNO-Arzt des Uniklinikums Ulm war nicht davor gefeit, in seiner Freizeit mal nur den zweiten Platz zu belegen. Es würde ein lustiger Tag werden. Kim beglückwünschte sich schon jetzt dafür, für sie alle diesen Kurs gebucht zu haben. Sie konnte sich gut vorstellen, mit den beiden Jungs zukünftig öfter Aktivitäten in freier Natur zu starten. Sie alle waren Mitglieder einer Selbsthilfegruppe und hatten sich auf Eigeninitiative zusammengetan und beschlossen, sich in gemeinsame Abenteuer zu stürzen.

Ben war mittlerweile zum Steg zurückgekehrt und versuchte auszusteigen, was ihm nur mit massiver Unterstützung des Lehrers gelang. Errat hingegen saß jetzt im Kanu und stocherte mit seinem Paddel im Grund, als wäre er ein Gondoliere. Sein Fahrzeug schaukelte bedrohlich.

»O sole mio«, bemerkte Kim trocken.

»Ich versuche, zu drehen, damit ich dir nicht den Rücken zuwende«, antwortete Errat. Er war immer so herrlich korrekt.

»Ist schon okay. Ich kann damit leben, falls es dir noch einmal passieren sollte.«

Die rote Schwimmweste, die er trug, ließ sein sonst so graues und unscheinbares Gesicht lebendiger erscheinen. Sie alle trugen zu ihrem Schutz Schwimmwesten und Helme, aber Kim fragte sich vielmehr, ob es ihr im Falle eines Kenterns überhaupt gelingen würde, ihren Unterleib schnell genug aus dem Kajak zu befreien. Steckte sie nicht fest wie ein Stöpsel im Ausguss?

»Auf geht’s!«, rief Roy ihnen zu. Nachdem er sie nun alle heil zu Wasser gebracht hatte, setzte er sich glücklich an ihre Spitze. »Immer mir hinterher, und macht einfach alles so, wie ich es euch vormache.«

Sie nahmen die Doppelpaddel so in die Hand wie er, und Errat sagte inbrünstig: »Das ist ja total easy.«

»Siehst du.« Kim lächelte ihn an, hielt sich an seiner Seite.

Ben paddelte ihnen voraus, dicht hinter Roy. Nach dem An- und Ablegen lernten sie nun also das Vorwärts- und Rückwärtspaddeln und natürlich die Fähigkeit, dorthin zu gelangen, wo sie auch hinwollten, trotz der Strömung. Im Prospekt nannte man das ›Richtungserhalt und Richtungsänderung‹. Das klang doch vielversprechend. Wenn sie sich selbst und ihre Kollegen so beobachtete, dann wurde es für sie alle höchste Zeit, dass sie sich auf Outdoor-Abenteuer einließen. Sie alle verbrachten ihre Tage in dem sterilen Ambiente einer Uniklinik. Errat im Erdgeschoss in der Pathologie, Ben im HNO-Bau und Kim im OP der Inneren Chirurgie. Und sie hatten noch etwas gemeinsam: Sie alle waren wegen Depressionen in Behandlung, befanden sich aber auf dem Weg der Besserung.

»Macht nicht den Fehler, dass ihr nur aus der Schulter heraus paddelt«, hörte sie Roy sagen. »Versucht bewusst, euren Rumpf einzusetzen. Die Kraft kommt aus dem Rumpf, sonst habt ihr bis heute Abend Schulterschmerzen.«

Kim setzte sich aufrechter, ahmte seine Bewegungen nach, und tatsächlich ging es so leichter. Bald schon fanden sie alle in einen Rhythmus, und sogar Errat hielt mit ihnen mit. Er strahlte.

»Macht Spaß, was?« Kim warf ihm einen aufmunternden Blick zu.

Errat hauchte andächtig ein Ja. Kim war sich sicher, dass er so etwas ohne sie beide niemals versucht hätte.

Schon bei ihren ersten gemeinsamen Therapiesitzungen hatten sie die glorreiche Idee gehabt, eine kleine Untergruppe zu bilden. Genau da, als sie erkannten, dass sie sich alle viel zu wenig in der Natur aufhielten. Und bei näherem Kennenlernen hatten sie rasch bemerkt, dass sie denselben Arbeitgeber hatten: das Uniklinikum Ulm. Sie arbeiteten in unterschiedlichen Häusern, deshalb waren sie sich noch nie zuvor begegnet.

