Noch gänzlich ungeküsst - Tyler Donovan - E-Book

Noch gänzlich ungeküsst E-Book

Tyler Donovan

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Beschreibung

Adriano ist mit 21 noch gänzlich ungeküsst. Das bringt seinen Kumpel Steffen auf eine wahnwitzige Idee: Sie werden im Park einen Frisbee schleudern und die Person, die getroffen wird, soll Adriano den ersten Kuss geben. Steffen wirft den Frisbee und Patrick, ein junger Vater, wird am Kopf getroffen. Adriano würde am liebsten im Erdboden versinken, denn Steffen bringt tatsächlich die Deistigkeit auf, den fremden Mann zu fragen, ob er seinen Kumpel nicht küssen könnte. Patrick findet die ganze Situation verständlichrweise ganz und gar nicht spaßig. Aber manchmal entwickelt sich eine auf den ersten Blick unangenehme Situation doch für alle Beteiligten positiv...

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Seitenzahl: 297

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Tyler Donovan

Noch gänzlich ungeküsst

Inhalt:

- Roter Frisbee

- Blut im Geschlecht

- Verbotene Frucht

- Sommerhitze

- Perfekte Kombination

- Wahrheit

- Leon und Steffen

- Wieder leben

- Impressum

Roter Frisbee

Ein schöner, sonniger Tag. Ein Sonntag. So ein Wetter eignet sich hervorragend, um euch eine romantische Geschichte aus dem Shonen Ai bzw. Yaoi Genre zu erzählen. Eine Geschichte von der Liebe zweier junger "Boys", auch wenn der eine davon schon fast 30 ist. Aber ist 30 nicht das neue 20? Geht es euch nicht auch so? Shonen Ai macht manchmal süchtig! Ich könnte mir homoerotische Liebesgeschichten zwischen jungen Männern, Geschichten über die Reinheit der Boyslove und die Klarheit des Yaoi-Sex in einer Endlos-Schleife reinziehen. Aber ich will nicht nur konsumieren, sondern hier auch mal was erzählen: Meine Geschichte beginnt damit, dass ein junger, neunundzwanzigjähriger Vater mit seinem Baby den Spielplatz aufsucht. "Papa, kuck!" Patrick Blatters Blick kehrte zu seinem zweijährigen Sohn zurück. Josef streckte ihm sandbeschmierte Finger entgegen. Er hatte eindeutig die Augen seiner Mutter, einer Halb-Japanerin. Beinahe schwarz, mandelförmig. Das war jedoch schon alles, was er an äußerlichen Ähnlichkeiten mit ihr aufwies. Die hellbraunen Löckchen, mit denen Patrick selbst jeden Morgen kämpfte, umrahmten auch das bausbackige Kleinkindergesicht."Lass die Hände oben", orderte Patrick in sanftem Ton an, während seine eigenen schon in der dicken Tasche kramten, um Feuchttücher zu finden. Er wagte es nicht, den Blick abzuwenden. Er sah sich schon abends Sand aus all den kleinen Hautfältchen an Josef herauspulen. Das fünfte ertastete Objekt in der Tasche fühlte sich richtig an. Fast schon stolz über die Geduld des Sohnemannes wischte Patrick ihm die Hände ab. Im Aufstehen streckte er ihm die Hand hin."Zeit nach Hause zu gehen", sagte er. Der Kleine sah nicht so richtig glücklich aus, ergriff die Hand jedoch. Ja, es war wirklich Zeit. Mit dem Buggy und der Tasche und Josef, der sicher bald Hunger bekommen würde, wollte Patrick nicht in den Hauptabendbetrieb der öffentlichen Verkehrmittel kommen. Bald hatten sie wieder einen Tag geschafft. Es war nicht wirklich so, dass es leichter wurde. Aber sie bekamen Übung. Ein Jahr schon ohne Domenica. Patsch! Schmerz durchfuhr Patrick Kopf. Die Tasche fiel zu Boden."Sorry!" Junge Stimme. Patrick rieb sich den Kopf und sah sich um. Ein rotes Frisbee, das nun in der Wiese lag. Es war wohl der Übeltäter."Papa?" Große Augen sahen ihn an. "Aua?" Ohne es zu wollen musste Patrick lächeln."Alles in Ordnung", murmelte er Josef entgegen. Aus dem Augenwinkel sah er die Werfer des roten Attentäters den Hügel zum Spielplatz hinabkommen. Zwei junge Männer, sicher Anfang zwanzig. Sneakers, kurze Hosen - das einzig mögliche Gewand bei diesem Wetter - ersterer in normalem T-Shirt, zweiterer trug ein ärmelloses. "Entschuldigung!", rief einer schon von weitem. "Sind Sie okay?" Puh, da war es wieder. Das "Sie". Patrick kam sich alt vor."Keine Sorge, mein Kopf ist robust." Zumindest der eine der beiden, der gefragt hatte, sah erleichtert aus. Der andere grinste ziemlich dämlich, fand Patrick. Und legte ersterem vertraulich die Hand auf die Schulter. Patrick konnte hören, wie er etwas flüsterte. Als Antwort wurde der Heimlichtuer geschubst. Und Patrick immer noch schuldbewusst angesehen."Tut mir echt leid", ergänzte der Junge im T-Shirt. Es wirkte ehrlich. Patrick machte eine abwinkende Handbewegung. Das Gegenüber legte die Stirn in Falten. "Ja, aber wenn wir den Kleinen getroffen hätten...." Er boxte seinen Kameraden gegen den Bauch. "Saublöde Idee!"Wieder Geflüster. "Papa, gehen..." Kurz nickte Patrick seinem Sohn zu. "Gleich", sagte er. Der Ärmellos-Typ sah den Hügel hinauf. Patrick konnte nun noch fünf Silhouetten sehen. Und die von zwei Kisten, die sogar von ferne als Bierkisten erkennbar waren. Ein flaues Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Statt einen Schritt zurück machte er jedoch einen kleinen Schritt vorwärts. Eine kleine Mauer zwischen Josef und den Fremden. Ganz plötzlich waren sie ihm unheimlich. Die fünf vom Hügel kamen schnell näher. Patrick schnappte sich die Tasche wieder. "Wie gesagt, es ist ja nichts passiert. Wir wünschen euch noch einen schönen Tag!" Er setzte an, zu gehen. Eine schwitzige Hand ergriff ihn jedoch an der Schulter."Das wäre sehr schade, wenn Sie jetzt gehen würden." Schleimige Stimme. Sicher der Junge ohne Ärmel. Patrick fuhr herum. Glücklicherweise zog jener seine Hand zurück. "Warum?", herrschte Patrick ihn an. Josef sah aus großen, nun doch erschrockenen Augen zu ihm hoch. Patrick drückte die Hand des Kleinen sanft. Die Fünfergruppe war nur noch wenige Schritte weit entfernt und in Hörweite. Der junge Mann im ärmellosen Shirt hob dennoch die Stimme an. "Nun sehen Sie- das hier ist Adriano." Er deutete auf den Jungen, der sich zuvor bei Patrick entschuldigt hatte. Prompt errötete dieser. "Adriano hat heute seinen 21. Geburtstag und wir haben eine kleine Wette abgeschlossen.""Und was hat das mit mir zu tun?", wollte Patrick wissen. Stirnrunzelnd blickte er in die Runde. Adriano schien im Boden zu versinken, während die anderen das Schauspiel sichtlich genossen."Und das ist Steffen und er ist ein Arsch!", konterte Adriano etwas zeitversetzt und stieß dem anderen wieder vor die Brust. Diesmal kraftvoller. Steffen jedoch schien unbeeindruckt."Komm schon Kleiner", meinte er zu Adriano, fordernd grinsend. Dann sah er wieder zu Patrick. "Es ist gar nicht so tragisch.", verkündete er. "Adriano ist einfach noch gänzlich ungeküsst und die Frisbee hat sie gewählt, um dem ein Ende zu setzen." Steffens Grinsen wurde härter. Patrick hätte plötzlich schwören können, dass Steffen geworfen hatte und die Frisbee ihn absichtlich traf. Aber Moment mal?! Den Jungen küssen?! Was?! Beinahe ließ er die Tasche wieder zu Boden fallen.Es glich einer Choreografie, wie die Bierkisten abgestellt wurden und der Kreis aus Geburtstagsfeiernden sich um Patrick und Adriano schloss. Und es ging schnell. Patrick reagierte automatisch. Josef hochhebend versuchte er sich in Richtung des Buggys zu drängen. Wurde zurückgeschoben. Diese Jungs waren fast so groß wie er selbst und sogar etwas breiter. Wieder fuhr er herum, sein Blick suchte die ihm schon bekannten Gesichter. Steffens fand er zuerst vor. "Was soll das? Ich habe ein kleines Kind dabei!" Locker zuckte der junge Mann mit den Schultern.Dann sah Patrick Adrianos Gesicht. Er war blass geworden. Fast schon bittend lag seine Hand an Steffens Arm. "Komm schon, lass ihn." Steffen sah ihn an. Seine Augen waren kalt. "Ich lasse ihn ja. Du aber nicht.", sagte er. feststellend. Als wäre es schon geschehen. Adrianos Hände ballten sich zu Fäusten. Patrick hätte nicht sagen können, ob aus Wut oder Verzweiflung. Josef hatte die Arme um Patrick geschlungen und beobachtete alles stumm. Genau wie Patrick selbst."Was ist, willst du mich schlagen?", fragte Steffen Adriano und zog die Augenbrauen hoch. Seine Hand setzte einen kleinen Schlag auf Adrianos Wange, noch bevor dieser reagieren konnte. Feuer flammte auf in Adrianos Blick. Er sprang nach vorne, auf Steffen zu, doch wurde von hinten ergriffen. Einer der anderen Kumpanen hielt ihn fest wie in einem Schraubstock. "Ich würde das lassen", meinte Steffen abfällig. Der freundschaftliche Umgang war verschwunden. Was wurde hier wirklich gespielt? Patrick wunderte sich. Warum machte er sich darüber Gedanken? Er empfand kaum noch Angst. Sicher, sie war vorhanden gewesen. Panisch sogar. Als er versucht hatte, zu fliehen. Nun konnte er den Blick kaum abwenden von dem Spektakel. Es war wie vor Jahren, als er noch zum surfen ging. Der Moment in dem du die Welle schon sehen kannst. Sie kommt auf dich zu. Alles spannt sich an.Eine kaum nachvollziehbare Ruhe lag in dem Augenblick. Patrick sah auf Adrianos Gesicht. Zerrend versuchte sich jener aus dem Griff der anderen zu befreien. Wirr irrte sein Blick herum bis er sich schlussendlich langsam hob. Es gab kein Entkommen aus den Armen der anderen. Patrick war es schon länger klar gewesen. Als könne er ihm gedanklich etwas mitteilen versuchte er Adrianos Blick mit dem eigenen festzuhalten. Ganz offensichtlich hatte dieser Junge Freunde, die keine Freunde waren. Am Ende war Steffens Blick eiskalt gewesen. Und war es wohl immer noch. Patrick brauchte gar nicht erst hinzusehen. Etwas in ihm konnte spüren, dass es so war.Auf