Nachhaltige Unternehmensführung - Ursula Binder - E-Book

Nachhaltige Unternehmensführung E-Book

Ursula Binder

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Beschreibung

Ein besonderes Augenmerk richtet das Buch auf nachhaltige Unternehmensführung in kleinen und mittleren Betrieben. Die Autorin entwickelt ein Regelwerk, das Unternehmen bei der nachhaltigen Ausrichtung nutzen können. Die Leser erhalten damit effektive Unterstützung, wenn es darum geht, Nachhaltigkeitsmaßnahmen umzusetzen. Inhalte: - Definitionen und Anwendungsbereiche der Nachhaltigkeit. - Institutionen, die sich bereits um Nachhaltigkeit in der Wirtschaft kümmern. - Arbeitsmittel: Leitfäden, Checklisten zur Entwicklung eines Anforderungsprofils.

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Seitenzahl: 243

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Inhaltsverzeichnis

VorwortEinleitungWie ist es zu diesem Buch gekommen?Was bezwecke ich mit diesem Buch und wie ist es aufgebaut?1   Wann hat das mit der Nachhaltigkeit angefangen?1.1   Was haben weise Holzwirtschaft und Fischereigrundsätze gemeinsam?1.2   Nachhaltigkeit in Deutschland2   Was man unter dem Wort Nachhaltigkeit versteht2.1   Nachhaltigkeit – viel mehr als „dauerhaft”2.2   Die „Dreieinigkeit” der Nachhaltigkeit: Ökonomie, Ökologie, Soziales3   Ist uns Nachhaltigkeit überhaupt wichtig?3.1   Umweltbewusstsein und Umwelthandeln3.2   Verantwortung4   Institutionen, die sich um Nachhaltigkeit kümmern4.1   Ein kurzer Überblick4.2   Bundesregierung4.3   UN Global Compact4.4   Deutsches Institut für Normung4.5   Verein Deutscher Ingenieure (VDI)5   Konzepte zur Messung von Nachhaltigkeit5.1   Gibt es „das” Tool zum Messen von Nachhaltigkeit?5.2   Nachhaltigkeitsagenturen und Indizes5.3   Leitfaden der GRI5.4   Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK)5.5   DIN EN ISO 14001, ISO 50001 und EMAS5.6   DIN ISO 260005.7   VDI-Richtlinie 40706   Aktuelle Beispiele für nachhaltige Unternehmensführung6.1   Die besten KMU in der Nachhaltigkeitsberichtserstattung6.2   Banken6.3   Lebensmittelproduzenten/Einzelhandel (REWE, Hipp & Co.)6.4   Bekleidung, Drogerieartikel etc.7   Strategien für eine nachhaltige Unternehmensführung7.1   Nachhaltige Unternehmensführung – welche „Baustellen” gibt es?7.2   Die Basis-Checkliste7.3   Die erweiterte Checkliste: Leitfaden für intelligentes, zukunftsfähiges Wirtschaften7.3.1   Gründerpersonen, Inhaber, Investoren, leitende Angestellte7.3.1.1   Integrität und Loyalität7.3.1.2   Antikorruption7.3.1.3   Der Nachhaltigkeit ernsthaft verpflichtet7.3.1.4   Fachkompetenz7.3.1.5   Führungskompetenz7.3.1.6   Soziale Kompetenz und soziale Verantwortung7.3.2   Produkt/Dienstleistung7.3.2.1   Umweltauswirkungen und Ressourcenverbrauch7.3.2.2   Technische Entwicklungen7.3.2.3   Entsorgung und Recycling7.3.2.4   Sicherheit7.3.2.5   Nutzung regenerativer Energien7.3.2.6   Ist das Produkt ethisch vertretbar?7.3.3   Kunden7.3.3.1   Langfristige Kundenbeziehungen, Kundenbindung7.3.3.2   Transparente Preisgestaltung7.3.3.3   Ehrliche, vollständige Information7.3.3.4   Sicherheitsorientiertes Handeln7.3.3.5   Keine Bestechung7.3.4   Konkurrenz7.3.5   Standort7.3.5.1   Billiglohn- und Billigproduktionsländer7.3.5.2   Einhaltung der Menschenrechte überall7.3.5.3   Kurze Transportwege7.3.6   Preis7.3.6.1   Kein Wucher7.3.6.2   Kein Ausnutzen einer Monopolstellung7.3.6.3   Angemessene existenzerhaltende Preisgestaltung7.3.7   Vertrieb7.3.7.1   Umweltschonende Vertriebswege7.3.7.2   Fair Trade7.3.8   Werbung7.3.8.1   Keine irreführende Werbung7.3.8.2   Keine Bedarfe erzeugen, die nicht da sind7.3.9   Lieferanten/kooperierende Unternehmen7.3.10   Rechtsform7.3.10.1   Langfristigkeit unterstützende Rechtsformen7.3.10.2   Gewinnorientierung nicht an erster Stelle7.3.11   Organisation7.3.11.1   Flache Hierarchien7.3.11.2   Direkte Beteiligung der Mitarbeiter7.3.11.3   Klare Arbeitsabläufe und Verantwortlichkeiten7.3.12   Mitarbeiter7.3.12.1   Einhaltung der Menschenrechte, keine Kinderarbeit, Antikorruption7.3.12.2   Niedrige Fluktuation7.3.12.3   Gute Arbeitsbedingungen7.3.12.4   Angemessene Entlohnung7.3.12.5   Einhaltung angemessener Arbeitszeiten7.3.12.6   Gleichstellung von Mann und Frau7.3.12.7   Wertschätzung älterer Arbeitnehmer7.3.12.8   Integration von Mitarbeitern mit anderem kulturellem Hintergrund7.3.12.9   Integration von Langzeitarbeitslosen7.3.12.10   Ausbildung, Weiterbildung, Schulung7.3.12.11   Beteiligung an Entscheidungen7.3.12.12   Einsatz entsprechend den Fähigkeiten und Vorlieben7.3.12.13   Keine Diskriminierung7.3.12.14   Angemessene Managergehälter7.3.13   Chancen und Risiken7.3.13.1   Risikomanagement7.3.13.2   Chancen zur langfristigen Existenzsicherung nutzen7.3.14   Finanzierung7.3.14.1   Existenzsichernd langfristig finanzieren7.3.14.2   Keine spekulativen Anlagen7.3.14.3   Integre Investoren, nachhaltig wirtschaftende Banken7.3.14.4   Investitionen im Sinne der Nachhaltigkeit7.3.14.5   Ausreichende Gewinne7.3.14.6   Jederzeit liquide sein7.3.15   Soziales, gesellschaftliches, kulturelles EngagementSchlussDanksagungQuellenverzeichnisInternetquellen von Firmen und InstitutionenSonstige QuellenAbkürzungsverzeichnisStichwortverzeichnisImpressum

