Nordlichtglanz und Rentierglück - Ana Woods - E-Book
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Nordlichtglanz und Rentierglück E-Book

Ana Woods

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Beschreibung

**Herzklopfen auf einer Rentierfarm in Lappland**  It-Girl Zoey fühlt sich wie im falschen Film: Sie muss tatsächlich ihre Heimat New York verlassen, um im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms nach Lappland zu ziehen. Fortgerissen von ihrem bisherigen Luxusalltag sieht sie sich gezwungen, ihr Leben bei ihrer neuen Familie auf einer urigen Rentierfarm zu akzeptieren. Im Gegensatz zur Stadt, die niemals schläft, wirkt das verschneite Finnland wie in einem ewigen Winterschlaf.  Wäre da nicht der taffe Shane, der sie ständig auf die Palme bringt und bei dem sie trotzdem jedes Mal Herzklopfen bekommt, wenn ihr Blick seine bernsteinfarbenen Augen trifft. Doch als Zoey plötzlich von ihrer Vergangenheit eingeholt und alles bedroht wird, was ihr etwas bedeutet, ist Shane der Einzige, auf den sie sich verlassen kann …  Alle Herzen zum Schmelzen bringende Liebesgeschichte im eiskalten Norden Der neue Liebesroman von Ana Woods hat alles: Herzkribbeln, Spannung und das perfekte Wintersetting. Der ideale Roman, um sich an kalten Tagen in die malerische Natur Finnlands entführen zu lassen. //»Nordlichtglanz und Rentierglück« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//

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Ana Woods

Nordlichtglanz und Rentierglück

**Herzklopfen auf einer Rentierfarm in Lappland**It-Girl Zoey fühlt sich wie im falschen Film: Sie muss tatsächlich ihre Heimat New York verlassen, um im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms nach Lappland zu ziehen. Fortgerissen von ihrem bisherigen Luxusalltag sieht sie sich gezwungen, ihr Leben bei ihrer neuen Familie auf einer urigen Rentierfarm zu akzeptieren. Im Gegensatz zur Stadt, die niemals schläft, wirkt das verschneite Finnland wie in einem ewigen Winterschlaf. Wäre da nicht der taffe Shane, der sie ständig auf die Palme bringt und bei dem sie trotzdem jedes Mal Herzklopfen bekommt, wenn ihr Blick seine bernsteinfarbenen Augen trifft. Doch als Zoey plötzlich von ihrer Vergangenheit eingeholt und alles bedroht wird, was ihr etwas bedeutet, ist Shane der Einzige, auf den sie sich verlassen kann …

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Vita

Danksagung

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© privat

Ana Woods lebt am grünen Stadtrand von Berlin, wo sie von Inspiration zu ihren Romanen nur so umgeben ist. Bereits in jungen Jahren fing sie mit dem Schreiben an und verzauberte mit ihren fantasievollen Kurzgeschichten nicht nur Freunde und Familie, sondern ebenfalls ihre Lehrer und Klassenkameraden. 2017 hat Woods sich ihren Traum erfüllt und sich als Autorin selbstständig gemacht.

Für alle Träumer

Kapitel 1

Wo auch immer ich mich befand, es war scheißkalt. Der Eiswind wirbelte meine Haare auf, die mir wie spitze Geschosse das Gesicht zerkratzten. Jedenfalls fühlte es sich so an. Nun machte es auch Sinn, dass man mir die gefütterten Klamotten gegeben hatte. Nur würden diese löchrigen Stiefel die Kälte nicht sonderlich lange vertreiben. Ich spürte bereits jetzt, wie sie durch den Stoff hindurchkroch und sich in meine Glieder zu fressen versuchte. Vermutlich würde es nicht mehr als wenige Minuten dauern, ehe meine Füße Eisklumpen glichen. Zeugenschutzprogramm …

Es war dieses eine Wort, das mir nun schon seit einem Tag im Kopf herumgeisterte, und schuld daran war, dass es mich hierher verschlagen hatte. Alles war so verdammt schnell gegangen, dass ich noch nicht einmal die Möglichkeit gehabt hatte, den ganzen Mist zu verarbeiten.

»Folgen Sie mir, Miss Bryce.«

Der Mann, der plötzlich vor mir stand, war vermutlich erst in seinen späten Dreißigern, doch die eingefallenen Wangen und grauen Härchen in seinen Augenbrauen ließen ihn älter aussehen. Höchstwahrscheinlich schuftete er sich in dieser sterilen Pampa hier halb tot, um seine Frau und vielleicht auch mehrere Kinder durchzufüttern, und schob Überstunden, die man ihm ohnehin nicht entlohnte geschweige denn dankte, in der Hoffnung, befördert zu werden.

Ich kannte Männer wie ihn. Solche arbeiteten zur Genüge in der IT-Firma meines Vaters. Ich hatte sie jeden Tag gesehen und manchmal einen kleinen Funken Mitleid mit ihnen verspürt. Aber nur manchmal.

Der Gedanke an Dad und seine Firma ließ mich mit den Zähnen knirschen. Kochende Hitze schoss durch meinen Körper und brachte mein Blut zum Brodeln.

