Mutter, Dämmer - Klaus Bonn - E-Book

Mutter, Dämmer E-Book

Klaus Bonn

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Beschreibung

Die vorliegende Studie ist eine digitale Neubearbeitung und Erweiterung eines Büchleins, das sich mit dem Mutter-Tod aus der Sicht hinterbliebener Söhne befasst. Der erste Teil widmet sich vor allem Arbeiten von Wilhelm Raabe, Peter Handke, Ludwig Fels, Péter Esterházy, Albert Camus, Roland Barthes und Georges Bataille. Überlegungen zum Medium der Fotografie und seiner Affinität zum Tode machen einen Schwerpunkt dieses Teils aus. Im Sinne eines Exkurses widmet sich der schmalere zweite Teil Goethe und dem Pathografen Möbius. In einigen autofiktionalen Streifgängen passt sich der Verfasser dem Textgeschehen ein.

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Seitenzahl: 108

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Mutter, Dämmer

Mutter, DämmerVorbemerkungZur digitalen NeuausgabeTeil 1Teil 2Impressum

Mutter, Dämmer

Vorbemerkung

„Aber mein Herz schlug noch zu jugendlich: sie war noch nicht in mir gestorben, die Mutter alles Lebens, die unbegreifliche Liebe.“

(Hölderlin, Fragment von Hyperion)

Mutter, Dämmer

– das ist der Versuch eines Einbruchs der Sprache in den kaum spektakulären Fortlauf eines Lebens, der mit einem Ortswechsel, dem Umzug ins andere Land, und dem dauerhaften Zusammensein mit einem geliebten Menschen, eine nahezu erschütternde Wende nahm. Nicht damals schon, als die Mutter gestorben war, dämmerte mir, ins Wanken gebracht, auch der feste Entschluss, etwas zum Thema zu schreiben. Fluchtwege boten sich an, in zwei längere Reisen, allein, in ausgedehnte, Tage umspannende Lektüren, Flaubert, Barthes und Goethe. Letzterem verdankte ich, in jeglichem Sinn, Trost, den beiden anderen das rauschhaft Glück umfangenden Lesens. Dabei hegte ich, seit jenem Tod, den losen Wunsch, irgendwann, später, neben alltäglichen Verpflichtungen zum Broterwerb, einen Versuch zu wagen, der um Mütter, ihre An- und Abwesenheit kreiste. Sporadisch machte ich Notizen zu einem fernen Text, der Rolands Mutter heißen sollte, doch schien mit der Festlegung des Titels auch Projekt vorerst Genüge getan. Erst mit dem Leben in Ungarn und der universitären Tätigkeit dort gebärdete sich das Vorhaben als dringlicher. Und nach drei Jahren fing ich mit der Arbeit so recht an. Das große Buch, das die Einbildungskraft ausgebrütet hatte, sollte es nun nicht mehr werden. Es sollte überhaupt noch etwas werden.

Die Lektüre der drei Erzählungen von Söhnen zum Muttertod sowie Wilhelm Raabes Roman Die Akten des Vogelsangs gaben dann den grundlegenden Ausschlag zum Dämmer des Schreibens. Der hier gegebene zweite Teil des Versuchs galt zunächst als randständige Skizze zu einem Vortrag anlässlich einer internationalen Goethe-Konferenz in Budapest. In der jetzigen erweiterten Form fügt er sich, wenngleich gewiss nicht nahtlos, so doch zuweilen als dessen Variation mit Reprisen, mit anderen Haupt- und Seitenwegen, an den ersten Teil an.

Der Versuch folgt schließlich ganz dem Diktum des Novalis, der das Fragment qualifiziert hatte als eine interessante Gedankenfolge – hoffentlich dies auch im vorliegenden Fall – , die weiterzuführen dem aufmerkend Lesenden aufgetragen sei, also dem Schreibenden auch als Lesendem.

Debrecen, im Frühjahr 1999

Zur digitalen Neuausgabe

1999 – da stand das Internet noch auf wackligen Beinen. Die Recherche von Titeln fand überwiegend vor Katalogen und Karteikästen in Bibliotheken statt. Die Fertigstellung des gelben Büchleins, das in der Reihe der Deutschen Hochschulschriften herauskam, lief ausschließlich über das papierne Manuskript und die Verschickung von Druck- und Korrekturfahnen von einem Land in das andere auf dem Postweg.