Vorwort

Was ist am Allerwichtigsten?

Eines Tages kam ein chinesischer Dichter zu einem berühmten buddhistischen Lehrer, um von ihm über die Lehren Buddhas unterrichtet zu werden. Er fragte den Meister, was das Allerwichtigste in der buddhistischen Lehre sei. Dieser antwortete: „Füge niemandem Schaden zu und tue immer Gutes.”

Der Dichter war enttäuscht und verärgert und sagte zu dem Meister: „Das ist aber eine dumme Antwort. Jetzt bin ich von so weit hierhergekommen, weil es heißt, du sollst so ein großer Lehrer sein und bekomme von dir eine Antwort, die mir auch ein dreijähriges Kind geben könnte.”

Darauf antwortete der Lehrer: „Mag sein, dass ein dreijähriges Kind das Gleiche sagen könnte, aber die Schwierigkeit ist, es in die Tat umzusetzen, und das selbst für einen so gelehrten Mann wie mich.”

Buddhistisches Märchen

Einleitung

Erfolg

„Was heißt Erfolg? Oft und viel lachen, die Achtung intelligenter Menschen und die Zuneigung von Kindern gewinnen, die Anerkennung aufrichtiger Kritiker gewinnen und den Verrat falscher Freunde ertragen, Schönheit bewundern, in anderen das Beste finden, die Welt ein wenig besser verlassen, ob durch ein glückliches Kind, ein Stück Garten oder einen kleinen Beitrag zur Verbesserung der Gesellschaft; wissen, dass wenigstens das Leben eines anderen Menschen leichter war, weil du gelebt hast. Das bedeutet, nicht umsonst gelebt zu haben.“

Ralph Waldo Emerson

Wie ist es zu diesem Buch gekommen?

Ein Kollege hat kürzlich in einer Teambesprechung gesagt: „Die Nachhaltigkeitspäpste von heute sind doch nur die älter gewordenen Ökos von früher.” Er meinte das durchaus abfällig und ich habe mich angesprochen gefühlt. Aber tatsächlich hat mich seine Äußerung nicht verletzt oder auch nur unangenehm berührt, sondern sogar ein bisschen froh gemacht. Ich dachte schon manchmal, ich hätte meine Ideale verraten und wäre im Laufe der Jahre politisch „nachgedunkelt”, weil ich Greenpeace nur noch finanziell unterstütze und immer noch die Grünen wähle, obwohl sie inzwischen als etablierte Partei in unserem Land schon fast zu den „Bürgerlichen” zählen. Immerhin hat der Kabarettist Dieter Nuhr vor einiger Zeit in einem seiner Programme gesagt, als er die besonderen Errungenschaften unserer Generation schildern wollte: „Die Jutetaschen, das waren wir.”

Aber wenn das stimmt, was der Kollege sagt, dann habe ich mich nur meinem Alter und meiner Lebenserfahrung entsprechend entwickelt und kämpfe nach wie vor für die gleichen Ideale, nein, sogar für etwas Umfassenderes als „nur” den Umweltschutz. Denn Nachhaltigkeit hat – wie ich später noch erläutern werde – (mindestens) drei Säulen: die ökologische, die ökonomische und die soziale.

Ja, zugegeben, ein bisschen eingeschlafen war ich schon, bis mein Mann mir in einer abendlichen Diskussion über „Gott und die Welt” den Spruch vor die Füße warf: „Wenn ihr Professoren das nicht anpackt, wer denn dann?” Das hat mich nachhaltig (!) beeindruckt und aufgerüttelt. Vielleicht hätte ich sogar irgendwann mit meinem Beruf als Professorin gehadert, weil ich mich immer weniger ausgerechnet mit dem Thema „Controlling” in der Form, wie es in unserer Gesellschaft und Wirtschaft benutzt und gelebt wird, identifizieren konnte. Tatsächlich aber haben sich gerade in diesem Beruf ungeahnte Möglichkeiten ergeben, die das Controlling (die Ökonomie) nicht verteufeln, sondern in einen integrativen Ansatz aufnehmen, der aber nicht dem Neo-Kapitalismus das Wort redet, sondern eher so etwas wie eine wahrhaft ökosoziale Marktwirtschaft schaffen will.