Ich hatte nichts verbrochen, sondern lediglich das Pech gehabt, in die falsche Familie hineingeboren worden zu sein. Dass mein Dad einige krumme Geschäfte abwickelte, war mir schon lange bewusst gewesen, aber ich hatte seine Machenschaften nie hinterfragt. Ich hatte mich einfach nicht in Dinge einmischen wollen, die mich nichts angingen, um genau solch einer Situation wie der, in der ich mich nun wohl oder übel befand, aus dem Weg zu gehen.

Mich von meinen Eltern zu verabschieden war mir vor der Abreise verboten worden. Vermutlich war das auch besser so, denn ich empfand im Moment nichts als unermessliche Wut auf Dad. Wie hatte er mir so etwas nur antun können? Mom und er waren oft in Streit geraten, da sie im Übrigen auch nicht sonderlich angetan von seinen kriminellen Geschäften gewesen war, aber er hatte ihr immer versichert, dass er uns nicht in Gefahr bringen würde. Und nun war ich ans Ende der Welt verfrachtet worden.

Und das sechs Wochen vor Weihnachten! Obwohl es sich dabei für mich um die schönste Zeit des Jahres handelte.

Sobald der Dezember kam, flüchteten die Eltern meiner besten Freundin Jess aus New York, um die kalten und stressigen Feiertage auf den Bahamas auszusitzen. Dies nahmen wir immer zum Anlass, die größte Party des Jahres in ihrer Villa am Stadtrand auszurichten. Es war ein Event, über das man noch Monate danach sprach.

Und was nun? Ich würde es vermutlich verpassen und mir stattdessen den Arsch abfrieren!

Der Mann stand noch immer abwartend vor mir, ehe ich ihm bedeutete loszulaufen. Ich folgte ihm, ohne eine Frage zu stellen. Wenn ich eines nämlich in den vergangenen vierundzwanzig Stunden gelernt hatte, dann dass man mir ohnehin nicht antworten würde.

Ein grausiges Gefühl breitete sich in mir aus. Ich war mir ziemlich sicher, dass wir uns nicht in Schottland befanden, denn dafür war es hier zu kalt und zu verschneit. Im Himalaja konnten wir auch nicht sein, dafür hatten wir das Ziel zu schnell erreicht gehabt. Möglicherweise hatte man mich nach Russland gebracht? Dort würde man mich jedenfalls sicher nicht finden, falls die Verbrecherbande wirklich nach mir suchen sollte. Was ich bezweifelte, denn so wertvoll war ich nicht, auch wenn ich das eher ungern zugab. Dad liebte mich zwar, aber wenn es eines gab, was er ganz sicher noch mehr liebte, dann war es Geld. Eine Eigenschaft, die ich von ihm geerbt haben musste.

Wir stapften noch eine Weile durch den Schnee und ich sah mich etwas genauer um. Ich musste meine Augen fest zusammenkneifen, denn die Schneeflocken waren wie kleine Dolche. Ein wenig fühlte ich mich wie bei meiner monatlichen Akupunktur, nur dass ich mir diese ausgesucht hatte und es hier einer qualvollen Zwangsbehandlung glich.

In der Ferne konnte ich einen gräulichen Turm ausmachen, neben dem ein gelblicher etwas kleinerer stand. Sie ragten einige Meter in die Höhe, an ihren Dächern befanden sich Scheinwerfer, wenn ich das richtig deuten konnte. Ich glaubte, auch Antennen zu sehen. Für einen kurzen Moment blieb ich stehen, um noch mehr erkennen zu können. Ein längliches Gebäude schmiegte sich an den grauen Turm, der, wie mir nun klar wurde, der Tower eines Flughafens war.

Der Wind ebbte ab, sodass die Schneeflocken nunmehr sanft zu Boden tänzelten und mir den Blick auf das Schild des Flughafens freigaben: »Finavia Ivalo Airport.«

Ich musste kein Einstein sein, um zu wissen, was das hieß: Man hatte mich nach Finnland verfrachtet.

Finnland! Hatte das wirklich sein müssen? Klar, der finnische Winter war bestimmt wunderschön, aber hier gab es nichts. Nichts außer einer tristen Einöde mit kaum Einwohnern. Da wäre mir Russland tausendmal lieber gewesen. Immerhin gab es dort Wodka, den ich mit meinen neunzehn Jahren dort sogar legal trinken durfte.

Und was gab es in Finnland noch? Vermutlich eine Sauna an der anderen, in denen man Fleisch an Fleisch mit verschwitzten Fremden saß. Toll, ganz toll, wirklich!

Da ich nicht wusste, ob ich wissen durfte, wo ich mich befand, ließ ich mir nichts anmerken. Wobei – wäre es möglich, dass man mir einen neuen Ort zuteilte, wenn ich einfach ausplauderte, dass ich das Schild gesehen hatte?

Kurz wägte ich das Für und Wider ab, konnte mich aber nicht rechtzeitig entscheiden.

»Einsteigen«, sagte der düster dreinblickende Mann, dessen merkwürdiger Akzent mir erst jetzt auffiel, als er mir die Tür eines Vans öffnete.

Ein schwarzer Van? Sorry, aber ich dachte, wir sollten uns unauffällig verhalten? Wie unauffällig war bitte solch ein Wagen, noch dazu mit getönten Scheiben?

Wobei … wenn ich so darüber nachdachte, dann war es vermutlich doch die unauffälligste Variante, sich fortzubewegen. Schließlich würde niemand denken, dass das FBI so wenig Verstand besaß, weshalb man eher nach anderen Fahrzeugen Ausschau halten würde. Sehr gewieft, das musste ich zugeben.

