Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Kaum zu glauben, wie aus einem Tagebuch, welches viele Jahre im Dschungel gelegen hatte, zu eine emotionale Geschichte führt. Die Studenten geraten in Situationen, die sie an ihre Grenzen bringen. Die Spannung zieht sich durch den ganzen Roman, zwischendurch wird es sehr emotional. Begleitet wird alles durch romantische Liebesgeschichten. Auch kritische Fragen zur Umwelt und der Klimaerwärmung werden thematisiert. Kurz, ein Meisterwerk.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 525
Veröffentlichungsjahr: 2020
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Geri Schnell
Mutige Studenten
Jagt nach Diamanten
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Aufbruch zum Dschungeldorf
Anna
Neues aus dem Dschungel
Studentenalltag
Die Kiste
Schiffbrüchige
Falsche Angaben
Lösungen sind gefragt
Zusammenhänge
Dschungelberg
Interessenkonflikt
Wer ist Jörg Herbst?
Besuch aus Zürich
Die Scheidung
Ein kritischer Vortrag
Der Einbruch
Die Fahrradtour
Semesterabschluss
Reise nach Paraguay
Semesterferien
Überraschungen
Expedition ins Mato Grosso
Unter Weltraumfreaks
Überlebenskampf
Börsenkasino
In Gefangenschaft
Eine erste Spur
Im brasilianischen Gefängnis
Die Überraschung
Tallahassee
Endlich Ferien
Die Trauminsel
Kendari
Planänderung
Die Flucht
Auf hoher See
Darwin
Auf Forschungsreise
Die Hochzeit
Weitere E-Books von Geri Schnell
Impressum neobooks
Cover kreiert von Beatrice Schnell
Korrekturen M. Moser
Olivia beobachtet, wie sich das Boot langsam einer Bucht nähert. Das Boot bringt sie auf die Insel Pulau Taliabu. Vom kleinen Ort Desa Tikong aus, wird sie mit einem Fahrzeug in den Dschungel fahren. Es ist geplant, dass sie sechs bis acht Wochen bei einem einheimischen Stamm wohnen wird. Bis ins Dschungeldorf ist noch ein weiter Weg. Die Uni Basel hat alles organisiert, doch es ist anzunehmen, dass es noch einige Probleme geben wird.
Die ersten Probleme gab es bereits in Jakarta. Die Visa zum Besuch dieser Insel werden sehr restriktiv gehandhabt. Der grösste Teil der Insel steht seit Jahren unter Naturschutz. Deshalb sieht man es nicht gern, wenn sie von Europäer besucht wird. Sogar einheimische Studenten bekommen nur in seltenen Fällen eine Bewilligung.
Nur dank den guten Beziehungen von Professor Tobler, hat sie es doch noch geschafft ein Visum zu bekommen. Als Gegenleistung werden vier Studenten aus Indonesien in der Schweiz zum Forstwart ausgebildet.
Olivia ist froh, dass sie endlich in ein ruhigeres Gewässer einfahren. Das kleine Boot schwankt auf dem offenen Meer stark. Ursprünglich war ausgemacht, dass sie mit einem Helikopter eingeflogen wird, doch davon wollte man in Jakarta nichts wissen. Mit einem Flugzeug flog sie nach Bobong. Dort wurde ihr Gepäck auf ein kleines Boot verladen, da musste sie auch ihr Handy abgeben.
Nun sind sie schon fünf Tage mit dem Boot unterwegs. Immer wieder besuchten sie kleine Küstenorte und luden Waren aus. Olivia muss sich umstellen. Hektik bringt hier nichts. Den Leuten läuft die Zeit nicht davon. Das Wort Eile gibt es in ihrer Sprache nicht.
Vorsichtig steuert der Bootsführer das Boot in die Bucht. Er muss achtgeben, dass sie nicht auf Grund laufen. Das Wasser ist nicht tief und zudem gibt es Korallen, die nahe an die Wasseroberfläche reichen, die darf man nicht beschädigen.
Endlich ist das Boot am Steg vertäut und die wartenden Frauen beginnen mit Ausladen. Der Lastwagen kann nicht bis zum Landungssteg vorfahren, deshalb muss Olivias Material von Frauen zum Lastwagen gebracht werden. Geschickt balancieren die Frauen die teilweise unförmigen Lasten auf ihren Köpfen. Es wird Olivia einige Dollars an Trinkgeldern kosten. Man hat sie entsprechend mit kleinen Scheinen ausgerüstet.
Am Landungssteg winkt ihr ein junger Mann zu. Das ist sicher Jusuf, er wird sie auf der Fahrt begleiten. Erstens verlangt dies die Regierung und zweitens, ist es sicher kein Nachteil, wenn sie jemand dabei hat, welcher sich mit den Örtlichkeiten auskennt und die Sprache versteht.
«Hallo, sie sind sicher Miss Hauser?», begrüsst sie Jusuf auf Englisch, «ich bin Jusuf», erklärt er und lächelt.
«Ja, ich bin Miss Hauser», lächelt sie zurück, «bitte nenne mich Olivia, das ist persönlicher.»
Mit kritischem Blick mustert Jusuf seinen Gast. Die blonden Haare und ihre Körpergrösse, von einem Meter siebzig, sind auf dieser Insel eher selten. Sie verwirren ihn. Dank ihren strahlenden blauen Augen findet er die Fassung wieder.
«Olivia, ein schöner Name. Komm ich zeige dir den Lastwagen», erklärt er voller Stolz.
Olivia folgt ihm durch das kleine Dorf. Die Häuser bestehen aus Bretterverschlägen und sind meistens mit Blechen von aufgeschnittenen Fässern bedeckt. Der Weg ist mit Schlamm bedeckt und sie ist froh um ihre guten Schuhe.
Hinter einem grossen Busch steht der stolz angekündigte Lastwagen. Doch Olivia findet nichts, worauf man stolz sein könnte. Der Lastwagen ist ein uraltes Relikt aus der Zeit, als man hier noch Tropenhölzer fällte und versuchte eine Holzindustrie aufzubauen. Dieser Versuch scheiterte zum Glück an den Bedingungen. Es gab keine Möglichkeit mit grossen Schiffen das Dorf zu erreichen. Deshalb wurde der Versuch relativ schnell aufgegeben und die Insel zum Naturschutzgebiet erklärt.
«Ein guter Lastwagen», erklärt Jusuf, «ist das einzige Fahrzeug in dieser Gegend.»
«Ich hoffe, das alte Ding läuft noch», entgegnet Olivia, «ein Fussmarsch wäre zu anstrengend.»
Mit einem zuversichtlichen Grinsen beantwortet Jusuf ihre Bedenken. Er ist etwa eins siebzig gross, mit braun glänzender Haut und breiten Schultern. Für Olivia dürfte er etwas grösser sein, doch er gefällt ihr recht gut.
Jusuf springt auf die Ladefläche und verstaut die Kisten, welche von den Frauen angeliefert werden. Lediglich den Rucksack mit Olivias persönlichen Sachen hängt sie sich selber um.
«Komm, ich zeige dir, wo du heute Nacht schlafen kannst», erklärt Jusuf, nachdem er eine Plane über die Kisten gespannt hatte, «wir haben für dich ein Feldbett, die Hängematten sind für Europäer etwas unbequem».
Ihr reicht es schon, dass sie ohne das Schwanken des Schiffes schlafen kann. Im Dschungeldorf wird sie sich später noch an die Hängematte gewöhnen müssen.
«Ich lade dich ein, auf dem kleinen Platz hinter dem Dorf werden heute Abend Fische gebraten und eine kleine Feier veranstaltet, es würde uns freuen, wenn du unsere Einladung annimmst.»
«Ja gerne, kann ich mich noch etwas frisch machen?»
Die Frage war eigentlich nicht nötig. Sie zieht die Schuhe aus und springt vom Steg, im Shirt und den Shorts in Meer. Schon beim untertauchen sieht sie, dass sie in ein Traumwelt eingetaucht ist. Die Augen brennen, aber diese fantastische Unterwasserwelt muss sie einfach sehen. Immer wieder taucht sie zu den Korallen ab und kann nicht genug sehen. Als sie kurz auftaucht, erinnert sie Jusuf daran, dass sie noch eingeladen ist und sich beeilen muss. Sie watet aus dem Wasser. Ihr Shirt klebt an ihrem Körper. Ihr BH zeichnet sich deutlich ab. Jusuf wird etwas verlegen und weiss nicht wo er hinschauen soll.
«Gibt es eine Dusche», fragt sie Jusuf.
«Natürlich, die Hütte hat nebst dem Bett auch eine einfache Dusche, ich warte am Feuer auf dich, du kannst es nicht verfehlen.»
Die Dusche war kalt und das Wasser reichte kaum aus, das Shampoon auszuwaschen. Dann suchte sie ihm Rucksack ihre besten Jeans heraus und machte sich mit hochgesteckten Haaren auf, zum Feuer.
Der über dem Feuer gebraten Fisch schmeckt ausgezeichnet. Trotzt erheblichen Sprachproblemen wird es ein lustiger Abend. Doch schon kurz nach Sonnenuntergang zieht man sich zurück. Man will morgen bei Tagesanbruch aufbrechen und Olivia braucht dringend noch etwas Schlaf. Wer weiss, wann sie wieder in einem Bett schlafen kann?
Es ist noch dunkel, als Jusuf an ihre Türe klopft. Sie windet sich aus dem Schlafsack und schiebt das Moskitonetz zur Seite. Verschlafen öffnet sie die Türe.