Daher organisiere ich für das Jahr 2014 an der Fachhochschule Köln einen „Hochschultag Ökosoziale Marktwirtschaft & Nachhaltigkeit”1 mit Unterstützung des Studentennetzwerks für Wirtschafts- und Unternehmensethik sneep2 (student network for ethics in economics and practice) und Prof. Dr. Dr. Franz Josef Radermacher3 vom Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung an der Universität Ulm.

Meine Studenten halten mich manchmal für etwas verschroben, und unter meinen Kollegen gibt es einen, der mir im Vertrauen gesagt hat, dass seine Studenten ihm erzählt hätten, ich sei auch für verrückte Projekte zu haben. Daraus ergibt sich eine wundervolle begrenzte Narrenfreiheit, die ich ausgiebig nutze und in deren Genuss auch einige meiner Studenten kommen, die die Einladung zum Mitgestalten annehmen. Wie z. B. die kleine Gruppe von Studenten, die bereit war, ein Projekt mit mir zu starten4, für das wir im letzten Jahr die Auszeichnung als UN-Weltdekade-Projekt 2005 – 2014 Bildung für nachhaltige Entwicklung5 bekommen haben, obwohl es keine Creditpoints dafür gab und bis heute nicht klar ist, ob wir es tatsächlich „zum Laufen bringen” werden. Und das in einem Fach wie Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Controlling! Das finde ich schon bemerkenswert.

Was bezwecke ich mit diesem Buch und wie ist es aufgebaut?

Natürlich besteht bei einem so tief gehenden Thema immer die Gefahr, dass es missionarisch oder gar diktatorisch daherkommt. Das wäre nicht einmal als Allerletztes meine Absicht, weil das in Allem genau dem widersprechen würde, wofür Nachhaltigkeit steht.

Vielleicht will ich aber tatsächlich mit diesem Buch, den Projektarbeiten und meinen Vorlesungen ein bisschen die Welt verbessern. Und ich kann wahrhaftig in jedem Moment das vertreten, was meine authentische Erfahrung und Überzeugung ist bei gleichzeitigem Zuhören und Respektieren von anderen Überzeugungen. Ich stehe für eine klare Ausrichtung und ich stehe dafür gerade.

Mir ist vollkommen bewusst, dass ich mit meinen Äußerungen und Forderungen teilweise radikal und unduldsam wirke. Ich hoffe aber sehr, dass niemals der Eindruck entsteht, dass ich aus einer arroganten Besserwisser- und Bessermacher-Position spreche. Wenn ich Forderungen aufstelle, stelle ich sie immer auch für mich selbst auf.

Und bei einer Prüfung, ob ich selbst alle Kriterien, die ich aufstelle, musterhaft einhalte, wird es zu Widersprüchen kommen. Diese Widersprüche sind menschlich und ich verzeihe sie mir genauso wie jedem anderen. Klar, es gibt ein paar „No-Gos”. Aber es gibt auch eine Menge Grauzonen, innerhalb derer jeder seine Position da finden muss, wo er mit seinen Widersprüchen zwischen Anspruch und Wirklichkeit leben und trotzdem immer noch morgens in den Spiegel gucken kann.

Deshalb bietet dieses Buch auch keinen Standard-Kriterienkatalog an, der wie ein Pflichtenheft abgearbeitet wird, woraufhin es dann gut ist. Auch wenn ich die von mir formulierten Anforderungen „Checkliste” genannt habe, heißt das nicht, dass es damit getan ist, einmal im Jahr die Liste durchzugehen, den Status festzustellen und zu PR-Zwecken nach außen zu dokumentieren, um sie dann wieder für ein Jahr wegzulegen. Die Checkliste ist eher wie ein Talisman zu benutzen, der jederzeit hervorgeholt werden kann und sollte, um uns immer wieder neu an unsere Ziele zu erinnern. Und damit erstatten wir zunächst einmal nur uns selbst regelmäßig Bericht.

Und das sind die Inhalte der folgenden Kapitel:

Wann hat das mit der Nachhaltigkeit angefangen?

Kleiner geschichtlicher Abriss

Was man unter dem Wort Nachhaltigkeit versteht.

Der Versuch einer Definition, fernab von Werbesprüchen für Produkte zur „nachhaltigen Entfernung von Schuppen”

Ist uns Nachhaltigkeit überhaupt wichtig?

Schreiben wir uns die Nachhaltigkeit nur auf die Werbe-Fahne, oder stehen wir wirklich dafür ein?

Institutionen, die sich um Nachhaltigkeit kümmern

Bundesregierung, UN Global Compact, GRI, DIN, VDI

Konzepte zur Messung von Nachhaltigkeit

Aktuelle Beispiele für nachhaltige Unternehmensführung

dm, Hipp, Demeter & Co.

