Outlander - Unschuldsengel - Diana Gabaldon - E-Book

Outlander - Unschuldsengel E-Book

Diana Gabaldon

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Beschreibung

Folgen Sie dem jungen Jamie Fraser nach Frankreich und finden Sie heraus, was vor dem Beginn der »Outlander«-Saga geschah - in »Unschuldsengel«, einem der wichtigsten Kurzromane von Bestseller-Autorin Diana Gabaldon. Frankreich 1740. Mit letzter Kraft erreicht der junge Jamie Fraser seinen besten Freund und Blutsbruder Ian Murray. Zu Hause in Schottland hat Jamie seine Familie verloren, er wurde für vogelfrei erklärt und ist schwer verletzt: Die Flucht war seine letzte Rettung. In Frankreich dienen Ian und Jamie als Söldner. Sie erhalten den Auftrag, die Tochter eines jüdischen Kaufmanns mitsamt ihrer kostbaren Mitgift zu ihrem Verlobten zu bringen. Doch die zukünftige Braut hat andere Pläne … Der Kurzroman »Unschuldsengel« ist mit Diana Gabaldons opulenter »Outlander«-Saga verbunden, die 1946 in Schottland beginnt, als Claire Randall in den magischen Steinkreis tritt und im Jahre 1743 in den Highlands erwacht. Er ist ein Prequel zum ersten »Outlander«-Band »Feuer und Stein«. »Unschuldsengel« und noch sechs weitere Kurzromane von Bestseller-Autorin Diana Gabaldon finden Sie auch im Sammelband »Outlander – Im Bann der Steine«.

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Seitenzahl: 150

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Diana Gabaldon

Outlander – Unschuldsengel

Kurzroman

Aus dem Englischen von Barbara Schnell

Knaur e-books

Über dieses Buch

Frankreich 1740. Mit letzter Kraft erreicht der junge Jamie Fraser seinen besten Freund und Blutsbruder Ian Murray. Zu Hause in Schottland hat Jamie seine Familie verloren, er wurde für vogelfrei erklärt und ist schwer verletzt: Die Flucht war seine letzte Rettung.

In Frankreich dienen Ian und Jamie als Söldner. Sie erhalten den Auftrag, die Tochter eines jüdischen Kaufmanns mitsamt ihrer kostbaren Mitgift zu ihrem Verlobten zu bringen. Doch die zukünftige Braut hat andere Pläne …

Der Kurzroman »Unschuldsengel« ist mit Diana Gabaldons opulenter Outlander-Saga verbunden, die 1946 in Schottland beginnt, als Claire Randall in den magischen Steinkreis tritt und im Jahre 1743 in den Highlands erwacht. Er spielt noch vor dem ersten Outlander-Band »Feuer und Stein«; Sie können ihn aber auch unabhängig davon lesen.

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Dieses Buch widme ich Karen Henry, Rita Meistrell, Vicki Pack, Sandy Parker und Mandy Tidwell (die ich mit allem Respekt und der größten Dankbarkeit auch meine persönliche Erbsenzählertruppe nenne) für ihre unschätzbare Hilfe beim Aufspüren von Irrtümern, Anschlussfehlern und Kleinkram aller Art.

 

(Für etwaige verbleibende Fehler ist allein die Autorin verantwortlich, die nicht nur hin und wieder fröhlich die Chronologie ignoriert, sondern sich bisweilen auch ganz bewusst auf Abwege begibt.)

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Unschuldsengel

Einführung

VIELE DER GESCHICHTEN in diesem Buch betrachten Ereignisse, die wir aus den großen Romanen kennen, aus einem anderen Blickwinkel oder befassen sich mit dem Leben bis dato weniger bedeutender Figuren. Unschuldsengel dagegen ist ein echtes »Prequel«. Diese Geschichte spielt etwa drei Jahre vor den Ereignissen von Outlander und schildert, wie es Jamie nach seiner Flucht aus Fort William ergeht. Auf einmal ist er vogelfrei; er ist verletzt, und auf seine Ergreifung wurde eine Belohnung ausgesetzt; seine Familie und sein Zuhause sind ein Trümmerhaufen, sodass ihm nur die Wahl bleibt, Schottland zu verlassen und bei seinem besten Freund und Blutsbruder Ian Murray Zuflucht zu suchen.