Zur Behandlung ihrer Depression führten sie ein Aktivitäten-Tagebuch und hatten von ihrem Therapeuten die Hausaufgabe bekommen, sich möglichst oft an der frischen Luft zu bewegen. Und weil sie nicht immer allein dieselbe Runde gehen wollten, hatten sie entschieden, an ihren freien Wochenenden gemeinsam auf Abenteuer zu gehen. So, wie es aussah, schien das richtig lustig zu werden.

Kim beobachtete Ben, der sein Paddel immer noch so kraftvoll ins Wasser stach, als wollte er aus dem Stand heraus die Goldmedaille gewinnen. In der Gruppe gab er sich immer etwas großspurig. Je mehr Menschen ihn umgaben, umso machomäßiger trat er auf. Verletzlich zeigte er sich nur in trauter Zweisamkeit, wenn überhaupt. Seine Frau hatte sich von ihm scheiden lassen, was ihm sehr zusetzte. Errat hingegen, so vermutete Kim, hatte wohl noch nie in seinem Leben eine Freundin gehabt. Wer wollte auch mit jemandem zusammen sein, der an toten Körpern oder Körperteilen herumschnippelte? Vielleicht war das noch nicht einmal das Schlimmste, sondern vielmehr die Tatsache, dass er ausführlich und akribisch aus seinem beruflichen Alltag berichtete. Wenn man ihn ließ. In der Gruppe hatten sie ihm schon nach kurzer Zeit verboten, über Leichen zu sprechen. Das Thema taugte nicht dazu, sie aufzuheitern.

Wenn Kim so darüber nachdachte, meinte sie eine weitere Gemeinsamkeit bei ihnen dreien zu entdecken: die Einsamkeit. Ben war depressiv geworden, als seine Frau gegangen war, Errat war zeitlebens allein gewesen, und sie war krank geworden, nachdem Lea sie verlassen hatte.

Jetzt, während ihre Paddelblätter gleichmäßig ins Wasser tauchten und sie vorwärtsbrachten, konnte sie daran denken, ohne dass es ihr einen Stich versetzte.

Lea war der Grund gewesen, aus dem sie mit ihrem langjährigen Freund Schluss gemacht hatte. Mit Anfang dreißig hatte sie sich völlig unerwartet in eine Frau verliebt und gemeint, mit ihr den Sinn des Lebens gefunden zu haben. Für Lea war es wohl nicht dasselbe gewesen, denn vor zwei Monaten hatte sie sich nach New York abgesetzt. Das war’s also! Die Frage nach einer Fernbeziehung stellte sich nicht. Kim bedeutete ihr nicht mehr als eine Affäre, obwohl sie knapp ein Jahr miteinander verbracht hatten. Es endete mit einem kurzen Gespräch, einem überstürzten Auszug, ein paar E-Mails, um die Dinge im Nachhinein zu regeln – und dem tauben Gefühl, wieder etwas im Leben falsch gemacht zu haben. Kim hatte die Wochenenden danach auf dem Sofa verbracht, in völliger Apathie. Bald darauf auch die Tage, an denen sie arbeiten gehen sollte. Plötzlich konnte sie sich zu nichts mehr aufraffen und befand sich in einem Zustand, den sie sich in ihrer schlimmsten Fantasie nicht hätte ausmalen können. Sie schaffte es kaum mehr, sich vom Sofa ins Bad oder in die Küche zu hieven. Irgendwann konnte sie nicht einmal mehr die Kraft für Gefühle aufbringen. Es gab keine Wut mehr, keine Enttäuschung. Da war nur noch Leere. Ihr Hausarzt fand für sie zum Glück einen Platz in einer Akutklinik für psychosomatische Medizin. Seitdem war sie in ärztlicher und therapeutischer Behandlung. Die Krise war nun überwunden, und sie versuchte schrittweise, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Kim wusste, ihr Leben nach Lea würde ein anderes werden und sich deutlich von ihrem bisherigen unterscheiden. Der heutige Tag war der Beweis dafür. Die Beziehung zu der Künstlerin hatte sie in die Szenen der Großstädte eingeführt, doch jetzt war das dran, was sie schon immer hatte tun wollen: hinaus aufs Land, in die Natur, die Gerüche des frühen Morgens genießen, Nebel über den Feldern schweben sehen, Wald erleben. Im Park der Klinik war ihr Hunger nach grüner Umgebung erwacht, nach frischer Luft und dem Singen der Vögel. So hatte sie das Waldbaden kennen- und lieben gelernt. Umgeben von Bäumen, den Duft des feuchten Bodens in der Nase, über ihr die Wolken. Das war sehr heilsam gewesen. Auch Bäume zu umarmen, war ein Erlebnis. Sie konnte ihre Kraft und Beständigkeit spüren, auch wenn sie sich vonseiten der Buche etwas mehr Emotion gewünscht hätte. Dennoch fühlte Kim deutlich: Die Natur würde ihr helfen, zu heilen.

