Organisationsdesign - Reinhart Nagel - E-Book

Organisationsdesign E-Book

Reinhart Nagel

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Beschreibung

Markttrends, Technik, Innovation - wie kann sich ein Unternehmen für Kommendes rüsten? Indem es eine wettbewerbsfähige Organisationsstruktur entwickelt, einführt und erfolgreich umsetzt.Der Leitfaden zeigt Kernfragen und Grundlagen eines zeitgemäßen Organisationsdesigns. Vor allem zeigt er den Weg zum Ziel: Bestehendes kritisch analysieren und Strategisches klären.Dazu kommen moderne Designs und Tools, beispielsweise:- zur Aufbau- und Prozessorganisation- zur internationalen Ausrichtung- fürs Wissensmanagement- für die Personalentwicklung- für die Führung- für die KundenorientierungIn der Neuauflage: Auswirkungen von Digitalisierung und Industrie 4.0 auf das Organisationsdesign und Ergänzung weiterer alternativer Organisationsformen.

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Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumWidmungVorwort zur zweiten AuflageToolverzeichnis1   Einführung und Überblick1.1   Warum ist das Organisationsdesign heute in vielen Unternehmen ein Thema?1.2   Organisationstheoretischer Hintergrund1.3   Systemtheoretisches Organisationsverständnis1.4   Grundzüge eines Organisationsdesigns1.5   Zusammenfassendes Bild des Organisationsdesigns2   Konzeptionelle Überlegungen zum Organisationsdesign2.1   Den strategischen Rahmen setzen2.1.1   Was verstehen wir unter Strategieentwicklung?2.1.2   Muster der Strategieentwicklung2.1.3   Der Prozess der Strategieentwicklung2.1.4   Designkriterien zur Beurteilung unterschiedlicher Organisationsvarianten2.2   Strukturelle Bauprinzipien des Organisationsdesigns2.2.1   Die funktionale Organisationslogik2.2.2   Die Geschäftsfeldgliederung2.2.3   Die Projektorganisation2.2.4   Die Prozessorganisation2.2.5   Die Matrixorganisation2.2.6   Die Sekundärorganisation2.3   Die Führungsstruktur2.3.1   Führungsherausforderungen unterschiedlicher Organisationslogiken2.3.2   Führungsherausforderungen international tätiger Unternehmen2.3.3   Führung durch Anreizsysteme oder Selbstmotivation?2.4   Horizontale Verbindungen und Kommunikationsstruktur2.4.1   Die vertikale Organisation stößt an ihre Grenzen2.4.2   Informelle Selbstabstimmung2.4.3   Organisatorische Selbstabstimmungsverfahren2.4.4   Formen einer strukturellen horizontalen Abstimmung2.4.5   Zusammenfassende Überlegungen zu einer horizontalen Organisation2.5   Die Praxis der Führung2.5.1   Grundgedanken eines systemisch orientierten Führungsverständnisses2.5.2   Aufgabenfelder von Führung2.6   Zur Organisationskultur2.6.1   Merkmale einer Organisationskultur2.6.2   Ebenen der Organisationskultur2.6.3   Kulturtypologien2.6.4   Wirkungen von Unternehmenskulturen2.7   Ein Blick in die Organisationsdesign-Literatur2.8   Das Organisationsdesign in neueren Organisationskonzepten2.8.1   John Kotters duale Organisation2.8.2   Frederick Laloux’ evolutionäre Organisation2.8.3   Holacracy2.8.4   Silicon Valley3   Überblick über die Prozessarchitektur3.1   Die einzelnen Prozessschritte3.2   Überblick und Anleitung zur Toolbox des Organisationsdesigns4   Anforderungen vergemeinschaften4.1   Wie tickt das Geschäft des Unternehmens?4.2   Definition der Designkriterien4.3   Was sind die Grenzen und Rahmenbedingungen eines Organisationsumbaus?4.4   Wie anpassungsfähig ist das Unternehmen?4.5   Was ist der konkrete Anlass für den Organisationsumbau?4.6   Wer soll am Prozess beteiligt werden?5   Organisation überprüfen5.1   Gesamthafte Organisationsanalysen5.2   Analyse der lateralen Fähigkeiten einer Organisation6   Designoptionen entwickeln6.1   Alternative Ausprägungen der primären Gliederungslogik6.2   Ausgestaltung zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung6.3   Varianten einer kundenzentrierten Organisation6.4   Das Organisationsdesign international tätiger Unternehmen6.5   Archetypen regionaler Organisationsmodelle6.6   Alternative Organisationstypologien6.6.1   Grundsätzliche strategische Ausrichtungen des Organisationsdesigns6.6.2   Ausprägungen der Organisationsstruktur6.6.3   Formen horizontaler Abstimmungen6.6.4   Aspekte der Steuerung6.6.5   Alternative Informationssysteme6.6.6   Alternative Formen der Organisationskultur und Führungspraxis6.6.7   Anreizsysteme6.6.8   Fazit7   Designentscheidungen treffen8   Neudesign ausgestalten8.1   Definition des strategischen Bezugsrahmens8.2   Ausgestaltung der formalen Kernstruktur8.3   Planung der horizontalen Verbindungen und der Kommunikationsstruktur8.4   Adaptierung der Führungsstruktur und -systeme8.5   Reifegrad der Geschäftsprozesse8.6   Weiterentwicklung der organisationalen Fähigkeiten und Überprüfung des Talentmanagement-Systems9   Die Organisation umbauen9.1   Der Veränderungscharakter eines Organisationsumbaus9.2   Zum Wesen einer radikalen Transformation9.3   Dramaturgie des Prozesses einer radikalen TransformationLiteraturverzeichnisDer AutorStichwortverzeichnis
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH, Stuttgart

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Print:ISBN: 978-3-7910-3627-4Bestell-Nr.: 20390-0002ePDF:ISBN: 978-3-7910-3628-1Bestell-Nr.: 20390-0151ePub:ISBN: 978-3-7910-4057-8Bestell-Nr.: 20390-0100

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© 2017 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht [email protected]

Umschlagentwurf: Goldener Westen, BerlinUmschlaggestaltung: Kienle gestaltet, StuttgartSatz: Claudia Wild, Konstanz

Juli 2017

Schäffer-Poeschel Verlag StuttgartEin Tochterunternehmen der Haufe Gruppe

Widmung

Für Elfi, Anna und Lukas

Vorwort zur zweiten Auflage

Seit dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches habe ich weitere Praxiserfahrungen mit den Modellen und Instrumenten dieses Konzeptes machen können. Dabei hat sich gezeigt, dass die sprachliche Ausgestaltung des Kernmodells des Organisationsdesigns manchmal als etwas sperrig erlebt wurde. Dies hat mich dazu angeregt, die Bezeichnungen des Ursprungsmodells zugespitzter zu formulieren und dadurch noch praxisnäher zu machen. Hier bedanke ich mich bei meinem Kollegen Walter Dietl, mit dem ich diese Präzisierung erarbeitet habe. Die Veränderungen habe ich in das Einführungskapitel eingearbeitet.[2]

Die letzten Jahre waren geprägt von außergewöhnlich vielen unterschiedlichen Impulsen zu neuen Organisationsmodellen. Dies hat sicherlich mit den aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen zu tun, die wir derzeit durchleben. Wichtige Treiber für solche Organisationsmodelle sind dabei die Megatrends der digitalen Revolution, der Internationalisierung aber auch des Akzeptanzverlustes der Hierarchie als dominantes Steuerungsmodell.

Daher wurden von mir im zweiten Kapitel die wichtigsten der aktuell diskutierten Konzepte vor dem Hintergrund, welche Anregungen sie zum Organisationsdesign geben, neu aufgenommen (Kapitel 2.8). Dabei habe ich John Kotters „duale Organisation“, Frederick Laloux’ „evolutionäre Organisation“ und Robertsons „Holacracy“ herausgegriffen. Angesichts der aktuellen wirtschaftspolitischen Bedeutung nehme ich zudem das sehr lesenswerte Buch von Christoph Keese über das Silicon Valley mit auf. Bei allen diesen Modellen habe ich besonders herausgearbeitet, welche impliziten und expliziten Implikationen diese Konzepte auf das Organisationsdesign haben. In diesem neuen Kapitel versuche ich eine Antwort darauf zu geben, was aus meiner Sicht dabei mehr eine neue Organisationsmode und was eine zukunftsweisende Innovation für die Unternehmensgestaltung ist.[3]

Schließlich habe ich ein weiteres Kapitel 6.6 neu aufgenommen, das sich mit vielfältigen Aspekten der Entwicklung und Ausgestaltung von Designoptionen auseinandersetzt. Dabei beziehe ich mich auf das Konzept von Burton, Obel und DeSanctis (2011), das den Denkraum möglicher Designoptionen kreativ öffnet. Dieses Modell bietet auch einen differenzierten Ausgangspunkt für eine gemeinsame Verständigung über die Stärken des bestehenden Organisationsdesigns und über einen möglichen Handlungsbedarf der Organisation.