Widerwillig stieg ich ein und wartete, dass wir losfuhren. Ich hörte, wie zwei Männer sich draußen in einer mir fremden Sprache unterhielten. Dann wurde der Kofferraum zugeschlagen und jemand nahm vorn hinter dem Lenkrad Platz. Es war nicht der Mann, der mich aus dem Flugzeug gebracht und zum Auto geführt hatte.

Eigentlich sollte ich mich geschmeichelt fühlen, dass man mir so viel Aufmerksamkeit schenkte und die Mitarbeiter alle paar Sekunden wechselten. Vielleicht war ich doch wichtiger, als ich zunächst gedacht hatte.

Eine dunkle Scheibe trennte mich von dem Fahrer, weshalb ich ihn nicht genauer erkennen konnte. Nur durch seine hellere Haarfarbe wusste ich überhaupt, dass es ein anderer Mann war.

Ohne sich vorzustellen oder auch nur ein einziges Mal zu mir nach hinten zu schauen, drückte er aufs Gaspedal. Wie im Film quietschten die Reifen und schlitterten über den vereisten Boden. Mein Magen schlug Saltos, als ich die kahlen Bäume an mir vorbeirasen sah. Für mein Empfinden fuhren wir viel zu schnell, aber was hätte ich schon dagegen unternehmen sollen? Mich beschweren wie ein bockiges Kleinkind? Nein, wirklich nicht. Also versuchte ich mich zu entspannen.

»Weißt du, wir haben Tove Jansson«, sagte der Fahrer so plötzlich in perfektem Englisch, dass ich beinahe einen Herzinfarkt erlitt. Er versuchte sich an klassischem Small Talk, aber ich hatte keine Ahnung, von wem er sprach. Sollte das irgendein Schauspieler sein, von dem man gehört haben musste?

»Du weißt schon«, setzte er nach, »die Schöpferin der Mumins.«

Noch immer hatte ich keinen Schimmer, was der Mann mir damit sagen wollte. Klang ein wenig nach einer finnischen Spezialität. »Was?«

»Na, die Mumins. Die sind auf der ganzen Welt bekannt. Die Amerikaner würden vielleicht sagen, sie sind so etwas wie das finnische ›Hello Kitty‹. Lass das aber hier niemanden hören, die Finnen sind superstolz auf ihre Mumins.«

Dem Klang seiner Stimme nach zu urteilen, war er total euphorisch. Ich hingegen wünschte mir, er wäre einfach wieder still gewesen, anstatt mich mit uninteressanten Informationen zu nerven. Ich lehnte mich zurück und platzierte den Kopf an der kalten, beschlagenen Scheibe.

In dem Moment wurde mir erst wirklich bewusst, was der Mann mir eben offenbart hatte.

»Wir sind in Finnland?«, versuchte ich so überrascht wie möglich zu klingen.

Ihm entfuhr ein Glucksen. »Ich habe gesehen, dass du voller Entsetzen das Flughafenschild angestarrt hast. Wozu sollte ich dir also etwas vormachen? Ich traue dir gerade genug Verstand zu, dass du nicht sofort deine Eltern oder Freundinnen anrufst.« Er hielt einen Moment inne. »Zumal du ohnehin kein Telefon hast.«

»Pah!«, entfuhr es mir lauter als beabsichtigt. »Was fällt Ihnen ein, mich zu beleidigen? Was glauben Sie bitte, wer Sie sind?«

Er warf einen schnellen Blick in den Rückspiegel. Seine durchdringenden bernsteinfarbenen Augen jagten mir einen Schauer über den Rücken und meine Armhärchen stellten sich instinktiv auf. Solch eine Farbe hatte ich noch nie gesehen und ich war mir nicht sicher, ob ich sie mir durch die leicht verdunkelte Scheibe nicht nur eingebildet hatte.

»Shane Bryce. Freut mich dich kennenzulernen.«

Der schelmische Unterton war nicht zu überhören, aber ich biss mir auf die Unterlippe, um ihn nicht mit unzähligen Schimpfwörtern zu belegen. Hatte ich seine Augen eben noch für anziehend gehalten, empfand ich seinen kompletten Charakter mit einem Mal als unausstehlich. Das Schlimmste war allerdings die Tatsache, dass er meinen Nachnamen trug.

»Also sind wir …«

»… miteinander verwandt? Ja, ich bin dein Cousin«, schnitt er mir das Wort ab und zwinkerte mir durch den Rückspiegel zu. »Ich freue mich wirklich, dass du bei uns leben wirst, Cora.«

Cora. Cora Bryce.

Ich würde mich vermutlich niemals an diesen grausamen Namen gewöhnen. Das klang für mich eher wie der Name eines Haustiers als der eines Menschen. Aber natürlich war mir keinerlei Mitspracherecht eingeräumt worden, was die Namensfindung betraf. Denn man hatte mir, um der ganzen Zeugenschutzprogramm-Sache das i-Tüpfelchen aufzusetzen, einen braunen Umschlag mitsamt neuer Identität in die Hand gedrückt.

Und mir war mitgeteilt worden, dass zur neuen Identität auch ein neuer Kleidungsstil gehörte. Das hieß, ich hatte mich von meinen schicken Cocktailkleidern, Pumps und Clutches trennen und mich stattdessen in bequeme, warmhaltende Kleidung werfen müssen.

