Normatives Management und strategische Entwicklung - Winfried Zapp - E-Book

Normatives Management und strategische Entwicklung E-Book

Winfried Zapp

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Beschreibung

Gesundheitseinrichtungen sind in besonderer Weise normativ geprägt, sie zielen auf Heilung und Unterstützung von kranken, pflegebedürftigen Menschen. Was bedeutet diese normative Ausrichtung für das Management? Das Management richtet seine Handlungen an ebendiesen normativen Überzeugungen aus, um ökonomisch in sozialer Verantwortung zu handeln. Somit wirkt das normative Management für eine Unternehmung identitätsstiftend und integrierend nach innen wie außen: Es schafft Transparenz in Bezug auf Leitideen, Werte und Prinzipien, aber auch Klarheit in Bezug auf die formale Ordnung und Struktur. Die Spannweite und Beziehungen der Begriffe um das Normative wie Normen, Gesetzmäßigkeiten, Tugenden oder Ethik und Moral sind herauszuarbeiten. Die Gestaltungsfelder des normativen Managements sind zu beschreiben. Es sind Instrumente zu konzipieren, die helfen, eine normative Ausrichtung zu erreichen.

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Health Care- und Krankenhaus-Management

Begründet von Udo Janßen, Axel Olaf Kern, Clarissa Kurscheid, Thomas Schlegel, Birgit Vosseler und Winfried Zapp

Herausgegeben von Clarissa Kurscheid, Julia Oswald und Winfried Zapp

Eine Übersicht der lieferbaren und angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter: https://shop.kohlhammer.de/hckm.html

Winfried ZappMichael Wittland (Hrsg.)

Normatives Management und strategische Entwicklung

Werteorientierung als Grundlage betriebswirtschaftlichen Handelns

Unter Mitarbeit von Peter Mayer und Helge Knut Schumacher

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-023358-4

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-040165-5

epub:     ISBN 978-3-17-040166-2

 

Inhalt

 

 

 

Abkürzungsverzeichnis

Geleitwort zur Reihe

Verzeichnis der Herausgeber und Autoren

Vorwort

1 Präliminarien

Winfried Zapp und Michael Wittland

1.1 Begriff des Normativen

1.2 Begriff des Managements

1.3 Normative Ausrichtung des Managements

1.4 Beispiel: Magnet-Krankenhaus

2 Normative Orientierung

Peter Mayer

2.1 Spannweite der Begriffe Werte und Normen

2.2 Funktionen von Werten und Normen

2.3 Grundlagen von Werten und Normen

2.4 Überlegungen zur Beachtung von Werten und Normen

3 Managementethik im Gesundheitswesen: Das Spannungsfeld zwischen Gesellschaft, Institutionen und Personen

3.1 Perspektiven und Dimensionen ethischer Fragestellungen

Peter Mayer

3.2 Gesellschaftliche Spannungsfelder – Ökonomisches Handeln im Kontext dezentraler Regelungsmechanismen

Peter Mayer

3.2.1 Ein theoretischer Blick auf die Kernaussagen zur Lösung wirtschaftsethischer Probleme in einem komplexen System

3.2.2 Der wirtschaftsethische Gesamtblick auf das Gesundheitswesen – Ansatzpunkte für ethisches Handeln

3.3 Institutionsbezogene Spannungsfelder

3.3.1 Wert- und Werte-Orientierung

Winfried Zapp

3.3.2 Corporate Social Responsibility

Winfried Zapp

3.3.3 Health Professionals und Patientenorientierung

Michael Wittland

3.3.4 Corporate Governance

Michael Wittland

3.4 Personenbezogene Spannungsfelder

Michael Wittland

3.4.1 Individuelle Werte als Ausgangsbasis

3.4.2 Ziele als handlungsleitende Motive

3.4.3 Diversität als Chance und Herausforderung

3.4.4 Unternehmungen als Spiegelbild der oberen Ränge

3.4.5 Autonomie und Autorität als wechselnde Pole

3.4.6 Normatives Management als Identitätsstifter

4 Normatives Management

Michael Wittland

4.1 Unternehmungsverfassung: Gesellschaftlich-politischer Auftrag und rechtlicher Rahmen

4.2 Unternehmungspolitik: Aktives Management auf der normativen Ebene: Vision, Mission, Leitbild

4.3 Unternehmungskultur: Gewachsene Normen in einer Professional Organization

5 Strategische Entwicklung

5.1 Perspektiven des Begriffs

Helge K. Schumacher

5.2 Außen- und Innenperspektive: Analyse der Unternehmung in der Umwelt

Helge K. Schumacher

5.2.1 Außenperspektive: Umwelt

5.2.2 Innenperspektive: Selbstthematisierung der Unternehmung

5.2.3 Zusammenführung: SWOT- und Portfolio-Analyse

5.3.4 Resümee

5.3 Systemperspektive: Geokodierung

Winfried Zapp

5.3.1 Begriffsdefinitionen

5.3.2 Anwendungsorientierung

5.3.3 Resümee

5.4 Erfolgsperspektive: Data-Envelopment-Analysis (DEA)

Winfried Zapp

5.4.1 Herleitung von Erfolgsperspektiven

5.4.2 Ausprägungen von Effizienz-Konzeptionen

5.4.3 Vorgehensweise

5.4.4 Resümee

5.5 Werteperspektive: Immaterielle Werte

Winfried Zapp

5.5.1 Begriffsdefinition

5.5.2 Strukturierung immaterieller Werte

5.5.3 Elemente und Anforderungen immaterieller Werte

5.5.4 Ausgewählte Bewertungskonzeptionen für immaterielle Werte

5.5.5 Skandia Navigator

5.5.6 Resümee

6 Normative Gestaltung und strategische Entwicklung: Was folgt?

Winfried Zapp

Stichwortverzeichnis

 

Abkürzungsverzeichnis

 

 

 

AGG

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

AktG

Aktiengesetz

AWO

Arbeiterwohlfahrt

BMWi

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

CMI

Case Mix Index

CSR

Corporate Social Responsibility

DCGK

Deutscher Corporate Governance Kodex

DEA

Data-Envelopment-Analysis

DIN

Deutsches Institut für Normung e.V.