Strategien für eine nachhaltige Unternehmensführung

Die Checkliste

Schluss

Noch ein kleiner Hinweis: Ich habe in diesem Buch, wie schon in meinem Buch „Schnelleinstieg Controlling”, darauf verzichtet, der männlichen Form einer Bezeichnung immer auch die weibliche anzufügen, wie z. B. bei „der Unternehmensleiter/die Unternehmensleiterin”. Ich finde, dass es den Lesefluss stört und es hat nach meiner Ansicht uns Frauen nicht wirklich weitergeholfen, dass wir mit den Männern in einen Topf geworfen werden und gemeinsam als MitarbeiterInnen oder UnternehmensleiterInnen bezeichnet werden. Mein Textverarbeitungsprogramm gibt mir auch gerade das Signal, dass ich da in den zwei Wörtern etwas falsch geschrieben habe. Wie auch immer, Sie finden in diesem Buch jeweils nur die männliche Bezeichnung, auf die weibliche Form habe ich verzichtet, und ich hoffe, dass ich damit keine Leserin verärgere. Es wäre jedenfalls sehr schade, wenn Sie sich dadurch vom Lesen dieses Buchs abhalten lassen würden.

1Hochschultage Ökosoziale Marktwirtschaft & Nachhaltigkeit: http://www.hochschultage.org/

2sneep: http://www.sneep.info/

3Professor Dr. Dr. F. J. Radermacher: http://www.faw-neu-ulm.de/node/41

4Fachhochschule Köln, Projekt ReparaTour meets ProfiL2: http://www.verwaltung.fh-koeln.de/aktuelles/2012/12/verw_msg_05480.html

5BNE: Datenbank der UN-Dekade BNE: http://www.dekade.org/datenbank/index.php

1   Wann hat das mit der Nachhaltigkeit angefangen?

Bambus

„Wer die Welt nicht von Kind auf gewohnt wäre,müsste über ihr den Verstand verlieren.Das Wunder eines einzigen Baumeswürde genügen, ihn zu vernichten.“

Christian Morgenstern

1.1   Was haben weise Holzwirtschaft und Fischereigrundsätze gemeinsam?

Hans Carl von Carlowitz, Oberberghauptmann am kursächsischen Hof in Freiberg (Sachsen), hat 1713 in seiner „Sylvicultura oeconomica” in Deutschland zum ersten Mal offiziell das Einhalten nachhaltiger Handlungsweise gefordert. Er verlangte, dass immer nur so viel Holz geschlagen werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung wieder nachwachsen konnte.

Das Prinzip des nachhaltigen Handelns ist aber wohl als Überlebensstrategie und Vereinbarung unter Menschen schon viel älter. In Südamerika gibt es z. B. einen See, dem die Indianer den Namen „Manchau gagog changau gagog chaugo gagog amaug” gegeben haben, was sinngemäß bedeutet: „Ihr fischt auf eurer Seite, wir fischen auf unserer Seite und keiner fischt in der Mitte.”1 Mit dem Einhalten solcher selbst formulierter Regeln übernimmt jeder Einzelne Verantwortung für den Erhalt der Ressourcen, die das Überleben nachfolgender Generationen gewährleisten.

Entwicklungen unserer Zeit wie Ölkrisen, Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung zeigen sehr deutlich, dass die Anforderungen an Nachhaltigkeit global und komplex sind. Es gibt nicht nur die Verantwortung jedes Einzelnen, der Ressourcen verbraucht oder zerstört, für die Erhaltung oder Erneuerung dieser Ressourcen in seinem direkten Umfeld zu sorgen, sondern es sind auch globale Auswirkungen z. B. des Verbrauchs nicht erneuerbarer Energien oder des CO2-Ausstoßes zu berücksichtigen. Das erfordert ein Regelwerk, das weit über die oben als Beispiele genannten lokalen Verabredungen hinausgeht und das genau deshalb sehr schnell sowohl an nationale Grenzen gerät wie auch an Grenzen von Interessengruppen.

In modernen Zeiten wurde das Thema Nachhaltigkeit international von den UNO-Umweltkonferenzen aufgenommen, erstmals 1972 in Stockholm, dann alle zehn Jahre (Stockholm 1982, Rio de Janeiro 1992, Johannesburg 2002) bis zuletzt 2012 in Rio de Janeiro.

Es gibt zwei internationale Organisationen, die sich sehr intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen: der UN Global Compact und die GRI (Global Reporting Initiative). Sie stellen zusammen tief gehende Regeln (UN Global Compact) und umfangreiche Hilfestellungen zum Reporting (GRI) zur Verfügung, mit deren Hilfe jede Organisation die Einhaltung der Mindestgrundsätze für Nachhaltigkeit konkret überprüfen kann. Darüber hinaus lässt sich aus einer großen Vielzahl von angebotenen Kenngrößen ein individueller Kriterienkatalog zusammenstellen, der es ermöglicht, international anerkannte Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen.

Diese Reporting-Unterstützung wird inzwischen bereits von vielen (vornehmlich großen) Unternehmen genutzt. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wird empfohlen, zunächst mit einer kleinen Auswahl an Berichtspunkten zu starten, die die GRI-Checkliste vorgibt. Insgesamt wirkt meiner Erfahrung nach das Gesamtsystem aber eher abschreckend auf KMU und das ist einer der Gründe dafür, warum ich in diesem Buch eine „abgespeckte” Liste anbiete, die auch für KMUs geeignet ist, weil sie weniger standardisiert und dafür besser individualisierbar ist.