Als junge Söldner in Frankreich haben weder Ian noch Jamie je einen Menschen getötet oder mit einer Frau geschlafen – aber sie geben sich alle Mühe.

Oktober 1740 in der Nähe von Bordeaux

SOBALD ER DAS GESICHT seines besten Freundes sah, wusste Ian Murray, dass etwas Schreckliches geschehen war. Davon zeugte schon die Tatsache, dass er Jamie Frasers Gesicht sah, von seinem Aussehen ganz zu schweigen.

Jamie stand neben dem Wagen des Waffenmeisters, die Arme voll mit den einzelnen Teilen, die Armand ihm gerade gegeben hatte. Er war weiß wie Milch und schwankte hin und her wie ein Schilfhalm am Loch Awe. Ian war mit drei Schritten bei ihm und nahm ihn beim Arm, ehe er umfallen konnte.

»Ian.« Jamie schien so erleichtert, ihn zu sehen, dass Ian dachte, er würde in Tränen ausbrechen. »Gott, Ian.«

Ian umarmte Jamie und spürte ihn erstarren und einatmen. Im selben Moment fühlte er die Verbände unter Jamies Hemd.

»Himmel!«, begann er erschrocken, doch dann hüstelte er und sagte: »Himmel, Mann, schön, dich zu sehen.« Er klopfte Jamie sacht auf den Rücken und ließ los. »Du brauchst bestimmt etwas zu essen, aye? Dann komm.«

Es lag auf der Hand, dass sie jetzt nicht reden konnten, doch er nickte Jamie verstohlen zu, nahm ihm die Hälfte der Ausrüstung ab und brachte ihn dann zum Feuer, um ihn den anderen vorzustellen.

Jamie hatte sich eine gute Tageszeit für sein Auftauchen ausgesucht, dachte Ian. Alle waren müde, aber froh zu sitzen. Sie freuten sich auf ihr Abendessen und die tägliche Ration Alkohol, ganz gleich, was es sein mochte. Waren gern bereit, sich von einem Neuling unterhalten zu lassen, verfügten aber nicht mehr über die Energie, die für Raufereien nötig gewesen wäre.

»Das dort drüben ist Georges der Riese«, sagte Ian. Er ließ Jamies Ausrüstung fallen und zeigte zur anderen Seite des Feuers. »Und der Kleine mit den Warzen neben ihm ist Juanito; spricht nicht viel Französisch und überhaupt kein Englisch.«

»Spricht denn hier jemand Englisch?« Auch Jamie ließ seine Ausrüstung fallen, setzte sich schwerfällig auf seinen Schlafsack und steckte sich geistesabwesend den Kilt zwischen die Knie. Sein Blick huschte durch den Kreis, und er nickte mit einem schüchternen kleinen Lächeln.

»Ich.« Der Hauptmann beugte sich vor und hielt Jamie an seinem Nebenmann vorbei die Hand hin. »Ich bin le capitaine – Richard D’Eglise. Du nennst mich Hauptmann. Du siehst kräftig genug aus, um dich nützlich zu machen – dein Freund sagt, du heißt Fraser?«

»Jamie Fraser, aye.« Ian war froh zu sehen, dass Jamie die Geistesgegenwart besaß, den Blick des Hauptmanns offen zu erwidern, und dass er die Kraft für einen ordentlichen Händedruck aufgebracht hatte.

»Kannst du mit einem Schwert umgehen?«

»Ja. Und mit einem Bogen natürlich.« Jamie warf einen Blick auf den unbespannten Bogen, der zu seinen Füßen lag, und auf die Axt mit dem kurzen Griff daneben. »Mit einer Axt habe ich noch nicht viel anderes gemacht, als Holz zu hacken.«

»Das ist gut«, meldete sich einer der anderen Männer auf Französisch zu Wort. »Genau dazu wirst du sie brauchen.« Einige der anderen lachten, was darauf schließen ließ, dass sie Englisch zumindest verstanden, ob sie die Sprache nun benutzten oder nicht.

»Bin ich denn hier bei den Soldaten oder bei den Köhlern?«, fragte Jamie und zog eine Augenbraue hoch. Er sagte es auf Französisch – und zwar sehr gutem Französisch mit schwachem Pariser Akzent –, und diverse Augenpaare wurden groß. Ian senkte den Kopf, um verstohlen zu lächeln, trotz seines unguten Gefühls. Möglich, dass der Junge jeden Moment kopfüber ins Feuer kippte, aber er war entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen, und wenn es ihn umbrachte.