Längst existiert das Imprint der Deutschen Hochschulschriften unter der Frankfurter Verlagsgruppe nicht mehr. Die Lagerbestände, sofern von den Autoren nicht zurückgekauft, wurden gehäckselt. Auch antiquarisch ist der Titel nicht mehr auffindbar. Der „geliebte Mensch“ von dazumal lebt und arbeitet inzwischen an einem anderem Ort. Die Fotos aus meiner Kindheit, deren Abzüge der Vater mir übergeben hatte, sind wieder verloren, jedenfalls ist die Suche nach ihnen ohne Erfolg geblieben.

Was ich bedaure: Damals war Roland Barthes Journal de Deuil, Notate, die der Sohn einen Tag nach dem Tod der Mutter vom 26. Oktober 1977 bis zum 15. September 1979 auf Zetteln hinterlassen hat, noch nicht erschienen. Von seinen wenigen Blättern zu einem Projekt, das er Vita Nova nannte, die er im Juni 1979 redigierte, einem Text, in dem die Mutter eine zentrale Rolle spielen sollte, wusste ich nichts. Ich will hier nur zwei Stellen aus dem Trauer-Buch zitieren. Sie bedürfen keines Kommentars. Zum einen eine Notiz vom 18 Mai 1978: „Je pense: mam. n’est plus là et la vie stupide continue.“ Zum anderen vom 21. August 1978: „Pourquoi aurais-je envie de la moindre postérité, du moindre sillage, puisque les êtres que j’ai le plus aimés, que j’aime le plus, n’en laisseront pas, moi ou quelques survivants passés? Que m’importe de durer au-delà de moi-même, dans l’inconnu froid et menteur de l’Histoire, puisque le souvenir de mam. ne durera pas plus que moi et ceux qui l’ont connue et qui mourront à leur tour? Je ne voudrais pas d’un «monument» pour moi seul.“1

Für die digitale Ausgabe habe ich den Text vollständig überarbeitet, erweitert und die Rechtschreibung angepasst, ohne seine grundlegende Ausrichtung zu verändern. Bemerkungen zu Donald Antrim und Christian Baron stammen, selbstredend, aus der jüngsten Zeit. Die Ausgaben, aus denen ich damals zitiert habe, sind als Nachweise beibehalten worden.

Saarbrücken, im Sommer 2022

Roland Barthes,

Journal de Deuil

. Texte établi et annoté par Nathalie Léger. Paris 2009, 131 u. 196.

Teil 1

„Zwischen den neuen Mauern der Fabriken, Mietshäuser, Tanzlokale war’s allein die alte Frau, die Mutter Veltens, welche, wie sie es dem Sohne versprochen hatte, nicht von ihrer Heimstätte gewichen war und trotz des neuen Lebens, das ihr von allen Seiten unbehaglich, spöttisch, ja drohend sich andrängte, ihr Häuschen, ihr Gärtchen, ihre lebendige Hecke festhielt.“1