1.2   Nachhaltigkeit in Deutschland

Seit 2002 hat die Bundesrepublik Deutschland eine eigene nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Über diese informiert sie in Fortschrittsberichten, die die Erfolge auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit aufzeigen sollen (zuletzt 2012, Schwerpunkte: nachhaltiges Wirtschaften, Klima und Energie sowie Wasserpolitik)2.

Im Fortschrittsbericht 2012 werden die Leitlinien der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wie folgt formuliert3:

Leitlinien der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie

„Die Strategie [...] zielt [...] auf Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialen Zusammenhalt und internationale Verantwortung.”

Besonders herausgehoben werden in dem Bericht die Themen aus folgenden Politikbereichen4:

Nachhaltige und tragfähige Finanzpolitik

Nachhaltige Mobilität

Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion

Erhaltung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen

Gesundheit

Soziale Eingliederung, Demografie und Migration

Globale Herausforderungen in Bezug auf Armut und nachhaltige Entwicklung

Allgemeine und berufliche Bildung

Forschung und Entwicklung

Auf Bundesebene hat das Bundeskanzleramt die Federführung für die Nachhaltigkeitsstrategie und -politik. Alle Ressorts sind (theoretisch) an der Umsetzung beteiligt.

Tatsächlich besitzt Nachhaltigkeit als politisch-strategisches Thema aber „nur geringen Stellenwert in Exekutive und Legislative”, wie aus einer Studie des WWF in Zusammenarbeit mit der Leuphana Universität Lüneburg5 hervor geht.

Obwohl Nachhaltigkeit als Querschnittsthema über alle Ministerien definiert und organisatorisch gerade nicht im Umweltbereich angesiedelt wurde, wird es von den meisten Bundesministerien immer noch für ein Thema aus dem Bereich Umwelt gehalten. Von einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie ist die Bundesregierung also noch meilenweit entfernt.

Vielleicht ist das auch mit ein Grund dafür, warum die nationale Nachhaltigkeitsstrategie, der eine Vorreiterrolle zugedacht ist, noch nicht genügend Wirkung gezeigt hat und in der Bevölkerung praktisch nicht als solche wahrgenommen wird. Es wirkt ein bisschen so, als handle die deutsche Politik – hier, wie in vielen anderen Bereichen – mehr oder weniger losgelöst von den Bedürfnissen der Bevölkerung. Nicht nur, dass die Ausrichtung der Bundesregierung in der Bevölkerung nicht wahrgenommen wird, sie hat auch keinen Einfluss auf das Handeln der Bürger. Wie die Menschen in unserem Land mit dem Thema Umwelt und Nachhaltigkeit umgehen, schildere ich in Kapitel 3 „Ist uns Nachhaltigkeit überhaupt wichtig?”.

1vgl. Spindler, Edmund A.: Geschichte der Nachhaltigkeit. Vom Werden und Wirken eines beliebten Begriffes, S. 2: http://www.nachhaltigkeit.info/media/1326279587phpeJPyvC.pdf

2Die Bundesregierung: Nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Fortschrittsbericht 2012: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Publikation/Bestellservice/2012-05-08-fortschrittsbericht-2012.pdf?__blob=publicationFile

3ebenda, S. 22

4ebenda, Kapitel E, S. 177 ff.

5WWF Deutschland (Hrsg.): Politikbarometer zur Nachhaltigkeit in Deutschland. Mehr Macht für eine nachhaltige Zukunft: http://www.leuphana.de/fileadmin/user_upload/Forschungseinrichtungen/infu/files/NachhaltigeVerwaltung/Dokumente/OEffentlicher_Bereich/Sonstiges/WWF_Politikbarometer_WEB_Final.pdf, S. 113

2   Was man unter dem Wort Nachhaltigkeit versteht

Glück

„Glücklich leben und naturgemäß leben ist eins.“

Marcus Lucius Annaeus Seneca

2.1   Nachhaltigkeit – viel mehr als „dauerhaft”

Einen wichtigen Hinweis möchte ich bereits an dieser Stelle geben: Mir geht es in diesem Buch nicht darum, den Begriff „Nachhaltigkeit” lediglich als einen schlagkräftigeren Ersatz für das Wort „dauerhaft” zu verwenden, sondern um viel mehr.

Im Kontext der seit 1972 alle 10 Jahre abgehaltenen internationalen Umweltkonferenzen sowie dem sogenannten Brundtland-Bericht1 und der Agenda 21 (Ergebnis der Umweltkonferenz in Rio 1992) sind verschiedene Definitionen für Nachhaltigkeit aus politischer Sicht entstanden. Die grundlegendste und gleichzeitig umfassendste Definition entstammt wohl dem Brundtland-Bericht von 1987:

Definition: Nachhaltigkeit (Brundtland-Bericht von 1987)

„Nachhaltige Entwicklung befriedigt die Bedürfnisse der Gegenwart ohne die Möglichkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.”

Diese Definition ist aber gleichzeitig so umfassend, dass es einer Konkretisierung bedarf, um sie in Handlungsanweisungen umsetzen zu können.

Im Schlussbericht der Enquetekommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten”2 wird erwähnt, dass der Begriff Sustainable Development (nachhaltige Entwicklung) zum ersten Mal in der Weltnaturschutzstrategie der International Union for Conservation of Nature (IUCN) und des World Wide Fund for Nature (WWF) erwähnt und interpretiert wird: Nachhaltige Entwicklung heißt danach, ein natürliches System ausschließlich so zu nutzen, dass es in seinen wesentlichen Charakteristika langfristig erhalten bleibt.