Wien, im Sommer 2017Reinhart Nagel

Toolverzeichnis

Tool 1Künftiger strategischer Fokus des Organisationsdesigns166Tool 2Entwicklung von Designkriterien169Tool 3Begrenzungen und Annahmen möglicher Organisationsveränderungen171Tool 4Wie anpassungsfähig ist Ihr Unternehmen?176Tool 5Gründe für das Re-Design einer Organisation179Tool 6Bestimmung der Beteiligungstiefe182Tool 7Current State Assessment186Tool 8Bewertung der aktuellen Organisation vor dem Hintergrund der Organisationsdesignkriterien192Tool 9Weisbords Six-Box-Model193Tool 10Analyse des Organigramms196Tool 11OD-Monitor als Online-Standortbestimmung197Tool 12Analyse des Geschäftsmodells200Tool 13Zusammenfassung der zentralen Handlungsfelder204Tool 14Diagnose-Steckbrief und Hypothesenbildung zu den Analyseergebnissen206Tool 15Relationship Health Check208Tool 16Analyse der Kooperationsmuster und ihrer Blockaden210Tool 17Reflexion der Vertrauensbasis der Zusammenarbeit214Tool 18Das PIANO-Modell zur Analyse der internen Netzwerke216Tool 19Evaluierung der formalen Organisationsstruktur224Tool 20Kreative Designideen für eine neue Organisationsstruktur225Tool 21Tetralemma zur Bearbeitung von organisationalen Dilemmata235Tool 22Strategy Locator: Ausprägungen der Kundenzentrierung242Tool 23Bewertung der Voraussetzungen für eine Matrix248Tool 24Planung der kundenzentrierten Fähigkeiten257Tool 25Das CAGE-Framework261Tool 26Das AAA-Dreieck269Tool 27Bewertung des Regionalisierungspotenzials271Tool 28Ranking der neuen Optionen mit den Designkriterien312Tool 29Plausibilitäts-Check313Tool 30Bewertungsmatrix314Tool 31Bewertung mit dem Organisations-Fit-Test von Goold/Campell316Tool 32Strategischer Referenzrahmen des Organisationsdesigns331Tool 33Konkretisierung der vertikalen Organisationsstruktur332Tool 34Gestaltung der horizontalen Verbindungen335Tool 35Planung der Kommunikationsstruktur und -formate338Tool 36Überprüfung des strategischen Managementprozesses340Tool 37Überprüfung und Festlegung der Entscheidungsstruktur und ihrer Spielregeln342Tool 38Evaluierung und Anpassung des Anreizsystems344Tool 39Überprüfung und Entwicklung organisationaler Fähigkeiten zur Realisierung eines neuen Organisationsdesigns349Tool 40Adaptierung und Weiterentwicklung des Talentmanagement-Systems351Tool 41Führungskonstellation an der Spitze als Schlüsselstelle eines Organisationsumbaus360[4-5]

1   Einführung und Überblick

1.1   Warum ist das Organisationsdesign heute in vielen Unternehmen ein Thema?

Das Organisationsdesign eines Unternehmens ist in den letzten Jahren zunehmend zu einem entscheidenden Stellhebel der Leistungsfähigkeit moderner Unternehmen geworden. Externe Entwicklungen wie die spezifische Marktdynamik, technologische oder gesellschaftliche Veränderungen oder verstärkte unternehmensübergreifende Zusammenarbeit erfordern periodisch eine Anpassung der Organisationsform eines Unternehmens (die folgenden Thesen zu verschiedenen Umweltentwicklung basieren auf den Ausführungen von Wimmer 2012, S. 14 f. in der Festschrift für Peter Gomez).

Aber auch interne Herausforderungen wie Leistungsprobleme der bestehenden Organisationsstruktur, die Notwendigkeit einer besseren hierarchie- und bereichsübergreifenden Kooperation oder zunehmende Innovationserfordernisse tragen dazu bei, dass die Gestaltung des Organisationsdesigns zu einer der zentralen Führungsaufgaben geworden ist.

Die Weltwirtschaft hat sich verändert

Wichtige Bereiche der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Kultur sind heute zu einer Weltgesellschaft zusammengewachsen. Immer unbedeutender werden die lokalen Grenzen nicht nur in der modernen Gesellschaft, sondern vor allem auch für viele Unternehmen, die mit gravierenden Veränderungen der Weltwirtschaft konfrontiert sind. Die Wachstumsdynamik in den sogenannten Schwellenländern hat dazu geführt, dass die Warenströme nicht mehr einseitig von den Industrieländern zu den weniger entwickelten Wirtschaftsräumen fließen. Wir sind vielmehr Zeugen einer oft konflikthaften Neuordnung der Weltwirtschaft. Die wachstumsstarken Schwellenländer beeinflussen zunehmend das globale Wirtschaftsgeschehen.[6]

Diese wohl kaum umkehrbare Entwicklungsdynamik erfordert von Unternehmen ein Umdenken ihrer Internationalisierungsstrategien. Eine Neuausrichtung bzw. Neujustierung ist nötig, die zwangsläufig auch die Überprüfung der organisatorischen Aufstellung jedes international tätigen Unternehmens zu einem Thema macht.

Neue Kommunikationstechnologien haben sich durchgesetzt

Die Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien der letzten Jahre und Jahrzehnte haben viele Lebensbereiche beeinflusst – sei es unser Konsum-, unser Einkaufs- oder unser tägliches Kommunikationsverhalten. Ein Strukturwandel, der auch die Wertschöpfungskette fast jedes Unternehmens betroffen hat oder noch verändern wird. Unbundeling, Freemium, Multi-sided Platforms, Longtail oder Open Businesses sind Beispiele für ganz neue Geschäftsmodelle, die traditionelle Branchen revolutioniert haben (vgl. dazu Osterwalder/Pigneur 2011). Neue Vertriebskanäle sind entstanden und digitale Produktionsformen haben die Unternehmenswelt auch traditionellerer Industrien verändert.

Die digitalen Kommunikationstechnologien haben aber auch neue Kommunikationsformen im privaten und im Arbeitsumfeld geschaffen. Stichworte wie social media oder open innovation illustrieren die teilweise Aufhebung räumlicher, zeitlicher und institutioneller Begrenzungen der Kommunikationsmöglichkeiten. Diese Kommunikationsformen beeinflussen auch die organisationsinternen Kooperations- und Abstimmungsprozesse radikal. Unterschiedliche Zeitzonen und geografische Distanzen haben keine begrenzende Kraft mehr. Tradierte Organisationsroutinen und Kommunikationspraktiken verlieren zunehmend ihre Bedeutung. Eine Balance zwischen mündlichem und schriftlichem Austausch und der Nutzung elektronischer Medien muss in unserer Arbeitswelt neu gefunden werden (Wimmer 2012, S. 15).[7]

Diese Entwicklungen beeinflussen nachhaltig sowohl die vertikale als auch die horizontale Kooperation in Unternehmen als eine zentrale Gestaltungsdimension eines Organisationsdesigns.

Die Grenzen zwischen Organisationen wurden durchlässiger

Die zunehmende Spezialisierung und die durch den Zwang zur Effizienzsteigerung intensivierte Arbeitsteilung zwischen Unternehmen führen verstärkt zu netzwerkförmigen und unternehmensübergreifenden Zusammenarbeitsformen. Konkurrenzfähige Lösungen werden oft erst durch enge Kooperationen zwischen Unternehmen möglich – seien es modulare Produktionsformen, strategische Allianzen, Public-Private-Partnerschaften, Open-Innovation-Prozesse oder vielfältige Formen der Unternehmensbeteiligungen und -verschränkungen.

Hierarchische Strukturen werden zunehmend von Kooperationsmodellen zwischen Unternehmen und Unternehmenseinheiten abgelöst. Aus dieser Entwicklungslogik ergibt sich die verstärkte Notwendigkeit, in unternehmensübergreifenden Netzwerken zu agieren und sich organisationsintern entsprechend aufzustellen. Dabei stellen sich Fragen nach der organisationalen Fähigkeit für eine professionelle Kooperation, nach einem bewussten Grenzmanagement und den Verhandlungs- und Steuerungskompetenzen der zentralen Schlüsselspieler eines Unternehmens.[8]

Die gesellschaftlichen Wertvorstellungen verändern sich

Bisher war es in gewissem Maße möglich, dass Unternehmen weitgehend ungestraft die Folgekosten ihres Wirtschaftens an die Allgemeinheit externalisieren konnten. Dabei kann es sich um gesundheitliche Folgekosten, um die Schädigung der ökologischen Lebensbedingungen der nächsten Generationen oder um ein Abschieben von Versorgungsleistungen an das öffentliche Sozialsystem handeln.

Eine Externalisierung, die angesichts der Sensibilität der Gesellschaft und der Konsumenten – derzeit vorwiegend noch in den Industrieländern – zunehmend schwieriger wird. Unternehmen sind daher deutlich stärker gefordert, die Folgen ihrer Wirtschaftstätigkeit bei ihren Entscheidungen mit zu berücksichtigen. Ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit gewinnt zunehmend an Bedeutung. Unternehmen werden intern und extern daran gemessen, in welchem Ausmaße sie ihrer längerfristigen gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Die Auseinandersetzung mit diesen Entwicklungen fordert die Innovationskraft – auch hinsichtlich ihrer organisatorischen Implikationen (Wimmer 2012, S. 15 f.)[9]

Doch nicht nur unternehmensexterne Faktoren stellen die Antwortfähigkeit der Organisation eines Unternehmens auf den Prüfstand. Oft sind es unternehmensinterne Veränderungen oder Herausforderungen, die das Organisationsdesign in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Unternehmensführung stellen.

Ein Organisationsumbau als Ausfluss eines Strategieprozesses

Eine neue Unternehmensstrategie kann beispielsweise auf neue Kundengruppen oder auf neue regionale Märkte zielen, das Geschäftsmodell weiterentwickeln, eine Veränderung der Wertschöpfungskette oder den Einsatz neuer Technologien erfordern.

Ein Beispiel für eine solche strategische Neupositionierung war die Entscheidung sowohl von Coca Cola und von Pepsi Cola, die Flaschenabfüllung wieder in ihre Kernprozesse zu integrieren. In diesem Fall waren sowohl der (Wieder-)Aufbau organisationaler Fähigkeiten als auch eine Adaptierung der Struktur und der Prozesse des Unternehmens erforderlich.

Dieses Beispiel illustriert, dass bei jeder veränderten Unternehmensstrategie die Überprüfung der Passung des bestehenden Organisationsdesigns auf der Agenda steht. Denn oft erfordert die strategische Neupositionierung auch einen Umbau der Organisation.

Leistungsprobleme des Unternehmens

Nicht selten sind Leistungsprobleme des Unternehmens ein Anlass, die Funktionalität des Organisationsdesigns zu hinterfragen. Häufige Kundenbeschwerden, Verluste an Marktanteilen, das Nichterreichen von finanziellen Ergebnissen sind selten das Ergebnis eines einzelnen Faktors. Eine Optimierung einzelner Symptome ist oft nicht geeignet, die Ursache dieser Leistungsprobleme zu lösen. Die Überprüfung der Wirksamkeit des Organisationsdesigns als Ganzes kann ein erfolgsversprechender Zugang sein, um den tiefer liegenden Ursachen auf den Grund zu gehen und die Energie des Managements auf eine umfassendere Problemlösung zu fokussieren.[10]

Der Erfolg eines Unternehmens fordert neue organisatorische Antworten

Doch nicht nur Leistungsprobleme können die Angemessenheit der Organisationsaufstellung in Frage stellen. Schnelles oder starkes Wachstum eines Unternehmens ist mit mehr Mitarbeitern, gesteigerten Umsätzen, der Bearbeitung neuer Märkte, neuen Vertriebskanälen oder Regionen verbunden – Entwicklungen, die oft mit der Schaffung neuer Organisationsbereiche einhergehen. Gerade solche erfolgreichen Entwicklungen machen es unvermeidlich, die bestehende Struktur auf den Prüfstand zu stellen, um die Dynamik der Geschäftsentwicklung mit möglichst geeigneten organisatorischen Rahmenbedingungen zu untermauern.