Adrianos Gesicht spiegelten sich Enttäuschung und Furcht. Und Aufbegehren. Patrick würde dies nutzen müssen. Er küsste Josef auf die Stirn und ließ ihn langsam zu Boden. Setze ihn ab und hielt doch weiter seine kleine Hand. Es ging hier nicht bloß um seinen eigenen Arsch. Diese Jungs waren betrunken und willig Steffen zu folgen. Es war eindeutig spürbar. Und dieser Steffen hatte etwas verrücktes an sich.War das wirklich alles, was Patrick lenkte? Die Nerven behalten. Ein leises Klick ertönte. Als wäre es nicht offensichtlich genug gewesen. Patrick sah in Richtung des Geräusches. Steffen hatte ein Messer gezückt. Die Sonne versank hinter den Baumwipfeln. Ja, er hätte eher nach Hause fahren sollen. Nun war es zu spät.Schmerzhaft krümmte sich Patrick Magen zusammen. Nichts anmerken lassen, rief er sich ins Gedächtnis. Er sah Steffen an. "Gut, also was willst du genau?" Patrick musste mit sich ringen um die eigene Stimme halbwegs gelassen hinzubekommen. Steffen wirkte nur kurzfristig erstaunt. Schräg hinter ihm jedoch sah Patrick auch Adriano. Und den Ausdruck auf dessen Gesicht. Völlige Fassungslosigkeit. Tja, Kleiner, ich kann noch viel mehr als dich küssen, dachte Patrick. Und erschrak über sich selbst. Steffen riss die Aufmerksamkeit wieder an sich. "Gib ihm den ersten Zungenkuss seines Lebens und du darfst nach Hause gehen." Das "Sie" war verschwunden. Wenigstens kam er sich jetzt nicht mehr so alt vor. Patrick kratzte sich an der Stirn. Wie konnte er bloß in einem solchen Moment darüber nachdenken? Steffen wartete auf eine Antwort. Adrianos Atem ging hektisch, doch er hatte es aufgegeben, an dem eisernen Griff zu rütteln, der ihn hielt. Josef wartete still an seiner Hand. Sein Kleinkindergemüt musste spüren, dass die Ruhe wichtig war.Ruhe. Patrick besann sich darauf. Strich Josef übers Haar und ließ dessen Hand los. Machte einen Schritt auf Steffen zu und sah ihn mit festem Blick an."Wenn ihr meinen Sohn anfasst bringe ich euch um." Er meinte es so. Er strahlte es wohl auch aus. Um Steffens Augen zuckte es kurz. Dann nickte er abgehakt. Und wies auffordernd in Adrianos Richtung. Noch zwei Schritte. Patrick blieb vor dem Jungen stehen. Dessen Lippen zitterten, waren leicht geöffnet. Dennoch lag Trotz in seinem Blick. Patrick betrachtete sein Gesicht. Breite Backenknochen. Helle Haut, ein paar Sommersprossen an Nase und Wangen. Dunkelblondes Haar. Grün-graue Augen. Hübsch, wenn man das Wort für die Beschreibung eines jungen Mannes nutzen wollte. Patrick schluckte trocken. Das letzte Mal hatte er einen Jungen so angesehen, als er selbst so alt gewesen war. Langsam, fast wie in Trance, hob er die Hand. legte sie an das fremde Gesicht. Stirnrunzeln als Kommentar. Und Augen, die sich mit Tränen füllten ohne eine davon loszulassen. Patrick wich zurück."Ich kann das nicht tun.", sagte er. "Ich küsse niemanden, der nicht will." Wie auch immer dieses Spiel begonnen hatte, Adriano hatte ganz offensichtlich keine Lust mehr darauf, es weiterzuführen. Erschrocken weiteten sich dessen Augen. Erste Feuchtigkeit löste sich aus ihnen. Die Gruppe kicherte und flüsterte. Im Augenwinkel sah Patrick Steffen einen Schritt auf Josef zu machen. Adriano sah es wohl auch."Lasst mich los!", schrie er. Trat um sich, sodass ihn einer der Jungs tatsächlich frei gab. "Ich mach es, ok. Lasst mich einfach los." Steffen hielt inne und nickte dem zweiten Kumpel zu. Jener ließ los."Hast ihn dir ja auch ausgesucht", sagte Steffen, nun wieder anzüglich grinsend. Ausgesucht? Patrick Blick wanderte hastig zu Steffen. Jener deutet mit dem Messer auf Adriano."Ob du' s glaubst oder nicht, der kleine Schwanzlutscher steht wohl auf dich. Ich hab ihm die Wahl gelassen."Blick zurück. Zurück zu Adriano. Zitternde Knie. "Ich mach es.", wiederholte Adriano noch einmal. Flüsternd. Stand einfach nur da und sah Patrick an. Den Erwachsenen. Den, der die Kontrolle haben sollte. Der sich selbst kurz hasste, weil er schon wieder darüber nachdachte, den Jungen zu küssen. Er hatte ihn sich ausgesucht? "Ist das wahr?", fragte er. Irgendjemand lachte hämisch. Adriano wandte den Blick ab, nickte jedoch langsam. "Wir haben nicht ewig Zeit", stellte Steffen drängend fest. Eine Sekunde lang noch überlegte Patrick, warum niemand von außen eingriff, um zu helfen. Der Park war nicht leer gewesen, als er sich entschlossen hatte, heim zu fahren. Er konnte es doch wohl auch jetzt nicht sein. Nicht ewig Zeit. Ja, das hatte der junge Mann gesagt, der das Messer in der Hand hielt. Patrick schob die Angst ein weiteres Mal beiseite. Nur weil es unangebracht erschien wischte er die fremden Tränen nicht fort. Er hätte es gewollt. Wieder legte er die Hand an das junge Gesicht. Hob Adrianos