«In einer halben Stunde fahren wir los», erklärt Jusuf und stellt ihr einen Krug mit heissem Kaffee auf den Tisch, «beeil dich, der Fahrer wartet nicht gerne, jede Minute ist kostbar.»
Ein kurze Dusche und schon ist Olivia munter. Auf was hat sie sich da eingelassen? Doch für Bedenken ist es zu spät, jetzt kann sie nicht mehr abbrechen.
Sie setzt sich eben hin, um den Kaffee zu trinken, als von aussen ein ohrenbetäubender Lärm zu hören ist. Eine Fehlzündung nach der anderen weckt das ganze Dorf. Olivia befürchtet, dass der Motor nie in Gang kommt. Als sie den Kaffee getrunken hat, läuft der Motor bereits ohne Unterstützung des Anlassers. Noch könnte man ihn nicht belasten, immerhin, er tönt immer besser. Es wird Zeit, dass sie ihre Sachen in den Rucksack verstaut und zum Lastwagen eilt.
Während Jusuf hinten auf der Ladefläche sitzt, hat sie das Privileg, neben dem Fahrer zu sitzen. Ein wilder Kerl. Leider versteht er kein Wort Englisch, alles deutet auf eine langweilige Fahrt hin.
Noch immer ist der Fahrer bemüht, den Motor besser einzustellen. Durch sanftes Antippen des Gaspedals versucht er, den Motor in Schwung zu bringen. Der Motor beantwortet seine Bemühungen mit einer dicken schwarzen Rauchwolke, die aus dem über der Fahrerkabine angebrachten Auspuff in den Himmel entweicht.
Ein breites Grinsen des Fahrers deutet darauf hin, dass es gleich losgeht. Geräuschvoll legt er den ersten Gang ein. Dann gibt es einen kleinen Ruck und der Lastwagen setzt sich in Bewegung. Zuerst nur langsam und von heftigem Rucken begleitet, doch dann schafft er es, den zweiten Gang einzulegen, nun wird die Fahrt schneller und ruhiger. Die Strasse ist in einem recht guten Zustand und mit dem ersten Sonnenstrahl verlassen sie das Küstendorf.
Schon nach zehn Minuten wird die Strasse steiler und vor allem schlechter. Der Lastwagen braucht die ganze Strassenbreite. Die engen Kurven werden ohne abzubremsen durchfahren. Olivia hat am Anfang Angst, wenn jetzt einer entgegen kommt, dann kracht es. Erst allmählich wird sie ruhiger. Das Risiko, dass ein Fahrzeug entgegen kommt, ist ausgeschlossen, es ist ja das einzige Fahrzeug weit und breit. Zudem hört man sie sicher schon aus einigen Kilometer Entfernung.
Auch wenn der Fahrer kein Wort spricht, die Fahrt ist alles andere als langweilig. Mal rutscht der Lastwagen gefährlich auf die Seite und droht in den nun sehr dichten Dschungel auszubrechen, oder dann hängen Äste sehr weit hinunter. Geschickt weicht der Fahrer aus oder verlangsamt die Geschwindigkeit soweit, dass der Ast ohne Probleme von Jusuf weg geschoben werden kann.
Wenn die Büsche etwas Platz lassen, riskiert Jusuf einen Blick ins Heckfenster, das keine Scheibe mehr hat und erkundigt sich nach ihrem Befinden. Mit gehobenem Daumen zeigt sie an, dass alles in Ordnung ist.
Für Olivia ist die Fahrt durch den dichten Urwald ein Ereignis. Sie kann sich an der unterschiedlichen Pflanzenwelt nicht satt sehen. Bei ihrem Ethnologie Studium hat sie Biologie, also die Pflanzenfauna zur Zeit der Pfahlbauer in der Schweiz, als ihr Hauptthema gewählt. Deshalb hat sie sich auf dieses Abenteuer eingelassen. Seit der Fernsehsendung über die Pfahlbauer interessiert sie sich für dieses Thema. Sahen die Wälder zur Zeit der Pfahlbauer in der Schweiz ähnlich aus, wie dieser Urwald? Nun, in sechs Wochen kann sie die Frage hoffentlich beantworten.
Sicher hatten die Pfahlbauer keine solch halsbrecherischen Fahrten mit einem Lastwagen zu bestreiten. Der Fahrweg steigt inzwischen stark an. Auf dem glitschigen Weg ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie nicht mehr weiter kommen. Olivia hält sich krampfhaft am Haltegriff fest. Noch geht es im Schritttempo vorwärts. Auf der Ladebrücke hält Jusuf ein dickes Holzstück bereit. Als es nicht mehr weiter geht, springt er ab und schiebt das Holzstück unter die Hinterräder. So verhindert er, dass der Lastwagen zurückrollen kann.
Wie friedlich wäre es doch, jetzt in einem Einbaum über einen ruhigen See zu paddeln. Stattdessen beobachtet sie wie Jusuf mit dem Ende eines Drahtseils, welches jetzt von der Winde abgewickelt wird, versucht den steilen Weg hochzusteigen. Je höher er kommt, umso schwerer wird das Drahtseil. Olivia steigt aus, sie will ihm helfen. Mit ihren guten Schuhen hat sie besseren Halt als Jusuf, welcher barfuss im Schlamm steht. Mit vereinten Kräften schaffen sie es, einen starken Baum zu erreichen und das Seil zu befestigen.
Nun heult der Motor wieder auf. Das Seil spannt sich. Langsam bewegt sich der Lastwagen die Steigung empor. Meter um Meter wird der Lastwagen hochgezogen. Olivia und Jusuf sind damit beschäftigt, das Holzstück nachzuschieben. Nach zwanzig Meter wird die Position gesichert und das Seil an einem Baum weiter oben befestigt. Meter um Meter überwinden sie die Steigung. Endlich wird es etwas flacher und auch der Weg ist trockener. Das Seil kann eingerollt werden und es geht wieder zügiger weiter.
Stunden später scheint die Passhöhe erreicht zu sein. Auf einem kleinen Platz stellt der Fahrer den Lastwagen ab. Unter den Bäumen ist ein Unterstand. Zeit für eine Pause. Olivia sucht sich im Rucksack etwas zu essen. Noch hat sie einige Reserven mit Proviant aus der Zivilisation. Jusuf lehnt den Schokoriegel, den sie ihm angeboten hat, ab, er hat seine eigene Verpflegung. Er kaut auf einer Wurzel, noch hält sich ihr Forscherdrang im Rahmen. Sie fragt gar nicht, um welche Pflanze es sich handelt. Sie ist total erschöpft und will jetzt noch keine Experimente mit fremden Nahrungsmitteln eingehen. Später im Dorf muss sie sich an die einheimische Nahrung gewöhnen.
Nun nimmt sie den kleinen Fotoapparat hervor. Am Morgen hat sie ganz vergessen, einige Bilder von dieser abenteuerlichen Fahrt zu schiessen. Nun holt sie es nach. Von Lastwagen sieht man beinahe nichts mehr. Er ist vollständig mit einer Schlammschicht bedeckt. Während der Fahrer noch einigermassen sauber aussieht, sehen Jusuf und Olivia aus, wie wenn sie eben vom Schlammkatschen kommen. Stolz stellen sie sich vor den Laster und der Fahrer macht einige Fotos. Ihre Freundin Anna wird sich kranklachen wenn sie diese Bilder sieht. Die liegt jetzt in Basel in ihrer Studentenbude und wird noch tief schlafen. Eine solche Fahrt wäre sicher nichts für sie, da könnten ja ihre Fingernägel schmutzig werden.
Nachdem sie sich etwas erholt haben, winkt ihr der Fahrer zu. Anscheinend soll sie im Folgen. Hinter dem Unterstand führt ein schmaler Fussweg in den Wald. Sie folgt ihm mit einem mulmigen Gefühl. Der Weg steigt nochmals leicht an, ist jedoch nicht so glitschig. Sie kommen gut voran.
Nach einer Viertelstunde lichtet sich der Wald. Sie erreichen eine baumfreie Zone. Am einen Ende der Lichtung ist eine Kante sichtbar. Offensichtlich befinden sie sich auf einem Berg, dessen Flanke auf einer Seite beinahe senkrecht abfällt. Vorsichtig nähert sie sich der Kante und ist verzaubert. Von diesem Punkt aus kann man weit über die Insel blicken. Ein unglaublicher Ausblick. Der Wald unter ihr muss unendlich gross sein. Soweit man schaut, eine geschlossene grüne Decke. Sie macht zahlreiche Fotos.
«Dort ist dein Dorf», erklärt ihr Jusuf und zeigt auf einen Punkt in der Ferne.
«Das ist noch sehr weit weg», meint Olivia, «kann man diesen Felsen vom Dorf aus sehen?»
«Vermutlich nicht, die Bäume sind zu hoch. Die Dorfbewohner kennen vermutlich eine Stellen, von der aus man die Wand sehen kann.»
Olivia kann sich kaum satt sehen. So viel Natur auf einmal, hat sie noch nie gesehen. Welche Tiere leben wohl in diesem Wald? Sicher ist, man muss höllisch aufpassen, dass man sich nicht verläuft, man würde nie mehr herausfinden.
«Komm», erklärt Jusuf, «es gibt noch eine Überraschung!»
Jusuf folgt der Kante der Felswand und winkt. So schnell wie möglich versucht sie ihm zu folgen.
Einige Meter von der Kante entfernt sieht sie eine mit Blättern bedeckte Hütte. Jusuf geht direkt auf sie zu. Als sie sich nähern, tritt ein Mann aus der Hütte.
«Komm, hier kannst du telefonieren», erklärt Jusuf voller Stolz.