Das Organisationsdesigns als Voraussetzung zur Nutzung neuer Marktchancen

Nicht immer folgt die Organisation der Strategie, wie das Chandler (1962) in seinem berühmten Satz Structure follows strategy – die Struktur folgt der Strategie postuliert hat. Es kann durchaus auch sein, dass innovative organisationale Fähigkeiten neue strategische Optionen eröffnen.

So basiert ein zentraler Wettbewerbsvorteil des spanischen Modeherstellers Zara auf seiner einzigartig gesteuerten Wertschöpfungskette. Design, Einkauf, Logistik und Vertrieb sind so integriert, dass neue Produktideen auch noch innerhalb einer laufenden Modesaison aufgegriffen und auf den Markt gebracht werden können. Eine Studie von Bain & Co. [11]zeigte, dass Zara nur 30 % ihres Sortiments längerfristig plant. Die restliche Kollektion entsteht in einer kurzfristigen Reaktion auf die aktuellen Modeströmungen.

Um die organisationale Antwortfähigkeit zu erhöhen, bietet eine Veränderung des Organisationsdesigns verschiedene Möglichkeiten: Manche wachstumsorientierten Unternehmen schaffen kleine Unternehmen mit starker Entscheidungsautonomie. Andere wiederum bauen interne Netzwerke quer durch das Unternehmen auf, um voneinander schneller und wirksamer zu lernen. Wieder andere organisieren Ausgründungen, um ein unternehmensübergreifendes Netzwerk mit teilweise anderen Partnern zu konstituieren. Solche Anpassungsmöglichkeiten einer Organisation können Raum für neue strategische Chancen eröffnen.

Ein neuer Spieler kommt auf das Spielfeld

Schließlich ist die Bestellung eines neuen Topmanagements nicht selten auch ein Anlass für die Veränderung des Organisationsdesigns.

Ein Re-Design der Organisation wird auch genutzt, um unternehmensintern Veränderungsdynamik zu demonstrieren. Denn eine Umstrukturierung ist eine unübersehbare und spürbare Intervention, um die Führungskollegen oder das Aufsichtsgremium zu beeindrucken. Allerdings sind es nicht selten gerade solche mikropolitischen Motive des Topmanagements, die die Skepsis einer Belegschaft gegenüber Designveränderungen begründen. Denn ein Organisations-Re-Design sollte nur dann angestoßen werden, wenn dieses gut begründet und eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Status quo erwartbar ist.[12]

1.2   Organisationstheoretischer Hintergrund

Wenn man sich mit Organisationsdesign beschäftigt, ist es hilfreich, sich über das eigene konzeptionelle Verständnis von Organisation klar zu sein. Denn sowohl in der wissenschaftlichen Organisationsliteratur als auch in der Unternehmenspraxis lassen sich unterschiedliche mentale Modelle zum Phänomen Organisation beobachten.

Zweckrationalität: Die Organisation als Mittel

Viele Organisationstheoretiker gehen davon aus, dass die Organisation als Mittel zur Realisierung eines Zwecks oder eine Zieles dient. Mit diesem Verständnis ist das Konzept der Rationalität eng verbunden. „Das Konzept der Rationalität [von Organisationen] bedeutet nicht notwendigerweise, daß organisatorisches Handeln logisch oder vernünftig ist, sondern eher, daß es auf ein Ziel hin erdacht, gemeint, geplant, kalkuliert oder entworfen ist” (Weick 1979, S. 36).

Rationalität geht davon aus, dass die Wirklichkeit unabhängig von denen ist, die sie beobachten. Ein solch positivistischer Ansatz der Organisationstheorie basiert auf einer Trennung von erkennendem Subjekt und erkanntem Objekt: Der Mensch (das Subjekt) kann die Dinge (die Objekte) in der Welt erkennen, analysieren und erklären (Wimmer/Meissner/Wolf 2009, S. 22).[13]

Diese Grundannahmen des Positivismus lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. Popper 2005 zur Erklärung des kritischen Rationalismus): Die Wirklichkeit ist objektiv gegeben und besitzt eine unveränderliche Struktur, die unabhängig von der menschlichen Erkenntnis ist. Eine solche objektive Erkenntnis der Wirklichkeit lässt sich durch eine systematische Beobachtung gewinnen. Dadurch können Gesetzmäßigkeiten abgeleitet und Theorien aufgestellt werden, mit deren Hilfe beliebige Erscheinungen kausal, also als Ursache-Wirkung-Zusammenhang, erklärt werden können.

Im positivistischen Sinne ist die Organisation ein Instrument zur Problemlösung durch ein Zusammenspiel der einzelnen Teile. Man unterstellt, dass es sich bei den Aktivitäten der Teile um Beiträge zur Zielerreichung des Ganzen (Zweck-Mittel-Relation) handelt (Luhmann 1984, S. 195). Das Ziel wird dabei als von außerhalb der Organisation vorgegeben betrachtet. Bei der Organisation selbst geht es darum, herauszufinden, wie die Bearbeitung der Problemstellung zur Erreichung des Zieles mit gegebenen Mitteln auf möglichst effiziente Art und Weise erfolgen kann (Wimmer/Meissner/Wolf, 2009, S. 22).

Um den Arbeitsablauf in der Organisation effizient zu strukturieren, greifen positivistische Theorien auf das Konzept der Arbeitsteilung zurück: Dieses beruht auf der systematischen Analyse der unterschiedlichen Aufgabenfelder einer Organisation. Nach dieser Zerlegung stellt ein umfassend informierter Organisator die Teile bestmöglich zu sinnvollen Stellen, Abteilungen, Prozessabläufen etc. zusammen.[14]

Teile der betriebswirtschaftlichen Literatur verstehen die Organisation in dieser Tradition überwiegend als ein Werkzeug der Führung zur Umsetzung von Zielen der Eigentümer. So hat der Begriff Organisation seinen sprachlichen Ursprung im griechischen organon, was mit Werkzeug oder Instrument übersetzt werden kann. Mit einem solchen funktionalen Verständnis von Organisation wird eine Organisation zu einem Instrument der Führung, um in einem effizienten Prozess der Leistungserstellung Ordnung zwischen jenen Aufgaben, Personen, Sachmitteln oder Informationen zu schaffen, die miteinander in Beziehung stehen (vgl. Klimmer 2011, S. 3). Eine so verstandene Zweckrationalität von Organisationen ist ein Denkmodell, das eng mit dem Ingenieurs- und Maschinenmodell verbunden ist.

Organisationen können zwar als Mittel zum Zweck verstanden werden, aber dann sind sie Mittel von ganz unterschiedlichen, oft konkurrierenden und manchmal sich sogar gegenseitig ausschließenden Zwecken. Simon (2011, S. 30) illustriert das am Beispiel eines Unternehmens: Das Unternehmen dient den Mitarbeitern als Mittel, den eignen Lebensunterhalt zu verdienen und fallweise auch Spaß und Befriedigung bei der Arbeit zu haben. Den Eigentümern hingegen ist das Unternehmen Mittel zum Erzielen einer Rendite. Den Kunden wiederum dient es als Produzent von Produkten und Dienstleistungen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse. Dem Staat ist es ein Mittel, Steuern einzuheben etc. Es geht also um sehr verschiedene Zweckrationalitäten bzw. um sehr verschiedene Motivationen individuellen Handelns.[15]

Die Berufung auf eine nicht näher spezifizierte und absolut gesetzte Rationalität kann daher als „ein auf Entscheidungen bezogenes Äquivalent für das, was man in der Erkenntnistheorie Objektivität nennen würde“, betrachtet werden (Luhmann 2000, S. 445).

Herbert Simon (1957) hat daher vorgeschlagen, von begrenzter Rationalität (bounded rationality) zu sprechen. Bei Entscheidungsprozessen in Organisationen wird nicht die beste Lösung gewählt, sondern eine hinreichend zufriedenstellende.

Systemrationalität: Überlebensfähigkeit als Zweck

Im Unterschied zur Zweckrationalität beziehen wir uns auf einen transdisziplinären Zugang, wie er sich aus den Arbeiten zum Konstruktivismus und der neueren Systemtheorie für das Verstehen von sozialen Systemen entwickelt hat.

Simon (2011, S. 26) beschreibt den Grundgedanken des Konstruktivismus damit, dass lebende Systeme aufgrund interner Prozesse eine Grenze zum Rest der Welt bilden, die sie als Einheit konstituiert. Und diese Grenze sorgt dafür, dass die internen Prozesse, die sie hergestellt haben, weiter ablaufen können. Dieser Typus von Prozessen ist von Humberto Maturana (1982) als autopoietisch bezeichnet worden. Seiner Ansicht nach sind solche Prozesse das definierende Merkmal lebender Systeme. Abgeleitet ist der Begriff vom griechischen autos für selbst und poiesis für schöpferische Tätigkeit, Werk (nach Simon 2011, S. 26).[16]

Wenn man Organisationen als autopoietische Systeme betrachtet, so hat dies Konsequenzen, die in Widerspruch zu den Denkgewohnheiten und Glaubenssätzen eines zweckrationalen Ingenieurs- oder Maschinenmodells stehen.

Zuallererst impliziert dies, dass Organisationen, wenn sie denn erst einmal das Licht der Welt erblickt haben, keinen Sinn an sich haben oder brauchen. Ihr Verhalten mag zwar als zielgerichtet erscheinen, doch die Funktion ihres Verhaltens ist im Wesentlichen nur ihr Überleben. Nicht mehr und nicht weniger ist in der Organisationsform autopoietischer Prozesse impliziert – noch vor irgendwelchen bewussten Entscheidungen über die Zwecke einer Organisation.

„Der Sinn des Lebens ist das Leben – das gilt auch für Organisationen“ (Simon 2011, S. 28). Das schließt zwar nicht aus, dass Organisationen sich autopoietisch ihre Ziele suchen und Probleme lösen, aber dann als Mittel zum Zweck des eigenen Überlebens. Das Überleben wird dabei zum Rationalitätskriterium des Handelns der Organisation.