»Ich kann’s!«, rief Errat. »Das klappt echt super!«

»Du bist der geborene Abenteurer! Das habe ich mir gleich gedacht, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe.« Kim lachte.

Den Rest der Strecke schafften sie mit Bravour, und Roy äußerte sich zunehmend zufrieden und verabschiedete sie zwei Stunden später beim Bootshaus. Dort aßen sie noch zu Mittag.

»Also abgemacht!« Ben schluckte rasch, was er im Mund hatte, herunter. »Jedes zweite Wochenende fahren wir irgendwohin auf einen Campingplatz und verbringen unser Wochenende in der freien Natur. Die Priorität liegt auf Wassersport an irgendeinem Fluss. Und wehe ihr macht einen Rückzieher!«

Kim schüttelte den Kopf. »Mach ich nicht. Ich habe mir sogar einen Campingbus zugelegt.« Sie sagte es völlig unaufgeregt, dabei hatte ihr Herz höhergeschlagen, als sie ihn letzte Woche abgeholt hatte. Ihr Leben lang hatte sie für die alten VW-Bullis geschwärmt und sich nun den modernen Nachfolger gekauft: einen T7, California Ocean Beach Camper. Schon der Name war ein Versprechen. Die Farbkombination aus mattem Mint und Weiß erinnerte an die ersten Bulli-Zeiten mit dem T1 und T2. Nur hatte dieser einen sehr modernen Motor und würde sie zuverlässig ans Ziel bringen. Kim hatte genug davon, im Stich gelassen zu werden. Der hohe Preis war plötzlich zweitrangig gewesen. Sie tröstete sich mit der Qualität seiner Ausstattung. Sein Inneres war aus Holz und Furnier und besaß eine Küchenzeile mit einem zwei-flammigen Gaskochfeld und einer großzügigen Kühlbox – für Kim ein Entscheidungskriterium. Nicht zu vergessen: das Bett im Hubdach! Und für einen Tausender mehr hatte der Händler ihr das Vorzelt gleich mitgegeben. Ein Ausstellungsstück.

»Echt jetzt?« Errat sah sie mit großen Augen an.

»Ja. Ich hab mein Erspartes geopfert. Nach reiflicher Überlegung halte ich mein Geld für sehr gut angelegt.«

Die beiden Männer dachten für einen Moment darüber nach.

»Da könntest du recht haben«, sagte Errat schließlich. Nicht nur er wusste, dass es an der Zeit war, mehr in ihre Lebensfreude zu investieren. Der Preis schien ihm jedoch zu hoch. »Ich dachte mehr an ein Zelt oder so.«

»Kannst du machen, wie du willst. Du stellst dein Zelt aber neben uns auf, auch wenn wir mit dem Camper kommen. Ich werde mir nämlich einen mieten«, sagte Ben. »Wir können uns auf dem Platz als Gruppe anmelden.«

»Als Selbsthilfegruppe«, präzisierte Errat.

»Das muss ja niemand wissen«, wehrte Ben ab. »Wir buchen drei Stellplätze irgendwo, wo es schön ist. Ich wollte schon immer mal auf der Isar paddeln. Dort gibt es doch genügend Möglichkeiten zum Campen.«

»Klar.« Errat nickte.

»Und die Isar fließt auch nicht schneller als der Neckar, oder?«, fragte Kim.