Genau aus diesem Grund trug ich gerade eine gefütterte Hose, Wollsocken, die in zerfledderten Stiefeln steckten, einen dicken Pullover und einen Daunenmantel. Den Schal, die Mütze und die Handschuhe hatte ich in den Stoffbeutel gestopft, den man mir bereits beim Einsteigen in den Privatjet gegeben hatte. Ein Stoffbeutel! Ja, so weit war es bereits gekommen. Ich war nur noch ein bemitleidenswertes Häufchen Elend.

»Hat es dir die Sprache verschlagen?«

»Etwas«, erwiderte ich, da ich nicht zugeben wollte, dass ich mit den Gedanken vollkommen abgeschweift war. »Wieso hast du einen englischen Namen?«

»Wir kommen ursprünglich aus Kentucky. Als ich zehn war, sind meine Eltern allerdings nach Finnland ausgewandert.«

Ein riesiges Fragezeichen musste sich über meinem Kopf formen. Wie konnte man die Vereinigten Staaten von Amerika nur freiwillig verlassen, um hierher zu ziehen? Das konnte ich nicht begreifen.

»Auch wenn du es jetzt noch für unmöglich hältst, am Ende wirst du Finnland nie wieder verlassen wollen«, sprach Shane weiter, so, als hätte er eben einen Blick in meinen Kopf erhaschen können.

»Das glaube ich kaum«, murmelte ich und meinte es auch so. Dieses Land hatte nichts zu bieten, was mein Interesse auch nur im Geringsten erwecken könnte.

Glücklicherweise deutete Shane mein weiteres Schweigen dieses Mal korrekt und ließ mich allein mit meinen Gedanken.

Während wir der verlassenen Straße folgten, blickte ich weiterhin aus dem Fenster. Ein Baum glich dem anderen und ich fragte mich, wie man sich hier ohne Navi orientieren sollte. Wir fuhren an kaum einem Ortsschild vorbei, sondern passierten stattdessen einige gefrorene Felder, auf denen irgendwelche Tiere herumstanden, die ich keines weiteren Blickes würdigte. Wenigstens hatte der Schneesturm mittlerweile halbwegs nachgelassen.

Die Fahrt dauerte nicht sonderlich lange, doch es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor. Schuld war dieses unangenehme Schweigen im Wageninneren. Zwar hatte ich keine große Lust, mich mit Shane zu unterhalten, da er unhöflich und respektlos war, aber er hätte ruhig im Hintergrund Musik laufen lassen können. Und sei es irgendeine finnische Folklore-Band im Radio, Hauptsache Hintergrundgeräusche.

Da ich allerdings nicht mit Shane sprechen wollte, musste ich mich mit der beklemmenden Stille wohl oder übel abfinden. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Nicht nur, um die beleidigte Leberwurst zu spielen, sondern weil die Kälte von draußen durch jeden Spalt hineinkroch und sich langsam durch meinen Daunenmantel biss. Wie konnten die Finnen diese Temperaturen nur aushalten? Zwar wurde es auch bei uns in New Jersey kalt, aber nicht so kalt.

Ich kam nicht umhin, mit denen Zähnen zu klappern. Ich hatte versucht es zu unterdrücken, aber mein Körper handelte mittlerweile ohne mein Zutun. Shane schaute in den Rückspiegel. Ohne hinsehen zu müssen, spürte ich seinen mitleidigen Blick auf mir ruhen, doch den konnte er sich getrost dorthin schieben, wo keine Sonne schien. Ich brauchte kein Mitleid, sondern meine Fußbodenheizung und Pelzmäntel.

Nach einem kurzen Moment lehnte Shane sich etwas nach vorn, um an einem Knopf zu drehen. Augenblicklich pustete mir warme Luft entgegen und ein abartiges Kribbeln durchzog meine Glieder, während sie langsam auftauten. Erst jetzt fiel mir auf, dass mein kompletter Körper bereits zu einem Eisblock gefroren war und nicht nur meine Füße, wie zunächst von mir vermutet.

Hoffentlich durfte ich, sobald wir unser Ziel erreicht hatten, ein heißes, dampfendes Bad nehmen. Anschließend hätte ich mich gern unter einen Pelz vergraben und Winterschlaf gehalten. Schade, dass ich kein Bär war. Verpassen würde ich in dieser Tristesse sicher nichts, wenn ich mich ein paar Monate zur Ruhe begeben würde.

Just in diesem Moment bog Shane nach rechts ab und folgte einem schmalen, vereisten Pfad. Man konnte deutlich die Reifenspuren erkennen, die sich bereits mit dem Boden vermischt hatten. Vermutlich wurde dieser Pfad öfter benutzt, um in die nächstgelegene Stadt zu kommen, wo auch immer sich diese befand. Wir kamen lediglich an wenigen Holzhütten und Farmen vorbei. Gesehen hatte ich sechs Personen. Sechs Personen auf einer Fahrt von etwa fünfundvierzig Minuten. Das war ein erbärmlicher Schnitt, gerade wenn man bedachte, dass das die Anzahl der Personen war, denen ich in der Lobby begegnete, wann immer ich Cam besuchte.