Das karikierend Dantes vita nuova zitierende neue Leben des Industriezeitalters, das mit manifester Lohnarbeit, einer Anonymisierung der Wohnstätten und der Verbreitung von Amüsierbetrieben aufwartet, sieht, allegorisch, den Erstickungstod der Mutter Amalie Andres vor. Mit ihrem letzten Atemzug verfliegt auch die verbindliche Idee eines anfänglichen, alphabetisierenden Gründens, wofür die Initialen ihres Namens, A. A., noch einstehen, der Mythos der sich zum Besten ihres Sohnes aufopfernden, alleinerziehenden Mutter. Ihr Tod, Folge eines aufgebrochenen Lungenödems, löst das Versprechen, das sie dem Jungen gab, sie werde seine Rückkehr an den heimisch vertrauten Ort erwarten – ein Versprechen, dessen Einlösung die Veränderungen um den Ort längst selbst zunichte gemacht hatten. Der einzige Sohn, der seinen Vater nur aus Erzählungen der Mutter gekannt hat, war einer jungen Frau in Liebesangelegenheiten nach Amerika hinterher gereist und, erfolglos in seinem Bemühen, danach zu einer „Weltwanderung“ aufgebrochen, wohl wissend um die unverbrüchliche Bindung von Mutter und Sohn über alle geografischen Entfernungen hinweg. Ein Jahr nach der Wiederkehr des Sohnes hat die Mutter zu atmen aufgehört. Habseligkeiten und Erinnerungsstücke des musealen mütterlichen Hausrats verbrennt oder verscherbelt der Nachfahr und verlässt den Ort auf Lebenszeit. Das Geschäft der Erinnerung ist sein Anliegen nicht. Velten Andres schreibt nicht. Die paar Briefe, die sein Chronist und Freund Krumhardt in Akten aufbewahrt, dienen der Mitteilung mehr als einer Erkundung des eigenen psychischen Apparats. Erinnerungsarbeit leistet ein anderer, der Freund eben, nach Andres‘ Tod. Und wie später die schreibenden Söhne, denen die Mutter gestorben ist, hegt er Zweifel daran, dass die Schrift ein verlässliches Medium für seine Zwecke sei. „Schreibe ich denn übrigens nicht auch jetzt nur deshalb diese Blätter voll, weil ich doch mein möglichstes tun möchte, um mir über diesen Menschen, […], klarzuwerden?“2 Doch ist die Schrift, der ein Schreibender, wie skeptisch auch immer, sich ergeben hat, das einzige Medium seiner Zeit, das, wider die kommunikative Funktion der Sprache, für ein Nicht-Mitteilbares einsteht, das „im Dunkel“ bleiben muss. Unter der Hand gerät der avisierte Tatsachenbericht zur selbstreflexiven Befragung und psychoanalytischer Wiederholung von unbewusst Verdrängtem. Mag sein, dass bereits auf Raabes Akten  aus dem Jahr 1896, mit Einschränkungen, zutrifft, was F.-A. Kittler zur Charakteristik des Aufschreibesystems um 1900 bezüglich Rilkes Aufzeichnungen anmerkt: „Das Medium Schrift kehrt seine Kälte hervor; es ist Archivieren und sonst nichts. Deshalb kann es das Leben nicht ersetzen, darstellen, sein, sondern nur erinnern, wiederholen, durcharbeiten. Etwas gegen die Furcht tun heißt sie selber aufschreiben.“3

Wenn im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts von Söhnen über Muttertode in der europäischen Literatur gehandelt wird, stellt sich die auf die Zeitenwende um 1800 gerichtete Frage nach dem Verhältnis vom „Minimalsignifikat“ Mutter und daraus resultierender dichterischer Tätigkeit erneut.4 Wer, wie Velten Andres, die Spuren der Mutter, den Ort seiner Kindheit aus dem Gedächtnis zu tilgen sucht, der wird nicht zum Schreibstift greifen. Das Vergangene soll ihm vergangen, das Verlorene vergessen bleiben. Mit der Schrift, die anderen Söhnen aus dem Tod der Mutter zuwächst, beginnt die Arbeit am Vorgang einer zweiten Geburt, Ausgang des Uterus zur Öffnung eines eigenverantwortlichen Lebens allein, das spätestens jetzt ohne die Mutter auskommen muss. Es stimmt zwar, dass „gedruckte Klagen über den Tod von Mensch oder Subjekt […] allemal zu spät“5 geraten, doch Texte, die vom Tod eines nahestehenden Menschen künden, schrumpfen darum nicht zu bloß faktischen Datenträgern herab, sondern tangieren gerade jene „Gefühlslage“, die in Kittlers Datenvermittlungsströmen der „Nachrichtennetze“ zur Belanglosigkeit verunglimpft wird. Dass der Schreibprozess nicht darauf verlegt ist, Leben zu supplementieren oder darzustellen, sondern eine Form von Leben selbst ist, macht schon der erste Satz aus Ludwig Fels‘ Erzählung vom Sterben der Mutter (1990) kenntlich: „Auch eine Art Leben, über den Tod zu schreiben: man nimmt sich Zeit für die Ewigkeit.“6 Das Schreiben, das den Tod zu seinem Thema macht, arbeitet im strikten Sinne an einer Überwindung der zeitlichen Bedingtheit menschlichen Daseins, des Sterbenden oder Gestorbenen selbst wie der des Schreibenden. Die Arbeit, und insbesondere die Schreibarbeit, ist, nach einer Überlegung Ludwig Hohls, „nichts anderes als aus dem Sterblichen übersetzen in das, was weitergeht.“7 Das Fortdauernde, über den Tod hinaus, wird die Schrift sein von gelebtem Leben, dem zur Sprache zu kommen verwehrt geblieben ist zu Lebzeiten. Sie teilt das Sterbliche, als dessen Teil sie wirkt.

*

Albert Camus’ Skizzen zum Roman vom Ersten Menschen zeugen von jener Geburt des Sohnes aus der Obhut einer Mutter, die, aus der Sicht des Schreibenden, kaum je dem Bannkreis des Todes entriet. Die Mutter erscheint als leibhaftig anwesende Verkörperung des Todes, ein wiederholtes Bild, das den Sohn sein eigenes bevorstehendes Ableben imaginieren lässt. Schon in L’envers et l’endroit (1937) war der Mutter ein Ort zwischen Licht und Schatten, Leben und Tod beschieden. Der Schrecken, auch die Einschüchterung, die von ihrer Erscheinung ausgeht, der stille Sog des Betörens, rufen die Verklärung der Schrift auf den Plan, mit der Notwendigkeit einer Lösung ihres Banns. In den Entwurf-Blättern des Nachlasses findet sich der emphatische Aufruf an eine als Kind zu Hegende, Vergötterte: „Ô mère, ô tendre, enfant chéri, plus grande que mon temps, plus grande que l’histoire qui te soumettait à elle, plus vraie que tout ce que j’ai aimé en ce monde, ô mère pardonne ton fils d’avoir fui la nuit de ta vérité.“8 Oft kehrt das Bild einer reglos schweigsamen Frau wieder, „isolée dans sa demi-surdité, ses difficultés de langage“,9 platziert auf einem unbequemen Stuhl im Esszimmer, den starren Blick auf das mit Läden verschlossene Fenster gerichtet, durch deren Ritzen noch das Abendlicht von der Straße herauf in den Raum dringt. Die chtonische ‚Wahrheit‘: Für den Nachfahr ist es die unleugbare Verschmelzung der Mutter-Erscheinung mit der mediterranen Landschaft, die einträchtig seine eigene Herkunft bezeugt. Es ist die schicksalsergebene Dürftigkeit, die geistige wie materielle Genügsamkeit, die das Leben der Mutter charakterisierende Ignoranz und Erinnerungslosigkeit, ihre tropische ‚Nachtseite‘ eben, die den Sohn zur Flucht veranlasst. Le premier homme, dessen Manuskript am Todestag seines Autors aufgefunden wurde, ist angelegt als ein Text zur Spurensuche des ungekannten, im Krieg von 1914 gefallenen Vaters, vierzig Jahre später. Die Mutter, ihr monumentales Bild auch, wird den Sohn überleben. Nur einmal ist die Mutter gestorben, zu Beginn des ersten Romans, nachdem sie über drei Jahre in einem Altenasyl untergebracht war. Die Unfähigkeit, der Toten gegenüber in der Öffentlichkeit Trauer zu bezeigen, hat dem Sohn das Etikett des Indifferenten, Fremden eingetragen. Von der flüchtigen Freundin auf die schwarze Krawatte angesprochen, verspürt Meursault den Impuls, sich freizusprechen von einer Mitschuld am Tod der Mutter. Doch unterbleibt der Versuch einer Rechtfertigung, stattdessen bekennt er: „De toute façon, on est toujours un peu fautif.“10 Auch wenn dieser Satz, von Meursault ausgesprochen, als halbherzige Phrase der Allgemeingültigkeit vorkommen mag, wirkt die Frage nach der Schuld sich als konstitutiv für alle Texte von Söhnen zum Tod ihrer Mütter aus. Sie ist das Treibende aller Arten des Schreibens post mortem, von Drehbüchern, Partituren, Erzählungen und Tagebüchern. – Péter Esterházy wird die Stelle aus Camus‘ Étranger als Anhang zum ersten Abschnitt seiner Notate der Szív segédigéi zitieren.