DRG

Diagnosis Related Groups

DVKC

Deutscher Verein für Krankenhaus-Controlling e.V.

E-Akte

Elektronische Akte

EBITDA

Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization

EDV

Elektronische Datenverarbeitung

EU

Europäische Union

EVA

Economic Value Added

GUS

Gemeinschaft Unabhängiger Staaten

HGB

Handelsgesetzbuch

HWWI

Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut

ICD

International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems

ICN

International Council of Nurses

ISO

International Standards Organization

KHEntgG

Krankenhausentgeltgesetz

MBA

Master of Business Administration

MVZ

Medizinisches Versorgungszentren

OP

Operation

PEST

Political, Economic, Social, Technological

PPR

Pflegepersonal-Regelung

PR

Public Relations

SGB

Sozialgesetzbuch

SWOT

Strength, Weaknesses, Opportunities, Threats

UKE

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

VRIN

Valuable, Rare, Imperfectly Imitable, Non-substitutable

VRIO

Valuable, Rare, Inimitable, Organized

 

Geleitwort zur Reihe

 

 

 

In der dynamisch wachsenden und zunehmend komplexer werdenden Gesundheitswirtschaft ist in den letzten Jahren der Bedarf stark gestiegen, Management bezogenes theoretisches Wissen und praxisrelevantes Know-how zu beherrschen und zu vermitteln. Dieser Bedarf spiegelt sich u.a. in zahlreichen neuen Hochschulstudiengängen und vielfältigen Angeboten der beruflichen Fort- und Weiterbildung wider.

Die Reihe »Health Care- und Krankenhaus-Management«, die auf den Curricula einschlägiger Hochschulen und wichtiger Fortbildungseinrichtungen aufbaut, setzt hier an. Inhaltlich und didaktisch systematisch angelegt, erhebt sie den Anspruch, das breite Themenfeld weitgehend vollständig abzudecken.

Die in 14 Bänden modular aufgebaute Reihe möchte allen Studierenden und Dozenten der auf das Management in der Gesundheitswirtschaft bezogenen Studiengänge, Berufstätigen in Fort- und Weiterbildung aus Krankenhäusern und weiteren Einrichtungen des Gesundheitswesens und insbesondere (zukünftigen) Führungskräften und leitenden Mitarbeitern aus Ärztlichem Dienst, Medizin-Controlling, Pflegedienst, Marketing und Verwaltung ein hilfreiches Werkzeug für Studium und professionelle Praxis sein.

Die Herausgeberinnen und Herausgeber:Clarissa Kurscheid, Julia Oswald und Winfried Zapp

 

Verzeichnis der Herausgeber und Autoren

 

 

 

Herausgeber

Winfried Zapp, Prof. Dr. rer. pol., Dipl.-ÖkonomStudium der Wirtschaftswissenschaften; Dipl. Ökonom; Wissenschaftlicher Mitarbeiter; Promotion zum Dr. rer. pol.; Assistent des Verwaltungsleiters in einem Evangelischen Krankenhaus, gleichzeitig Traineeprogramm für Führungsnachwuchskräfte des Berufsbildungswerks Deutscher Krankenhäuser (BBDK); Krankenhausbetriebsleiter und in Personalunion Finanzleiter in einer Komplexeinrichtung; Professor an der Hochschule Osnabrück bis 2019 mit dem Lehrgebieten Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Rechnungswesen und Controlling in Gesundheitseinrichtungen. Forschungsschwerpunkte: Internes Rechnungswesen (KLEE-Rechnung), Prozessmanagement, Controlling. Seine Schwerpunkte liegen jetzt auf Controllingkonzeptionen und Ethik.

Michael Wittland, Prof. Dr. rer. pol., Dipl.-KaufmannStudium der Betriebswirtschaftslehre; Dipl.-Kaufmann; Assistent der Geschäftsführung eines Evangelischen Altenhilfeträgers; Wissenschaftlicher Mitarbeiter; Promotion zum Dr. rer. pol.; Akademischer Rat an der Universität zu Köln; seit 2016 Professor an der Hochschule Hannover mit dem Lehrgebiet Management im Gesundheitswesen; Schwerpunkte in der Lehre: Gestaltungsfelder der Betriebswirtschaftslehre, Managementmodelle, Gesundheitspolitik, Innovative Versorgungskonzepte, Finanzierung, Rechnungswesen, Controlling, Forschungsmethoden; Forschungsschwerpunkte: Zusammenhänge zwischen Management und Qualität und Wirtschaftlichkeit in Gesundheitseinrichtungen, u.a. Corporate Governance und Controllingkonzeptionen.

Autoren

Peter Mayer, Prof. Dr. rer. pol. Dipl. KaufmannStudium der Betriebswirtschaftslehre in Frankfurt und Milwaukee; Wissenschaftlicher Mitarbeiter; Promotion zum Dr. rer. pol.. Referent für Wirtschaftsförderungsprojekte im südlichen Afrika, Landesvertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ghana und in Südkorea. Professor an der Hochschule Osnabrück seit 2001; Dekan und Vize-Präsident an der Hochschule Osnabrück von 2003 bis 2007. Leiter eines Trainingsprogramms für Dekaninnen und Dekane aus Afrika und Asien seit 2007. Schwerpunkte in der Lehre: Europäische Integration, weltwirtschaftliche Fragen, Wirtschaftsethik. Forschungsschwerpunkte: Europäische Integration, Hochschulmanagement, Wirtschaftsethik.