Cam …

Ich hatte in der letzten Zeit keine Gedanken an ihn verschwendet. Wir waren lange ein Paar gewesen, etwas mehr als drei Jahre. Doch er hatte mich hintergangen, mehrere Monate, ohne dass ich es mitbekommen hatte. Schlussendlich war ich draufgekommen, dass beinahe jeder in meinem engeren Bekanntenkreis von seinem Verrat gewusst und niemand es für nötig gehalten hatte, mir – seiner Freundin – davon zu erzählen. Das war der Tag gewesen, an dem ich meine Freundesliste radikal gekürzt hatte, sodass nur eine Handvoll übrig geblieben war.

Warum ich gerade jetzt, am anderen Ende der Welt, an ihn denken musste, war mir schleierhaft.

Der Wagen kam mit einem unangenehmen Ruckeln zum Stehen. »Wir sind da«, rief Shane über seine Schulter hinweg und grinste dabei verschwörerisch.

Ich zog die Brauen fragend zusammen und warf einen Blick aus dem Fenster. Hier war nichts. Wollte er mich etwas schon wieder auf den Arm nehmen? Wir konnten nicht am Ziel angekommen sein.

»Okay?«, ließ ich es wie eine Frage klingen, öffnete die Tür und schloss sie augenblicklich wieder, als der eisige Wind mir entgegenpeitschte. Oh, mein Gott, war das arschkalt. Ich hatte nicht geglaubt, dass es einen Fleck auf der Erde geben könnte, der noch kälter war als der kleine Flughafen, an dem wir vor einer Stunde gelandet waren. Da hatte ich mich allerdings getäuscht, denn hier waren es locker zehn Grad weniger – nicht übertrieben! Wie vom Blitz getroffen kramte ich Schal, Mütze und Handschuhe aus dem Stoffbeutel hervor und zog alles über.

Shane schaute mich amüsiert an, grunzte und riss die Fahrertür auf. Zwar trennte uns die Scheibe, diese schützte aber in keinem Fall vor der Kälte, die mich trotz allem auf der Rückbank umschloss. Verdammt, es brachte nichts, mich hier hinten zu verstecken, denn früher oder später würde mich auch hier der Erfrierungstod einholen.

Ich musterte Shane, der mit verschränkten Armen vor dem Auto stand und den Kopf schüttelte. Er trug lediglich einen dünnen Trenchcoat und einen Schal – keine Mütze, keine Handschuhe. Wie war das möglich? Konnte man sich an dieses Wetter gewöhnen, wenn man nur lange genug in solch einem Klima lebte? Das konnte ich mir nicht vorstellen.

Er musste mich für eine kleine Mimose halten. Komischerweise war genau das der Gedanke, der mich dazu brachte, tief durchzuatmen und hinauszutreten, denn wenn ich eines nicht wollte, dann war es Shane diesen Triumph zu gönnen. Ich verkniff mir ein keckes Grinsen, als ich den anerkennenden Ausdruck auf seinem Gesicht sah.

Nun, da wir uns beide im – wenn auch etwas schummrigen – Tageslicht befanden, konnte ich ihn zum ersten Mal wirklich betrachten. Shane war einen Kopf größer als ich, hatte unglaublich breite Schultern und selbst durch den Trenchcoat konnte man sehen, dass er gut gebaut war, als würde er viel Zeit in Sport investieren. Ich erwischte mich dabei zu überlegen, wie er wohl ohne Klamotten aussah, schüttelte diesen Gedanken aber schnell wieder ab.

Seine Augen hatten wirklich diesen güldenen Bernsteinton und seine aschblonden Haare standen wild in sämtliche Himmelsrichtungen ab. Ein dunkler Bartschatten zierte sein markantes Gesicht. Jap, Shane war eindeutig gut aussehend, wenn mich auch seine arg buschigen Augenbrauen störten. Am liebsten würde ich meine Pinzette hervorkramen und sie ihm ordentlich zupfen. Aber wenn man es genau nahm, gab es hier in der Wildnis sicherlich keine junge Frau, die es zu beeindrucken galt.

»Ich habe nichts dagegen, wenn du mich angaffst, aber Wurzeln schlagen wollte ich hier draußen eigentlich nicht«, ermahnte mich Shane und der belustigte Ausdruck machte sich wieder auf seinem Gesicht bemerkbar.

Normalerweise war mir nichts unangenehm, meine Hemmschwelle war äußerst niedrig, aber irgendetwas an ihm machte mich unfassbar nervös.

Die Hitze schoss mir in die Wangen und ich hätte mich am liebsten in Luft aufgelöst. »Dann mal los«, fiepte ich mehr, als dass ich sprach. Komm schon, Zoey … ich meine Cora.

Ich musste mich wirklich daran gewöhnen, mein altes Ich abzulegen, aber das dürfte noch eine Weile dauern. War es überhaupt möglich, eine Identität, die man sich über so lange Zeit aufgebaut hatte, einfach zu vergessen … zu überschreiben? Für mich schien es ein Ding der Unmöglichkeit zu sein und im Grunde wollte ich Zoey Hartford auch nicht aufgeben. Sie war reich, klug und beliebt. Sie machte, was immer sie wollte und wann sie es wollte. Sie ließ sich von nichts und niemandem unterkriegen, vor allem nicht von gut aussehenden Kerlen, die in Schnee und Eis beheimatet waren. Ich musste mir eingestehen, dass Zoey mir bereits jetzt fehlte.

Shane lief indes hinter den Wagen, öffnete den Kofferraum und stellte meine Habseligkeiten vor mir ab. Nun ja, es waren nicht meine Habseligkeiten, sondern die, die man mir mitgegeben hatte. Ein kleiner Koffer mit ein paar wenigen Wechselklamotten, einem Notizblock mit Stift und neuen Papieren.