«Was, Telefonieren?»
«Ja, die Regierung hat hier ein Satellitentelefon installiert.»
«Du meinst ich kann nach Hause telefonieren?»
«Ja, und erst noch kostenlos. Die Regierung ist sehr grosszügig. Eigentlich muss Prior den Wald beobachten und Waldbrände oder andere Vorkommnisse nach Jakarta melden, doch ein privates Gespräch ist nicht verboten.»
Prior ist ein kleiner jünger Eingeborener mit einem breiten Lachen im Gesicht. Mit einem verschmitzten Grinsen bittet er Olivia ihm zu folgen.
Staunend betritt Olivia die Hütte. Prior bietet ihr einen Stuhl an. Dann bemerkt sie das Gerät. Auf einem Tisch steht tatsächlich ein Satellitentelefon.
«Hast du die Nummer, welche du anrufen willst?»
«Ihr Telefonbuch hat sie nicht mitgenommen, die Nummer ihrer Wohnung weiss sie natürlich auswendig. Schnell schreibt sie sie auf ein Blatt Papier. Prior beginnt zu wählen. Es knackt und rauscht, dann ein Summton. Wieder Knacken und endlich hört sie den vertrauten Summton. Viermal, fünfmal, sechsmal. Ist Anna nicht zu Hause?
Dann endlich die verschlafene Stimme: «Ja, was gibt’s?»
«Olivia! - Hallo Anna, ich wollte mich noch einmal melden!»
«Bist du wahnsinnig geworden, mich um sechs morgens Uhr zu wecken?»
«Entschuldigung! – Ich weiss gar nicht welche Zeit ihr in der Schweiz habt. Seit mehreren Tagen habe ich erstmals die Möglichkeit zu telefonieren, da wollte mich kurz melden.»
«Ach du bist es, Olivia», langsam wird Anna wach und begreift, wer sie anruft, «natürlich darfst du mich um diese Zeit anrufen, ich bin nur noch nicht richtig wach», entschuldigt sich Anna.
«Du glaubst nicht wo ich bin?», beginnt Olivia.
«Also, mach’s nicht so spannend, schiess los, so früh am Morgen bin ich nicht für ein Quiz geschaffen.»
Damit war der Bann gebrochen. Olivia erzählt ihrer Freundin alles, was sie in den letzten Tagen erlebt hat. Die Männer schauen sich verwundert an. Sie verstehen kein Wort was die beiden miteinander zu besprechen haben. Sie wundern sich nur, dass es so lange dauert. Was will man machen, sie haben Verständnis, schliesslich ist es für Olivia das letzte Telefongespräch für längere Zeit.
«Ach Olivia, ich muss leider abbrechen, es ist Zeit, ich muss zur Uni. Dein Anruf hat mich gefreut.»
«Gut Anna, ich mache jetzt Schluss, die Männer schauen auch schon langweilig in der Gegend rum, sie wollen weiter. Ich wollte nur, dass du weisst, das ich unterwegs bin.»
«Bist du sicher, dass du das durchstehst?», fragt Anna, «für mich tönt es sehr gefährlich.»
«Ich bin auch nicht mehr sicher, dass ich hier heil rauskomme, es dürfte eine harte Prüfung werde. Doch jetzt ist es zu spät, ich kann nicht mehr zurück. Drück mir die Daumen, ich glaube ich werde es brauchen.»
«Mach ich, - übrigens Tim hätte gern einige Steine von dieser Insel, wenn du etwas findest, bringe sie mit. Er meint die Insel könnte geologisch sehr interessant sein.»
«Geologisch interessant? – Ich sehe nur Bäume, vielleicht finde ich doch noch einige Steine, dann bringe ich sie mit, allerdings nur kleine.»
«Schon gut, wenigstens einige Steinchen, das wird ihn zufrieden stellen.»
«Also, tschüss», Olivia kommen beinahe die Tränen, sie muss das Gespräch beenden.
«Tschüss Olivia, - pass auf dich auf!»
Anna muss sich beeilen, sie hat eine Verabredung mit ihrem Professor. Auch wenn zurzeit keine Vorlesungen zu besuchen sind, Ferien hat sie keine. Der Professor will mit ihr das Thema für ihre Semesterarbeit besprechen. Sicher wartet er nicht gerne, auch wenn sie eine gute Entschuldigung hat. Das Schminken muss heute ausfallen und auch Kaffee braucht sie keinen mehr, sie ist noch total aufgedreht. Die Olivia, die traut sich was, das wäre nichts für sie.
Rechtzeitig erreicht sie das Büro von Professor Gander. Er beendet eben noch ein Telefongespräch, dann wendet er sich ihr zu.
«Guten Morgen Frau Fuchs, haben sie verschlafen?»
«Warum, sieht man es?»
«Ja, auch einem älteren Mann fällt es auf, wenn man die Schönheit der Jugend ohne Korrekturen bewundern kann», versucht sich Professor Gander herauszureden. Die Bemerkung war ihm rausgerutscht, jetzt ist sie ihm peinlich. Die Anna hat so verführerische Augen. Da wird man als Mann leicht nervös, auch wenn er weiss, dass dieser Blick nicht ihm gilt, sie schaut immer so.
«Eigentlich bin ich sehr früh geweckt worden», entschuldigt sich Anna, «Olivia hat von Indonesien angerufen, leider hat sie die Zeitverschiebung nicht berücksichtigt, das Telefon klingelte bereits vor sechs Uhr früh.»
«Wie geht es ihr?», will der Professor wissen, «ist sie nicht auf einer abgelegenen Insel?»
«Ja, sie durfte mitten im Dschungel ein Satellitentelefon benützen, da wollte sie mich über die Ereignisse der letzte Tage informieren.»
«Eine sehr mutige Frau, ich bin gespannt was sie nach ihrer Rückkehr zu berichten hat.»
«Wenn sie wieder zurückkommt! - Ich mache mir Sorgen, es hat sich sehr abenteuerlich angehört, ich glaube am liebsten würde sie umkehren. Doch das geht jetzt nicht mehr.»
«Richtig, das wird leider nicht mehr möglich sein», bestätigt der Professor, «sind sie froh, dass Sie Wirtschaft als Fach gewählt haben, da bleiben ihnen solche Abenteuer erspart.»
«Das schon, dafür ist es eine trockene Angelegenheit.»
“Upps, das hätte sie besser nicht gesagt“, denkt sie.
«Finden Sie?»
Danach hält er ein kurzes Referat über die Herausforderungen, welchen sich die Weltwirtschaft zurzeit stellen muss. Nach einer halben Stunde verlässt sie mit einem Ordner das Büro des Professors. Er scheint überzeugt, dass nur die Wirtschaftswissenschaftler die Welt vor dem Kollaps retten können. Nur wie, das liess er offen. Das ist nun die Aufgabe einer kleinen Studentin.
Als sie in ihrer Studentenbude den Ordner durchblättert, stellte sie fest, dass es doch nicht so gemeint war. Sie muss lediglich die Zusammenhänge zwischen Wirtschaftsflaute und Arbeitslosigkeit untersuchen. Das hat doch etwas weniger mit der Rettung der Weltwirtschaft zu tun, als es ihr übermotivierte Professor angekündigt hatte. Viel einfacher macht es die Sache nicht. Sie wird sich vorerst auf die Suche nach Daten machen.
Nach drei Stunden intensivem Surfen im Internet, unterbricht sie die Arbeit. Sie hat noch ein Treffen mit Tim. Sie will mit ihm essen gehen. Vielleicht schleppt er sie danach noch in die Disco. Seit Olivia weg ist, kümmert sich Tim etwas mehr um sie. Da er durchaus angenehme Umgangsformen hat und dazu noch gut aussieht, hat Anna nichts dagegen.
Sie trifft Tim am Wettsteinplatz. Nach kurzer Diskussion steht fest, dass er Lust auf italienisches Essen hat. Die Pizzeria Picobello, ist ganz in der Nähe. Sie finden zwei Plätze und bestellen.
«Ich wurde heute bereits vor sechs Uhr geweckt!», beginnt Anna, «du wirst nicht glauben, wer mich geweckt hat?»
«Dürfte nicht schwer sein», sinniert Tim, «das kann nur Olivia gewesen sein.»
«Du bist unmöglich», beschwert sich Anna, «wieso findest du das so schnell heraus, das ist unfair.»
«Na, es musste jemand sein, welcher weit weg ist, in Basel würde es niemand wagen, dich um diese Zeit anzurufen. Da es sich zudem um eine gemeinsame Bekannte handeln muss, war das Rätsel nicht schwer. Was hatte sie zu berichten?»
«Sehr viel, der Anruf hatte sicher zwei Stunden gedauert. Sie fand mitten im Dschungel ein Satellitentelefon. Ich hatte den Eindruck, dass sie etwas Angst hat. Der Traum von einem Inselparadies hat sie sich vermutlich anders vorgestellt. Sie scheint tief im Schlamm zu stecken.»
«Ich war immer etwas skeptisch. Im Dschungel zu wohnen ist für uns zivilisierte nicht einfach. Olivia ist dickköpfig genug. Sie wird ihre Erfahrungen machen.»
«Sie hat übrigens versprochen, dir einige Steine mitzubringen.»
«Wieso das? Sie interessiert sich doch nicht für Steine?»
«Nun ganz einfach, ich habe sie darum gebeten», erklärt Anna stolz, «einer gute Freundin kann man keinen Wusch abschlagen.»