Kinn einen Hauch weit an. Wurde wieder angesehen. Ein Raunen ging durch die Runde. Eine einzelne Träne glitzerte noch auf langen Wimpern. Patrick wurde noch wärmer als ihm an diesem heißen Tag schon gewesen war. Da war etwas Gebrochenes in Adrianos Blick und gleichzeitig etwas Unbeugsames. Sein Kiefer sah ebenfalls angespannt aus und er hatte die Unterlippe leicht vorgeschoben. Ein lockender Anblick. Kurz hielt er inne. Da stand er inmitten einer Gruppe sichtlich zu Aussetzern bereiter junger Erwachsener, die noch dazu betrunken waren, und dachte darüber nach, dass ihm dieser Junge gefiel. Wie absurd. Er hatte seit einem Jahrzehnt keinen solchen Gedanken mehr gefasst. Jetzt musste es darum gehen, die Situation halbwegs unbeschadet zu verlassen. Patrick beugte sich vor. Umschloss Adrianos Unterlippe mit seinen Lippen. Der Junge zog hörbar Luft ein. Patrick konnte die Anspannung in den geküssten Lippen spüren, die Abwehr des gegenüberliegenden Körpers. Und noch etwas mehr. Die Lücke in der Abwehr. Auch sie war deutlich fühlbar. Er zog sich zurück, küsste die Lippen ein weiteres mal bemüht sanft. Ließ die Hand in den Nacken des Fremden wandern. 21.ter Geburtstag. Erster richtiger Kuss. Und dazu dieses ganze Drama. Kein Wunder, dass er zitterte. Patrick presste die eigene, freie Hand in die Hosentasche. Musste sich am Riemen reißen, um den Jungen nicht an sich zu ziehen. Ließ die Zungenspitze über dessen Lippen wandern, die langsam weicher wurden. Wie durch Nebel drang lautes Jolen von außen zu ihm durch. Irgendwelche Anfeuerungsrufe. Eine Hand griff nach seinem Arm, irgendwie anhaltend. Finger gruben sich in seine Haut. Seine Zunge wurde eingelassen und fand, wonach sie gesucht hatte. Schauer rieselten Patrick Rücken entlang. Eine Handfläche an seiner Brust, nach Stoff fassend. Kribbeln in Patrick Eingeweiden. Ihm wurde schwindlig. Klatschen und die Geräusche von anstoßenden Bierflaschen. Dann wurde Patrick von starken Händen zurückgezogen. "So das reicht." Steffen. "Wir haben genug gesehen." Patrick machte noch zwei Schritte rückwärts. Dachte nur noch, wie unbeschreiblich heiß ihm geworden war. Spürte das Pochen zwischen seinen Lenden. Es wollte nicht abebben. Irgendwo in der Ferne donnerte es. Regnerische Dunkelheit schlich sich in den Park. Adriano fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen. Nachsinnend. Patrick schlug Steffens Hand beseite, die nach ihm greifen wollte. "Schöne Show", grinste Steffen gehässig. "Wenn man auf sowas steht." Er hörte ihm kaum zu. So schnell er konnte, hob er Josef auf seine Arme und trat auf den Kreis zu. Man ließ ihn durch. Patrick setzte Josef in den Buggy, der sich eigenartigerweise all das widerspruchslos gefallen ließ. "Auf nach Hause", flüsterte Patrick. Josef sollte nicht zu viel mitbekommen. Die Tasche schulternd anstatt sie am Buggy zu befestigen wollte Patrick loseilen. Er konnte sich jedoch nicht davon abhalten, noch einen Blick zurück zu werfen. Steffen hatte den Arm um Adriano geschlungen und schien auf ihn einzureden. Adriano sah jedoch aus als wäre er zu Stein erstarrt. Patrick fiel es schwer durchzuatmen. Er musste gehen. Er musste Josef sicher nach Hause bringen. Das war sein Auftrag, seine Aufgabe. Sein Leben. Er wandte sich um. Hinter ihm stieg schon nach wenigen Schritten wieder Grölen auf. "Jetzt suchen wir ihm jemandem, dem er einen blasen kann!", konnte Patrick hören. Mein Gott, kannten die gar keine Grenzen? Dumpf pochte das Herz in Patrick Brust. Anklagend laut. Er lugte zurück. Einer der Jungs griff sich an die Hosen und schrie: "Das kann er doch auch gleich hier!" Alle lachten. Steffen hatte Adriano immer noch im Griff.   War das ihr Ernst? Wie weit würden sie gehen? Patrick ging weiter. Niemand kümmerte sich mehr um ihn. Es war, als wäre er nie dort gewesen. Sprach ihn das frei? Konnte er es vergessen? Konnte er den Jungen dort zurücklassen? Wollte er das überhaupt? Fahrig griff er in die Tasche, wühlte suchend herum. Fand   nach ihm viel zu lang erscheinender Zeit sein Handy. Patrick bog einmal um die Ecke und verbarg sich hinter einem großen Baumstamm. Bei normaler Lautstärke war er außerhalb der Hörweite. Außerdem war die Gruppe mit sich selbst beschäftigt. Es läutete. Sein Herz klopfte wie wild. Nervosität breitete sich immer mehr aus. Er hatte die Nummer der Polizei gewählt. Er wusste jedoch noch nicht, was er sagen sollte. Eine Frauenstimme meldete sich. Patrick beschrieb ihr, wo er war, erzählte, dass er eben noch mit seinem kleinen Sohn am Kinderspielplatz gewesen war, wo sich nun eine Bande betrunkener Jugendlicher herumtrieb. Die Kollegen würden vorbeisehen, versprach die Dame. Und legte auf. Und nun? Patrick rieb sich leicht den