Ich schaute das Gepäckstück an und atmete tief durch. Das war sie also – meine neue Identität. Nachdem Shane den Kofferraum wieder geschlossen hatte, stapfte er an mir vorbei. Und mich ließ er einfach stehen.

»Hey, warte! Und wer soll meine Sachen tragen?«, rief ich ihm hinterher.

Ich hörte sein lautes Lachen, tief, durchdringend. »Ich bin nicht dein Butler, Prinzesschen. Hier hat jeder seinen Beitrag zu leisten. Niemand wird von dem jeweils anderen bedient. Also schwing deinen Hintern in Bewegung.«

Seine Worte kamen zwar bei mir an, aber ich begriff nur die Hälfte von dem, was er gesagt hatte. Beitrag leisten? Was meinte Shane damit? Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, denn er war schon beinahe über alle Berge und ich stand hier noch immer wie festgewachsen. Ich blickte zum Koffer, dann zu Shane. Er würde nicht wiederkommen, dessen war ich mir sicher. Mit blieb also nichts anderes übrig, als ihm mitsamt Gepäck durch den hohen Schnee zu folgen.

Kapitel 2

Keine Ahnung, weshalb wir so weit abseits des Hauses geparkt hatten. Wir mussten sicherlich noch fünfzehn Minuten laufen, ehe es überhaupt in unser Blickfeld trat. Als ich den Rauch aus dem Schornstein emporsteigen sah, war ich doch etwas überrascht. Und zwar durchaus positiv. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Shane in solch einem großen Haus lebte.

»Warum sind wir nicht einfach bis nach vorn gefahren?«, wollte ich wissen.

Das Gewicht des Koffers ließ mich straucheln. Ich war es nicht gewohnt, meine Sachen selbst zu tragen. Normalerweise war einer unserer Angestellten dabei, dem ich meine Taschen in die Hand drücken konnte. Und auch zu Hause hatten wir jede Menge Bedienstete, die jedwede Aufgabe für mich erledigten. Doch hier war alles ganz anders und ich wusste nicht, wie ich mit dieser Änderung umgehen sollte. So wirklich in den Kram passte sie mir nicht.

Zum ersten Mal, seit wir den Wagen verlassen hatten, blieb Shane stehen, um mich zu ihm aufschließen zu lassen. Vermutlich hatte er keine Lust, gegen den Wind anzubrüllen. Verständlicherweise. Die kalte Luft kratzte und schnürte meine Kehle zu. Jedes Wort tat weh und musste es geschrien werden, war es nur umso schmerzhafter.

Shane wartete ungeduldig, weshalb ich mich beeilte. Denn ich wollte mich auch nicht mit ihm streiten. Allerdings hatte ich mich noch immer nicht an den Ballast in meinen Händen gewöhnt. Unter anderen Umständen hätte der Koffer mich vielleicht nicht gestört, aber aufgrund der Eis- und Schneedecke konnte man ihn nicht hinter sich herziehen.

»Die Tiere hassen die Geräusche«, erklärte Shane als ich neben ihm zum Stehen kam. »Da Dad den Wagen ohnehin gleich benötigt, habe ich ihn weiter abseits geparkt, damit wir nicht andauernd hin- und herfahren müssen.«

Vielleicht hätte mich der Teil mit den Tieren aufhorchen lassen sollen, doch ich hörte etwas vollkommen anderes aus seinen Worten heraus. »Du wohnst noch mit deinen Eltern zusammen?«

»Und du hast nicht bis vor wenigen Tagen noch bei deinen Eltern gewohnt?«

»Das ist etwas völlig anderes«, versuchte ich zu kontern, »ich bin ja auch nicht steinalt.«

Durfte ich nicht bitte einfach im Erdboden versinken? Ich konnte es kaum fassen, dass ich das eben wirklich gesagt hatte. Wie kindisch! Auch Shane schaute mich an, als würde eine Fünfjährige vor ihm stehen. Fehlte nur noch, dass er mir mit erhobenem Finger eine Moralpredigt hielt.

Stattdessen legte er den Kopf in den Nacken und fing inbrünstig an zu lachen. »Wenn man für sein Geld arbeiten muss, dann zehrt das an einem«, sagte er mit einem Augenzwinkern. »Allerdings bin ich gerade erst zwanzig und arbeite im Familienbetrieb meiner Eltern. Denn irgendwann werde ich ihn übernehmen.«

Angewidert verzog ich die Mundwinkel. Arbeiten, urghs! »Und worin genau besteht diese Arbeit?«

Shane breitete grinsend die Arme aus. »Das hier ist mein Job«, sagte er euphorisch.

»Ehm … auf einem Feld stehen und herumbrüllen?«

»Da hat wohl jemand einen Clown gefrühstückt«, antwortete er schroff. »Dieses Land gehört meiner Familie. Du befindest dich, bereits seit wir aus dem Van gestiegen sind, auf der größten Rentierfarm Lapplands.«

»Rentiere? Wie die Viecher, die den Schlitten von Santa Claus ziehen?«, begann ich und erstickte dabei fast an meinem Lachen. »Du spinnst doch! Und was züchten die anderen Familien? Einhörner?«

Nun legte er den Kopf schief und musterte mich, als käme ich von einem anderen Stern. »Ich hoffe, du scherzt!«

»Das könnte ich auch von dir behaupten. Was auch immer du für Pillen schluckst, du kannst mir gern welche abgeben.«

»Cora …«, begann Shane, seine Miene plötzlich hart und ernst. »Rentiere sind keine Fabelwesen. Es gibt sie wirklich.«

Ganz plötzlich blieb mir das Lachen im Halse stecken. Ich war mir unsicher, ob er mich veralberte oder ob ich mich gerade zum Volldeppen gemacht hatte.