Helge Knut Schumacher, Prof. Dr. PH, Dipl. ÖkonomAusbildung zum Bankkaufmann; Studium der Wirtschaftswissenschaften in Hannover; Wissenschaftlicher Mitarbeiter der AG5 Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement der Gesundheitswissenschaftlichen Fakultät, Universität Bielefeld, Lehr/Forschungsschwerpunkte: innovative, integrierte, sektorübergreifende Versorgung, Honorierung im Gesundheitsmarkt (amb/stat/Pharma), Projektmanagement; Market Access Manager im Bereich der Ophthalmologie und Hämatologie, Berlin, München von 2010 bis 2013; Geschäftsführer des UniversitätsKrebszentrums Göttingen (G-CCC); Leiter des Referats der Geschäftsführung DIAKOVERE Krankenhaus gGmbH, Hannover, 2013 bis 2018; seit 2018 Projektmanager für ein biopharmazeutisches Unternehmen in der Onkologie, seit 2016 Professor an der Apollon Hochschule in TZ. Modulverantwortung für die ABWL.

 

Vorwort

 

 

 

Der Begriff Normativ ist zwar bekannt in der betriebswirtschaftlichen Literatur, er ist aber in seiner Dimension und in seiner Bedeutung bisher vernachlässigt worden. Deshalb ist es notwendig, sich damit auseinanderzusetzen und die Spannweite des Begriffs herauszuarbeiten. Mit dem Begriff »Normatives Management« ist weitgehend das St. Gallener Management-Modell verbunden. Der Begriff Normativ wird festgemacht an Grundsätzlichem und Bedeutendem und kann so wichtige Impulse für betriebswirtschaftliche Entscheidungen und daraus abzuleitende Handlungen geben. Die Spannweite des Begriffs wird durch Normen, Regeln oder Gesetzmäßigkeiten umschrieben und kann damit in der Vorstellung oft ein Gefühl von Enge, von Starre oder von Unangepasstsein erzeugen. Normatives Handeln ist aber auch und vor allem als ein Synonym für Stabilität und Orientierung zu verstehen. Ein Management richtet so seine Möglichkeiten, Chancen und Herausforderungen an normativen Überzeugungen aus und orientiert sich an grundsätzlichen und bedeutenden Prioritäten, die vor allem auf einer breiten Grundlage einer Ethik fußen, um ökonomisch in sozialer Verantwortung zu handeln.

Was also schwingt alles mit bei den Begriffen um das Normative und was ist mit den Begriffen wie Normen, Gesetzmäßigkeiten, Tugenden oder Ethik und Moral gemeint und wie sind die Inhalte hinter den Begriffen voneinander abzugrenzen? Neben einer Analyse der Spannweite der Begriffsbestimmung sind auch die Beziehungen zur Betriebswirtschaftslehre und dem Management in ihren unterschiedlichen Facetten zu beschreiben, zu erfassen und herauszuarbeiten.

Da das Management weitgehend mit Gestalten, Lenken und Entwickeln umschrieben werden kann, sind Instrumente zu entwickeln und zu konzipieren, die helfen, eine normative Ausrichtung zu erreichen und Handlungsempfehlungen auszusprechen. Die Ausgangslage für diese Betrachtungsebene sind Gesundheitseinrichtungen. Sie sind in besonderer Weise normativ ausgerichtet, durch die Ausrichtung auf die Pflege, Heilung, Linderung, Unterstützung von kranken, geschwächten, pflegebedürftigen Menschen. Dem ökonomischen Handeln kommt im Gesundheitsbereich dennoch eine besondere Beachtung zu, weil die Ressourcen grundsätzlich begrenzt sind und Veränderungen in der Umwelt sowie die Zukunftsperspektiven zu beachten sind: Wie ändern sich die demografischen Daten (mehr Singlehaushalte, höhere Sterblichkeitsalter, Zunahme von Demenz u.ä.),wie entwickelt sich die medizinische Forschung und vieles andere mehr?

Der normativen Ausrichtung kommt besondere Bedeutung zu. Es ist wichtig, sie sich immer wieder bewusst zu machen, damit man nicht Vordergründigem zu schnell und intensiv vertraut. Das Zitat »Regelmäßiger Unsinn hat normative Kraft« geht auf Eugen Bleuler zurück (1857 – 1939, Schweizer Psychiater) und zeigt die Gefahren auf, wenn nicht differenziert analysiert, diskutiert und reflektiert wird.

Die Bedeutung des Wichtigen hat Albert Einstein schon hervorgehoben mit seinem Zitat: »Gib das, was dir wichtig ist, niemals auf, nur weil es nicht einfach ist« (1879 – 1955, Physiker). Die Wichtigkeit von Entscheidungen und die besondere Bedeutung ökonomisch-sozialen Handelns sind immer wieder herauszuarbeiten, zu beachten und umzusetzen.

Dem Leser wünschen die Autoren dieses Bandes in der Reihe »Health Care- und Krankenhaus-Management« hilfreiche Anregungen, Mut zur Umsetzung, sowie das Gespür und die Fähigkeit, dem Wichtigen nachzugehen. Das Management kann so eine aktive normative Gestaltung übernehmen, die insbesondere für Gesundheitseinrichtungen von besonderer Bedeutung ist.

Die Autoren danken Herrn Dr. Ruprecht Poensgen vom Kohlhammer-Verlag, der die Initiative zu dieser Buchreihe gegeben hat, und Frau Sabrina Bressel und Frau Anne Borgböhmer für ihre hilfreiche, geduldige Unterstützung und für die kompetente Gestaltung der einzelnen Beiträge.

 

Winfried Zapp, Michael Wittland

Osnabrück, Hannover im August 2021

 

1          Präliminarien

Winfried Zapp und Michael Wittland

 

 

 

In diesem Band wird das Normative Management in den Mittelpunkt gestellt mit seinen beiden Dimensionen: Normativ und Management. Diese beiden Brennpunkte einer Ellipse sollen analysiert und in Handlungsmuster überführt werden.

Dazu soll in diesem einleitenden Abschnitt ein Überblick über die Vorgehensweise und den Aufbau eines Normativen Managements gegeben werden.

1.1       Begriff des Normativen

Was ist nun das Bedeutende und Besondere am Begriff des Normativen?