»Nein«, versicherten ihr die Kollegen. Sie hoben die Gläser. »Auf uns und auf unser erstes gemeinsames Wochenende!«

Als sie sich kurz darauf voneinander verabschiedeten, war es ausgemacht: Errat suchte nach einem passenden Campingplatz und buchte auch die Kanus. Er tat es gerne, sagte er, er hätte kommende Woche noch viel Zeit. Seine Wiedereingliederung in die Arbeitswelt sollte erst am Mittwoch beginnen. Kim und Ben hingegen fingen am Montag wieder an.

Sie alle versprachen, sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten.

In der Nacht konnte Kim nicht schlafen. Die bange Frage, was der nächste Tag wohl bringen würde, hielt sie wach. Was gäbe ich darum, wenn er schon vorüber wäre. Wieder warf sie einen Blick auf den Wecker. Er zeigte 2:40 Uhr. In nicht einmal fünf Stunden würde ihr Arbeitstag in der Klinik beginnen. Kim versuchte, sich auszumalen, wie er ablaufen könnte. Wahrscheinlich wie immer: Sie würde ankommen, sich umziehen, auf den Plan schauen, das Besteck in dem Saal richten, in dem sie eingeteilt war. Das Übliche eben. Aber wem würde sie assistieren? Wieder dem Chef oder einem anderen? Sie entschied, dass es ihr völlig schnuppe war. Aber wie würden ihre Kollegen sie empfangen? Herzlich oder eher genervt, weil sie so lange gefehlt hatte und man sie hatte vertreten müssen? Würden sie sie überhaupt zurückerwarten, oder hatten sie sie schon abgeschrieben?

Alles Fragen, die sich in Kürze von selbst beantworten würden. Warum also darüber nachgrübeln? Sie konnte ebenso ihr Hirn abschalten und noch ein paar Stunden schlafen.

KapitelZwei

Kims Beine schmerzten trotz venenkomprimierender Strümpfe. Dabei war stundenlanges Stehen für sie noch nie ein Problem gewesen. Jetzt hielt sie es kaum mehr zwei Operationen lang aus. Es schien, als würde ihr Körper nach der langen Auszeit die Arbeit verweigern.

Gut, dass ihr Anteil am heutigen Programm bald vorüber war und sie mit dem Abräumen und der Versorgung des gebrauchten Bestecks beginnen konnte. Sie fing bereits verstohlen an, die Instrumente aus dem Set einer Gallenblasenentfernung auf ihre Vollständigkeit zu prüfen. Es war das zweite Set, das sie nach einem Blick auf den Plan heute Morgen aus dem Regal gezogen hatte. Der hatte ihr verraten, dass sie heute für eine Dickdarmteilresektion und eben diese Cholezystektomie eingeteilt war. Bei den folgenden OPs auf dem Tagesplan würde sie nicht mehr assistieren. Nicht heute und auch nicht in den nächsten zwei Wochen. So schrieb es ihr Wiedereingliederungsplan vor. Einstieg mit halber Kraft, nach zwei Wochen fünfundsiebzig Prozent, nach weiteren zwei Wochen wieder hundert. Eine Änderung war jederzeit nach Rücksprache mit ihrem Arzt möglich. Eine beruhigende Tatsache.

Die Routine hatte sofort wieder von ihr Besitz ergriffen, kaum dass sie einen Fuß über die Schwelle des sterilen Trakts gesetzt hatte. Alle Sorgen waren unberechtigt gewesen, die Kollegen hatten sie mit ausgesprochener Herzlichkeit empfangen.

»Gott sei Dank! Du bist wieder da!« Heike, ihre Teamleiterin, hatte sie sogar in die Arme geschlossen, was sie zuvor noch nie getan hatte. Auch die anderen begrüßten sie ungewöhnlich ausgelassen. Ein Glücksgefühl, doch noch dazuzugehören, überkam sie.

Mit gewohnter Selbstsicherheit begann sie ihren Arbeitsalltag, grüßte hier und dort, ließ sich mit den Ärzten und Kollegen auf einen kurzen Plausch ein. Alle erkundigten sich nach ihrem Befinden. Es gehe ihr gut, sagte sie zu jedem.

Chefarzt Thorsten Herz sah dabei zu, wie sein Assistent die Wunde verschloss, und kommentierte es mit den gewohnten abfälligen Phrasen. Kim wusste, als Nächstes würde er über sie herziehen. Und tatsächlich wandte er sich an sie, kaum dass die Operation beendet war. »Und? Das war es schon für Sie heute?« Sein Tonfall sagte ihr deutlich, was er von ihrer Wiedereingliederungsmaßnahme hielt. Stellen Sie sich mal nicht so an!