Kopf. Dachte darüber nach, warum er nicht die Wahrheit gesagt hatte. Steckte Josef einen Vollkornkeks zu, der jenen zufrieden grinsen ließ. Patrick ging in die Knie, versuchte, am Baumstamm vorbeizusehen, ohne selbst gesehen werden zu können. Ein paar der Jungen hatten sich bereits in der Wiese niedergelassen. Steffen hatte Adriano bereits im Schwitzkasten. Die Hand mit dem Messer tanzte vor ihnen durch die Luft. Er erzählte sichtlich etwas. Oder sie schmiedeten Pläne. Noch einmal griff Patrick zum Handy. Es läutete bloß zwei Mal. "Patrick, hey, wie geht es euch denn?" "Keine Zeit, Kira, ich habe hier einen Notfall, kannst du auf Josef aufpassen?" Innerlich betete Patrick. "Uhm, ja, wo bist du?" Patrick nannte ihr den Namen des Parks. Marie meinte, sie würde gleich losfahren. Es war immer Verlass auf sie. Sie wohnte bloß eine Viertel Stunde entfernt. Patrick reichte Josef noch ein Keks. Nervös klopften seine Finger an einer Wurzel. Wieder sah er hinüber. Verdammt. Patrick wurde eiskalt. Die Messerspitze legte sich an Adrianos Wange. Das war schon lange kein Spiel mehr. Wieder Donnern in der Ferne. Patrick war nicht fähig, sich zu bewegen. Er wollte aufspringen und hinüberlaufen. Er durfte Josef nicht allein lassen. Es saß zwischen einer Ethik und einer anderen. Einer der Jungs presste eine offene Glasflasche an Adrianos Mund. Es musste irgendein Schnaps sein. Der trank, verschluckte sich und spuckte. Kaum hatte er aufgehört zu husten, musste er weitertrinken. Patrick verfluchte diesen Abend. Sorge, ja, Sorge um diesen Fremden beengte seine Brust. Dennoch griff er wieder in die Tasche, zog ein Fläschchen in dem sich weißes Pulver befand und eine Thermoskanne hervor und goß warmes Wasser in die Flasche. Schüttelnd zwang er sich, kurz nicht zu der Gruppe zu sehen. Josef bekam abends immer noch ein Fläschchen, obwohl er morgens Brei und Mittags schon normales Essen aß. "Papa, Josef müde." Die süße Stimme machte es gerade nicht einfacher. Patrick zwang sich zu einem Lächeln. "Ich weiß mein Schatz", flüsterte er. "Bald fahren wir nach Hause. Und Tante Kira kommt." Josef schien sich zu freuen. Patrick reichte ihm das Fläschchen und sah zu, wie Josef sich im Buggy zurücklehnte und es sich schmecken ließ. "Los! Los! Los!" Scheiße, was lief da! Patrick lugte wieder um den Stamm. Zwei Jungs maßen sich gerade im Armdrücken. Als einer gewonnen hatte, trat ein anderer gegen den Gewinner an. Adriano saß bewegungslos da, immer noch in Steffens Gewalt. Sein Blick wirkte verklärt. Wieder und wieder Armdrücken. Jeder gegen jeden. Bis auf Steffen. Bis irgendeiner rief: "Leon hat gewonnen!" Patrick kniff die Augen zusammen. Die sich mehr und mehr sammelnde graue Wolkendecke verdunkelte die Umgebung. In der Truppe herrschte Aufbruchsstimmung. Patrick runzelte die Stirn. Wenn sie sich entfernten, konnte er ihnen wohl kaum folgen. Aber im Gegenteil. Steffen führte Adriano in Richtung Kinderspielplatz. Ein weiterer Junge folgte ihnen. Er war groß und hatte blondes Haar. Viel mehr konnte Patrick nicht erkennen. Der Platz war leer. Patrick hatte wirklich den Eindruck, außer ihnen würde sich niemand mehr auch nur annähernd in der Nähe befinden. Der fremde Junge trat in ein Spielhäuschen, das nur von einer Seite begehbar war. Steffen schob Adriano hinterher, trat jedoch nicht ein. Patrick wurde leicht übel. Machten die Ernst? Hatte Steffen den Vorschlag jemanden zu suchen, dem Adriano einen blasen sollte, Ernst gemeint? Hatten sie darum gespielt? Er hielt es nicht länger aus. Er musste eingreifen. Egal wie. Nur ein Schritt, dann hielt er wieder inne. Adriano stürmte aus dem Häuschen und übergab sich in die Büsche daneben. Steffen war zur Seite gesprungen. Leon - es musste wohl Leon sein, der hatte ja schließlich gewonnen - Kam etwas bleich aus dem Häuschen. Seine Gürtelschnalle war offen.   Vibrieren in Patrick Tasche. Das Handy. "Bin schon am Eingang zum Schlosspark", schrieb Kira. Ok. Patrick wollte tippen, doch das Handy fiel ihm aus der Hand. Es landete weich auf dem Waldboden. Er musste das Menü neu öffnen. Ok, tippte er noch einmal. Absenden. Als Patrick wieder aufsah konnte er gerade noch ein Bein in dem Spielhäuschen verschwinden sehen. Keine Spur von Steffen. Keine Spur von Adriano. Verflucht. Patrick Herz schien sich zusammenzukrampfen. Und dann rannte er los. Kira war schon fast da. Josef würde nichts geschehen. Und was auch immer sie diesem Jungen antun wollten - Patrick konnte es nicht zulassen. Noch während er lief konnte er ein herannahendes Auto hören. An den Baumwipfeln spiegelte sich Blaulicht. Er keuchte als er ankam, doch er hielt nicht inne. Bückte sich am Eingang zu dem Häuschen. Zerrte jemanden an den Schultern hinaus. Stieß