Und welches ist das „System”, von dem wir hier sprechen? Wir könnten unsere ganze Erde als ein solches System betrachten (oder wer will, sogar das gesamte Universum) oder uns auf Europa fokussieren oder auf die deutsche Volkswirtschaft oder – wie wir das hier tun – auf ein einzelnes Wirtschaftsunternehmen.

Dieser Fokus sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Unternehmen durch ihr Handeln Einfluss auf ihr Umfeld nehmen und dass das „System Unternehmen” eben nicht losgelöst von dem umfassenderen Kontext betrachtet werden kann. Das Handeln von Firmen hat individuelle, nationale und teilweise auch globale Folgen. Das ist ja gerade die Erkenntnis, die dazu führt, dass Bücher wie dieses geschrieben werden. Ich werde daher im weiteren Verlauf des Buchs den Bezug zum Gesamtkontext, in dem Unternehmen sich bewegen, immer wieder herstellen.

Die nächste Frage ist: Wie übertragen wir den Begriff natürliches System auf ein Wirtschaftsunternehmen? Ein System ist meines Erachtens so lange natürlich, wie es erhalten bleibt, ohne dass man in den natürlichen Ablauf eingreifen muss. Ein Bankensystem, das mit „unnatürlichen Maßnahmen” aufgrund einer Finanzkrise vor dem Zusammenbruch gerettet werden muss, zeigt eigentlich nur auf, dass dieses System vorher schon nicht nachhaltig war. Und selbstverständlich ist die Tatsache, dass sich einige Banken in der Finanzkrise als „systemrelevant” bezeichnet haben, gleichzeitig entlarvend für das gesamte Wirtschaftssystem, in dem diese Banken sich bewegen.

Dass das System „in seinen wesentlichen Charakteristika langfristig erhalten bleiben” soll, ist für eine Definition von nachhaltiger Entwicklung im Naturschutzbereich zwar auch keineswegs eindeutig, aber doch einigermaßen nachvollziehbar, weil ungefähr klar ist, was der natürliche (ursprüngliche) Zustand der Natur ist. Bei Wirtschaftsunternehmen ist das nicht so einfach, weil sie keine von der Natur erschaffenen Gebilde sind, sondern von Menschen mit bestimmten Absichten geschaffen werden. Wenn die ursprünglich einmal definierte „natürliche” Funktion des Bankensystems die ist, Unternehmen finanziell zu unterstützen, damit diese die Bedürfnisse von Menschen erfüllen können, dann bedeutet es aus meiner Sicht keinen Gegensatz zu Nachhaltigkeit, wenn Banken verschwinden, die diese Eigenschaft nicht mehr erfüllen.

Wenn aber jemand behauptet, das „natürliche” Ziel einer Bank sei es, möglichst hohe Renditen zu erwirtschaften – wie hoch das Risiko auch immer sein mag, – entsteht bei vielen das Bedürfnis nach einer Messlatte, die angibt, was als „natürlich” und erhaltenswert anzusehen ist. Und genau darum geht es in diesem Buch.

Der Begriff Nachhaltigkeit hat von wissenschaftlich theoretischer, von politischer, von umweltpolitischer und auch von gesellschaftlicher Seite immer wieder neue Konkretisierungen und damit auch Vereinfachungen erfahren, die fast immer auch zu einer Einseitigkeit führten. So wird von umweltpolitischer Seite der Aspekt der Ökologie stärker betont und die Aspekte Soziales und Ökonomie als zweitrangig betrachtet. Wirtschaftsunternehmen stellen häufig den Existenzerhalt des Unternehmens, die Ökonomie, in den Vordergrund und vernachlässigen dabei „zuweilen” das Soziale und die Ökologie. Und sozial orientierte Institutionen sind häufig nicht allein lebensfähig, benötigen Sponsoren, finanzielle Unterstützung von außen, weil der ökonomische Aspekt nicht genügend beachtet wird.

Der Rat für Nachhaltige Entwicklung, der im April 2001 von der Bundesregierung berufen wurde und dem 15 Personen des öffentlichen Lebens angehören, formuliert auf seiner Internetseite:3

Definition: nachhaltige Entwicklung (Rat für Nachhaltige Entwicklung, 2001)

„Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Zukunftsfähig wirtschaften bedeutet also: Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen.”

Und die Enquetekommission „Schutz des Menschen und der Umwelt” hat mit ihrem Abschlussbericht „Konzept Nachhaltigkeit – vom Leitbild zur Umsetzung”4 sehr deutlich darauf hingewiesen, dass insbesondere eine einseitige ökologische Ausrichtung „[...] im gesellschaftlichen Abwägungsprozess immer dann unterliegen [wird], wenn sich andere Problemlagen als unmittelbarer, spürbarer und virulenter erweisen und damit auch für politisches Handeln dringlicher und attraktiver sind.”

Eine wunderbare Überleitung. Denn sie führt uns direkt zu dem etabliertesten Modell der Nachhaltigkeit, das derzeit benutzt wird: das sogenannte Drei-Säulen-Modell, das die Aspekte Ökologie, Ökonomie und Soziales als die entscheidenden gleich berechtigten Säulen für Nachhaltigkeit definiert.