»Ja, das war es für mich heute«, wiederholte Kim so ruhig, wie es ihr möglich war.

Seine wasserblauen Augen waren auf einen Punkt hinter ihr gerichtet. »Und das bleibt jetzt die ganz Woche so, dass Sie sich schon zur Mittagszeit verabschieden?«

»Und die nächste auch«, antwortete sie. Kim hatte mit dieser Reaktion gerechnet und sich entsprechend gewappnet. Sie würde sich nicht von ihm fertigmachen lassen, erst recht nicht, nachdem er es noch nicht einmal für nötig befunden hatte, sie heute Morgen anständig zu begrüßen. Was hatte er gesagt? »Sie sind endlich wieder da? Ich habe schon nicht mehr dran geglaubt.« Das war alles gewesen – nach zwei Monaten Krankheitsausfall! Trotzdem hatte er bei der OP-Leitung anscheinend darauf bestanden, dass sie ihm zugeteilt wurde. Hatte sie ihm vielleicht sogar gefehlt? »Alle zwei Wochen wird meine Arbeitszeit erhöht«, erklärte sie ihm sachlich.

Er rollte mit den Augen. »Wenn es so weit ist, möchte ich, dass Sie mir wieder voll zur Verfügung stehen.« Jetzt sah er sie sogar an. Für einen kurzen Moment meinte Kim zu erkennen, dass seine Augen in der Zeit ihrer Abwesenheit an Strahlkraft verloren hatten. Er wurde alt. Seine Aussprache war feucht. Kim wäre lieber gewesen, er hätte seinen Mundschutz noch nicht heruntergeklappt.

»Ich werde es weitergeben«, sagte sie knapp. Sie war eine der Wenigen, die sich erlauben durfte, so mit ihm zu reden. Er verschwand ohne ein weiteres Wort. Der Assistenzarzt warf ihr einen anerkennenden Blick zu. Kim lächelte unter dem Mundschutz. Ihre Teamleitung würde dem Wunsch des Chefs sehr gerne nachkommen. Ihm zu assistieren, war für die meisten Kollegen eine Horroraufgabe. Er war unbeherrscht, geradezu cholerisch. Kim jedoch ließ sich nicht von ihm einschüchtern. Zumindest hatte sie das immer geglaubt. Und dann war sie von heute auf morgen arbeitsunfähig geworden.

Bis jetzt sträubte sie sich dagegen, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass ihre Depression etwas mit ihrem Job zu tun haben könnte, mit dem enormen Stress in diesem besonderen Arbeitsfeld. Sie war krank geworden, weil Lea sie verlassen hatte. Der heutige Tag war ein Schritt zurück in ihr normales Leben.

Kim packte das gebrauchte Besteck auf einen Rollwagen und fuhr es hinüber zur Sterilisation. Damit war ihre Aufgabe erfüllt.

»Hast du Zeit für einen schnellen Kaffee?«

Kim drehte sich zu der Stimme um. Die Kollegin mit den roten Haaren und den vielen Sommersprossen stand hinter ihr. Ihr Name war Bo. Sie hieß wirklich so. Es war keine Kurzform, wie Kim anfangs angenommen hatte.

»Ja, gerne«, antwortete sie.

Bo gehörte zu denen hier im OP, die um eine gute Arbeitsatmosphäre bemüht waren. Längst hatte Kim alle, die sie in ihrem Alltag umgaben, in drei Kategorien eingeteilt: in die Narzissten und Choleriker, die glaubten, der ganze Operationstrakt würde sich nur um sie drehen, in diejenigen, die nur versuchten, ihre Zeit hier unbeschadet zu überstehen, und in die letzte Gruppe, die um ein gutes Klima und um ein kollegiales Miteinander bemüht war. Allzu oft hatte sie erlebt, wie Kollegen aus der dritten Gruppe nach einiger Zeit in Gruppe zwei wechselten. Bo hingegen hielt sich schon ein paar Jahre in Gruppe drei. Damit lag sie weit über dem Durchschnitt. Kim mochte sie.

Im Pausenraum schenkte Bo ihr eine Tasse Kaffee ein, stellte Milch daneben, bevor sie sich selbst eine Tasse füllte. »Schön, dass du wieder da bist. Du warst ewig lange weg. Ich hatte schon Angst, du hättest gekündigt«, sagte sie. Es klang freundlich, nicht neugierig.