«Danke, ich bin schon froh, wenn sie überhaupt zurückkommt. Wenn sie einige Steine mitbringt, werde ich sie gerne untersuchen. Die Insel ist geologisch gesehen ein weisser Fleck auf der Karte.»
Der Kellner serviert das Essen und das Thema ist damit abgeschlossen. Später konnte sie Tim noch überreden, mit ihr den Fame Klubzu besuchen. So kann sie noch etwas für ihre Fitness tun. Sport ist sonst nicht ihre Sache, doch beim Tanzen ist sie Topfit. Im Verlauf des Abends rückte Tim immer näher, es kommt sogar vor, dass seine Hand ihren Busen streift, dieser Lüstling, alles wirkt rein zufällig. Dabei hätte sie gar nichts dagegen, wenn er richtig zupacken würde, doch das traut er sich nicht.
Drei Wochen später sitzt Anna wieder in ihrer Bude und grübelt über den zahlreichen Diagrammen, Statistiken und Berichten, die sie inzwischen gesammelt hat. Alles gut. - Material hat sie inzwischen reichlich, doch was soll man daraus herleiten?
Die Diagramme, welche sie ausgedruckt hat, zeigen, dass Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit eng miteinander verknüpft sind. Das ist eigentlich offensichtlich. Laufende Wirtschaft bedeutet viele Jobs. Wie soll man daraus einen Bericht verfassen. Nun zumindest kann sie mit ihren Diagramen den Zusammenhang belegen.
Sie ist vorerst zufrieden. Nun will sie erneut mit Tim ausgehen. Unter der Dusche denkt sie an Olivia. Wie geht es ihr im Urwald? Sicher kann sie sich unter einem kristallklaren Wasserfall duschen. Das muss herrlich sein. Doch dann bekommt sie Zweifel, so romantisch wird es wohl nicht sein. Überall wo sie hintritt ist der Boden schlammig, zum Essen gibt es nur Fische und ab und zu eine fette Made, nein wirklich, Olivia ist nicht zu beneiden.
Nun, sie ist selber schuld, sie hat sich freiwillig gemeldet. Einen Moment überlegt sie, ob man das Fernsehen haftbar machen kann? Nur auf Grund der Sendung über die Pfahlbauer von Pfyn, ist Olivia überhaupt auf eine so verrückte Idee gekommen.
Die Fahrt im Tram verscheucht ihre Gedanken an Olivia. Bald ist der Wettsteinplatz erreicht. Tim wartet schon, sie hat sich um eine Tram verspätet. Zum Glück ist er ein geduldiger Typ und lässt sich mit einer einfachen Entschuldigung abspeisen. In dieser Beziehung ist er ein kleiner Philosoph. Was man nicht ändern kann, muss man akzeptieren! ist sein Motto. Sicher wird er noch versuchen, sie zu mehr Pünktlichkeit zu erziehen, doch, zwanzig Minuten warten ist immer noch besser, als allein zu essen.
Tim schlägt vor, im schmalen Wurf zu essen. Anna hat nichts dagegen, sie will nichts riskieren, wenn er schon so lange warten musste.
Um ihn etwas abzulenken erkundigt sie sich, wie es mit seiner Semesterarbeit läuft. Dieses Thema ist genau die richtige Medizin, um seine Laune etwas aufzumuntern.
«Es ist ein interessantes Projekt», beginnt er, «so einfach, dass sogar ein Laie begreift, um was es geht. Wir klären ab, ob es Möglichkeiten gibt, dass man CO2 unterirdisch lagern kann, sodass es die Atmosphäre nicht mehr belastet.»
«Das müsste doch kein Problem darstellen», meint Anna.
«Eigentlich nicht, nur ist das Gas so leicht, dass es sich durch den Boden nach oben arbeitet, wenn man es nicht in einer gasdichten Gesteinsschicht einschliesst.»
«Das dürfte doch unter dem Meeresboden kein Problem sein.»
«Denkste, das Gas würde durch die Flüssigkeit hochsteigen, so einfach ist es nicht.»
Danach beginnt Tim ein kleines Referat, dass sich Anna schon reuig ist, das Thema angeschnitten zu haben. Wenigstens weiss sie jetzt, dass es nicht so einfach ist, die Welt zu retten. Nicht nur die Wirtschaft macht es einem schwer, auch die Natur wartet immer mit neuen Überraschungen auf.
Allerdings ist für Anna der heutige Abend gelaufen. Nach diesem Vortrag von Tim hat sie keine Lust mehr auf einen Diskobesuch. Das ist auch für ihr Budget besser, so kann sie wieder einiges einsparen.
Seit jenem Abend mit Tim hat sie sich wieder vermehrt ihrer Semesterarbeit gewidmet. Auch wenn sie gegenüber anderen Wissenschaften sehr offen ist, die Ökologie ist eher ein Feind der Wirtschaft. Wenn Tim nur nicht so gut aussehen würde. Sie will in warm halten, vielleicht wird er noch etwas mutiger, wenn er seine Arbeit abgegeben hat. Die Hinhaltetaktik ist auch für ihre Semesterarbeit von Vorteil. Sie ist froh, wenn sie etwas vorwärts kommt, wenn Olivia zurück ist, wird sie sicher weniger Zeit haben.
Olivia ist ein gutes Stichwort, eigentlich könnte sie jetzt wieder zurück sein, nur, so genau war ihr Aufenthalt nicht definiert. Den Rückflug wurde noch nicht gebucht. Olivia rechnete damit, dass sie nach drei Wochen genug vom Dschungel hat und froh ist, wenn sie wieder in die Zivilisation zurückkehren kann. Anscheinend gefällt es ihr als Jean im Dschungel. Womöglich hat sie noch einen Tarzan gefunden und kann sich nicht von ihm lösen. Als Optimistin geht sie eher von dieser Möglichkeit aus, die andere Alternativen macht ihr bedeutend mehr Sorgen. Was ist wenn sie, aus welchem Grund auch immer, nicht zurückkehren kann? Noch versucht sie diesen Gedanken zu verdrängen, mit jedem Tag den sie nichts hört, werden ihre Sorgen grösser und drängt sich diese Möglichkeit in den Vordergrund.
Heute Nachmittag hat sie noch ein Treffen mit Professor Gander. Das reicht als Ablenkung. Den ganzen Morgen ordnet sie ihr umfangreiches Material. Ein klares Konzept ist leider noch nicht auszumachen. Der Professor wird nicht begeistert sein. Sie hofft, dass sie ihn mit dem Thema Olivia ein wenig ablenken kann. Bis sie den fertigen Bericht abgeben muss, hat sie noch einige Wochen Zeit, doch wenn sie heute Minuspunkte holt, kann sie diese nur schlecht ausbügeln.
Diesmal ist sie fünf Minuten zu früh und sauber geschminkt. Sie will nicht, dass der Professor schon schlechte Laune hat, bevor sie ihm ihre Sammlung zeigen kann. Die Zeit die sie heute Morgen investiert hat, könnte etwas bringen. Die Tabellen sind alle in einem Ordner klassiert und bereits gut leserlich beschriftet.
«Grüezi Herr Professor!», mit gespieltem Optimismus betritt sie sein Büro.
«Ah, - Frau Fuchs», er reicht ihr die Hand, «diesmal sogar pünktlich. Sie steigern sich.»
«Olivia hat heute nicht angerufen», sie versucht sofort das Gespräch in die richtigen Bahnen zu lenken, «ich muss beinahe sagen, leider. Ich mache mir etwas Sorgen um sie.»
«Wie lange wollte sie bleiben?»
«Sie hat vom maximal sechs Wochen gesprochen. Ich ging jedoch davon aus, dass sie schon nach drei Wochen genug hat. Anscheinend täusche ich mich, das Leben ausserhalb der Zivilisation scheint doch Spass zu machen.»
«Warten wir ab, bis die sechs Wochen verstrichen sind», versucht sie Professor Gander zu beruhigen, «danach können wir versuchen mit dem Botschafter in Jakarta kontakt aufzunehmen.»
«Haben sie gute Beziehungen zum Botschafter?»
«Ich nicht, aber Professor Tobler. Er hatte mit ihm zu tun, als er sich um die Visa bemühte. Er und der Botschafter waren in der gleichen Studentenverbindung.»
«Das ist ausgezeichnet, gute Beziehungen sind sicher kein Nachteil.»
«So – nun zu Ihrer Arbeit», wechselt der Professor das Thema, «wir sitzen ja deswegen zusammen, wie sind sie vorangekommen?»
«Ach, ganz gut!», versucht Anna einen guten Eindruck zu vermitteln, «ich habe bereits viel Material gesammelt. Leider sind die meiste Daten zwei Jahre alt, für eine schlüssige Aussage sind sie zu alt, doch sie lassen eine Tendenz erkennen.»
«Gut, schauen wir uns die Daten an.»
Der Professor blättert im Ordner. Noch ist ihm nicht anzumerken, ob er zufrieden ist. Nach zehn Minuten hat er den Ordner durchgeblättert. Ab und zu stellt er eine Frage oder blättert wieder einige Seiten zurück.
Nach weiteren fünf Minuten klappt er den Ordner zu. Er zieht seine Brille aus und schaut Anna an: «Ist das alles?»
Anna ist überrascht, er hatte offensichtlich mehr erwartet. Was soll sie nun antworten.
«Ja, es gibt noch einige Tabellen, die mir unwichtig erschienen, deshalb habe ich sie noch nicht eingefügt, mehr konnte ich nicht finden. Die Daten sind einfach zu alt. Die Zahlen werden wie Staatsgeheimnisse gehütet».