Die Normative Ausrichtung zeigt sich zunächst in einer doppelten zweifachen Dimension:

(1)  Die Zeit versagt, da

(1a)  Zeit und Raum zusammenschrumpfen

(1b)  Zeit und Bedeutung nicht zu trennen sind

(2)  Die Strategie versagt, weil

(2a)  Normative Sichtweise und Empirie zu trennen sind

(2b)  Normativ fordert Ethik

Ad (1) Die Zeit versagt

(1a) Zeit und Raum schrumpfen zusammen

Immanuel Kant wies auf die Raum-Zeit Problematik hin (Kant 1781). Übertragen heißt das, dass es keine Betriebswirtschaftslehre an sich gibt. Das Management findet statt im Hier und Jetzt! Die Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsprinzips kann nur mit dem Vorfindbaren und dem Gegebenen erfolgen. Veränderungsstrategien und Entwicklung von Modellen schließen das nicht aus, aber die Gedankenexperimente müssen immer anwendungsorientiert bleiben, frei von abgehobenen, unrealistischen Denkstrukturen.

Micheal Foucault hat den Zusammenhang und das Zusammenrücken von Raum und Zeit weitergedacht, hervorgehoben und ausgearbeitet (Foucault 1967).

Während vor 100 Jahren Wilhelm Busch von Wiedensahl nach Stadthagen mit der Kutsche vermutlich 45 Minuten fahren musste, um dort mit Freunden ein Bier oder einen Kaffee im Ratskeller zu trinken oder mit seinem Verleger zu verhandeln, so können wir heute diese Strecke in 15 Minuten mit dem Auto bewältigen. Wir könnten mit dem Verleger heute direkt mit dem Smartphone, per Skype oder anderen Kommunikationsmitteln schneller kommunizieren.

Dennoch kursieren in vielen Teilen der Betriebswirtschaftslehre weiterhin die Kategorien »Operativ – Taktisch – Strategisch«, meistens mit Zeitangaben von einem bis zehn Jahren. Diese Denkstrukturen müssen aufgebrochen werden, will man mit der schnelllebigen Zeit mithalten.

Operatives und Strategisches Handeln wachsen viel schneller zusammen, als manche glauben wollen. Sie bedingen einander. Die Auswahl eines neuen Chefarztes mag langfristig vorbereitet sein, kurzfristig werden Anpassungsentscheidungen notwendig sein, da mit Dienstantritt des neuen Chefs vermutlich das OP-Programm Veränderungen erfahren wird. Man kann das künstlich in Strategisch und Operativ unterscheiden, damit werden Trennlinien geschaffen, die aber nicht dienlich sind.

Operatives und strategisches Denken sind zusammen zu betrachten und sind zu ergänzen um das Normative!

(1b) Zeit und Bedeutung lassen sich nicht trennen.

In den 70er Jahren haben manche Professoren in der Betriebswirtschaftslehre darauf hingewiesen, dass nicht nur die Zeit entscheidend ist, sondern auch die Bedeutung unternehmerischer Entscheidungen. Wir können deshalb nicht alles über die Zeiträume abhandeln. Die Bedeutung gerät in den Fokus, diese nimmt Einfluss auf die Entscheidungen. Grundsätzlich ausgedrückt: Es muss sichergestellt werden, dass Gesundheitseinrichtungen (Krankenhaus, Altenheim, ambulante Dienste etc.) Problemlöser sind. Im Krankenhaus sollen Menschen mit ihren Krankheiten genesen und ihre Schmerzen gelindert werden; im Altenheim sind Menschen zu versorgen, die allein nicht mehr leben können oder wollen, ambulante Dienste versorgen Menschen vor Ort.

Das ist nur von der normativen Ausrichtung aus zu beantworten, nicht aus der Strategie heraus. Und so gibt das Normative die Klammer vor, die das Denken leitet, so dass Aufgaben zielorientiert erfüllt werden.

Jede operative Entscheidung ist strategisch angelegt und wirkt strategisch fort. Operativ und Strategisch rücken deshalb zusammen.

Das Normative als das Grundsätzliche und als die Vision der Unternehmung gewinnt an Kontur, im Sinne von »Was wollen und sollen wir tun«.

Dabei wird es um die Kernkompetenzen der jeweiligen Gesundheitseinrichtung gehen und um eine Rückbesinnung auf das Wesentliche und Normative (»Back to the roots«).

Die Zeitebene darf nicht zur Vernachlässigung der Bedeutung führen. In die gleiche Richtung zielt auch das Gresham’sche Gesetz der Planung, das von Sir Thomas Gresham (1519–1579) bezogen auf das Geld herausgearbeitet wurde:

Probleme geringerer Bedeutung, aber hoher Dringlichkeit verdrängen die Lösungssuche für Probleme mit hoher unternehmungspolitischer Bedeutung aber geringerer Dringlichkeit bei der Organisationsgestaltung.

Deshalb ist die Zeit betriebswirtschaftlich nicht mehr dominierend!

Erste Zusammenfassung:

Da die Zeit als Abgrenzungskriterium nicht mehr greift, ist die normative Ausrichtung so wichtig. Dem Normativen ist mehr Bedeutung beizumessen als einer strategischen Frage, wo wir in 10 oder 20 Jahren stehen.

Das Normative bestimmt die Strategie!

Das Normative umfasst die Unternehmungsverfassung, die Unternehmungspolitik und die Unternehmungskultur.

Knut Bleicher hat die Dreiteilung eingeführt und die normative, strategische und operative Perspektive herausgehoben (Bleicher 2011). Während die normative Perspektive die Unternehmungsverfassung, -politik und -kultur umfasst, wird die Strategie in der Literatur durch die Bereiche Struktur, Organisation und Programme umschrieben und das operative Geschehen erfolgt durch Prozesse, Handlungen und Aktionen (Tab. 1.1).

Tab. 1.1: Normative, strategische und operative Perspektive

Diese Dreiteilung wird – treffen die obigen Aussagen und Analysen zu – zu einer Zweiteilung zusammenwachsen. Auf der einen Seite wird die Werteorientierung sein und auf der anderen Seite werden Gestaltung und Lenkung zusammenfallen (Tab. 1.2).