»Ja«, seufzte Kim. »Das war ganz schön lange.« Sie stieß die Luft aus, mehr Worte verlor sie nicht.

Bo lächelte entschuldigend. »Ich wollte nicht indiskret sein. Ich hoffe, du bist wieder voll fit. Du bist schließlich diejenige, die uns den Chef vom Hals hält.« Sie lachte, als hätte sie einen Witz gemacht.

Kim fiel nicht in ihr Lachen ein, denn Bos Bemerkung entsprach zu sehr der Realität. Sie rang sich aber ein freundliches Lächeln ab. »Erzähl mir mal, was in meiner Abwesenheit alles passiert ist«, sagte sie in versöhnlichem Tonfall und lauschte Bos Ausführungen über den neusten Krankenhaustratsch.

Ihre Erzählungen gaben Kim das Gefühl, wieder dazuzugehören. Nach zehn Minuten, in denen sie ihre Tassen leerten, kehrte Kims Lachen zurück, und nach einem weiteren Gespräch mit Heike verließ sie die Klinik mit dem Gefühl, dass ihr erster Arbeitstag viel besser verlaufen war, als sie angenommen hatte.

Als Kim in ihren Camper stieg, fühlte sie zum ersten Mal wieder Freude in sich aufsteigen. Richtige Freude. Das Gefühl kam plötzlich und quoll aus ihr hervor. Andächtig umschlossen ihre Finger das Lenkrad. Es fühlte sich gut an. Ja, sie würde sich ihr Leben mit all seinen Genüssen zurückerobern. Der Kauf dieses VW-Busses war, neben ihrer medizinisch-therapeutischen Behandlung natürlich, ein erster Schritt.

Es würde ein Leben ohne Lea sein. Sicher tat es noch weh, wenn sie daran dachte, aber es ließ sie nicht mehr ins Bodenlose stürzen.

Die Woche verging. Am Mittwoch telefonierte sie mit Errat, erkundigte sich, wie sein Einstieg verlaufen war. Der Gedanke an das kommende Wochenende schweißte sie noch mehr zusammen. Sie planten, am Freitag sofort nach Dienstschluss aufzubrechen.

Am Donnerstagabend packte Kim alles in ihren Bulli, was sie für das Wochenende brauchte. Sie würde nach dem Dienst morgen nicht in eine leere Wohnung zurückkehren, nicht erneut in ein Loch fallen. Sie hatte vorgesorgt, genau wie ihre zwei Leidensgenossen. Was war heilsamer für die Seele als der Wald mit all seinen Düften, dem Zwitschern der Vögel, dem Rauschen des Wassers?

Ihr nächstes Abenteuer würde sie auf einen Campingplatz in der Nähe von Starzbach führen. Errat hatte ihn ausgemacht und ihr sofort eine WhatsApp geschrieben. Er hatte dort eine sehr idyllische Parzelle für sie gebucht und drei Kajaks gemietet. Außerdem versprach er, das nötige Grillgut mitzubringen. Man konnte sich auf ihn verlassen. Er erinnerte sie ein bisschen an ihren Ex, den sie verlassen hatte, als Lea in ihr Leben getreten war.

KapitelDrei

»Wir könnten am Wochenende mit den Mädels mal wieder in einen Club gehen. Eine Runde abdancen. Was meinst du?« Sandra kuschelte sich neben Bo aufs Sofa, nachdem sie eine DVD der ersten Staffel von »The L-Word« eingelegt hatte. Den Teller mit ihrem Nutellabrot stellte sie auf ihrem Schoß ab. Bo hatte eine Schüssel mit Popcorn auf ihrem. Es konnte losgehen!

»Gute Idee. Ich bin dabei«, sagte Bo.