«Ich weiss, Daten sind das Eine, damit bin ich zufrieden, doch wie sieht es mit eigenen Schlüssen und Ideen aus?»
«Die kommen noch!», versucht sich Anna herauszureden, «das Suchen nach Daten war zeitraubend, nun muss ich noch alles zu einem Bericht zusammenfügen, ich habe schon einige Versuche gemacht, doch es gab immer Probleme, entweder sind die Vorschläge nicht realisierbar, zu teuer oder politisch oder ethisch nicht vertretbar.»
«Lassen wir es für den Moment gut sein», der Professor erhebt sich, «ich erwarte noch einige Ideen, auch wenn sie politisch nicht realisierbar sind, als Student darf man auch ab und zu provozieren.»
«Ich werde es versuchen!», sie packt ihren Ordner in die Tasche und steht auf.
«Wenn Sie etwas von Olivia hören, möchte ich eine kurze Information – also, auf wieder sehen und bitte nur Mut. Provokation schadet nicht!»
«Auf wiedersehen Herr Professor!»
Als Anna das Büro verlässt, muss sie tief durchatmen. Geschafft, doch sie weiss auch, dass sie den Professor nicht überzeugt hatte. Es wird noch ein hartes Stück Arbeit, noch ist sie weit davon entfernt, die Welt zu retten.
Olivia sitzt müde auf ihrem Rucksack. Die fünf jungen Männer aus dem Dorf haben ihre fünf Körbe mit Studienmaterial bis zur Strasse getragen. Nun muss sie auf den LKW warten. Eigentlich sollte er bereits hier sein. Die Männer bereiten das Nachtlager vor, sie wird noch eine Nacht im Dschungel schlafen müssen, auch wenn der Lastwagen noch eintreffen würde, weit könnten sie nicht mehr fahren.
Zwischen Bäumen werden die Hängematten aufgehängt. Mit Blättern flechten sie ein einfaches Dach. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird es heute wieder regnen. Nach Sonnenuntergang, verschwinden alle in ihren Hängematten. Der Marsch war anstrengend.
Olivia hat sehr schlecht geschlafen, auch wenn sie sich inzwischen an das Schlafen in der Hängematte gewöhnt hat. Sie macht sich Sorgen, warum ist der Lastwagen nicht gekommen? Wie lange muss man auf ihn warten? Kommt er überhaupt noch?
Die Fragen beschäftigen sie die ganze Nacht und verfolgen sie im Traum. Soll sie zurück ins Dorf oder soll sie dem Lastwagen entgegen gehen? Die Entscheidung ist nicht einfach. Zurück ins Dorf möchte sie nicht mehr, schliesslich haben die Männer ihre Körbe zwei Tage lang durch den Dschungel getragen.
Als die Männer ihre Hängematten verlassen und sich um ein Feuer versammeln, schwingt sich auch Olivia aus ihrer Hängematte. Sie hat sich entschieden, sie wird dem Lastwagen entgegengehen. Nur weiss sie nicht, ob sie die Männer begleiten. Wenn sie zu ihrem Dorf zurückkehren, wird sie allein weiter marschieren, dann muss sie viel Studienmaterial zurücklassen. Insgeheim erwartet sie, dass die Männer sie nicht hängen lassen. Zumindest bis sie den Hügel mit dem Telefon erreicht, hofft sie auf ihre Unterstützung. Am Telefon könnte sie nachfragen, was los ist.
Nach dem Tee informiert sie die Männer über ihren Plan. Sie besprechen sich. Die meisten sind für umkehren, doch zwei setzen sich für sie ein. Schliesslich können sie die anderen überzeugen, dass man sie weiter begleiten muss. Man kann sie nicht allein dem Dschungel überlassen.
Schon kurze Zeit später machen sie sich in Einerkolonne auf den Weg. Auf der Strasse kommen sie recht gut voran. Olivia denkt zurück an ihre Zeit im Dorf. Die Bewohner sind ihr ans Herz gewachsen. Besonders die Frauen haben es ihr angetan. Die stoische Ruhe mit der sie ihren nicht einfachen Alltag meistern hat sie beeindruckt. Mit den Männern hatte sie etwas mehr Probleme. Sie sind stark in ihren Ritualen gefangen. Sie müssen dauernd darauf achten, dass sie sich richtig verhalten. Der ganze Tagesablauf wird diktiert. Sie arbeiten nicht so streng wie die Frauen, trotzdem ist ihr Tagesablauf nicht einfacher, alles wird ihnen genau vorgeschrieben. Im Gegensatz zu den Frauen, stehen sie unter einem starken Leistungsdruck. Ihre Jagt muss erfolgreich sein, sonst verlieren sie sofort an Ansehen.
Dass sich fünf Männer als Träger zur Verfügung stellten, ist etwas Aussergewöhnliches. Das Schleppen von Lasten ist eigentlich Frauensache. Nur der Umstand, dass Olivia die Träger mit Medikamenten bezahlen konnte, wertete ihre Arbeit auf. Auch wenn die Dorfbewohner für jede Krankheit ihre Kräuter kennen, hatten die Erfahrungen gezeigt, dass die Medizin der Weissen, in gewissen Fällen Vorteile bietet.
Die Gruppe kommt gut voran. Das Telefon werden sie jedoch heute nicht mehr erreichen. Sie müssen nochmals im Wald übernachten. Früher hätte sie Angst gehabt, Olivia befürchtete, dass sie von Tieren angegriffen werden. Inzwischen weiss sie, dass es im dichten Wald sehr selten zu Begegnungen mit Tieren kommt. Ob es so wenige Tiere hat, oder ob diese den Menschen ausweichen, konnte sie nicht feststellen. Die jungen Männer müssen tagelang durch den Wald ziehen, bis sie auf ein wildes Tier treffen. Lediglich Insekten scheinen sich im dichten Wald wohlzufühlen. Für alle anderen Tiere ist der Lebensraum Dschungel nicht attraktiv. Das Überleben ist hart.
Von der Strasse zweigt ein kaum sichtbarer Weg ab. In kurzer Zeit ist eine heftige Diskussion entbrannt. Die Männer wollen diesen Weg nehmen, da sie davon ausgehen, dass er in ein kleines Dorf führt. Olivia will eigentlich die Strasse nicht verlassen. Sie erinnert sich jedoch, dass die Strasse sehr weite ausholt, um die Steigung zur Passhöhe zu überwinden. Zu Fuss ist man auf dem direkten Weg sicher schneller.
Der Weg ist gut begehbar. Dies deutet darauf hin, dass er regelmässig benutzt wird. Olivia kann nicht feststellen, ob die Benutzer Tiere sind, oder ob es zu einem Dorf führt.
Nach einiger Zeit erreichen sie eine kleine Lichtung. Zwischen Baumkronen kann man die Felswand erkennen. Olivia ist beruhigt, die Richtung stimmt, es war durchaus eine Abkürzung. Die Felswand ist nicht so steil, wie es von oben ausgesehen hatte. Es besteht die Möglichkeit, über die Felswand hochzusteigen.
Durch Zeichensprache verständigt man sich, man will versuchen, an den Fuss der Felswand zu gelangen. Dort wird es einfacher voran zu kommen. Die Vegetation ist dort weniger üppig. Doch noch fehlt rund ein Kilometer. Der ausgetretene Weg endet bei einer Lichtung, die von einem kleinen Bächlein durchquert wird. Den Weg zur Felswand versperrt dichter Dschungel.
Da die Sonne schon relativ tief am Himmel steht, beschliessen sie hier zu lagern. An den Bäumen am Rande der Lichtung hängen sie ihre Hängematten auf. Die jungen Männer suchen Holz für ein Feuer. Vielleicht haben sie Glück und ein Tier besucht in der Abenddämmerung den Bach. Mit etwas Glück könnten sie es mit dem Blasrohr erlegen.
Es ist nicht einfach trockenes Holz zu finden, sie müssen einige Meter in den Wald eindringen. Das Holzsammeln überlässt Olivia den Männern. Sie entspannt sich und sucht eine Stelle, von der sie die Felswand beobachten kann.
Später gibt sie das Beobachten der Wand auf und schlendert den Waldrand entlang. Sie spürt eine gewisse Unruhe. Wie von unsichtbarer Hand geführt, zieht es sie plötzlich in den Wald hinein. Sie hat das Gefühl, dass der Wald an dieser Stelle weniger dicht ist. Sie kann ohne Probleme weiter in den Wald eindringen.
Dann bleibt sie plötzlich überrascht stehen, unter einem sehr grossen Baum steht eine Hütte. Es ist nur ein Bretterverschlag, doch der ist eindeutig das Werk eines Weissen. Die Hütte dürfte schon jahrelang nicht mehr benutzt worden sein. Sie hat keine Tür, lediglich ein alter löchriger Vorhang schliesst den Eingang. Olivia geht zurück und holt sich den Anführer der Träger. Er soll mit ihr die Hütte untersuchen. Nur unwillig folgt ihr der Führer ihn den Wald. Als er die Hütte bemerkt, will er sofort umkehren. Olivia kann ihn überreden, mit ihr die Hütte zu inspizieren. Mit einem brennenden Holzstück, leuchtet sie in die Hütte, während der Führer ihr ängstlich und mit viel Widerwillen folgt. Zwei einfache Betten stehen an den Seitenwänden. Gleich rechts neben dem Eingang gibt es eine Feuerstelle mit einigen Töpfen. In der Mitte erspäht sie ein Tisch auf dem eine Petrollampe steht.
Olivia ist erleichtert, die Hütte ist leer. Sie hatte schon befürchtet, eine Leiche anzutreffen. Doch dieser Anblick bleibt ihr erspart. Anscheinend hatte der oder die Bewohner die Hütte vor Jahren aufgegeben.