Die Eigenlogik einer Organisation ist auf die Aufrechterhaltung der System-Umwelt-Unterscheidung gerichtet, das heißt auf ihre Weiterexistenz in der Beziehung zu und in der Kommunikation mit spezifisch unverzichtbaren Umwelten. Auch dies ist eine Form der Rationalität und lässt sich im Unterschied zur Zweckrationalität mit Luhmann (2000, S. 447) als Systemrationalität bezeichnen. Daher stellt sich bei der Analyse einer Organisation die Frage nach den für ihr Überleben relevanten Umwelten. Dies können Kunden, wichtige Technologien oder die Dynamik eines Marktes sein. Ob ein Unternehmen langfristig überlebt, hängt davon ab, ob diese wechselseitigen Anpassungs- und Aushandlungsprozesse zwischen der Organisation und ihren Umwelten gelingen – ein Prozess, den man auch als organisationales Lernen[17] bezeichnen kann.

Es geht dabei allerdings nicht um den einen besten Weg zur Erreichung eines Zieles, sondern darum, in der Auseinandersetzung mit relevanten Umwelten gangbare bzw. viable Handlungsweisen zu finden, die mit dem Überleben vereinbar sind (Simon 2011, S. 34).

1.3   Systemtheoretisches Organisationsverständnis

Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter Organisation etwas dinglich Gegebenes wie beispielsweise deren Mitglieder, Produktionsanlagen oder eine technologische Infrastruktur.

Mit dem Begriff des Organisierens macht Weick (1985) darauf aufmerksam, dass es sich bei einer Organisation um ein soziales Phänomen handelt. Für Luhmann (2000) besteht das Wesen einer Organisation aus Entscheidungen. Eine Organisation sorgt für Entscheidbarkeit, das heißt für die Transformation von Unsicherheit in eine situative Sicherheit.

Unsicherheit

„Unsicherheit entsteht bei gleichzeitigem Anfall von Wissen und Nichtwissen, entsteht also aufgrund dieser Differenz. Dabei sind Wissen ebenso wie Nichtwissen soziale Konstruktionen, die in dem System erstellt werden, das sie benutzt“ (Luhmann 2000, S. 184). Jede Entscheidung beruht sowohl auf aus der Vergangenheit abgeleitetem Wissen wie aus Nichtwissen über die Zukunft.[18]

Dieses Problem der Unsicherheit löst eine Organisation durch Entscheidung. Sie entscheidet in der Gegenwart für eine (vermutete) Zukunft. Dadurch ersetzt sie die Unsicherheit durch das Risiko, sich für die falsche Zukunft zu entscheiden (vgl. Simon 2011, S. 66).

Entscheidungen

Um allerdings überhaupt entscheiden zu können, muss die Organisation Handlungsalternativen konstruieren: ohne Alternativen keine Entscheidung.

„Entscheidungen sind somit organisationsinterne Ereignisse, mit deren Hilfe eine unsichere Situation kommunikativ in eine vorübergehende Sicherheit und Orientierung stiftende Festlegung transformiert wird. An dieser Festlegung können dann weitere Entscheidungen anknüpfen. Das Organisationsspezifische daran ist, dass jede einzelne Entscheidung sich auf vorangegangene Entscheidungen verlassen kann. In diesem Sinne besteht eine Organisation aus nichts anderem als aus der fortlaufenden Kommunikation von Entscheidungen. Die Organisation ist im Kern das, was sie selbst durch die rekursive Verknüpfung von Entscheidungskommunikationen als Organisation hervorbringt. Sie ist in diesem Sinne ein Produkt ihrer Selbst“ (Wimmer 2012, S. 37).

Nach der Entscheidung verhalten sich die Mitglieder der Organisation so, als ob die Zukunft sicher wäre. Dadurch wird für sie aus einer Welt voller Ungewissheit, Vieldeutigkeit, Widerspruch, Ambivalenz und Ambiguität eine sichere Welt (Simon 2011, S. 67). Darin bestehen die Leistung und Funktion einer Organisation: in der Ermöglichung von Anschlussentscheidungen ohne Infragestellung vorheriger Entscheidungen (Baecker 2003, S. 34).[19]

Organisationen befinden sich in einem Dauerzustand der Irritation über sich selbst und über ihre Antwortfähigkeit auf ihre relevanten Umwelten. In diesem Sinne ist „die Prämisse von Organisationen das Unbekanntsein von Zukunft und der Erfolg der Organisation liegt in der Behandlung eben dieser Ungewissheit“ (Luhmann 2000, S. 71). Solange es künftige Entscheidungsnotwendigkeiten gibt, existiert die Organisation weiter. So gesehen sind ungelöste Problemstellungen der Zukunft der Existenzgrund einer Organisation.

In diesem Theorieverständnis bestehen Organisationen nicht aus ihren Mitgliedern und auch nicht aus Gebäuden, Produktionsanlagen, einer technologischen Infrastruktur, sondern aus spezifischen Kommunikationsereignissen, die wir Entscheidungen nennen (Wimmer, 2012, S. 37). Grundelemente von Organisationen sind also Entscheidungen und nicht Personen. Personen sind allerdings hochrelevante Umwelten von Organisationen, ohne die eine Organisation nicht bestehen kann.

„Entscheidungen sind die Operationen, durch die Organisationen sich reproduzieren: ohne Alternativen keine Unsicherheit, ohne Unsicherheit keine Entscheidungen, ohne Entscheidungen keine Organisation“ (Simon 2011, S. 69).

Entscheidungsprämissen

Luhmann verfeinert dieses Verständnis von Organisation durch die Einführung von Entscheidungsprämissen. Diese bilden Festlegungen, die den alltäglichen operativen Entscheidungen einer Organisation einen Orientierungsrahmen geben (Luhmann 2000, S. 222 f.). Entscheidungsprämissen legen den Spielraum fest, innerhalb dessen frei entschieden werden kann. Dadurch nehmen sie den beteiligten Akteuren zwar Freiraum – eröffnen ihnen aber gleichzeitig einen neuen Gestaltungsraum, nämlich innerhalb der so gesetzten Grenzen autonom zu handeln (Simon 2011, S. 70).[20]

Nach Luhmann werden Organisationen durch drei grundlegende Entscheidungsprämissen bestimmt:

Programme: In sachlicher Hinsicht wird dadurch die programmatische Positionierung der Organisation vorgenommen. Wozu gibt es uns als Organisation? Mit welchen Aufgaben beschäftigen wir uns? Was ist unsere künftige Ausrichtung, die wir anstreben?

Im Kern geht es bei dieser Entscheidungsprämisse um eine programmatische Festlegung der Organisation. Diese Führungsleistung, die gemeinsame Vorstellungen der eigenen Zukunft in einer sich ändernden Umwelt produziert und regelmäßig weiterentwickelt, nennen wir Strategieentwicklung. Sie ist jene Führungsdimension, die ein Unternehmen ständig dazu zwingt, die Umwelt dahingehend abzutasten, welche künftigen Chancen- und Bedrohungspotenziale bezogen auf die eigene Existenzsicherung auszumachen sind. Sie ist andererseits aber auch Anlass, sich als Unternehmen regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen, inwieweit man in der Lage ist, die sich am Markt bietenden Chancen mit dem eigenen Leistungsvermögen auch tatsächlich zu nutzen (ausführlich dazu Nagel/Wimmer 2009).[21]

Kommunikationswege: Diese Prämisse beschäftigt sich mit den Prinzipien der organisatorischen Binnendifferenzierung. Welche Logik liegt unserer Art des Organisiertseins zugrunde? Welche Kooperationsmuster und Kommunikationswege ergeben sich daraus?

„Über Entscheidungsprämissen können auch Kommunikationswege vorgeschrieben werden, die eingehalten werden müssen, wenn die Entscheidung als eine solche der Organisation Anerkennung finden soll. Dabei kommt es auf die als Entscheidungsprämissen festgelegten Kompetenzen an; vor allem auf das Recht, bindende Weisungen zu erteilen, aber auch auf das Recht, angehört zu werden. Oft nennt man gerade diesen Ausschnitt der Selbstregulierung eines Organisationssystems formale Organisation“ (Luhmann 2000, S. 225). Im Kern geht es bei dieser Entscheidungsprämisse um die Festlegung des Rahmens eines Organisationsdesigns. Das vorliegende Buch widmet sich der Ausgestaltung dieser Entscheidungsprämisse.

Personen: „Personen haben als Entscheidungsprämissen den Vorteil gegenüber Programmen, dass hier auf die Kopplung der Organisation mit psychischen Systemen (Personen) als Möglichkeit der Entscheidungsfindung gesetzt wird. Da nicht vorhersehbar ist, welche Fragen, Probleme und Herausforderungen auf die Organisation zukommen, kann auf Regeln (Programme) nicht dauerhaft gesetzt werden. Kompensiert werden kann dieser Mangel durch das Vertrauen zu Personen. Die Koppelung der Organisation mit unverwechselbaren psychischen Systemen (Personen) ermöglicht ihr den Zugang zu Kompetenz, Intelligenz, Kreativität und Urteilsfähigkeit von Individuen“ (Simon 2011, S. 74). Personen sind für das Überleben von Organisationen deshalb so wichtig, weil durch sie der Erstarrung der Organisation entgegengewirkt werden kann. Zu dieser Prämisse muss ergänzt werden, dass nicht nur einzelne Personen als Entscheidungsprämissen fungieren können, sondern auch Mehr-Personen-Systeme. Es können dies Gruppen oder Gremien sein, die zu einem entscheidenden Faktor für den Erfolg oder Misserfolg einer Organisation werden können (vgl. Collins 2001).[22]

Diese drei Entscheidungsprämissen bilden zusammen ein Set an Rahmensetzungen, die den operativen Alltagsentscheidungen einer Organisation eine Gestalt geben. Luhmann bezeichnet diese drei Prämissen als entscheidbare Entscheidungsprämissen. Also um Rahmensetzungen, die durch Führung in einem kommunikativen Prozess festgelegt und entschieden werden können.

Zwischen diesen Typen von Entscheidungsprämissen gibt es kein dauerhaftes Primat bzw. keine Über- und Unterordnung (wie z. B. beim Postulat von Chandler 1962, Structure follows strategy). In einer Situation kann die Person als Entscheidungsprämisse der Organisation im Vordergrund stehen, in einer anderen ist dies die formale Struktur und ein andermal das Programm bzw. die Strategie.