ihn von sich, sodass er am Boden landete. Die Überraschung war auf seiner Seite. "Scheiße, die Polizei!", schrie Leon, als er sich draußen verwirrt umsah. Und dann sah Patrick Steffen. Mit heruntergelassen Hosen stand er da und drehte sich jetzt automatisch zum Eingang. Zerrte am Stoff, um sich wieder anzuziehen. Hielt die Hose mit den Händen oben und drängte sich an Patrick vorbei. Patrick wollte ihn schlagen, wollte nichts mehr als das. Aber da war noch jemand. Adriano lag in der Ecke auf seinen Knien. Seine Kleidung stank nach Erbrochenem, doch Patrick empfand keinerlei Ekel. Sein Shirt war aufgerissen- oder aufgeschlitzt. Seine Hose hing knapp unter seinem nackten Po. Mit einer fahrigen Bewegung griff er danach. Patrick streckte die Arme nach ihm aus. Stützend legten sie sich an Adrianos Oberkörper. Jener schlug nach ihm. "Sie sind weg", sagte Patrick mit dem bisschen Stimmvolumen, das er zustande brachte. Ein flüchtiger Blick aus geröteten Augen. In einem schmutzigen Gesicht. Ein Auge schwoll sichtlich gerade erst blau an. Beherzt griff Patrick zu, zog dem Jungen die Hosen hoch und schloss sie. Er wurde nicht aufgehalten. Adriano wirkte wie eine Puppe. Sah Patrick stumm an. "Bist du verletzt?", fragte Patrick. Er meinte nicht das Veilchen in Adrianos Gesicht. Der Junge schüttelte den Kopf. Schien doch zu verstehen. "Ich dachte, du wärst weg.", sagte Adriano. Dann kippte er bewusstlos nach vorne. Er landete schwer in Patrick Armen. Der Sturz war nicht ganz aufzufangen, doch Patrick konnte zumindest vermeiden, dass Adriano mit dem Kopf gegen das Holz prallte. Mit ihm ging er auf die Knie. Hinter seiner Stirn surrten die Gedanken wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm. Der junge Mann lag weich auf Patrick Schenkel gebettet. Stimmen drangen von draußen herein. Polizisten die mit zwei von der Gruppe sprachen, die wohl zu langsam weggelaufen waren. Patrick konnte die Stimmen nicht erkennen. Kiras Stimme, aufgewühlt danach fragend, was hier los sei. Endlich waren alle da.Patrick starrte stumm auf das Gesicht des Jungen hinab. Konnte nicht wegsehen. Flacher Atem drang ihm entgegen. Verschwitzt klebte das etwas längere Haar an seinen Wangen. Vorsichtig strich Patrick es zur Seite. Er streckte die Hand aus dem Häuschen, winkte so gut er konnte und rief Kiras Namen. Ihre Stimme hatte sich richtig nahe angehört. "Patrick!" Sie hatte ihn gesehen. Zeit, aufzuatmen. Ihre Augen weiteten sich erschrocken, als sie um die Ecke sah. "Mein Gott, was ist passiert? Warst du es, der die Polizei gerufen hat?..." Patrick hörte nicht mehr zu. Er unterbrach sie. "Ich brauch ein kaltes Tuch", sagte er bestimmt. Sie nickte. Wenig später kam sie mit einem angefeuchteten Sommerschal zurück. "Danke", sagte Patrick leise. "Soll ich die Rettung rufen?!" Kira sah zögernd zwischen Patrick und dem Platz, an dem draußen wohl die Polizisten mit den übriggebliebenen jungen Männern diskutierten, hin und her. Patrick schüttelte den Kopf. "Erstmal nicht", entgegnete er. Sanft senkte er das Tuch an Adrianos Stirn und strich darüber. Nur wenig Schmutz löste sich, doch er wollte nicht fester drücken. Adriano musste irgendwann am Boden gelandet sein. Die Augenlider des Jungen zitterten kurz. Dann öffneten sie sich langsam. Adriano zuckte zurück, sah hektisch von Patrick zu Kira und wieder retour. Es musste wie irgendeine dämliche Floskel klingen, und doch hörte Patrick es sich selbst sagen. "Es kann dir nichts mehr passieren." Im Versuch, die Stirn zu runzeln, hielt Adriano inne, fasste sich vorsichtig an das blaue Auge. Kira blickte sich wieder nach draußen um. "Ihr werdet wohl auch mit der Polizei reden müssen", stellte sie fest. "Sie kommen gerade zu uns."Es war als würde sich der Junge näher an Patrick heranschieben. Ein älterer Mann in Uniform sah herein. "Herr Blatter?", fragte er. Patrick nickte. "Alles in Ordnung?", fragte der Beamte und sein Blick legte sich auf Adriano. Dessen Lippen öffneten sich, sagten jedoch nicht sofort etwas. Patrick konnte die Anspannung spüren, die den Körper, der sich auf ihn stütze, einnahm. "Ich habe nur etwas zu viel getrunken", sagte Adriano leise. Patrick sah den Jungen an. Und wurde kurz darauf angesehen. Es lag eine Bitte in diesen grün gespenkelten Augen. Schweigen. Der Beamte schien zufrieden. "Am besten wir gehen jetzt alle mal nach Hause", meinte er und es klang nach einer Aufforderung. Alle nickten, mehr oder weniger überzeugt. Adriano machte Anstalten, aufzustehen und Patrick tat es ihm gleich. Als der Junge schwankte, griff Patrick wieder zu. "Lass das...", flüsterte Adriano. Patrick ließ los. Er sah Levon zu, wie jener sich, am Türrahmen haltend, hinaustastete. Draußen fiel er beinahe, hielt