Kurz überprüft sie die Stabilität der Betten. Eines hält noch und besitzt oben an der Decke eine Einrichtung zur Befestigung des Moskitonetzes. Sie beschliesst, wieder einmal eine Nacht in einem Bett zu schlafen.
Von der Lichtung ertönt ein Geschrei. Zwei der Männer hatten Jagdglück und erlegten zwei hühnergrosse Vögel. Sie sind bereits am rupfen der Federn, sie werden später über dem Feuer gebraten.
Olivia hat ein Bein des gebratenen Huhns abgenagt. Es schmeckt beinahe wie ein Grillhähnchen zu Hause. Kurze Zeit später zieht sie sich in die Hütte zurück. In einem Bett zu schlafen, da kommt Vorfreude auf.
Bevor sie sich zur Ruhe legt, inspiziert sie die Hütte genauer. In einer Ecke findet sie eine Kiste. Sie ist mit einem durchgerosteten Schloss verschlossen. Sie muss sie mit Gewalt öffnen. Hat sie einen Schatz gefunden? Die Durchsuchung ist eine Enttäuschung, die Kiste enthält keinen Schatz, in ihr liegen nur zwei Schreibhefte. Die Seiten sind zusammengeklebt, es ist nicht möglich sie zu öffnen. Auf dem Umschlag kann sie die Jahreszahl 1942 entziffern.
Die Kiste scheint schon einige Jahre verschlossen hier zu liegen. Sie Verstaut die zwei Hefte in ihrem Rucksack. Das wird eine gute Übung für die Archäologiestudentin – Leni, die muss sich oft mit alten Schriften herumschlagen. Sicher kann sie die Hefte so präparieren, dass sie deren Inhalt entziffern kann.
Zufrieden legt sie sich im Schlafsack aufs Bett und verkriecht sich unter ihr Moskitonetz. Sie schläft herrlich, auch wenn sie einige Male erwacht und an die gefundenen Hefte denken muss. Wer lebte hier zur Zeit des Krieges? Sie wird es herausfinden, es könnte eine spannende Geschichte werden.
Am nächsten Morgen fühlt sie sich seit langem wieder ausgeschlafen. Das Schlafen in einem Bett hat schon Vorteile. Sie fühlt sich wesentlich besser. Nun gilt es, die Felswand zu bezwingen. Hoffentlich hat sie sich bezüglich der Steilheit nicht verschätzt. Wenn sie nicht mehr weiter kommen, könnte das fatale Folgen haben. Es kann nicht damit gerechnet werden, dass ihnen eine Rettungskolonne zu Hilfe eilt, sie sind auf sich allein gestellt.
Mühsam bahnen sich die Männer einen Weg durch den dichten Dschungel, bis sie die Felswand erreichen. Nochmals sucht sie die Wand mit dem Feldstecher ab. Sie ist Steil, doch nirgends überhängend. Dazu scheint der Fels sehr griffig zu sein. Nach langem Überlegen entscheidet sie sich, noch einige hundert Meter dem Fuss der Wand zu folgen. Sie sieht, dass sich weiter vorne die Felsen verworfen haben. Diese Verwerfung ist etwa ein Meter breit. Sie bildet einen schmalen Weg, der wesentlich weniger steil ansteigt und er bietet zusätzlichen Halt. Noch weiss sie nicht, wie berggängig die Männer sind.
Die Sorge, ob die Männer mit der Steilwand zurechtkommen, hat sich erübrigt. Wie Bergziegen erklimmen sie den steilen Pfad. Selbst das transportieren der Körbe auf ihren Köpfen scheint sie nicht zu behindern. An einigen Stellen müssen sie die Hände zu Hilfe nehmen, doch an diesen Stellen reichen sie sich die Körbe weiter. Der Aufstieg geht sehr ruhig und kontrolliert vor sich. Sie hat sogar Zeit, einige Steine aus der Wand auszubrechen, zu markieren, die Stelle zu fotografieren und den Stein in ihrem Rucksack zu verstauen. Tim wird über dieses Geschenk erfreut sein.
Bis gegen Mittag haben sie die Hälfte der Wand erklommen. Der obere Teil scheint eher etwas flacher zu sein. Zügig kommen sie voran. Immer wieder macht Olivia Fotos von der Wand und der überwältigenden Aussicht, die sich ihnen bietet. In den Schweizer Bergen ist es nicht schöner. Sie ist begeistert und verzeiht es dem Lastwagen, dass er nicht rechtzeitig gekommen ist. Vermutlich ist er noch nicht unterwegs. Das Geräusch würde man meilenweit hören. Ausser den üblichen Geräuschen des Dschungels ist nichts zu hören. Ab und zu brüllt laut ein Affe und Frösche quaken um die Wette.
Im Laufe des Nachmittags erreichen sie die Kante der Felswand. Die Hütte mit dem Telefon ist einige hundert Meter weite hinten. Stolz blickt Olivia die Wand hinunter. Kaum zu glauben, dass sie da hochgeklettert sind. Nun ist das Schlimmste überstanden. Auch wenn sie noch keine Ahnung hat, wie es von hier aus weiter gehen soll. Sie hat zumindest eine Möglichkeit, ihre Freundin anzurufen. Die wird erfreut sein, nachdem sie sich mittlerweile doch um einige Tage verspätet hat.
Sicher macht sich Anna mittlerweile Sorgen. Sie wird es ihr Verzeihen, wenn sie wieder mitten in der Nacht anruft. Sie will einfach nicht noch zwei Stunden warten, bis es in der Schweiz acht Uhr ist.
Der Mann, welcher das Telefon hütet ist über den Besuch erstaunt. Von dieser Seite erwartet er keinen Besuch. Für ihn galt die Felswand als unbezwingbar.
Nach der kurzen Begrüssung stellt Prior endlich die Verbindung her. Es knackt mehrmals in der Leitung, dann endlich der Summton, es läutet. Wie nicht anders zu erwarten war, dauert es lange bis sich Anna meldet: «Hallo – bist du’s Olivia?»
«Ja ich bin’s – Guten Morgen Anna. Entschuldige, dass ich wieder mitten in der Nacht anrufe.»
«Das macht doch nichts, die Hauptsache ist, dass du noch am Leben bist, ich habe mir solche Sorgen gemacht», dann war sie vorerst sprachlos, sie kämpft gegen die Tränen. In ihrer Fantasie hat sie sich schon die schlimmsten Geschichten zusammengereimt. Nun schämt sie sich dafür.
«Anna, mir geht es gut. Es hat nicht alles so geklappt wie es geplant war, doch jetzt habe ich zumindest das Telefon erreicht. Es war nicht einfach. Der Lastwagen ist nicht gekommen und wäre auch nie gekommen, er scheint endgültig den Geist aufgegeben zu haben. Genaues weiss der Mann, welcher das Telefon hütet leider nicht.»
«Das ist nicht so wichtig, die Hauptsache ist, dass du noch lebst», Anna findet langsam ihre Sprache wieder, «los erzähl, wie ist es dir ergangen.»
«Später, jetzt muss ich zuerst mein Problem lösen», unterbricht Olivia, «ich sitze hier rund hundert Kilometer von Meer entfernt auf einem Bergkamm und habe keine Ahnung, wie ich das Meer erreichen soll, zu einem Fussmarsch von hundert Kilometer habe ich keine Lust, die rund vierzig Kilometer, die bereits hinter mir liegen, reichen mir.»
«Kann ich dir helfen?»
«Ich weiss nicht, vielleicht sollten wir erst mal herausfinden, wie du mich erreichen kannst. Auf dem Apparat steht keine Nummer, ich weiss also nicht, ob du mich zurückrufen kannst. Momentan kannst du sicher nichts unternehmen, in der Schweizer schlafen alle noch, oder?»
«Ja vermutlich schon, was glaubst du, wie könnte ich dich erreichen?»
«Versuche bei der Telefongesellschaft herauszufinden woher der Anruf kommt», schlägt Olivia vor. «Ich werde in genau einer Stunde nochmals anrufen, vielleicht können sie den Anruf zurückverfolgen.»
«Gute Idee, ich werde mich darum kümmern.»
«Also bis in einer Stunde, tschüss Anna, danke!»
Gegen Abend hat Olivia es geschafft. Professor Tobler ruft sie an. Er verbreitet bei Olivia einen gewissen Optimismus, hat sie es tatsächlich geschafft? Professor Tobler wird versuchen, einen Helikopter zu entsenden. Noch ist nicht sicher, ob er eine Landebewilligung erhält. Da der Lastwagen offensichtlich nicht mehr repariert werden kann, wird die Lage sicher als Notfall eingestuft. Doch ohne Beziehungen wird es nicht gehen und einiges an Entwicklungsgelder werden auch fliessen müssen.
«Frau Hauser, Sie legen sich jetzt schlafen», erklärt ihr der Professor, «ich hoffe, dass wir Morgen etwas mehr wissen. Auf alle Fälle bleiben Sie da wo Sie jetzt sind, so können wir Sie erreichen. Bei ihnen wird es Nachmittag sein, bis wir uns melden, bitte nicht nervös werden. Ich wünsche eine gute Nacht.»
Damit ist das Gespräch beendet. Die Aussicht, dem Dschungel mit einem Helikopter zu entrinnen stimmt Sie optimistisch.