Darüber hinaus führt Luhmann eine vierte Entscheidungsprämisse ein:

Organisationskultur: Diese beeinflusst die Möglichkeiten und Grenzen der oben explizierten drei Entscheidungsprämissen substanziell. Kulturelle Regeln entstehen nicht zweckrational, sondern sie entwickeln sich evolutionär. Sie sind emergent entstanden und dennoch verbindlich. Daher bezeichnet Luhmann diese Entscheidungsprämisse im Unterschied zu den anderen als „unentscheidbar“ (Luhmann 2000). Organisationskultur beeinflusst das tägliche Handeln, kann aber durch Führung nicht direkt entschieden werden. Es gibt niemanden, der entscheiden könnte, welche Werte und Normen gelten, und dennoch stellen sie Entscheidungsprämissen für jene Mitglieder dar, die sich der Organisation zugehörig fühlen. Die kulturellen Normen werden so selbstverständlich vorausgesetzt, dass sie erst beobachtbar werden, wenn man ihnen nicht folgt bzw. gegen sie verstößt. Bezogen auf Organisationen sind kulturelle Regeln und Muster wichtig, da sie zur Bindung und Motivation der Mitglieder jenseits von vertraglichen Pflichten beitragen (Vgl. Simon 2011, S. 97).[23]

Steuerung durch Entscheidung über Entscheidungsprämissen

Heinz von Foerster (1988) hat dem zweckrationalen Verständnis einer Ursache-Wirkung-Steuerung das Konzept der Organisation als nichttriviale Maschine gegenübergestellt. Mit einem Steuerungsverständnis einer trivialen Maschine führt ein definierter Input zu einem vorhersehbaren Output. Doch Organisationen reagieren unvorhersehbar (nichttrivial) auf Interventionen, weil sie in ihrem Verhalten stets auch auf ihre internen Zustände reagieren.[24]

Für Führungskräfte stellt sich dadurch die paradoxe Herausforderung, dass ihnen die Verantwortung für die Gestaltung einer Organisationseinheit zugeschrieben wird, die sie nicht kausal beeinflussen können. Andererseits ist es aber auch nicht so, dass sie keinen Einfluss auf das Schicksal ihrer Organisation hätten.

Es ist nicht beliebig, wie sie als Gestalter agieren. Auch wenn Führung nicht direkt beeinflussen kann, wie ihre Mitarbeiter handeln sollen, so kann sie über die Entscheidungsprämissen ihrer Organisation entscheiden. Dies umfasst die Auswahl der Personen, die Mitglieder werden können, die Gestaltung der formalen Strukturen (Kommunikationswege) und die Festlegung der strategischen Ausrichtung (Programme) der jeweiligen Organisationseinheit bzw. des Unternehmens.

Daher ist die Entscheidung über Entscheidungsprämissen ein wesentlicher Ansatzpunkt zur Steuerung von Organisationen (Simon 2011, S. 114).

1.4   Grundzüge eines Organisationsdesigns

Wie oben ausgeführt konstituiert sich ein soziales System – wie z. B. ein Unternehmen – mit vier Entscheidungsprämissen: Programme, Kommunikationswege, Personen und Organisationskultur (Luhmann 2000).

Abb. 1: Entscheidungsprämissen eines sozialen Systems

Mit dieser systemtheoretischen Brille verstehen wir unter Organisationsdesign ein Set an Prämissen, die die alltäglichen Entscheidungen und Kommunikationswege in einem Unternehmen festlegen. Also jene Entscheidungsmaterien, die im Tortenstück der Abbildung 1 von Luhmann als Kommunikationswege bezeichnet wurden. „Organisatorische Entscheidungsprämissen bestehen in der Einrichtung der Kommunikationswege, die Entscheidungen mit Entscheidungen verknüpfen und dadurch die autopoietische Produktion der Entscheidungen überhaupt erst ermöglichen. Dazu sind Stellen erforderlich, die der Kommunikation als Adressen dienen. Über die inhaltliche Beschreibung der Stellen wird außerdem erkennbar gemacht, welche Stellen an welchen Vorgängen zu beteiligen sind“ (Luhmann 2000, S. 316).[25]

Im Kern geht es bei diesen organisatorischen Entscheidungsprämissen um die generellen Festlegungen eines Organisationsdesigns. Diese Prämissen eines Organisationsdesigns sollen die folgenden Fragen beantworten:

Was ist unsere strukturelle Antwort auf die Entwicklungen in unseren relevanten Umwelten, etwa der Markt- und Technologieentwicklungen?

Welche organisatorischen Konsequenzen ziehen wir in Bezug auf die strategische Positionierung des Unternehmens?

Nach welchen Kriterien und nach welcher Logik werden die Subsysteme einer Organisation gebildet?

Wer kann wem bindende Weisungen erteilen?

Welche Kommunikationswege müssen wie eingehalten werden? Wer hat das Recht, über welche Aktivitäten informiert zu werden?

Was sind unsere strukturellen Festlegungen in Bezug auf Führung (Führungsstrukturen, Führungssysteme)?

Welche vertikalen und horizontalen Kommunikationsformen verbinden die Organisationseinheiten und deren Mitglieder?

Wie werden die Leistungsprozesse zwischen den Stellen und den Organisationseinheiten geregelt?[26]

Welche Anforderungen ergeben sich an die Skills und die Mindsets der Stelleninhaber?

Wie werden die informationstechnologischen Lösungen und die Produktionsformen ausgestaltet?

Welche räumliche Gestaltung wird gewählt, um die Kommunikation und die Arbeitsprozesse positiv zu beeinflussen?

Die Antworten eines Unternehmens auf diese Fragen legen den Spielraum der Organisation fest, innerhalb dessen die Akteure im Unternehmen entscheiden können. Ein solcher Rahmen begrenzt Organisationsmitglieder aber nicht nur, sondern ermutigt die Akteure, diesen Spielraum für den Erfolg ihrer Organisationseinheit zu nutzen. Baecker (1994) bezeichnet dies als konditionierte Autonomie. Diese strukturellen Festlegungen schaffen Erwartungssicherheit im Zusammenwirken der Organisationsmitglieder und ermöglichen daher Kontinuität innerhalb der Organisation.

Diese Entscheidungsprämissen des Organisationsdesigns müssen einerseits so geschlossen sein, um Anschlussentscheidungen in der Organisation zu ermöglichen, und andererseits so offen, um die Organisation für künftige noch unbekannte Möglichkeiten offenzuhalten und dadurch die Überlebensfähigkeit des Systems zu erhöhen.

Darin besteht die grundlegende Paradoxie eines Organisationsdesigns: Auf der einen Seite ist ein Unternehmen für seine Aufgabenerfüllung auf die Stabilität seiner Prozesse, Routinen und Prämissen angewiesen, damit es sein Alltagsgeschäft erfolgreich bewältigen kann. Andererseits ist ein Unternehmen, um zu überleben, immer wieder gefordert, seine Strukturen und Prozesse an den jeweiligen Anforderungen seiner Umwelt zu überprüfen und neu zu erfinden. Wimmer (2012, S. 40) bezeichnet diese organisationale Fähigkeit als eine Metakompetenz einer Organisation[27]. Nämlich zu sich selbst in Distanz zu gehen, um aus dieser Perspektive neue Impulse zur eigenen Weiterentwicklung zu generieren. „Der gekonnte Umgang mit dieser systembegründenden Paradoxie ist die Voraussetzung dafür, dass Organisationen so etwas wie eine dynamische Stabilität gewinnen“ (Wimmer 2012, S. 41).

Daher ist ein Organisationsdesign ganz offensichtlich mehr als ein Organigramm, das die hierarchische Entscheidungsstruktur eines Unternehmens regelt. Im Rahmen eines Organisationsdesigns werden die Kommunikationswege so festgelegt, dass sie die strategische Ausrichtung eines Unternehmens befördern. Das Organisationsdesign bildet – wie schon ausgeführt – einen Satz von organisatorischen Entscheidungsprämissen, die die individuellen Energien von Personen mit dem Zweck eines Unternehmens verbinden.

Die folgende Abb. 2 illustriert diese Elemente eines Organisationsdesigns. Dabei besteht die Logik der Darstellung aus drei Dimensionen:

Abb. 2: Das Organisationsdesign im Kontext seiner Entscheidungsprämissen und Systemumwelten

Im inneren Kreis stehen die verschiedenen Kernelemente des Organisationsdesigns, über die im Zuge eines Designprozesses bewusst entschieden werden: die formale Organisationsstruktur, die Führungsstruktur und -systeme[28] des Unternehmens, die verschiedenen Kommunikationsformate zur Verknüpfung von Organisationseinheiten und Stellen, die Geschäftsprozesse des Unternehmens, die Anforderungen an die verschiedenen Stellen, die informationstechnologischen und räumlichen Arbeitsbedingungen und schließlich die alltägliche Führungspraxis im Unternehmen.

Der äußere Kreis markiert die drei Entscheidungsprämissen, mit denen das Organisationsdesign (siehe Abb. 1) eng verknüpft ist: Die Unternehmensstrategie ist eine organisationale Entscheidung darüber, was vom jeweiligen Unternehmen aus der Umwelt als relevant wahrgenommen wird und wie sich das Unternehmen dazu positionieren möchte. Dies bildet für die konkrete Ausgestaltung des Organisationsdesigns einen wichtigen Referenzrahmen, um die strukturelle Koppelung von strategischen Festlegungen und Struktur sicherzustellen. Da nicht vorhersehbar ist, mit welchen Herausforderungen eine Organisation konfrontiert wird, sind die konkreten Personen in einem Unternehmen so wichtig. „Die Koppelung der Organisation mit den unverwechselbaren psychischen Systemen (Personen) ermöglicht ihr den Zugang zu der Kompetenz, Intelligenz, Kreativität und Urteilsfähigkeit von Individuen“ (Simon 2011, S. 74). Personen sind für das Überleben von Organisationen deshalb so wichtig, weil durch sie der Erstarrung der Organisation entgegengewirkt werden kann. In unserem Bild haben wir mit der Organisationskultur eine weitere Rahmung des Organisationsdesigns aufgenommen. Dies soll verdeutlichen, dass Organisationskultur wie ein mitlaufendes und beeinflussendes Element betrachtet werden kann, dass das konkrete Handeln in einem Unternehmen erheblich beeinflusst. Diese nicht entscheidbare Entscheidungsprämisse beeinflusst indirekt, welche Chancen und Risiken der Umwelt aufgegriffen werden und welche kulturell ignoriert werden. In diesem Sinne ist die Organisationskultur für die Umsetzung eines Organisationsdesigns mitentscheidend, da sie maßgeblich beeinflusst, was im konkreten Alltagsgeschehen von den Akteuren aufgegriffen oder was von ihnen – oft nicht bewusst – konterkariert wird.[29]

Schließlich ist das Organisationsdesign mit seiner Umwelt verbunden. Die jeweils spezifische Dynamik des Marktes, in dem das Unternehmen agiert, fordert eine entsprechende Ausgestaltung des Organisationsdesigns. Aber auch externe Entwicklungen wie veränderte Kundenerwartungen, technologische oder gesellschaftliche Veränderungen, politische und volkswirtschaftliche Dynamiken bestimmen wesentlich mit, ob ein Design auf die jeweils spezifischen Umweltherausforderungen funktional antwortfähig ist oder nicht.