sich im letzten Moment an Kiras Arm an. Entschuldigte sich, doch sie winkte ab. Mitleidsvoll begutachtete sie nochmal Adrianos Gesicht. Patrick trat nur vorsichtig näher. Als sein eigener Blick wieder auf Adriano fiel zog Patrick das kurzärmelige Hemd aus, das er trug. Er hatte noch ein Unterhemd darunter an. Das Hemd hielt er Adriano entgegen, der es kurz verständnislos ansah. "Dein Shirt ist kaputt", sagte Patrick leise. Niemand sollte es hören. Erschrecken zuckte durch Adrianos Augen. Schnell sah er an sich selbst herab. Ebenso schnell ergiff er das Hemd und zog sich sein Shirt über den Kopf. Patrick Blick fiel auf eine kaum behaarte Brust. Nicht sehr muskulös, eher drahtig schlank. Ein ziehendes Kribbeln machte sich in seinen Fingerspitzen breit. Er wandte den Blick ab. Ein paar Meter weiter hob der Polizist noch einmal grüßend zum Abschied die Hand und stieg zu seinem Kollegen in den Wagen. Von der Gruppe war niemand mehr zu sehen, doch Patrick fand dennoch, dass es Zeit war, diesen Platz zu verlassen. Er sah hilfesuchend zu Kira. "Lasst uns gehen", sagte diese tatsächlich. Dann griff sie nach Adrianos Arm. "Komm, ich helf dir." Adriano ließ es zu. Patrick sah ihren ersten Schritten nach. Dann ging er zu Josef, der ebenso wenige Schritte weiter in seinem Buggy saß und wartete.   Kira hatte ihn gefunden. Gott sei Dank. Er hatte den Buggy auch absichtlich direkt neben dem Gehweg stehen lassen, in der Richtung aus der sie kam. Patrick küsste Josefs Kopf und schob den Buggy dann hinter Kira und Adriano her. "Wo wohnst du denn?", fragte Kira geradeheraus. "Wir bringen dich nach Hause." Adriano sah blass aus. Sah sogar kurz zu Patrick nach hinten. "Ich kann jetzt nicht nach Hause", entgegnete er. Seine Stimme wackelte. Nun sah auch Kira kurz zu Patrick. "Also ich muss jetzt dann wieder nach Hause", meinte sie bedauernd. "Wir finden schon eine Lösung", sagte Patrick. Er wusste selbst nicht, woher er diese Sicherheit nahm. Der Blick seiner Schwester wurde skeptisch. Kurz deutete sie Adriano stehen zu bleiben und wandte sich an Patrick. Sie beugte sich zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr. "Du musst ihn irgendwie nach Hause schaffen. Kommst du zurecht? Soll ich Josef heute Nacht mitnehmen?" Patrick nickte bloß langsam. Kira kümmerte sich immer um alles. Gefundene Eichhörnchenkinder, vermisste Hunde. Und nun wollte sie, dass Patrick sich um Adriano kümmerte. Seltsamerweise störte es Patrick nicht. Er beute sich zu Josef und strich ihm durchs Haar. "Magst du heute bei Tante Kira schlafen?", fragte er, weil er wusste, dass die Antwort sowieso Ja sein würde. Josef liebte seine Tante heiß und innig. Und umgekehrt. Wenige Minuten später huschte Kira mit dem Buggy los. Sie hatte noch einige Anrufe zu erledigen und der Freund ihres Mannes kam um nach den Rohren im Badezimmer zu sehen. Es gab wohl ein Leck. Patrick Blick kehrte zu Adriano zurück. Der Junge saß mittlerweile auf einer der Holzbänke, die den Weg aus dem Park hinaus schmückten. Unsicher sah er Kira nach. Die Stelle um sein Augen wurde immer dunkler. Der Himmel ebenso. Patrick setzte sich kurz neben ihn. "Warum kannst du nicht nach Hause?", fragte er. Adriano sah ihn nicht an. Schwieg. Patrick dachte nach. War er etwa heim gegangen, damals nach dem Überfall? Nein. Er war in die nächste Bar gegangen und hatte sich einen Drink bestellt. Hatte mit dem Notgeldschein, den er immer in seinem Schuh trug, bezahlt. Noch einmal glitt sein Blick über Adrianos Gestalt. Er sah noch nicht sehr erwachsen aus. Kein Wunder, dass er ihn in Gedanken oft den Jungen nannte. Patrick seufzte leise. "Wenn du willst kannst du mit zu mir kommen", sagte er zögernd. "Ich geb dir einen Kaffee aus und du kannst auf der Couch schlafen." Adrianos Blick hob sich. Die mittlerweile getrockneten Tränen hatten helle Schlieren in den Staub an seinen Wangen gemalt. "Danke", flüsterte er. Es ging nicht bloß um die Couch. Patrick konnte es hören. "Dann lass uns mal los...", sagte er und stand auf. Er meinte es aufmunternd. Und er wollte dieses Gesicht nicht zu lange ansehen. Adriano blieb sitzen. Sah nur zu ihm hoch und verzog die Mundwinkel. Patrick ging leicht in die Knie. Fragend sah er den Jungen an. "Ich schaffs nicht alleine", murmelte Adriano. "Alles dreht sich." Es klang etwas trotzig. Patrick Gesicht beschlich ein Lächeln. Es klang etwas trotzig. Patrick Gesicht beschlich ein Lächeln. "Wir müssen nur noch ein paar Meter", sagte er. "Dann nehmen wir ein Taxi." Adriano schluckte sichtlich, nickte dann jedoch. Patrick hielt ihm einladend den Arm hin. Die fremde Hand tastete sich seinen Arm ein Stück entlang und stütze sich dann darauf. Dennoch schwankte Levian beträchlich. Patrick