Nun verabschiedet sie sich von ihren Trägern, sie können in ihr Dorf zurück. Der Mann am Telefon hatte zum Glück noch etwas Salz und einige Speerspitzen aus Metall, welche Olivia ihm abkaufen konnte. So kann sie die Männer ohne schlechtes Gewissen, verabschieden. Sie werden als Helden in ihr Dorf zurückkehren. Beruhigt legt sich Olivia schlafen.
Da sie schon die vorherige Nacht gut geschlafen hat, ist sie bereits bei Sonnenaufgang munter. Sie nutzt die Zeit um die Umgebung zu Fotografieren. Sie kann sich nur schlecht mit dem alten Mann verständigen. Sie Essen gemeinsam, sonst geht sie eigene Wege. Der Mann ist mit sich selber beschäftigt. Die ständige Einsamkeit hat ihre Spuren hinterlassen.
Als die Sonne den Zenit überschritten hat, bleibt sie in der Nähe des Telefons. Sie will den Professor nicht warten lassen.
«Hallo Frau Hauser, sind Sie am Apparat.»
«Ja, hier spricht Frau Hauser», ruft sie in Telefon.
«Die Verbindung ist heute relativ schlecht. Also nur kurz, ich versuche einen Helikopter zu organisieren. Der Botschafter in Jakarta setzt alle Hebel in Bewegung. Es wird sicher noch zwei Tage dauern, ich hoffe, Sie halten es noch so lange aus.»
«Kein Problem, ich habe genug zu essen und schlafen kann ich auch. Auf einen Tag kommt es nicht an. Schauen sie, dass Sie dem Mann hier ein kleines Geschenk mitbringen können. Er schaut gut zu mir.»
«Machen wir, also, nochmals eine gute Nacht, ich melde mich Morgen nochmals.»
Drei Tage später landet Olivia in Ambon. Der Flug mit einem Armeehelikopter verlief ohne Probleme. Sie konnte ihr gesamtes Gepäck mitnehmen. Ambon, ist eine Stadt mit über zweihunderttausend Einwohnern. In der Universität logiert sie für drei Tage in einer Studentenbude. Einfach eingerichtet, aber mit richtigem Bett. Ihre gesammelten Gegenstände werden in einer Kiste verpackt, zum Hafen gefahren und per Schiff nach Europa verschickt. Die persönlichen Gegenstände packen sie in ihren Rucksack. Am Tag darauf sitzt sie bereits in einem kleinen Flugzeug, welches sie nach Bali bringt. Dort soll sie sich noch einige Tag erholen und anschliessen mit einem Charterflug in die Schweiz zurückfliegen.
In Bali wird sie im Flora Beatch Hotel in Kuta untergebracht. Dort ist es ihr zu laut. In einer Bar trifft sie eine Gruppe mit Tauchern, die bieten ihr an, sie für einige Tage nach Tulamben zu begleiten, dort sei es ruhiger. Im Ocean-Sun Ressort teilt sie sich mit einer anderen Taucherin das Zimmer.
Für den nächsten Tag bucht sie einen Tauchkurs, günstiger kann sie das Tauchbrevet nirgends machen. Am Ende des Kurses, taucht sie mit der Gruppe zur “Liberty“ ab. Das im zweiten Weltkrieg gesunkene Schiff hat ein einzigartiges Biotop geschaffen. Die Fische fühlen sich hier wohl und sind deshalb sehr zahlreich zu bestaunen. Diese Lebensfülle, einfach unglaublich. Auf engstem Raum leben gegen hundert verschiedene Tierarten. Vom Überlebenskampf ist nichts zu sehen. Die Fische leben friedlich in den Tag hinein. Gross und klein schwimmt aneinander vorbei, meistens ohne Angst. Jeder respektiert den Sicherheitsabstand. Dass es unter den bunten Fischen auch Räuber gibt, fällt nicht auf. Zu selten packen die Räuber zu. Meistens gelingt den möglichen Opfern die Flucht. Was für ein Gegensatz zum Dschungel. Dort führt jedes Lebewesen einen dauernden Kampf ums Überleben. Man geht jedem anderen Tier aus dem Weg. Wenn eine Begegnung nicht mehr zu verhindern ist, führt es sofort zu einem Kampf auf Leben und Tod. Hier im Wasser wirkt alles so friedlich. Olivia ist begeistert und muss vom Führer am Ende aufgefordert werden, aufzutauchen, sie hatte die Zeit vergessen.
Nach einer Woche gehen die Ferien der Tauchergruppe zu Ende. Sie darf mit der Gruppe im Bus nach Denpasar mitfahren. Im Internet bucht Olivia noch den Rückflug in die Schweiz. Auch wenn ihr der Aufenthalt in Bali sehr gut gefallen hat, sie freut sich auf die Heimreise. Endlich wieder in Basel, das ist zu verlockend. Sie hat Heimweh. Sie freut sich auf die Schweiz. Sie vermisst ihre Freundinnen.
Am Flughafen Zürich wird Olivia von Tim und Anna abgeholt. Sie ist froh, dass sie nicht mit dem Zug nach Basel fahren muss. Tim hat den Audi von seinem Vater ausgeliehen. Er muss lediglich das Benzin zahlen. Solche Eltern sollte man haben, denkt Olivia, doch das ist ein anderes Thema. Im Moment freut sie sich über die herzliche Umarmung von Anna. Die scheint sich echt zu freuen. Anscheinend macht es ihr nichts aus, dass sie die Wohnung nicht mehr für sich allein beanspruchen kann.
Auch Tim umarmt sie stürmisch und gibt ihr die obligatorischen drei Küsse auf die Wange. Mit einem Seitenblick beobachtet sie Anna. Ist sie eifersüchtig auf Tim? Anscheinend nicht. Sie hatte ihn ja acht Wochen für sich beanspruchen können. Entweder funkt es in dieser Zeit, oder man lässt es sein. Immerhin vertragen sich die Zwei noch, viel kann Olivia also nicht verpasste haben. Ausserdem ist sie vom langen Flug müde und hat kein Verlangen zum Flirten.
«Nun erzähl doch, was hastet du die ganze Zeit gemacht», will Anna wissen, «wurdest du die ganze Zeit von Männern verführt?»
«Ach die Männer! Du interessierst dich sicher für das unterm Lendenschurz. Da muss ich dich enttäuschen, das erinnert eher an die hängenden Gärten von Babylon. Es war selten, dass sich ein Lendenschurz aufrichtete, dies passierte ab und zu, wenn ich mit einem Kerl allein Pflanzen einsammelte und er in meinen Ausschnitt schaute. Da stellte ich fest, dass sie recht gut bestückt sind.»
«Du bist unglaublich», protestiert Anna, «als ob ich nur an das Eine denke, ich bin doch kein Mann!»
«Entschuldigung, ich wusste nicht, na lassen wir das. Zurück zu den Männern, die hatten zu viel zu tun, das Beschaffen der Nahrungsmittel erfordert im Dschungel einen grossen Aufwand. Die Jagt ist nicht einfach, da brauchst du Tage, um ein paar Kalorien aufzutreiben.»
«Du meinst, die brauchen die gesamte Zeit, um sich die Lebensmittel zu beschaffen», fragt Anna nach, «das ist nicht besonders wirtschaftlich, ich hoffe, du konntest ihnen zeigen, wie man es besser macht.»
«Nein, ich war nicht als Entwicklungshelfer im Dorf», berichtigt Olivia, «das Leben dort ist nicht so hektisch wie hier, die Bewohner sind den ganzen Tag beschäftigt ihren Kalorienbedarf zu decken.»
«Sie haben sicher Zeit, das Leben zu geniessen», meint Tim, «was machen Sie zur Entspannung?»
«Wenn sie etwas Zeit haben, dann sind sie kreativ tätig. Sie flechten einen Korb oder schnitzen eine Figur. Die Männer basteln dauernd an ihren Blasrohren oder Pfeilbogen herum, sie versuchen sich steht’s zu verbessern, diese Eigenschaft scheint dem Menschen angeboren zu sein.»
«Eine erstaunliche Feststellung», meint Tim, «diese Eigenschaft scheint selbst im Dschungel nicht zu verkümmern, je härter die Bedingungen, umso mehr ist man gefordert, wirklich eine erstaunliche Feststellung.»
«Machst du dich lustig über diese Menschen?»
«Nein, keineswegs, es war nicht ironisch gemeint, ich bewundere die Leute, die sich unter solchen Bedingungen durchschlagen müssen. Allerdings befürchte ich, wenn sie sehen, wie man anderswo lebt, werden sie sich auf den Weg machen, um das einfachere Leben zu suchen.»
«In diesem Dorf besteht keine Gefahr. Die sind so abgelegen, dass wirklich keine Kontakte zur Zivilisation hergestellt werden kann.»
«Sie hatten doch Kontakt zur Zivilisation», bemerkt Anna, «allein deine Anwesenheit war genug Kontakt, die werden sich fragen, wozu du dies und jenes Utensil benötigst, dann müssen sie nur noch eins und eins zusammenzählen, dann kommen sie schon drauf wie der Hase läuft.»
«Sicher war meine Anwesenheit eine Provokation für die Leute», versucht sich Olivia zu erklären, «deshalb bin ich auch nicht als Entwicklungshelferin hingegangen, im Gegenteil, die Leute hatten Mitleid mit mir, weil ich im Dschungel so hilflos war. Das war auch der Grund, warum ich keine moderne Ausrüstung mitnehmen durfte. Deshalb hatte ich kein Mobiltelefon mit dabei, lediglich der Fotoapparat wurde mir von der Regierung gestattet. Ich benutzte ihn übrigens recht selten und wenn, nur so, dass es niemand bemerkte. Ich habe auch keine Fotos gezeigt, wenn sie mich mit dem Apparat hantieren sahen, wussten sie nicht, was ich damit mache.»