Diese Kernelemente einer Organisationsarchitektur1 und deren Verknüpfung werden hier kurz ausgeführt. Einige der besonders wichtigen Gestaltungsdimensionen werden im zweiten Kapitel ausführlicher dargestellt.

Antwortfähigkeit auf die Umweltentwicklungen

Das Organisationsdesign ist eine Konstruktion eines lebenden Systems, das durch eine Grenzziehung zur Umwelt eine Einheit konstituiert. Daher kommt der System-Umwelt-Differenz beim Verständnis des Organisationsdesigns eine besondere Bedeutung zu. Denn das Überleben hängt von der Beziehung zu und der Kommunikation mit den relevanten Umwelten eines Unternehmens ab.[30]

Die konzeptionelle Ausgestaltung eines Organisationsdesigns erfordert ein präzises Verständnis der jeweiligen Geschäftslogik der Branche, in der das Unternehmen agiert – mit anderen Worten, nach welchen Spielregeln in dieser Branche gespielt wird. Die organisationale Antwort ist offensichtlich eine andere, wenn sich ein Unternehmen in der Halbleiterindustrie auf globalen Märkten unter enormen Preisdruck bewähren muss oder wenn man als Steuerberatungsunternehmen in einem Markt agiert, der durch berufsständische Regeln und nationale Regularien geprägt ist.

Ob ein Unternehmen langfristig überlebt, hängt daher davon ab, ob diese wechselseitigen Anpassungs- und Aushandlungsprozesse zwischen dem Unternehmen und ihren Umwelten gelingen (vgl. Roberts 2004).

Diese Anpassungsfähigkeit zeigt sich etwa an ...

der Marktnähe der Organisation

der Flexibilität der Organisation bei Änderungen von Kundenanforderungen oder bei Anpassungen bei Aufgabenveränderungen

einem ausgeprägten Kunden-Lieferanten-Denken in der Organisation (sowohl intern als auch extern)

einem koordinierten Auftreten am Markt

der Liefertermintreue.

Die strategische Ausrichtung als Referenzrahmen des Organisationsdesigns

Im Rahmen eines Strategieentwicklungsprozesses setzt sich das Management eines Unternehmens mit seinen Märkten, den Kundenanforderungen und den relevanten Umfeldentwicklungen auseinander. Sie werden vom Management analysiert, bewertet und zu einem strategischen Zukunftsbild des Unternehmens transformiert.[31]

Eine solche strategische Festlegung definiert den Unterschied eines Unternehmens in der Welt. Wir verstehen unter Strategie ein Set an geschäftspolitischen Prämissen, die im operativen Geschehen die alltäglichen Entscheidungsprozesse eines Unternehmens anleiten.

Eine so verstandene Strategie definiert die grundlegende Ausrichtung eines Unternehmens. Sie legt im Besonderen das Portfolio an Produkten und Dienstleistungen, die Zielmärkte und Zielkunden sowie die erforderlichen Technologien des betrachteten Unternehmens fest. Ein Element dieses Zukunftsbildes ist ein klares Verständnis des Geschäftsmodells, das die innere Mechanik des Unternehmens explizit macht, also die Value Proposition, die Kundensegmente, die Vertriebskanäle, die Schlüsselressourcen und -aktivitäten sowie die Kostenstruktur und das Einnahmemodell des Unternehmens (vgl. Osterwalder/Pigneur 2011).

Diese strategische Festlegung bildet eine wichtige Rahmensetzung für die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Elemente eines Organisationsdesigns. Sie gewährleistet die strukturelle Koppelung der strategischen Festlegungen mit dem Organisationsdesign.

Diese Koppelung kann an Hand folgender Beobachtungsfragen diagnostiziert bzw. konkretisiert werden:

Wie tickt der Markt, in dem das Unternehmen agiert? Nach welchen „Spielregeln“ agieren die Marktteilnehmer?[32]

Gibt es eine explizite Gesamtstrategie des Unternehmens und welche Anforderungen lassen sich daraus an das Organisationsdesign ableiten?

Gibt es Teil- oder Funktionsstrategien, die Implikationen auf die Organisation haben?

Wie sind die Wettbewerber ihrerseits organisiert? Was lässt sich davon lernen?

Was sind „Organisationsdesignkriterien“ für die betrachtete Organisation? Diese bringen die strategischen Anforderungen an das Organisationsdesign auf den Punkt.

Daher haben wir die strategischen Aspekte in der Abb. 2 als Rahmung des Organisationsdesigns dargestellt.

Organisationsstruktur – Wie verteilen wir Verantwortung und gliedern die Organisation?

Die Struktur einer Organisation legt fest, wo die formale Macht und Autorität im Unternehmen angesiedelt ist. Sie definiert die primäre Gliederungslogik, nach der die Subsysteme des Unternehmens ausdifferenziert werden. Sie legt die Anzahl der Hierarchieebenen und die inhaltliche Strukturierung der Subeinheiten fest, beschreibt die Größe der Organisationseinheiten, konkretisiert die jeweiligen Funktionen, Stellen und Rollen. Diese Ausbildung organisatorischer Strukturen und Teilsysteme dient dazu, das Organisationsgeschehen transparent und durch Standardisierung berechenbar zu machen. Paradoxerweise wird gerade dadurch das Gesamtsystem wiederum komplexer. Die Spezialisierung und Differenzierung macht den Überblick schwieriger und die Integration der Teile wird so zu einer Schlüsselherausforderung eines Organisationsdesigns (vgl. Schreyögg 2008, S. 90).[33]

Die Organisationsstruktur wird typischerweise in einem Organigramm abgebildet. Dieses setzt einen Rahmen für die Beziehungen, die Verteilung des Einflusses und die offiziellen Kommunikationskanäle. Sie bestimmt, wer mit wem in Beziehung steht und formal in Kontakt kommen soll. Für den interessierten Beobachter ist das Organigramm häufig auch ein Indiz dafür, welche innere Logik einem Unternehmen besonders wichtig ist.

In der Metapher des menschlichen Körpers kann die Organisationsstruktur mit einem Skelett verglichen werden. Es bildet die Form der Organisation und einen Rahmen, in dem alles angeordnet ist. Die Funktionen und Rollen werden in diesem Bild auch als Organe und Muskeln eines Körpers bezeichnet.

Fragen, die bei dieser Organisationsdimension bearbeitet werden könnten:

Welcher grundsätzlichen Logik folgt die Gesamtstruktur des Unternehmens und ist diese eine angemessene Antwort auf die vorher benannte Marktdynamik?

Wie sind die Funktionen und die Struktur der Subeinheiten gestaltet? (Stimmigkeit des Organigramms)

Wie ist die Führungsstruktur zu beurteilen? (Führungshierarchien, Ausmaß der Wahrnehmung von Führungsaufgaben und -verantwortlichkeiten, Zusammenwirken der Führungsebenen)

Wie ist die Beziehung zu den Kunden des Unternehmens bzw. zu den Kunden der betrachteten Organisationseinheit? Von wem benötigen sie Zulieferungen, um ihre Arbeit leisten zu können?

Was sind die wichtigsten Reibungspunkte zwischen den Organisationseinheiten? Wo sind die Engpässe und wie könnten diese beschrieben werden?[34]

Was sind die wichtigsten Schnittstellen zwischen, innerhalb und außerhalb des Unternehmens? Wie lässt sich die Qualität dieser Beziehungen beschreiben? Welche Probleme tauchen möglicherweise auf?

Steuerungssysteme – Wie steuern und entscheiden wir?

Die Diskussion um die Organisationsarchitektur hat eine zweite Seite, die häufig unterbelichtet bzw. der individuellen Rollenbewältigung einzelner Führungskräfte überlassen wird. Die unterschiedlichen Führungsvoraussetzungen jeder Organisationslogik werden sowohl in der betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie als auch in der Unternehmenspraxis – wenn es um die Überprüfung einer Organisation geht – wenig beachtet. Fast könnte man von einem blinden Fleck sprechen.

Denn jede gewählte Designlogik hat ganz bestimmte Implikationen für die Führungsstruktur und die Ausgestaltung der Führungssysteme eines Unternehmens. Insbesondere bei mehrdeutigen Organisationslogiken (Stichwort hybride Organisation) ist Führung gefordert, die damit verbundenen Zielkonflikte zu lösen bzw. zu bearbeiten. Nur wenn die Führung des Unternehmens die unvermeidbaren disfunktionalen Folgen eines Organisationsumbaus bewusst ausbalanciert, können die erwarteten Wettbewerbsvorteile des jeweiligen Organisationsdesigns auch tatsächlich realisiert werden (vgl. Nagel/Wimmer 2009, S. 285). Im Kapitel 2.3 werden die konkreten Führungsimplikationen unterschiedlicher Organisationslogiken ausführlich beschrieben.[35]

In Analogie zu der oben eingeführten Körpermetapher könnten die Führungsstruktur und die Führungsprozesse als Gehirn einer Organisation beschrieben werden.

Bei der Betrachtung der Qualität der Steuerungssysteme helfen folgende Fragen:

Wie ist die formale Entscheidungsstruktur definiert?

Ist diese in einem Regelwerk (Geschäftsordnung) abgebildet?

Wie klar sind die Entscheidungsstrukturen, Weisungsbefugnisse und die -prozesse? Wo gibt es Bruchstellen?

Wie werden die für die effektive Arbeit relevanten Informationen in der Organisation bekannt gemacht?

Wie werden die getroffenen Entscheidungen im Unternehmen umgesetzt? Was funktioniert dabei gut? Was weniger?

Gibt es Zielbildungs-, Zielverfolgungssysteme bzw. Key Performance Indicators?

Welche Messgrößen geben Hinweise auf Probleme oder Hinweise auf besondere Erfolge?

Gibt es Messgrößen, die „weiche“ Aspekte wie die Motivationslage im Unternehmen in den Blick bekommen?