2.2   Die „Dreieinigkeit” der Nachhaltigkeit: Ökonomie, Ökologie, Soziales

Abb. 1: Die Dreieinigkeit der Nachhaltigkeit

Wer das „Urheberrecht” für dieses Modell hat, kann nicht mehr genau nachvollzogen werden. Mitte der 1990er-Jahre tauchte die Idee in dieser Form an mehreren Stellen gleichzeitig auf und hat sich in der weiteren Anwendung als ein stimmiges Modell erwiesen.

Gleichgültig, in welcher Form die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit dargestellt werden, ob als Nachhaltigkeitsdreieck oder als Drei-Säulen-Modell, diese „Drei-Einigkeit” ist international akzeptiert. Die Schwierigkeit besteht aber letztlich gar nicht in der Definition von Nachhaltigkeit, sondern in der Umsetzung der Modelle, speziell in Wirtschaftsunternehmen.

Greifen wir den Aspekt der Ökonomie heraus, dann entsteht ein nicht zu unterschätzendes Spannungsfeld. Während in unseren westlichen Industriegesellschaften immer noch die Forderung nach stetigem Wachstum vorherrscht und Gier zur gesellschaftlichen Normalität zu gehören scheint, liegt ein Hauptprinzip von Nachhaltigkeit in der Selbstbeschränkung und Reduktion.

Interessant ist, dass der Begriff Nachhaltigkeit heute oft schon als abgenutzt und verbraucht empfunden wird und sich auch in Deutschland – über den englischen Begriff CSR (Corporate Social Responsibility) – bereits in Richtung „gesellschaftliche Verantwortung” erweitert hat.

Der Zugang zu nachhaltiger Unternehmensführung war der Umweltschutz. Zwischenzeitlich ist aber allen klar geworden, dass Nachhaltigkeit ihren Namen nur verdient, wenn sich das reine „Ökomodell” zu dem beschriebenen Drei-Säulen-Modell entwickelt. Neuerdings wird die ganzheitliche Sichtweise des Drei-Säulen-Modells noch stärker herausgestellt, indem man den Begriff „Verantwortung” wie ein gemeinsames Dach über die drei Säulen stellt. Damit wird die Gleichrangigkeit von Ökologie, Ökonomie und Sozialem betont und die Notwendigkeit der Balance zwischen den drei Aspekten hervorgehoben.

Es ist spannend zu sehen, wie Firmen in ihren Werbebotschaften darauf reagieren. Etwa zwei Monate vor der Entstehung dieses Kapitels habe ich die Deutsche Bank zusammen mit dem Begriff Nachhaltigkeit „gegoogelt” und bin auf die (Nachhaltigkeits-)Internetseite der Bank gestoßen, auf der der Name „Deutsche Bank” mit dem Untertitel „Banking on green” vermerkt war. Ein paar Wochen später habe ich gesehen, dass der Link, der in Google immer noch mit „www.banking-on-green.de” angegeben war, auf eine neu bezeichnete Adresse umleitet, nämlich auf https://www.deutsche-bank.de/cr/index.htm, wobei „cr” offenbar Corporate Responsibility heißt. Auf der Seite selbst steht jetzt als Untertitel nicht mehr „Banking on green”, sondern (nur noch) „Verantwortung”. Heute gibt es den Namen des Links „banking-on-green” auch unter Google nicht mehr, sondern er ist direkt mit www.deutsche-bank.de/cr bezeichnet. Und wie um sich von diesem Verhalten abzugrenzen, hat die GLS-Bank (s. Kapitel 6.2) bei der gerade aktuellen Neugestaltung ihrer Internetseite auf Altbewährtes gesetzt und ganz groß „NEU GUT GRÜN” auf die erste Seite geschrieben5.

Unterziehen wir die sozialen Bedingungen, die für Mitarbeiter herrschen, einem internationalen Vergleich, dann stellen wir fest, dass es ganz unterschiedliche Vorstellungen und Realitäten hinsichtlich des Aspekts „Soziales” gibt. Während es auf der einen Seite Länder gibt, in deren Unternehmen bis heute die Menschenrechte missachtet werden, geht es in Deutschland und Europa bereits um Themen wie angemessene Bezahlung, ergonomische Arbeitsbedingungen usw. Einen einheitlichen Katalog aufzustellen, der trotzdem „alle da abholt, wo sie sind”, ist daher schlicht unmöglich. Und dennoch ist es wichtig, auch eine Vision zu formulieren, die alle wichtigen Aspekte überall auf der Welt umgesetzt sieht, wie es die „Vision 2050 des Weltwirtschaftsrats für nachhaltige Entwicklung” (WBCSD) beinhaltet6:

„Im Jahr 2050 leben rund neun Milliarden Menschen gut und im Einklang mit den begrenzten Ressourcen der Erde.”

Aber auch die Umsetzung einer Vision 2050 beginnt mit dem ersten Schritt. Was ich daher in diesem Buch (im Kapitel 7) zur Verfügung stelle, ist nicht ein allgemein gültiger Katalog von Anforderungen an Wirtschaftsunternehmen jedes beliebigen Landes und jeder Branche. Der Leitfaden ist vielmehr auf Unternehmen zugeschnitten, für die unsere Lebensverhältnisse gelten und richtet sich insbesondere auch an kleine und mittlere Unternehmen. Er enthält die wichtigsten Aspekte von Nachhaltigkeit, umspannt alle Funktionsbereiche des Unternehmens und ist insofern branchenunabhängig, als er keinen der drei Aspekte Ökologie, Ökonomie und Soziales über die Maßen betont oder vernachlässigt.