»Das weiß ich natürlich«, sagte ich daher schnell. »Ich wollte dich nur ein bisschen hochnehmen.«

Shane presste die Lippen fest aufeinander und bedachte mich mit einem äußerst mitleidigen Blick. Dann, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte er sich um und lief weiter. Verdammt, es war mein erster Tag hier und schon blamierte ich mich vollends. Konnte es denn noch schlimmer werden?

Ich griff nach meinem Koffer und hob ihn wieder an. Dann trotte ich wie ein getretener Welpe hinter meinem »Cousin« her. Am liebsten hätte ich mich irgendwie verteidigt oder gerechtfertigt. Immerhin gab es solche Tiere meines Wissens nach in New Jersey nicht. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass es vollkommen gleich war, was ich sagte, Shane hatte mir ohnehin schon einen Stempel verpasst. Und zwar den der dummen reichen Göre.

Wir kamen dem Haus wenigstens in einem angenehmen Tempo näher und so langsam spürte ich auch die Wärme, die von ihm ausging. Als wir am Eingang angelangt waren, nickte ich anerkennend. Der Stil war zwar etwas altbacken und nicht mehr in der Mode, aber die Größe konnte sich sehen lassen. Sicherlich hatte dieses Gebäude acht Schlafzimmer. Vielleicht konnte ich mich dann doch etwas wie zu Hause fühlen.

Als könnte Shane meine Gedanken lesen, zerstörte er meine Träume mit nur einem Satz. »Der Wohnbereich nimmt nur einen kleinen Teil des Hauses ein.«

Nein, nein, nein. Bitte nicht!

»Im hinteren Bereich befinden sich Gastarbeiterunterkünfte und die Stallungen für die Tiere. Ich hoffe, du hast keinen Heuschnupfen.«

Ohne überhaupt eine Antwort abzuwarten, schloss Shane die Tür auf und trat hinein. Sofort strömte mir angenehm warme Luft ins Gesicht und ich spürte, wie meinen müden Knochen langsam wieder Leben eingehaucht wurde. Ich folgte Shane ins Innere und musste leider feststellen, dass es hier doch weitaus altbackener war, als es von außen den Anschein gemacht hatte.

Alles, wirklich alles, bestand aus Holz. Der Boden, die Wände, die Decke, jegliche Möbel. Das machte einen unfassbar erdrückenden Eindruck. Glücklicherweise war in dem schmalen Eingang wenigstens ein kleiner roter Teppich ausgelegt, der leider ebenfalls schon einmal bessere Tage gesehen hatte. Aber immerhin bestand er aus einem augenscheinlich weichen Material.

Es duftete nach Zimt und Nelken, sodass ich augenblicklich in meine Kindheit zurückversetzt wurde. Früher hatten wir oft meine Großmutter in den Bergen besucht. Dort hatte sie für uns stundenlang in der Küche gestanden und Plätzchen jeglicher Art zubereitet, mit denen ich mir mehr als einmal den Magen bis zum Erbrechen vollgeschlagen hatte.

»Shane? Seid ihr das?«, rief eine Frau vom anderen Ende des Flurs.

»Ja!«, entgegnete er, woraufhin schlurfende Schritte ertönten.

Kurz darauf kam eine Frau mittleren Alters um die Ecke. Sie trug eine verschmutzte Schürze und ein Haarnetz. Ihre Wangen waren gerötet und in ihrem Gesicht waren überall Mehlrückstände zu sehen. Mit einem Handtuch wischte sie sich die dreckigen Hände ab und kam vor mir zum Stehen. Sie lächelte mich breit an und reichte mir eine Hand. »Du musst Cora sein!«

Ich ergriff die hoffentlich nun saubere Hand und betrachtete die Frau etwas genauer. Alles an ihrem Anblick schrie Bedienstete des Hauses. Und da sie aus der Küche gekommen war, machte meine folgende Äußerung auch Sinn. »Oh, Sie müssen die Köchin sein.«

Shane räusperte sich lautstark und der Dame entglitt jeglicher Ausdruck.

»Hausherrin trifft es eher«, erklärte sie sich und ließ abrupt von mir ab. »Ich bin Jennifer Bryce oder für dich Tante Jenny.«

Wow, damit hätte ich nun im Leben nicht gerechnet. Das meinte Shane also, als er gesagt hatte, dass jeder seinen Beitrag leisten musste. »Tut mir leid«, stammelte ich etwas unbeholfen. »Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du selbst in der Küche stehst.«

Sie schnalzte mit der Zunge und sah mich skeptisch an. »Also kannst du vermutlich nicht kochen?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Putzen? Ställe reinigen? Wäsche machen? Irgendetwas?«

»Ich kann meine Kleidung nach Farben sortieren.«

Shane begann zu prusten, während Tante Jenny sich die Schläfen massierte. »Na schön. Dann müssen wir mit dir wohl bei null anfangen.«