Sind Eskalationsmechanismen bei nachhaltig bestehenden Problemen vorgesehen?

Horizontale Verbindungen – Wie verknüpfen wir die Organisationseinheiten?

Während die formale Organisationsstruktur durch die Ausdifferenzierung von Subsystemen eine Organisation trennt muss das Organisationsdesign in seiner Gesamtarchitektur auch dafür Sorge tragen, dass die einzelnen Teile für die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens wiederum verbunden und verknüpft werden.

Zu einem Organisationsdesign gehört daher als zentrales Element deren verbindende Regelkommunikation[36]: Formate, die sicherstellen, dass die vertikale und horizontale Abstimmung im Unternehmen stattfindet. In welchen Kommunikationsgefäßen und unter Nutzung welcher Medien soll die Verbindung geleistet werden? In welcher zeitlichen Intensität – als Regelkommunikation oder anlassbezogen? Liegt die Betonung stärker auf formellen Kommunikationsstrukturen oder vertraut man auf informelle Abstimmungsprozesse?

Darüber hinaus gewinnt die kontinuierliche Gestaltung von Kommunikationsarchitekturen und -plattformen (wie Strategiedialoge, Führungskonferenzen, Großgruppenveranstaltungen) für eine strukturierte Auseinandersetzung mit aktuellen Businessthemen eines Unternehmens zunehmend an Bedeutung (Schumacher 2013, S. 123 f.).

Über Kommunikationsprozesse realisiert sich das Organisationsdesign (ausführlicher dazu Kapitel 2.4 Überlegungen zu der horizontalen und vertikalen Kommunikation in Organisationen).

In der Organisationsliteratur wird besonders die horizontale Abstimmung beachtet (Ostroff 1999, Galbraith 2005 und 2009, Worren 2012). So beklagenFührungskräfte häufig, dass Silos ihre Mitarbeiter von der Zusammenarbeit abhalten. Silo suggeriert als Metapher einen unsichtbaren und fensterlosen Turm, in dem die einzelnen Arbeitsgruppen für sich an ihren Aufgabenstellungen arbeiten. Die Wände verhindern, dass Teams interagieren und die Perspektive anderer Gruppen nutzen. Silos aufzubrechen ist daher eine häufige Forderung bei einem Re-Design. Doch alle Strukturen schaffen ihre Silos. Die Ausdifferenzierung von Subsystemen trennt Organisationseinheiten bewusst. Sie ermöglicht es dadurch, die Aufmerksamkeit im Unternehmen zu fokussieren.[37]

Dies ist allerdings noch kein besonderes Problem, solange die strategische Ausrichtung des Unternehmens keine besonders ausgeprägte Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Organisationseinheiten fordert. Wenn jedoch die Strategie des Unternehmens einen hohen Abstimmungsbedarf bedingt, kann eine Organisationsdifferenzierung dazu führen, dass Zusammenarbeitsbarrieren den Erfolg des Unternehmens behindern. In diesem Fall besteht die organisationale Herausforderung darin, die internen Grenzen zu verflüssigen und die Integration zwischen den Teilsystemen zu stimulieren.

Denn wie immer eine Organisationsstruktur vertikal formal strukturiert ist, sie schafft dadurch auch Barrieren der Zusammenarbeit. Diese Grenzen können durch die lateralen Fähigkeiten einer Organisation durchlässiger werden. Informelle Netzwerke, IT-gestützte Kommunikationsmedien, Team- und Matrixbeziehungen, laterale Prozesse und integrative Rollen können als „Schmierstoff“ dienen, der die Organisation in seiner Gesamtgestalt funktionsfähig hält.

In Analogie zu der oben eingeführten Körpermetapher kann die Kommunikationsstruktur als das Blut-, Lymph- oder Nervensystem einer Organisation beschrieben werden.

Zum Verständnis der konkreten horizontalen Verbindungen helfen die folgenden Fragestellungen:

Welche Formen der Zusammenarbeit gibt es zwischen den Organisationseinheiten? Ist diese Zusammenarbeit formell geregelt oder eher informell?[38]

Wie hoch ist der Abstimmungs- bzw. der Koordinationsaufwand?

Wie werden Differenzen und Konflikte zwischen Personen und Organisationseinheiten bearbeitet?

Werden die Themen, die (nur) bereichsübergreifend zu betreiben sind, ausreichend versorgt?

Ist die Periodizität der Regelkommunikation zwischen den Organisationseinheiten zeitlich und inhaltlich angemessen?

Wie „kurz oder lang“ sind die Kommunikationswege?

Sind die Kommunikationsformate und -medien für den Austausch zwischen Führungskräften und Mitarbeitern angemessen?

Wie ist der Austausch über Wissen und Know-how organisiert?

Gestaltung der Geschäftsprozesse im Rahmen der Ablauforganisation – Wie generieren wir Produkte und Leistungen?

Zielorientierung und effizientes Arbeiten erfordern neben dem formalen Organisationsgefüge auch Regelungen zum Ablauf von Arbeitsprozessen. Denn während die formale Aufbauorganisation primär ein Unternehmen in einzelne Organisationseinheiten strukturiert und gliedert sowie deren Aufgaben und Befugnisse zuordnet, regelt die Ablauforganisation den Verlauf der Arbeitsvorgänge.

In der Praxis ist eine isolierte Betrachtung der Aufbau- und Ablauforganisation wenig sinnvoll, da diese Fragen in der Regel eng miteinander verbunden sind.

Da der Erfolg eines Unternehmens weniger von Prozessen innerhalb einer Organisationseinheit, als vielmehr von der schnellen und kostengünstigen Bewältigung bereichsübergreifender Prozesse bestimmt wird, ist die simultane Gestaltung von formalen Strukturen und Prozessen für ein Organisationsdesign erfolgskritisch. Insbesondere in umkämpften Märkten wird die exzellente Prozessbeherrschung zu einem zentralen Erfolgsfaktor. Schlecht organisierte Prozesse können dazu führen, dass Umsatzpotenziale nicht realisiert werden oder Aufträge wegen langer Angebotserstellung oder Lieferzeiten verloren gehen.[39]

Ein Unternehmen muss seine Prozesse so organisieren und aufeinander abstimmen, dass die Ergebnisse den Anforderungen und Erwartungen der unterschiedlichen Stakeholder wie der Kunden, Lieferanten oder Kontrollinstitutionen entsprechen (vgl. Klimmer 2009).

Die Qualität der Prozesse lässt sich mit folgenden Fragen beleuchten:

Welche Kernprozesse laufen gut? Welche sollten verbessert werden?

Wie effizient sind die Durchlaufzeiten?

Wo gibt es Schnittstellen, Übergabepunkte, die nicht gut funktionieren?

Wie gut unterstützen die Supportprozesse die Kerngeschäftsprozesse?

Sind durchgängige Verantwortlichkeiten gegeben?

Sind die (Teil-)Prozessverantwortungen transparent und nach Möglichkeit delegiert?

Wie ist der Grad an Standardisierung, Formalisierung und Regelungsdichte?

Sind die Ergebnisse der Prozesse messbar? Gibt es Prozesskennzahlen?

Werden Größen- und Skaleneffekte nach Möglichkeit realisiert?

Wie ist es um die Kapazitätsauslastung und den Lagerbestand bestellt?

Werden nicht wertschöpfende Tätigkeiten regelmäßig auf den Prüfstand gestellt?[40]

Personalsysteme – Wie stellen wir die Passung zwischen Personen und der Organisation her?

Die Unternehmensstrategie schafft auch einen Orientierungsrahmen dafür, welche Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter und der Führungskräfte in einem Unternehmen notwendig sind. Denn unterschiedliche Strategietypen erfordern unterschiedliche Ausprägungen von Talenten: Flexible Organisationen verlangen anpassungsfähige Mitarbeiter, crossfunktionale Teams brauchen Mitarbeiter mit generalistischen Fähigkeiten, die miteinander gut kooperieren können. Matrixorganisationen sind auf Mitarbeiter angewiesen, die die unvermeidlichen systembedingten Konflikte managen können und sich ohne Rückgriff auf Autoritätsressourcen gut zurechtfinden.

Unter diesem Designelement werden die personenbezogenen Aspekte der Organisation betrachtet: Welche Skills und Mindsets benötigen die Mitarbeiter, damit das Unternehmen erfolgreich sein kann. Dieses Element stellt die Anschlussstelle zur dritten Luhmann’schen Entscheidungsprämisse – den Personenentscheidungen – her.

Folgende Aspekte beleuchten die Personalsysteme:

Wie gut gelingt es, die „richtige Person, zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ zu haben? (Recruiting, Personalentwicklung, Karrierewege, Besetzung der Führungskräfte, interne Mobilität)

Sind die notwendigen Kompetenzen der Mitarbeiter vorhanden? (geklärter Qualifikationsbedarf)

Wie ist die Qualität des Talentmanagementsystems?

Wirken die Entlohnungssysteme motivierend für Individuen, Teams und ganze Geschäftseinheiten?[41]

Wie sehr unterstützen Assessment- und Feedback-Systeme eine gemeinsame, realistische Sicht auf Leistung und Leistungsverbesserungsmöglichkeiten?

Wie gut unterstützt das Top- und das Mittelmanagement die Entwicklung und die Karriere der Mitarbeiter?

Wird ein Augenmerk auf motivationsfördernde Arbeitsbedingungen gelegt (z. B. Vermeidung monotoner Tätigkeiten, Einbindung in Entscheidungsprozesse, Job Enrichment/Enlargement, Eigenverantwortung und Teilergebnisverantwortung der Mitarbeiter, Interdisziplinarität)?

Wir haben diesen Zusammenhang in einer früheren Publikation als die „innere Logik der Personalentwicklung“ bezeichnet (Nagel/Oswald/Wimmer 1999). „Auf Grund der spezifischen Aufgaben eines Unternehmens bzw. einer Organisationseinheit ergeben sich für eine bestimmte Position ganz konkrete Erwartungen und Kernaufgaben. Das entsprechende Anforderungsprofil wird durch die strategische Ausrichtung der Organisation bestimmt. Die Marktdynamik der letzten Jahre hat allerdings zu starken Veränderungen dieser Anforderungsprofile geführt“ (Nagel/Oswald/Wimmer 1999, S. 53).