»Und davor können wir was essen gehen. Bei Toni, zum Beispiel.«

Bo stöhnte innerlich auf. Daher wehte also der Wind! Die Mädels hatten das längst ausgemacht, und ihre Partnerin versuchte, es ihr jetzt irgendwie unterzujubeln. »Du weißt genau, dass ich bei Toni nichts zu essen bekomme. Ihr esst alle Pizza und ich schau euch dabei zu.«

Sandra zuckte mit den Achseln. »Dann bestellst du dir eben einen Salat.«

»Das habe ich letztes Mal schon gemacht, und nicht mal den habe ich vertragen. Die Küche bei Toni ist einfach voller Mehlstaub. Da kann ich nichts essen.«

»Mpfff«, machte Sandra nur. »Einmal wirst du es doch aushalten können. Am Sonntag hast du frei.«

»Ich möchte meinen freien Tag nicht mit Schmerzen auf dem Klo verbringen.«

Sandra verzog das Gesicht. »Vielleicht bildest du dir das auch bloß ein.«

Bo ließ sich auf keine Diskussion mehr ein. Es war ermüdend, Sandra das zu erklären. Also wiederholte sie nur: »Ich bekomme Koliken von Tonis Küche.«

Sandra rollte die Augen.

Die Anfangsmusik war verklungen und die Folge hatte bereits begonnen. »Jetzt haben wir den Anfang verpasst«, maulte Sandra. Demonstrativ sagte sie nichts mehr und starrte auf den Bildschirm.

»Ihr habt das also schon ausgemacht?«, fragte Bo.

Sandra zuckte mit den Schultern. »Du kannst ja nachkommen, wenn du nicht mit uns essen gehen möchtest.«

Etwas an ihrem Tonfall stieß Bo auf. Ob ihre Partnerin insgeheim glaubte, sie täte das mit Absicht? Sie erfände ihre Nahrungsmittelunverträglichkeit, um sie zu manipulieren?Bo sprach es nicht an. Nicht jetzt. Nicht an ihrem gemütlichen Abend.

Sandra starrte auf den Fernseher. »Früher war das doch auch nicht so. Als ich dich kennengelernt habe, da …«

Bo ließ Sandra nicht aussprechen. »Als ich dich kennengelernt habe, hattest du auch noch keine Schilddrüsenunterfunktion. Es kann doch niemand etwas für seine Krankheiten!«

»Das ist etwas ganz anderes!«

»Warum?«

Sandra seufzte dramatisch. »Meine Schilddrüsenhormone waren nicht im Lot. Jetzt nehme ich Tabletten und gut ist.«

»Ist es das, was du von mir erwartest? Dass ich auch Tabletten nehme und gut ist?« Also doch eine Grundsatzdiskussion an ihrem gemütlichen Abend!

»Tabletten gegen was? Man weiß doch nicht einmal, was du hast. Wir wissen nur, dass du dich plötzlich beim Essen anstellst.« Sandra schob sich den letzten Bissen ihres Brotes in den Mund.

Hoffentlich hat sie ihr Brot wieder ordentlich in die Tüte getan und das Messer, das sie benutzt hat, in die Spülmaschine gelegt, dachte Bo. In letzter Zeit hatte sie Beschwerden, die sie auf nichts zurückführen konnte. Sie vermied strikt alle möglichen Nahrungsmittel, aber manchmal hatte sie Schmerzen, deren Ursache sie sich nicht erklären konnte. Sie hatte ihre Partnerin in Verdacht, sich nicht an die Abmachungen zu halten. Es war vereinbart, dass sie glutenhaltige und glutenfreie Lebensmittel strikt voneinander trennten und Sandra ihr Brot und ihre Brötchen sofort wieder in einer Tüte verstaute. Sie hatten zwei verschiedene Toaster, und das Backen mit glutenhaltigem Getreide war in der Küche untersagt. Holzbrettchen waren durch Schneidbretter aus Glas ersetzt worden. Trotzdem ging es Bo nicht gut. Sie fühlte sich abgeschlagen und krank, hatte immer wieder sehr starke Bauchschmerzen und Durchfall. Das konnte nur einen Grund haben: Sandra hielt sich nicht an die Regeln, wenn Bo nicht zu Hause war.

»Ich stell mich nicht an, Gluten macht mich krank. Das wirst du vielleicht bemerkt haben.«

»Vielleicht solltest du dir mal deinen Magen spiegeln lassen, um rauszukriegen, was du hast«, sagte Sandra.