Da die Kultur in den letzten Jahrzehnten sich differenzierter gestaltet (immer mehr Zusammenschlüsse, Diversität, Internationalität etc.), ist die Frage, wie diese unterschiedlichen Kultureinflüsse gestaltet werden sollen. Die Ethik in ihrer Differenzierung in gesellschaftliche, unternehmerische und individuelle Konzeptionen kann diese Funktion übernehmen, um eine Zusammenführung, Integration oder Begleitung unterschiedlicher kultureller Einstellungen zu erreichen. Die Ethik ist dabei handlungsorientiert zu verstehen und von der Moral klar abzugrenzen. Moral als das zu bezeichnen, was alle billig und rechtdenkenden Menschen tun, ist zu wenig, um reflektorischen und handlungsorientierten ethischen Ansprüchen und Denkmodellen zu genügen.

Deshalb ist Bildung und Wissen, Reflexion und internationaler Gedankenaustausch so wichtig.

Tab. 1.2: Werteorientierung und Gestaltung und Lenkung

Normative PerspektiveStruktur- und Handlungsebene

Ad (2) Die Strategie versagt

(2a) Normativ versus Empirie

Prof. Dr. Norbert Lammert (CDU-Politiker, Bundestagspräsident a.D.) hat in einer Rede im Februar 2019 (100 Jahre Weimarer Republik mit dem Thema »Innovationen und Schwierigkeiten einer jungen deutschen Republik und Demokratie« am 08.02.2019) darauf hingewiesen:

»… Verfassungen … haben … normative Vorstellungen über die Gestaltung einer Gesellschaft …: Die Würde des Menschen ist unantastbar.«

Das ist ein normativer Satz!

»Empirisch ist dieser Satz geradezu paradox. Wollte unsere Verfassung erlebte Erfahrungen wiedergeben, müsste der erste Satz lauten: Die Würde des Menschen ist antastbar.«

Weiter formuliert er:

»Dieser Satz Die Würde des Menschen ist unantastbar gibt nicht einen empirisch gesicherten Sachverhalt wieder, sondern er leitet aus der genau gegenteiligen Erfahrung unserer Geschichte einen Geltungsanspruch her, der sich, wenn nötig, auch gegen die Wirklichkeit stemmen soll. Das ist zutiefst kulturell, religiös begründet und begründbar und ohne diesen Erfahrungszusammenhang nicht plausibel nachvollziehbar. Die Präambel unseres Grundgesetzes ist deshalb eine konstitutionelle Wegweisung, die ihre feierlich vorangestellten Leitgedanken ethisch begründet.«

Was heißt das: Die Bedeutung des Normativen steht vor der Empirie.

Aus der Empirie, die durchaus erhoben werden kann, lässt sich ein Sollen nicht ableiten. Ein Sollen muss begründet werden. Das haben David Hume (1711-1776) und andere herausgearbeitet.

Wie oft wurden doch Befragungen durchgeführt: An der Hochschule Osnabrück unter der Wissenschaftlichen Leitung von Prof Dr. Winfried Zapp mit einer Vollerhebung an niedersächsischen Kliniken oder beim Deutschen Verein für Krankenhaus-Controlling e.V. (DVKC) bundesweit, wie auch an vielen anderen Instituten. Die ersten Ergebnisse waren doch in den Studien erschreckend gleich:

Manche Krankenhäuser meinten eine Deckungsbeitragsrechnung zu haben, manche hatten dabei gleichzeitig geantwortet, über keine Kostenstellen oder keine Kostenartenrechnung zu verfügen. Aber eine Kostenartenrechnung ist Grundlage für alle anderen Rechnungen und wenn ein Krankenhaus darüber nicht verfügt, kann es auch eine Deckungsbeitragsrechnung nicht vorweisen können.

Nicht die Ergebnisse von Befragungen entscheiden, sondern die begründete Analyse ist entscheidend. Die Empirie versagt, wollten wir daraus ableiten, welches Rechnungssystem eingesetzt werden soll.

Das Management muss deshalb analysieren, begründen und entscheiden, ob eine Deckungsbeitragsrechnung oder Balanced Scorecard, ob eine Portfolio-Analyse oder Prozesskosten-Rechnung oder alles eingeführt und angewendet wird. Eine Befragung hilft da wenig, sondern die Normative Grundausrichtung und Vorgehensweise ist wesentlich: Eine Entscheidung muss begründet werden, vor dem Hintergrund, dass dadurch die Unternehmung optimal wirtschaftet! Und: Das Management muss dann die getroffene Entscheidung umsetzten – oder soll dann auch wieder eine Befragung durchgeführt werden?

Da aus der Empirie, die erhoben wurde, sich ein Sollen nicht ableiten lässt, muss ein Sollen begründet werden. Deshalb benötigen qualifizierte Ökonomen ethische Grundsätze.

Humes Formulierungen – auch als Sein-Sollen Problem dargestellt – weisen darauf hin, dass aus einem »Ist« kein »Sollen« abgeleitet oder begründet werden kann (Hume 2004). Eine ähnliche Ansicht – aber davon zu unterscheiden – ist der auf George Edward Moore (1873 – 1958) zurückgehende naturalistische Fehlschluss, der aus vorgefundenen und deskriptiv beschreibbaren Eigenschaften gute Eigenschaften ableitet (wie z.B. »Der Stärkere setzt sich durch«, Moore 1966, S.65). Humes Formulierungen vernachlässigen zunächst die Eigenschaft und Erfordernis des Guten, sondern bestreiten grundsätzlich eine Übertragung von einem vorgefundenen Ist auf ein zu forderndes Sollen (Hume 2004).

Die Realität und die Erfassung des Tatsächlichen werden nicht geleugnet, aber sie kann nicht aus diesem heraus zu einer Forderung erhoben werden, sondern muss begründet werden.