schlang den Arm um ihn, um ihn besser halten zu können. Nur deshalb, sagte er sich auch selbst in Gedanken.Es dauerte bloß fünf Minuten bis sie an den Parkeingang gelangt waren. Patrick wusste, dass es dort gleich ums Eck einen Taxistand gab. Er half Adriano beim Einsteigen, setzte sich selbst und nannte dem Fahrer seine Adresse. Der Junge schnallte sich an und das Taxi fuhr los. Adrianos Augen starrten einen Punkt vor ihm im Auto an. Patrick kannte das. Es war auch sein Trick, wenn ihm übel war. Kurz bevor sie in die Straße einbogen, in der Patrick wohnte, legte sich Adrianos Hand krallend an seinen Arm. Er war noch bleicher geworden als zuvor. Patrick verstand. "Fahren Sie bitte rechts ran. Schnell", forderte er den Fahrer auf. Der tat wie ihm geheißen. Adriano löste die Gurtschnalle schon bevor das Fahrzeug richtig zum stehen gekommen war, schlug die Tür mit voller Wucht auf und hastete hinaus. Er übergab sich am Gehsteigrand. Pikiert sah der Fahrer zu ihm. Patrick griff nach seinem Geld. "Danke, wir gehen das letzte Stück", meinte er und zahlte. Als das Taxi losfuhr, stand Adriano bereits wieder aufrecht. Er hielt sich an der Stange eines Verkehrsschildes fest. "Sind bloß noch zwei Minuten", erklärte Patrick. "Geht das?" Adriano nickte schwach. "Geht schon", murmelte er. Die Tür aufschließen ist manchmal gar nicht so einfach, dachte Patrick. Er war abgelenkt. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, dass niemand Fremder in dieser Wohnung gewesen war. War wohl auch fast so. Domenica hatte sie eingerichtet. Patrick hatte sie so gelassen, wie sie gewesen war. Für Josef. Das sagte er zumindest. Nun öffnete er die Tür für Adriano. Einen Jungen, den er kaum kannte. Duplosteine lagen auf dem Boden im Vorzimmer und Patrick deutete darauf. "Sorry", sagte er. Adrianos Blick glitt abtastend über die Steine und die Möbel. Wie angewurzelt blieb der Junge stehen. Patrick sah fragend zu ihm hinüber. Er hatte wenigstens wieder ein bisschen mehr Farbe im Gesicht als noch zuvor. "Was wird deine Frau sagen?", meinte Adriano leise. Patrick zog sich die Schuhe aus. "Nichts." Er ging Richtung Küche, ohne zu warten. Bald darauf hörte er Schritte. Patrick füllte ein Glas mit frisches Wasser und hielt es Adriano anbietend hin. Jener nahm es an, ließ sich auf die hölzerne Küchenbank sinken, trank einen Schluck und stellte es ab. Er zog die Beine hoch und legte die Arme darum. Dann sah er zu Patrick hoch. "Wie heißt du überhaupt?", fragte Adriano. Patrick musste schmunzeln. Er setzte sich ebenfalls und legte die Beine entspannt übereinander. "Patrick", sagte er. Adriano musterte sein Gesicht ungeniert. "Ist es okay, wenn ich du sage?", fragte er nach. Patrick zog kritisch eine Augenbraue hoch. Das Gesicht unter der verweinten Staubschicht grinste nun tatsächlich. Soweit verstanden sie sich also auch wortlos. "Hast du tatsächlich Geburtstag?", fragte Patrick, ohne sich davon abhalten zu können. Er wollte die Stimmung nicht sofort wieder trüben. Gelang aber nicht. Adriano schluckte sichtlich. "Ja." "Und wie kommst du an die Arschlöcher?" "Die sind bis Juni mit mir zur Schule gegangen.Abi gemacht." Patrick nickte langsam. "Ich dachte sie sind in Ordnung." Adrianos Stimme wurde wieder leiser. "Waren sie auch. Bis ich ihnen gesagt habe, dass ich schwul bin. Danach haben sie mich nur mehr zum Narren gehalten. So getan, als ob es für sie okay wäre. Bis heute."Unwillkürlich ergriff Patrick Adrianos Hand. Dessen Lippen öffneten sich, schlossen sich wortlos wieder. Patrick zog seine Hand zurück, viel zu langsam. "Entschuldige", sagte er leise. Er meinte es ernst. Dieser Junge war heute schon viel zu oft ohne Einwilligung berührt worden. Selbst der Kuss war zu viel gewesen. War nicht rein freiwillig. Selbst Patrick hatte die Grenze überschritten.Adriano senkte den Blick. "Kann ich mal kurz dein Bad benutzen?" Patrick nickte schnell. "Natürlich." "Brauchst du ein frisches Shirt?", rief Patrick Adriano nach, als jener sich in Richtung Flur begab. Der Junge drehte sich noch einmal um, sah ihn lange an und nickte schließlich. Patrick fühlte sich kurz schwindlig. Es war dieser Blick. Er war durchdringend, war erforschend. Brannte sich in seine Seele. Nur langsam stand er auf. Er deutete Adriano an, ihm zu folgen und betrat das Schlafzimmer. Adriano zögerte sichtlich einzutreten. Erst als er sah, dass das Bett leer war, trat er ein. Er fragte jedoch nicht nach, warum niemand da war. Patrick suchte ein ihm recht enges Shirt heraus und reichte es Adriano. Adriano drehte es unschlüssig in der Hand hin und her. "Wo ist denn das Bad?", fragte er dann. Lächelnd wies Patrick hinaus. "Zweite Tür links." Er sah Adriano noch nach, als jener hinausging.