Bo stöhnte auf. Sie waren also wieder bei diesem Thema! Sandra kapierte einfach nicht, dass eine Biopsie der Magen- oder Dünndarmschleimhaut jetzt keinen Nachweis mehr auf Zöliakie bringen würde. Schließlich hielt sie sich seit Monaten an eine glutenfreie Kost, da hatten sich ihre Darmzotten wahrscheinlich wieder regeneriert. Und sich jetzt wieder glutenhaltig zu ernähren, um für eine Diagnose eine Reaktion zu provozieren, kam für Bo nicht infrage. Diese Schmerzen waren kaum zum Aushalten, und außerdem würde sie dann wieder bei der Arbeit ausfallen. Das wollte sie ihren Kollegen nicht zumuten. Sie hatte oft genug gefehlt. Außerdem war es ihr egal, ob sie nun Zöliakie, Sprue oder eine Glutenintoleranz hatte. Alle Krankheitsbilder hatten dieselben Symptome und wurden gleich behandelt. Warum also sollte sie sich weiter quälen, nur um dem Kind einen Namen zu geben?

»Vielleicht hast du einfach zu viel Stress und brauchst mal Urlaub.« Sandra nahm die Schüssel und stopfte sich eine Handvoll Popcorn in den Mund. »Kann doch auch sein, oder?«

»Ja, vielleicht.« Bo war der Appetit vergangen. Vielleicht war Stress ja wirklich ein Auslöser ihrer Probleme. Aber Stress verursachte auch Herzinfarkte. Und niemand würde einem Herzinfarktpatienten sagen, er solle sich doch mal zusammenreißen. Sie war dieser Diskussion leid, versuchte, der Handlung der Serie zu folgen, und schwieg.

»Mit dir kann man gar nicht mehr ausgehen. Du verträgst keine Hamburger mehr, keine Pizza, keine Donuts, nichts«, seufzte Sandra im Laufe des Abends.

Bo kommentierte es nicht.

KapitelVier

Donnerstagabend läutete Kims Handy.

»Hey, grüß dich! Wie ist dein Wiedereinstieg gelaufen? Haben dich die Pfeifen von der Inneren gebührend empfangen?«

Kim lachte auf. »Hi Ben!« Er geizte nie mit abfälligen Bemerkungen über seine Mitmenschen. Seiner Meinung nach konnte er sich das erlauben, denn Doktor Ben Leonhard war nicht nur der bestaussehende HNO-Arzt des Klinikums und ein Herzensbrecher. Nein, er war schlichtweg eine Koryphäe und unersetzbar. Niemand wäre auf die Idee gekommen, ausgerechnet bei ihm eine Depression zu vermuten. Aber so war es. Er war außerdem der Grund dafür, dass Kim Gruppenregel 3 aufgestellt hatte: keine amourösen Beziehungen unter den Mitgliedern.

»Es war einfacher, als ich dachte«, berichtete Kim. »Die einzige Ausnahme war der Chef, aber das hätte ich dir auch im Vorfeld sagen können. Alle anderen haben mich tatsächlich mit ungewohnter Herzlichkeit empfangen.«

»Euer Chef ist eine Pflaume, aber das weißt du ja.«

Kim widersprach nicht. »Und bei dir? Wie war es auf der HNO? Haben sie die Zeit ohne dich gut rumgekriegt?«

Ben schnaubte. »Nur schwer. Also ganz schwer. Aber jetzt bin ich ja wieder da.«

»Du arbeitest voll?«

»Klar. Was denkst du denn?«

Immer noch der starke Mann. Kim grinste. »Wir sehen uns morgen. Oder rufst du etwa an, um abzusagen?«

»Nein, nein! Um Himmels willen. Ich freu mich schon wie ein kleiner Junge darauf. Paddeln auf der Isar, das wollte ich schon immer mal machen! Hast du die Kajaks gebucht oder Errat?«

»Errat wollte sich darum kümmern. Und so, wie ich ihn kenne, hat er das längst getan. Mit was kommst du eigentlich? Hast du dir einen Camper gemietet oder kommst du mit dem Zelt?«

»Zelt? Wo denkst du hin? Ich bin keine zwanzig mehr. Ein bisschen Luxus muss man sich schon gönnen. Außerdem habe ich keine Lust, mit dem Waschbeutel unter dem Arm über den gesamten Campingplatz zu laufen. Nein, ich habe mir ein Wohnmobil ausgeliehen. Ein tolles Teil, kann ich dir sagen. Die Miete ist allerdings ganz schön teuer. Aber wenn es meiner Gesundheit guttut!

---ENDE DER LESEPROBE---