»Oooooder«, ergänzte ich. »Ich gehe einfach auf mein Zimmer und schaue dort Filme.«

»Ich habe dir bereits gesagt, dass hier jeder mit anpackt«, sagte Shane ermahnend. »Das war mein voller Ernst, Cora.«

»Ihr könnt mich zu gar nichts zwingen«, spie ich aus. »Ich will nicht einmal hier sein. Es ist scheißkalt, ich kenne niemanden und ich habe auch keinen Bock zu arbeiten! Also werde ich das auch nicht tun!«

Tante Jenny verschränkte die Arme vor der Brust und machte ein paar Schritte auf mich zu, was kaum möglich schien, da sie mir bereits vorher gegenübergestanden hatte. Sie überragte mich um einen halben Kopf. Irgendetwas an ihrer Erscheinung war einschüchternd, weshalb ich mich instinktiv kleiner machte und mich zu verstecken versuchte.

»Hör mal zu, Fräulein. Du wirst, ob du es willst oder nicht, in der kommenden Zeit unter meinem Dach leben. Wer essen will, muss arbeiten. Ich bin weder dein Babysitter noch deine Putzfrau oder Köchin. Solange du hier bist, wirst auch du dir die Hände schmutzig machen. Ich hoffe, wir haben uns jetzt verstanden.«

Meine Augen brannten und mein Blick wurde glasig. Tränen rannen meinen Wangen hinunter, ohne dass ich sie aufhalten konnte. Erst jetzt wurde mir der Ernst meiner Lage wirklich bewusst. Ich steckte ziemlich in Schwierigkeiten und das hatte ich meinem Dad zu verdanken. Wegen ihm befand ich mich am anderen Ende der Welt in einem Land, das von Eis und Schnee regiert wurde. Wegen ihm konnte ich meine Freunde nicht sehen oder kontaktieren. Wegen ihm war ich in dieser verdammten Holzhütte gefangen, mit einer Frau, die Aschenputtels böser Stiefmutter glich.

Vor meiner Abreise hatte ich mit niemandem sprechen dürfen, niemand durfte wissen, wo ich mich befand und wie lange ich fort sein würde. Wenn ich Glück hatte, dann würde ich bereits in wenigen Tagen oder Wochen zurück nach Hause können. Mit viel Pech musste ich für einen unbestimmten Zeitraum untertauchen. Schon der Gedanke daran ließ mich die Hände zu Fäusten ballen. So weit durfte es nicht kommen. Unter keinen Umständen.

»Zeig ihr, in welchem Zimmer sie die nächste Zeit unterkommen wird«, ordnete Jenny mit einem Kopfnicken an. Dann verschwand sie wieder in der Küche. Ohne zu zögern, griff Shane dieses Mal nach meinem Koffer und ging voran. Er führte mich die schmale hölzerne – welch Wunder! – Treppe hinauf und kam vor einem winzigen Zimmer zum Stehen.

»Scheiße, ihr wollt mich doch verarschen!«, schniefte ich unter Tränen.

Shanes Miene war von Bedauern erfüllt. Der bisher so gesprächige Macho war plötzlich wortkarg. »Ich rufe dich, wenn es Essen gibt. Das Bad liegt direkt auf der anderen Seite des Flurs.«

Zwar hörte ich ihm zu, doch von mir erhielt er keine Antwort. Ich pflanzte mich einfach aufs Bett und ließ meinen Tränen freien Lauf. Erst als ich die Tür quietschend ins Schloss fallen hörte, wagte ich es aufzuatmen.

So ein Mist! Was hatte ich in meinem Leben nur verbrochen, dass das FBI solch einen Ort für mich ausgesucht hatte? Hätte ich nicht einfach in Texas untertauchen können? Musste es wirklich auf der anderen Seite des Atlantiks sein?

Im Grunde war es egal, denn nun war ich hier und konnte an meiner Situation ohnehin nichts mehr ändern. Also schmiegte ich den Kopf ins Kopfkissen, starrte aus dem mickrigen Fenster an der gegenüberliegenden Wand, bis ich schlussendlich wegdämmerte und von einem schöneren Leben als diesem hier träumte.

Kapitel 3

Später am Abend klopfte Shane an meine Tür, doch ich ließ ihn nicht eintreten. Er hätte zwar auch ohne meine Einwilligung einfach hereinkommen können, aber immerhin besaß er genug Anstand, das sein zu lassen und mir stattdessen meinen Freiraum zu gewähren. Nachdem seine Schritte wieder verklungen waren, dämmerte ich erneut weg.

Kurz vor Mitternacht kam Shane wieder und trat, ohne vorher anzuklopfen, ein. Er sagte nichts, aber das war auch nicht nötig, denn ich roch auch so, dass er mir Abendessen vorbeibrachte. Wie auf Kommando begann mein Magen lautstark zu rumoren.

»Ich wusste, dass du Hunger hast«, sagte er und stellte den Teller auf der kleinen Kommode ab, die rechts neben meinem Bett stand.

Behutsam richtete ich mich auf und wischte mir die Rückstände des Schlafs mit dem Handrücken aus den Augen. Diese waren vermutlich verquollen, mein Make-up überall, nur nicht dort, wo es hingehörte, und meine Haare mussten wild zu Berge stehen. Unter anderen Umständen hätte ich mich dafür geschämt, dass Shane mich so sah. Doch heute war mir ausnahmsweise alles egal.