Der Organisation steht ein bestimmter Mitarbeiter mit seinem konkreten Eignungsprofil, seinen jeweils beobachteten Leistungen und seinem möglichen Potenzial gegenüber. Zwischen dem organisationalen Anforderungsprofil an eine Person oder an eine Rolle und dem Kompetenzprofil der einzelnen Personen besteht immer eine unterschiedlich große Lücke, die wir als Qualifikationslücke bezeichnen. Für die Beteiligten bedeutet dies, sich laufend über immer neue Erwartungen und Aufgaben zu verständigen und entsprechend veränderte Ziele zu vereinbaren. Durch systematische Maßnahmen der Personalentwicklung kann diese Lücke zwischen den Organisationserwartungen und den Fähigkeiten der jeweiligen Mitarbeiter nach Möglichkeit verringert bzw. im Idealfall geschlossen werden.[42]

Abb. 3: Zusammenspiel zwischen Organisation und Person (Nagel/Oswald/Wimmer 1999, S. 51)

Infrastruktur – Wie gestalten wir unsere Arbeitsbedingungen?
IT drives Business

Die Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien der letzten Jahre und Jahrzehnte haben viele Geschäftsprozesse massiv verändert. Viele Geschäfte sind heute ohne IT nicht mehr zu denken.2 Einige Beispiele dafür aus der Unternehmenspraxis.

Kino: Den Kinovorführer, den wir von früher kennen, gibt es nicht mehr. Filme werden heute aus kilometerweiter Distanz Entfernung von einer Steuerungszentrale in die dezentralen Kinos eingespielt.

Buchhandel: Fällt die IT aus, bleibt das Geschäft geschlossen, weil die Abrechnungen nicht mehr möglich sind, die automatische Erfassung der Lagerbestände nicht mehr funktioniert, die Bücher nicht automatisch nachbestellt werden und der Buchhandel seine Bestsellerlisten nicht veröffentlichen kann.

Pharmaindustrie: Ohne IT läuft hier kaum noch etwas. Da die meisten Pharmaprozesse GxP-relevant sind (durch den Gesetzgeber bestimmte Normen), kann ohne IT-Prozesse die geforderte Prozessreife und -treue nicht nachgewiesen werden.[43]

Produktion: Just-in-time-Produktion basiert auf einer weltweiten Logistik und Wertschöpfungskette, die ohne IT nicht mehr funktionieren kann. Produktionsmitarbeiter sind meist schnell eingestellt und nicht so schwer ersetzbar. Ein SAP-System, das durch eine DOS-Attacke keine Bestellungen mehr abwickeln kann, führt unweigerlich zum Produktionsstillstand.

IT ist daher zum Motor für viele Geschäfte geworden. Mit IT können Waren schnell über den Globus bewegt werden, online ge- und verkauft werden, Prozesse automatisiert und verbilligt werden, Lieferketten virtualisiert oder neue Geschäfte schneller erschlossen werden.

Welche Folgen hat die IT für die Gestaltung der Organisation? Die herausragende Bedeutung der IT ist für die meisten Organisationen noch neu. Mit Ausnahme von internetbasierten Unternehmen wie Amazon, eBay, Google etc. müssen innerhalb der gewachsenen Strukturen in vielen Unternehmen die der IT innewohnenden Gestaltungsprinzipien (erst die Technik, dann die Organisation) erst mühsam erlernt werden. In vielen Organisationen reibt sich die Logik der IT mit der gewachsenen Organisationsstruktur wie zwei tektonische Platten aneinander und produziert Erschütterungen im Unternehmen, die mit Erdbeben verglichen werden können. In Ermangelung eines Verständnisses und des Vokabulars der jeweilig anderen Welt bleiben die Auseinandersetzung zwischen IT-Experten und vielen Managern sowie die Wechselwirkungen zwischen Organisationsdesign und IT meist unbearbeitet.[44]

Raum und Kommunikation

Die räumliche Gestaltung hat enorme Auswirkung auf die Kommunikationsprozesse und -praxis eines Unternehmens. Denn architektonische Rahmenbedingungen beeinflussen, wie Kommunikation im Unternehmen erfolgen kann.

Der Trend zum mobilen und flexiblen Arbeiten ist inzwischen auch in Deutschland angekommen. Brauchen Digital Natives überhaupt noch Schreibtisch, Ablage, Konferenzräume? Experten sagen: Ja. Aber die Funktion eines Büros ändert sich grundlegend (vgl. Congena Texte 2012, S. 3). Immer mehr Unternehmen wie IBM, SAP, BMW oder die Telekom setzen heute auf flexible, offene Bürolösungen, in denen sich Mitarbeiter kreativ austauschen und spontan projektweise zu Teams zusammenfinden können – wenn sie denn überhaupt im Büro sind. Für immer mehr Menschen zählt nicht mehr die Anwesenheit im Büro, sondern ihre Arbeitsergebnisse.

Auch die zunehmende Bedeutung von Coworking Spaces illustriert diese Entwicklung, wie durch architektonische Lösungen die Kommunikation im und zwischen Unternehmen stimuliert wird. Coworking etablierte sich als Arbeitsstil ab 2005 in den USA und entstand ursprünglich aus den Anforderungen von Selbständigen, Freiberuflern und kleinen Start-ups, die vornehmlich aus der Kreativ-, Medien- und Tech-Szene stammten. Grafiker, Webdesigner, Programmierer und andere aus der sogenannten Digital Bohème, die sonst relativ isoliert zu Hause oder in Cafés arbeiten, teilen sich nun ein Arbeitsumfeld. Aber vor allem teilen sie gemeinsame Werte: Offenheit, Vielfalt, Flexibilität, Kreativität, Gemeinsinn. Und sie sind interessiert an Synergien, die sich durch das Arbeiten verschiedenster Professionen an einem Ort entwickeln können. Coworking Spaces [45]bieten die notwendige Infrastruktur dafür. Hier werden kostengünstig Arbeitsplätze bereitgestellt, die stunden-, tages- oder monatsweise gemietet werden können und mit allen erforderlichen Notwendigkeiten wie Internet, Drucker und Schließfächern ausgestattet sind. Besprechungs- und Konferenzräume sowie eine gastronomische Versorgung bzw. Kaffeebars gehören selbstverständlich dazu und sind oft das Herzstück jedes Kommunikationsraumes. Denn hier bietet sich die Möglichkeit für Gespräche und Kontakte mit Gleichgesinnten (Lorber 2012, S. 11),

Die Überprüfung des Organisationsdesigns kann ein Anlass sein, insbesondere über folgende Aspekte der Infrastruktur nachzudenken:

Arbeitsplatz und Raumgestaltung

technische Infrastruktur

Kommunikationsinfrastruktur/Kollaborationsplattformen

die IT-Systeme.

Die Führungspraxis als Schlüssel des Organisationsdesigns

Schließlich ist eine Organisationsarchitektur ohne das konkrete Führungshandeln von Führungskräften nicht zu denken. Führung verbindet und steuert das Zusammenspiel der einzelnen Gestaltungselemente des Designs. Denn wenn ein Organisationsdesign seitens der Führung nicht unterstützt, beobachtet und korrigiert wird, bleibt es ein formales und weitgehend wirkungsloses Konstrukt.

Als Spezialfunktion dient Führung der Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit und der weiteren Überlebenssicherung des jeweiligen Unternehmens bzw. eines Teilsystems des Unternehmens. In diesem Sinne ist Führung darauf spezialisiert, durch eine sorgfältige Beobachtung sowohl der inneren Verhältnisse einer Organisation(-seinheit) als auch der relevanten Organisationsumwelten gezielte Entwicklungsimpulse zu setzen. Mit anderen Worten sorgt Führung dafür, dass Abweichungen von einem erwünschten Zielzustand frühzeitig erkannt werden und dass diese potenziellen Problemfelder in der Organisation bearbeitet werden. Für diese notwendigen Entwicklungsimpulse, die sowohl einzelne Personen als auch ganze Organisationseinheiten betreffen können, ist Führung unweigerlich auf Kommunikation angewiesen.[46]

Führung als Spezialfunktion einer Organisation ist immer auch eine Mannschaftsleistung. Ihr Erfolg oder Misserfolg hängt unmittelbar an den handelnden Personen, den verfügbaren Strukturen und ausgeprägten Spielregeln dieses Zusammenwirkens über alle Ebenen hinweg. Deshalb ist die Leistungsfähigkeit dieses Führungszusammenspiels zentral für die Wirksamkeit von Führung und für die Funktionsfähigkeit eines Organisationsdesigns.

Im Bezug auf das Organisationsdesign kommt Führung eine Metainstanz zu: Einerseits steht sie im Dienste des Organisationsdesigns, da sie durch ihre Art die Führungsrolle wahrzunehmen maßgeblich ein gewähltes Design zum Fliegen oder zum Absturz bringen kann. Andererseits ist Führung gefordert, sich selbst in gewissen Abständen in eine Metaposition zu begeben und die Leistungsfähigkeit der Organisation immer wieder kritisch zu reflektieren und kraft ihrer Entscheidungsmacht – wenn notwendig – zu verändern (Wimmer 2012).[47]

Daher stehen die Führungsprozesse nicht zufällig im Mittelpunkt unserer Darstellung des Organisationsdesigns. Die zentrale Rolle in diesem Bild symbolisiert vielmehr ihre erfolgskritische Funktion für die Wirksamkeit eines Organisationsdesigns.

Organisationskultur als Rahmung des Organisationsdesigns

Der Kulturbegriff ist der Ethnologie entliehen und bezeichnet dort die besonderen, historisch gewachsenen und zu einer komplexen Gestalt geronnenen Merkmale von Volksgruppen. Gemeint sind damit insbesondere Wert- und Denkmuster einschließlich der sie vermittelnden Symbolsysteme, wie sie im Zuge menschlicher Interaktion entstanden sind.

Die Organisationsforschung nimmt diesen für Volksgruppen entwickelten Kulturbegriff auf und überträgt ihn auf Organisationen. Dahinter steckt die Beobachtung, dass jede Organisation für sich eine spezifische Kultur entwickelt und daher in gewisser Hinsicht eine eigenständige Kulturgemeinschaft darstellt. Organisationen, so die Idee, entwickeln eigene unverwechselbare Vorstellungs- und Orientierungsmuster, die das Verhalten der Mitglieder nach innen und außen auf nachhaltige Weise prägen (Schreyögg 2008, S. 364).

Luhmann (2000) bezeichnet die Organisationskultur eines Unternehmens wie erwähnt als „nichtentscheidbare Entscheidungsprämisse“. Denn kulturelle Regeln entstehen nicht explizit und zweckrational durch eine bewusste Entscheidung, sondern emergent in einem historischen Prozess.[48]