«Schon gut Olivia», beruhigt Anna, «du musst dich nicht verteidigen, ich denke, du hast es schon gut gemacht. Jetzt ist es eh zu spät, die Dorfbewohner müssen deinen Besuch verkraften. So wie du es erzählst, werden sie es schaffen.»
Inzwischen verlassen sie bereits die Autobahn, schon bald sind sie zu Hause in ihrer Studentenwohnung. Olivia freut sich auf ihr Bett, auf eine Bratwurst und viele andere Kleinigkeiten, auf die sie die letzten Wochen verzichten musste.
Am späteren Vormittag macht Anna Kaffee. Vorsichtig klopft sie an die Türe von Olivia.
«Hast du Lust auf feinen Bohnenkaffee?»
«Da kann ich nicht nein sagen, ich bin schon einige Minuten wach, ein Kaffee ist genau richtig.»
«Gut, ich hole zur Feier des Tages noch frische Brötchen in der Bäckerei, ich bin in drei Minuten zurück.»
«Mit was habe ich das verdient», fragt Olivia, als Anna von der Bäckerei zurückkommt.
«Nun, du hast mir gestern bei meiner Semesterarbeit sehr viel geholfen.»
«Ich?», fragt Olivia verwundert, «ich habe doch gar nichts Schlaues gesagt, ich war viel zu müde.»
«Doch hast du!», erklärt Anna, «die Bemerkung über die Dorfbewohner, welche sich den ganzen Tag abmühen müssen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, damit triffst du einen wunden Punkt in unserm Wirtschaftssystem.»
Das war nun Olivia zu hoch. So früh am Morgen war sie noch nicht in Stimmung zu grossen Diskussionen. Sie ist zufrieden, dass sie Olivia helfen konnte.
«Wir benötigen nur siebzehn Prozent unserer Tagesarbeit zur Beschaffung der Nahrungsmittel. Wenn wir sie Importieren, ist der Prozentsatz noch tiefer.»
«Und, wenn schon, was hat das mit der Wirtschaft zu tun?»
«Es trifft genau ins Schwarze. Uns ist es langweilig, wir wissen nicht mehr, womit wir uns beschäftigen müssen. Jahrelang war die Autoindustrie unser Motor, welcher die Wirtschaft am Leben hielt. Nun hat beinahe jeder sein Auto, zudem wird die Lebensdauer der Autos immer länger, der Absatz stagniert. Da hilft auch Werbung nichts mehr, die Menschen haben sich abgestumpft. Zudem ist inzwischen jedem klar geworden, dass ein grosses Auto kein Statussymbol mehr ist, die Probleme mit der Umwelt reduzieren den Anreiz zusätzlich.»
«Da erzählst du doch nichts Neues», wirft Olivia ein, die eigentlich noch zu wenig wach ist, um eine solche Diskussion zu führen.
«Jede Kultur nutzte die überschüssige Zeit damit, Dinge zu bauen, die keinen direkten Nutzen bringen. Als bestes Beispiel fallen mir die Pyramiden ein. Weil das Niltal so fruchtbar war, musste man nicht jeden Mann in der Landwirtschaft einsetzen. Bereits die Pharaonen wussten, dass der Mensch eine Beschäftigung braucht, sonst wird er unzufrieden. Deshalb begannen sie, die Pyramiden zu bauen. Sie mussten die Kriegsgefangenen beschäftigen und entschieden sich, Pyramiden zu bauen, wie die Geschichte zeigt, eine lohnende Investition in die Zukunft, noch heute profitieren die Menschen am Nil von den Touristen, welche die alten Bauwerke bestaunen wollen.»
«Jetzt bist du ganz übergeschnappt», entsetzt sich Olivia, «die Pyramiden wurden von den Pharaonen aus reiner Geltungssucht und aus ihrer Überzeugung, dass sie nach dem Tod ein neues Leben erwartet, gebaut. Nur deshalb versuchten sie möglichst viel mitzunehmen und liessen die Pyramiden bauen.»
«Natürlich stimmt das, doch bedenke, wenn sie neunzig bis hundert Prozent zur Nahrungsbeschaffung hätten aufwenden müssen, hätten sie die Pyramiden nie bauen können, weil ihnen die Bauarbeiter verhungert wären. Ist doch logisch – oder!»
«Ja, so gesehen hast du Recht, doch was hat das mit unserer Wirtschaft zu tun?»
«Sehr viel, zu jeder Zeit setzten die Menschen ihre überschüssigen Ressourcen für Dinge ein, die es nicht unbedingt braucht. Ein zweites Beispiel, die Dombauten im Mittelalter, hier zeigt sich auch deutlich, wie die Finanzierung geregelt wurde. Leute die nicht direkt mit dem Bau zu tun hatten, mussten durch hohe Steuern den Bau finanzieren.»
«Ja und die armen Familien sind dabei beinahe verhungert.»
«Schon, doch es hatte gereicht, die Kirchen stehen in unseren Städten, wie viele Leute dabei ihr Leben hergeben musste, das interessierte niemand. Das Leistungsprinzip spielte schon damals, nur wer arbeitet und Leistung bringt, hatte ein Recht zu überleben.»
«Das ist doch eine gewagte Theorie, die würde ich nicht herumerzählen.»
«Natürlich gilt dieses Prinzip heute nur noch bedingt, die Menschen sind sozialer geworden, wir können uns Wohltätigkeit leisten.»
«Zum Glück, mit dem Mittelalter möchte ich mich nicht beschäftigen, das war mir zu grausam. Da bin ich mit meinen Pfahlbauern besser bedient, die hatten es friedlicher.»
«Schon, damals gab es noch genügend Raum, die Gegend war nur dünn besiedelt, sicher haben auch sie ihre Probleme gehabt. Einfach war das Leben auch damals nicht, das müsstest du besser wissen als ich.»
«Nur waren die Probleme ganz anders gelagert als heute, die Sorgen galten der Gemeinschaft, die Familie war alles», erklärt Olivia.
«Die hatten Glück, sie haben einen guten Zeitpunkt erwischt, um hier zu leben. Sicher waren schon zu jener Zeit nicht alle Leute frei in unserem Sinne, sie wurden von den Häuptlingen gut kontrolliert», stellt Anna nüchtern fest.
«Ja vielleicht, doch wer sich an die Regeln hielt, lebte angenehm, es ist halt so, dass man der Gemeinschaft dienen muss, das ist doch nicht schlimm», verteidigt sich Olivia.
«Solange die Häuptlinge nicht zu mächtig werden, ist das in Ordnung. Doch wer kontrolliert die Leute, die zu viel Macht an sich gerissen haben, da hat der Einzelne keinen Möglichkeit mehr sich zu wehren.»
«Danke für den Kaffee, ich bin noch nicht in Stimmung, solche Diskussionen zu führen. Ich glaube ich brauche noch etwas Ruhe, ich fahre mit dem Bike auf den Blauen, ich muss mich etwas sammeln, der Kulturschock wirkt noch zu stark.»
«Wie du willst, es wird dir gut tun. Ich muss mich sowieso an meinen Bericht halten, dank dir weiss ich jetzt wenigstens was ich schreiben muss».
Olivia rüstet sich für ihren Trip mit dem Mountainbike zum Blauen. Das ist der Hausberg der Basler.
Anna zieht sich an ihren Schreibtisch zurück und schreibt an ihrer Semesterarbeit. Die Diskussion mit Olivia hat sie so richtig beflügelt. Zumindest bekommt der Professor einiges zu lesen, ob er davon begeistert ist, wagt sie zu bezweifeln. Sie ist jetzt so richtig in Fahrt gekommen. Für ihre Theorie, dass sich die Menschen mit angeblich unnötigen Dingen befassen müssen, wenn sie ihre Grundbedürfnisse befriedigt haben, findet auch in der Neuzeit viele Bespiele. Der Autobahnbau der Nazis und das Apollo-Projekt der Amerikaner sind nur die bekanntesten Beispiele.
Im einundzwanzigsten Jahrhundert haben die Menschen in Europa zwei Probleme, erstens ist das Vertrauen in das Geld gesunken und zweitens, - vermutlich der Auslöser des Ganzen, hat sich die Autoindustrie derart in eine Überproduktion gesteigert, dass es in diese Richtung nicht mehr weiter geht. Alternativen, wie die Rüstungsindustrie, die Produktion von Luxusgütern und das Gesundheitswesen, stossen ebenfalls an ihre Grenzen. Beim Militär ist es sogar so, dass, zumindest in Europa, eine Abbauphase eingeleitet wurde, dies kostet zusätzliche Arbeitsplätze. Das alles kombiniert mit den Umweltproblemen, macht eine Lösung nicht einfacher. Die Wirtschaft braucht mittelfristig neue Ziele.
Inzwischen ist Olivia mit dem Regionalzug drei Stationen aus der Stadt herausgefahren. Wieder mit einem Fahrrad fahren, ein anstrengendes aber schönes Erlebnis. Noch steigt die Strasse nur leicht an, da kommt sie noch gut voran, doch später auf dem Waldweg, wird es schwieriger. Schon mit dem Kies auf dem Weg hat sie grössere Probleme, als dann der Weg noch stärker ansteigt, muss sie absteigen und das Bike schieben. Sie schiebt das Bike nicht gern, früher fürchtet sie die mitleidigen Blicke der anderen Biker, doch heute ist sie allein im Wald, also kein Grund, sich zu quälen, schliesslich muss sie ihre Form zuerst wieder finden.