Die Erfassung der Wirklichkeit wird mit unterschiedlichen Verfahren, Methoden und Modellen untersucht: Die Bilanz strebt die Abbildungen tatsächlicher Gegebenheiten mit Bewertungen aus der Fachsprache des Rechnungswesens an. Diese Nomenklatur kann bei der Abbildung der Patienten- oder Mitarbeiterzufriedenheit nicht angewendet werden – hier sind andere Untersuchungsmethoden einzusetzen. Je nach Situation sind deshalb differenzierte wissenschaftstheoretische Instrumente zu wählen.

Durch die Abbildung der Realität wird das weitere Vorgehen nicht vorweggenommen. Bei Soll-Aussagen ist deshalb auf Erklärungen und Begründungen zu achten und diese sind zu hinterfragen. Neben der Erkenntnis des Ist und der Formulierung eines Sollens ist auch der Wille zum Handeln wesentlich. Erst durch ein Handeln – verstanden als Tun oder Unterlassen – werden die begründeten Soll-Aussagen umgesetzt.

Wenn im Folgenden von der Empire gesprochen wird, geht es darum, die Wirklichkeit mit unterschiedlichen Methoden zu erfassen, abzubilden und zu analysieren. Die normative Ausrichtung wiederum beschreibt eine Haltung, die das Sollen als Grundlage betont. Die Empirie kann somit helfen, zu erheben, inwieweit das Sollen auch im Ist erkennbar wird.

(2b) Normativ fordert Ethik

Die Rahmenbedingungen für ethische Handlungen und Haltungen müssen weiter erarbeitet werden, die dann von jedem einzelnen gelebt werden und zu unternehmerischem Handeln führen. Ethik sind die Begründungen und die Bildung von Kriterien für gutes und schlechtes Handeln; eine Aufstellung und Bewertung ethischer Motive und ethischer Folgen unter der Fragestellung »Was soll ich tun?« (Kant 2011).

Dazu ist eine Unternehmungsethik, aber auch eine Individualethik zu konzipieren. Horst Steinmann (2006) hat eine Konzeption erarbeitet (Tab. 1.3), die stark am Konsens, am Frieden und auf der Argumentation und Begründung aufgebaut ist (vgl. auch Hans-Ulrich Küpper 2011). Diese Konzeption ist beeinflusst von Jürgen Habermas (Habermas 1983) und Karl-Otto Apel (Apel 2016).

Tab. 1.3: Dialogethik nach H. Steinmann (Quelle: in Anlehnung an Küpper 2011, S.145 ff., Hundeler 2019, S.41 ff.).

MerkmalInhalt

Die Normative Perspektive ist damit dreifach zu sehen:

1.  Die Normative Perspektive stellt die Ausrichtung auf das Wesentliche, auf das Kerngeschäft und auf die Vision der Unternehmung ab.

2.  Die Normative Ausrichtung versteht sich als Begründung und Erklärung betriebswirtschaftlichen Handelns.

3.  Die Normative Sichtweise ist ethisch ausgerichtet an Werten, Normen und Regeln.

1.2       Begriff des Managements

Ausgangspunkt ist die Definition »Management ist die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung eines produktiven, sozialen Systems mit dem Zweck«, das System problemlösungsfähig zu erhalten (Bleicher 2011, S.54). Daraus ergibt sich aber eine Spannweite unterschiedlicher Auffassungen, die in Tabelle 1.4 zusammengefasst sind (Tab. 1.4). Die institutionelle Spannweite des Begriffs stellt ab auf die Unternehmungsspitze oder eine Dreiteilung in Top- bis Lower- Management. Die funktionelle Sichtweise ist aus aufgabenorientierter Sicht aus der amerikanischen Managementliteratur beeinflusst und umschreibt die Aufgaben des Managements. In der personenorientierten Perspektive sind die Manager gemeint.

Instrumentell kann Management verstanden werden als ein Regelungswerk, mit Organisation als eine generelle Regelung, Improvisation (spontane Reaktion), Disposition (fallweise Regelung) oder eher verhaltensorientiert.

Der Bezugsrahmen kann sich orientieren an den Management by-Konzeptionen und an einer systemtheoretischen Konzeption, die sich ausgehend von Hans Ulrich über Knut Bleicher bis hin zu Johannes Rüegg-Sturm entwickelt haben (vgl. ausführlich dazu Zapp u.a. 2014, S.91 ff.).

Tab. 1.4: Spannweite des Managementbegriffs (Quelle: in Anlehnung an Zapp u.a. 2014, S.94)

AnsätzeDifferenzierungenUnterteilungen

In diesem Buch wird Management nicht institutionell verstanden. Auch konzentrieren wir uns in unserer Betrachtung nicht auf unternehmerisches Handeln, d.h. auf gestalterisches Handeln an der Spitze einer Unternehmung. Management und gestalterisches Handeln finden sich auf allen Ebenen der Unternehmung. Somit braucht es auch einen alle Ebenen der Unternehmung umfassenden normativen Rahmen, auf dem Managementhandeln begründet ist. Dies gilt für den Ärztlichen Direktor eines Maximalversorgers ebenso wie für die Stationsleitung eines Krankenhauses der Grundversorgung.

1.3       Normative Ausrichtung des Managements

Wie können nun Normativ und Management zusammengeführt werden?

Es wird deutlich, dass zunächst die normative Ausrichtung in seiner Spannweite erarbeitet werden muss. Die Koppelung mit dem Management erfolgt darauf aufbauend über die institutionsbezogenen Spannungsfelder, denen sich die personenbezogenen Felder anschließen.