Um diesen fokussierten Leitfaden in einen größeren Rahmen zu stellen, berichte ich in folgenden Kapiteln beispielhaft von verschiedenen Institutionen, die sich für Nachhaltigkeit einsetzen. Ferner beschreibe ich bereits vorhandene Instrumentarien zum Messen von Nachhaltigkeit und stelle Ihnen einige Unternehmen vor, die bereits gute nachhaltige Unternehmensführung leben. Die vorgestellten Instrumentarien geben Ihnen einen Eindruck davon, wie weit die Spannbreite der Vorschläge unterschiedlicher Institutionen ist und wo bzw. wie mein Leitfaden einzuordnen ist.

Die Aachener Stiftung Kathy Beys stellt übrigens unter http://www.nachhaltigkeit.info/ ein Lexikon der Nachhaltigkeit zur Verfügung, das eine Vielzahl von Begriffserklärungen und weiterführenden Links enthält.

1Bericht der World Commission on Environment and Development 1987, benannt nach der Vorsitzenden der Kommission, der früheren norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland

214. Deutscher Bundestag: Schlussbericht der Enquetekommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten”, Drucksache 14/9200, 12. Juni 2002, S. 393

3Rat für nachhaltige Entwicklung, Homepage: http://www.nachhaltigkeitsrat.de/nachhaltigkeit/

413. Deutscher Bundestag: Enquetekommission „Schutz des Menschen und der Umwelt”, Abschlussbericht „Konzept Nachhaltigkeit – vom Leitbild zur Umsetzung”, Drucksache 13/11200 vom 29.6.98, S. 31 f.

5GLS Bank: https://www.gls.de/privatkunden/

6World Business Council for Sustainable Development, Homepage: http://www.wbcsd.org

3   Ist uns Nachhaltigkeit überhaupt wichtig?

Begierde

„Jage Geld und Sicherheit nachund dein Herz wird sich niemals öffnen.“

Laotse

3.1   Umweltbewusstsein und Umwelthandeln

Die bereits zitierte Enquetekommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten” kam in ihrem Schlussbericht über die „Diskrepanz zwischen Umweltbewusstsein und Umwelthandeln in Deutschland” zu folgendem Resümee1:

„Seit Mitte der 1990er-Jahre ist das öffentliche Interesse an Umweltfragen deutlich zurückgegangen.”

Umweltschutzthemen würden wegen der Finanzkrise hinter wirtschaftlichen Themen zurückfallen, obwohl umweltschonendes Verhalten bereits zu einer gewissen Routine gefunden habe. Weiterhin wird berichtet, dass die Bürger zwar durchaus drohende Gefahren durch nicht nachhaltiges Verhalten sähen, diese aber nicht in ihrem direkten Umfeld, sondern eher räumlich oder zeitlich in der Ferne ansiedelten und daher auch nicht bereit seien, ihr eigenes Verhalten zu ändern.

Das war 2002. 10 Jahre später kam die repräsentative Bevölkerungsumfrage des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) „Umweltbewusstsein in Deutschland 2012” zu dem Ergebnis, dass das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung wieder deutlich gestiegen ist.2

So wurde z. B. die offene Frage nach dem wichtigsten Problem der Gegenwart von 35 % der Befragten mit Themen aus dem Umwelt- und Klimaschutz beantwortet. Damit stehen Umwelt- und Klimaschutz bei den wichtigsten Themen der Gegenwart an zweiter Stelle (2010 an dritter Stelle). Es werden zudem von deutlich mehr als der Hälfte der Bürger stärkere politische Anstrengungen in diesen Bereichen gefordert.

Interessant ist, dass viele Bürger Zielkonflikte sehen zwischen den Interessen, die den Umwelt- und Klimabereich einerseits und wirtschaftliche bzw. soziale Themen andererseits betreffen. Hier ist der Anteil derjenigen angestiegen, die ein Zurückstellen von Umwelt- und Klimamaßnahmen fordern, bis bestimmte wirtschaftliche und soziale Belange (Arbeitsplätze schaffen, soziale Gerechtigkeit) ausreichend erfüllt sind.

In dieser Umfrage hat sich zudem herausgestellt, dass das Umweltverhalten der befragten Bürger als nicht so konsequent zu beurteilen ist, wie es das Umweltbewusstsein und die Forderungen an die Politik vermuten lassen könnten. So geben z. B. fast alle Autofahrer als häufigste Gründe für die Wahl des Verkehrsmittels Bequemlichkeit und Schnelligkeit an.

„[...] beim Kauf von Lebensmitteln gelten den Befragten Qualität, Frische und Preis [als wichtigste Kriterien]. Nachhaltigkeitskriterien wie regionale Herkunft, Saisonalität, Bio-Anbau und fairer Handel werden deutlich seltener genannt.”

In einem Bereich hat sich allerdings eine deutliche Veränderung auch im Umweltverhalten ergeben, nämlich bei der Nutzung von Ökostrom. Während 2010 erst 8 % der Bevölkerung Ökostrom bezogen, waren es 2012 bereits 20 %. Diese Entwicklung steht ganz sicher in Zusammenhang mit dem Reaktorunglück in Fukushima, Japan.