*

Die Mutter ruft von der Pritsche aus dem Halbdunkel des Raums: ‚Geh nun! Du musst dich selbst zurechtfinden im Leben!‘ Ich bin schon etwas von ihr abgewandt, stehe da mit meinem Bündel in dem kleinen Raum, der unser Gefängnis war, und ich weiß, sie wird bald sterben.

*

Esterházys Buch ist im ungarischen Original als Teilstück einer Textsammlung unter dem Titel bevezetés a szép irodalomba (Einführung in die schöne Literatur) 1985 veröffentlicht worden.11 Noch im selben Jahr erschienen die Szív segedigéi in der deutschen Übertragung von H.H. Paetzke als Roman Die Hilfsverben des Herzens. Unter der Bezeichnung ‚Roman‘ hat das Teilstück aus dem Konnex sich für eine deutschsprachige Leserschaft verselbstständigt – aus verkaufstechnischen Gründen vermutlich: ‚Roman‘ Genanntes lässt sich besser absetzen als verstörend unter dem Verdacht der Theorie stehende Einführungen in die schöne Literatur, zumal dann, wenn der Autor als gänzlich Unbekannter auf dem Markt präsentiert wird. In diesem Sinne folgte als zweite Publikation in deutscher Sprache ein weiterer selbstständiger Teil aus der bevezetés als Erzählung mit dem Titel Wer haftet für die Sicherheit der Lady?, erneut übersetzt von Paetzke. Darauf erschienen noch die Miniaturen als Kleine ungarische Pornographie in der Übersetzung von Zsuzsanna Gahse.

An dieser Stelle sei auf Abweichungen der Übersetzung vom Original hingewiesen. Verloren geht freilich im Deutschen der Bezug zum spielerisch selbstironischen Umgang mit Nutzen und Wert von Einleitungen. Im Vorwort liest man, dass die zeitgenössischen Geschichten, wie auch immer sie seien, einer Einleitung entbehrten: „Csak bevezetésük nincs. Ezért határoztam el, hogy ezt a történetet úgy írom meg: igényeljen bevezetést.“12 Das Vorwort zur Einleitung der Einleitung lässt ahnen, dass es, in seiner beständigen Nachläufigkeit, im Stadium des Vorläufigen verharren müsse. Der Satz „MINDEZT MAJD MEGÍROM MÉG PONTOSABBAN IS“, ungarische Übertragung des Schlusssatzes aus Handkes Wunschloses Unglück,13 am unteren Rand der letzten Seite des Textes, konterkariert das Wort „Vége“ (Ende), das, allein, an der oberen Grenze derselben Seite steht. Dazwischen haust die Leere des weißen Papiers. Das liturgische „Az Atyának és Fiúknak“, mit dem der Text nach dem Vorwort seine Litanei Seite für Seite fortschreibt und sich in den begleitenden Zitatteil der jeweils unteren Blatthälften erstreckt, setzt den Rahmen für die Schrift, die selbst in schwarze Trauerrechtecke gefasst ist, wie man sie von brieflichen Beileidsbekundungen sonst kennt, jede Seite Teil einer Folge von Trauernachrichten, -geschichten, mit Zitaten, die kein chronologisches oder numerisches Ordnungsgefüge von sich aus verlangen. Im Deutschen fallen diese schwarzen Ränder weg, was die Lesart einer kontinuierlich sich abwickelnden ‚Geschichte‘ begünstigt.

Die Wiedergabe der Bemerkung zum Tag der Beerdigung – „egy nehéz nap napja“ – als „A HARD DAY’S DAY“14 rückt die Art des Meinens merklicher in die Nähe des Beatles-Schlagers A hard day’s night, als das eine direkte Übertragung ins Deutsche, etwa als ‚Tag eines scheren Tages‘, vermocht hätte.



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