Die Instrumente, die Entscheidungsebenen, die operative und strategische Ausrichtung, die in der Betriebswirtschaftslehre bereits erarbeitet und begründet sind, werden nun durch diese normative generelle Ausrichtung und durch die unternehmungsspezifischen und persönlichen Spannungsfelder gefiltert. Im Ergebnis gilt es, Management auf allen Ebenen zu integrieren. Gibt das Normative beispielsweise eine mitarbeiterorientierte Ausrichtung der Unternehmung vor, die jeden Einzelnen mit seinen individuellen Bedürfnissen wertschätzend in den Blick zu nehmen verspricht, sollte sich dies auch im alltäglichen Managementhandeln auf allen Ebenen einer Unternehmung widerspiegeln, beispielsweise auch im Umgang zwischen anleitenden Mitarbeitenden und Praktikanten. Unternehmungs- wie auch personenspezifische Spannungsfelder weiten oder begrenzen hier wiederum Handlungsspielräume: Eine Unternehmung, die ausschließlich mittels Leistungskennzahlen steuert, wird möglicherweise eine Mitarbeiterorientierung und damit verbunden soziale Ziele schneller aus dem Blick verlieren als eine Unternehmung, die diese Ebene ebenfalls in ihr Steuerungssystem einbezieht. Eine Führungskraft wiederum, die persönlich wenig davon hält, interessierten Personen im Rahmen von Praktika Erfahrungsräume zu eröffnen, wird Mühe haben, in der täglichen Interaktion mit Praktikanten einen wertschätzenden Umgang zu praktizieren.

1.4       Beispiel: Magnet-Krankenhaus

Magnet-Krankenhäuser zeichnen sich durch einen normativen Rahmen aus, der die Bedeutung exzellenter Pflege für eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung in den Mittelpunkt stellt. Als zentrale Voraussetzung werden dabei die Arbeitsbedingungen für Pflegende im Krankenhaus fokussiert. Nachfolgend wird ein Einblick in das Magnet-Modell gegeben. Auf der Basis wird erkennbar, wie Werteorientierung und damit die Normative Ebene mit Gestaltung und Lenkung und somit mit der Strategischen und Operativen Ebene verknüpft sind.

Abbildung 1.1 illustriert die fünf Handlungsfelder des Magnet-Modells, die darauf aufbauend erläutert werden (Abb. 5.1). Basis für die nachfolgenden Ausführungen sind die Informationen der American Nurses Association (vgl. American Nurses Credentialing Center 2021), die das Modell beschreibt und u.a. eine entsprechende Zertifizierung von Krankenhäusern anbietet. Von Bedeutung ist an dieser Stelle jedoch nicht die Zertifizierung, sondern der Zusammenhang zwischen Werteorientierung, Gestaltung und Lenkung, der nachfolgend an ausgewählten Beispielen verdeutlicht werden soll.

Abb. 1.1: Das Magnet-Modell (Quelle: in Anlehnung an Nurses Credentialing Center 2021)

Handlungsfeld: Strukturelle Rahmenbedingungen

Das Handlungsfeld Strukturelle Rahmenbedingungen adressiert institutionsbezogene Spannungsfelder und betont zunächst die organisationale Einbindung der Pflege im Krankenhaus. Hierbei wird sowohl die Vertretung Pflegender in allen zentralen Organen einer Institution – z.B. in Aufsichtsrat, Krankenhausleitung, Leitung einer Abteilung/Klinik – angesprochen wie auch die Stellung der Pflegenden in Entscheidungsprozessen. Im Sinne der normativen Ausrichtung des Krankenhauses (»Wir wollen exzellente Pflege!«) wird hier die Notwendigkeit der gleichberechtigten Mitwirkung abgeleitet. Darüber hinaus werden jedoch auch weitere strukturelle Rahmenbedingungen adressiert, wie beispielsweise ein angemessener Personalbestand, faire Vergütung, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Gesundheitsförderung. Hieraus wiederum lassen sich vielfältige operative Anforderungen ableiten – beispielsweise die regelmäßige Durchführung von Personalbedarfsrechnungen wie die Implementierung von Instrumenten zum Management kurzfristiger Personalausfälle wie Stand-by Dienste, Personalpools – um einen angemessenen Personalbestand kontinuierlich sicherzustellen.

Handlungsfeld: Transformationale Führung

Im Handlungsfeld Transformationale Führung wird das Führungsverständnis der Institution in den Blick genommen. Ein Magnet-Krankenhaus zeichnet sich durch einen transformationalen Führungsansatz aus, d.h. durch Führungskräfte, die sich durch folgende vier Verhaltensweisen, die sog. vier »I« der Transformationalen Führung, auszeichnen (Bass und Riggio 2006):

•  Die Führungskraft hat eine Vorbildfunktion inne, die sich auf fachliches wie auch auf zwischenmenschliches Handeln bezieht (Idealized influence). Sie zeichnet sich aus durch Integrität und Glaubwürdigkeit aus.

•  Es gelingt ihr, Vision, Sinn und die Bedeutung des Handelns zu vermitteln. Sie führt somit mit einer inspirierenden Motivation (Inspirational motivation).

•  Eine transformationale Führungskraft fördert dabei die intellektuelle Anregung, beispielsweise durch eine Verteilung von Arbeitsaufgaben (Intellectual stimulation) Es ist ihr Anliegen, die kreativen und innovativen Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden zu fördern.

•  Gleichzeitig zeichnet sie sich in ihrer Führungsrolle durch eine Beachtung und Wertschätzung der Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden aus (Individualized consideration) aus. Die individuelle Unterstützung und Entwicklung von Fähigkeiten und Stärken spielen eine zentrale Rolle in ihrer Ausübung der Führungsfunktion.

Das Konzept des Magnet-Krankenhauses betont, dass es im Sinne des transformationalen Führungsverständnisses Führungskräfte als Vorbilder braucht, die Mitarbeitende motivieren. Auch die Bedeutung gemeinsamer Zielvorstellungen wird betont, ebenso wie die Schaffung von Möglichkeiten zur Teilhabe am Führungsprozess. Regelmäßige Mitarbeitergespräche mit gemeinsamen Zielformulierungen, wie auch Anreize, beispielsweise mittels entsprechend gestalteter Vergütungssysteme oder Aufstiegsmöglichkeiten für Mitarbeitende, können hier bedeutende Maßnahmen sein. Eine Partizipation am Führungsprozess wiederum lässt sich durch Präsenz der Führungskraft, ein betriebliches Vorschlagswesen und die Arbeit mit Qualitätszirkeln fördern. Des Weiteren gilt es somit auch im Sinne des Magnet-Modells für Führungskräfte Kreativität und Innovation zu fördern und Mitarbeitende zu entwickeln. Gleichzeitig sollte die Unternehmung Maßnahmen vorsehen, die Führungskräfte in dieser herausfordernden Ausübung ihrer Führungsrolle unterstützen, beispielsweise durch das Angebot von Coaching. Obige Ausführungen lassen zugleich eine Vielzahl institutioneller und personenbezogener Spannungsfelder deutlich werden: Welches Führungsverständnis prägt die Unternehmung? Welche Perspektiven haben Führungskräfte mit Blick auf ihre Mitarbeitenden, trauen sie ihnen beispielsweise die Übernahme von Verantwortung für die eigenständige Durchführung von Aufgaben zu?

Handlungsfeld: Beispielhafte Professionelle Praxis

Die Beispielhafte Professionelle Praxis beschreibt eine institutionelle Verankerung evidenzbasierter Pflege im Krankenhaus, das Vorhandensein einer unterstützenden Dokumentation, eine interdisziplinäre, organisationsübergreifende Zusammenarbeit sowie die umfassende Einarbeitung neuer Mitarbeitender. Konkret bedeutet dies die Förderung der Akademisierung der Pflege, ein professionelles Pflegeverständnis sowie die Sicherstellung der Autonomie der Berufsgruppe, aber auch das Vorhandensein und die Anwendung von Einarbeitungskonzepten.

Handlungsfeld: Neues Wissen, Innovationen und Verbesserungen

Das Handlungsfeld Neues Wissen, Innovationen und Verbesserungen fokussiert die regelmäßige Teilnahme an Fortbildungen, das Vorhalten von Fachliteratur, die Durchführung von Pflegeforschung wie auch die Implementierung eines Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Operativ kann dies beispielsweise in der Übernahme von Fortbildungskosten, im regelmäßigen Umlauf von Fachzeitschriften aber auch der Freistellung für Pflegeforschung Ausdruck finden.

Handlungsfeld: Empirische Überprüfung

Als fünftes, letztes Handlungsfeld ist die Empirische Überprüfung der Ergebnisse zu nennen. Magnet-Krankenhäuser charakterisieren sich dadurch, dass sie regelmäßig Daten beispielsweise zur

•  Versorgungsqualität,

•  Patientenzufriedenheit und

•  Einweiserzufriedenheit

erheben. Auch führen sie regelmäßig Mitarbeiterbefragungen durch, um mitarbeiterbezogene Ziele im Blick zu behalten. Auch Maßnahmen des Personalcontrollings wie auch ein Benchmarking hinsichtlich verschiedener Parameter fallen in diese Kategorie.

Abschließend soll auch ausgehend von diesem Beispiel der Zusammenhang zwischen einer normativen Wertorientierung und der Empirie nochmals illustriert werden. Zum Magnet-Modell existieren zahlreiche Studien, die beispielsweise Zusammenhänge zwischen der Zertifizierung eines Krankenhauses als Magnet-Krankenhaus, d.h. einer Art Feststellung, dass oben illustrierte Merkmale zumindest zu einem gewissen Grad in einem Krankenhaus gegeben sind, und der Erreichung zentraler Ziele aufzeigen. Dies gilt dabei sowohl für soziale Ziele wie auch für leistungsbezogene Aspekte wie vor allem Versorgungsqualität. Studien zeigen, dass sich Magnet-Krankenhäuser im Vergleich zu Nicht-Magnet-Krankenhäusern basierend auf Befragungen von Pflegenden durch bessere Arbeitsbedingungen, besser ausgebildete Fachkräfte, eine höhere Arbeitszufriedenheit, weniger Burnout und weniger Fluktuation auszeichnen (z.B. Kelly u.a. 2011). Gleichzeitig zeigt sich, dass die Qualität offenbar profitiert, im Vergleich mit Nicht-Magnet-Krankenhäusern zeigt sich in Magnet-Krankenhäusern beispielsweise eine geringere Mortalität allgemein wie auch eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit nach Komplikationen (z.B. McHugh u.a. 2013). Am Anfang steht hier jedoch auch das Normative: die Zielsetzung, ein Krankenhaus zu gestalten, dass sich durch exzellente Pflege und eine hohe Versorgungsqualität auszeichnet. Die Empirie kann somit durchaus helfen, Zusammenhänge zwischen normativen Orientierungen und Zielgrößen zu identifizieren, und somit auch für normative Entscheidungen Argumente bieten. Das »Sollen« muss jedoch das Management definieren, die Empirie kann helfen, Folgen und Zielerreichung abzubilden.

Literatur

Apel, K.-O. (2016): Diskurs und Verantwortung. Das Problem des Übergangs zur postkonventionellen Moral. 5. Auflage. Frankfurt: Suhrkamp.

Bass, B. M., Riggio, R. E. (2006): Transformational leadership. 2. Auflage. Mahwah u.a.: Lawrence Erlbaum Associates.

Bleicher, K. (2011): Das Konzept integriertes Management. Visionen – Missionen – Programme. 8., überarbeitete und erweiterte Auflage Frankfurt: Campus.

Foucault, M. (1967): Andere Räume. In: Barck, K., Gente, P., Paris, H., Richter, S. (Hrsg.) (1993): Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästehtik. Essais. 5., durchgesehene Auflage. Leipzig: Reclam. S.34–46.

Habermas, J. (1983): Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln. Frankfurt: Suhrkamp.

Hume, D. (2004): Traktat über die menschliche Natur. Vollständige Ausgabe (Teil 1-3). Berlin: Xenomoi.

Hundeler, V. (2019): Ethische Anforderungen im Controlling: Ethik, Moral, Regeln Tugend. In: Zapp, W. (Hrsg.) (2019): Controlling im Krankenhaus. Das Zusammenspiel von Werten, Prozessen und Innovationen. Wiesbaden: Springer Gabler. S.33–65.

Kant, I. (1781): Critik der reinen Vernunft. Riga: Hartknoch.

Kant, I. (2011): Kritik der praktischen Vernunft. Köln: Anaconda.