Doch Ian wusste Bescheid und hielt den Blick heimlich auf Jamie gerichtet, drückte ihm Brot in die Hand, damit die anderen sie nicht zittern sahen, und saß dicht genug neben ihm, um ihn aufzufangen, falls er tatsächlich in Ohnmacht fiel. Das Licht verblasste jetzt allmählich zu Grau, und die rosa geränderten Wolken hingen tief. Wahrscheinlich würde es am Morgen regnen. Er sah, wie Jamie nur für eine Sekunde die Augen schloss, sah die Bewegung seiner Kehle, als er schluckte, und spürte Jamies Oberschenkel neben dem seinen zittern.

Was zum Teufel ist passiert?, dachte er voll Sorge. Warum bist du hier?

 

ERST ALS SICH alle für die Nacht niedergelassen hatten, bekam Ian eine Antwort.

»Ich lege dir deine Sachen zurecht«, flüsterte er Jamie zu und erhob sich. »Bleib so lange noch am Feuer – ruh dich aus, aye?« Das Feuer warf zwar ein rötliches Licht auf Jamies Gesicht, doch er hatte den Eindruck, dass sein Freund immer noch weiß wie ein Leintuch war; er hatte nicht viel gegessen.

Als er zurückkam, sah er die dunklen Flecken auf dem Rücken von Jamies Hemd; frisches Blut war durch die Verbände gesickert. Der Anblick erfüllte ihn mit Wut und Angst. Er sah das nicht zum ersten Mal; der Junge war ausgepeitscht worden. Heftig und vor Kurzem. Wer? Wie?

»Na, dann komm«, sagte er schroff. Er bückte sich, schob Jamie den Arm unter die Achsel, stellte ihn auf die Beine und führte ihn fort vom Feuer und von den anderen. Alarmiert spürte er Jamies feuchtkalte Hände und hörte seine flache Atmung.

»Was?«, wollte er wissen, sobald sie außer Hörweite waren. »Was ist passiert?«

Jamie setzte sich abrupt hin.

»Ich dachte, man geht zu den Söldnern, weil sie einem dort keine Fragen stellen.«

Eine andere Antwort als ein verächtliches Prusten hatte dieser Satz nicht verdient, und Ian war erleichtert, als er darauf ein leises Lachen hörte.

»Idiot«, sagte er. »Brauchst du einen Schluck? Ich habe eine Flasche in meinem Sack.«

»Schlecht wär’s nicht«, murmelte Jamie. Ihr Lager befand sich am Rand eines Dörfchens, und D’Eglise hatte dafür gesorgt, dass sie den einen oder anderen Kuhstall benutzen konnten, aber es war ja nicht kalt, und die meisten Männer schliefen lieber am Feuer oder auf dem freien Feld. Ian hatte ihre Ausrüstung ein Stück abseits abgelegt, im Schutz einer Platane am Rand eines Feldes – für den Fall, dass es regnete.

Ian zog den Korken aus der Whiskyflasche – es war zwar kein guter Whisky, doch es war Whisky – und hielt sie seinem Freund unter die Nase. Doch als Jamie die Hand danach ausstreckte, zog er sie fort.

»Keinen Schluck bekommst du, ehe du es mir erzählst«, sagte er. »Und du erzählst es mir jetzt, a charaid.«

Jamie saß zusammengesunken da, ein bleicher Fleck am Boden, und schwieg. Als die Worte schließlich kamen, sprach er so leise, dass Ian im ersten Moment glaubte, er hätte sie gar nicht gehört.

»Mein Vater ist tot.«

Er versuchte, sich zu sagen, er hätte es nicht gehört, doch sein Herz hatte es gehört; es gefror ihm in der Brust.

»O Himmel«, flüsterte er. »O Gott, Jamie.« Dann war er auf den Knien und drückte Jamies Kopf fest an seine Schulter, während er sich bemühte, den verletzten Rücken nicht zu berühren. Seine Gedanken waren zwar konfus, doch eines war ihm klar – Brian Fraser war keines natürlichen Todes gestorben. Wenn es so gewesen wäre, wäre Jamie in Lallybroch. Nicht hier und nicht in diesem Zustand.

»Wer?«, sagte er heiser und lockerte seinen Griff ein wenig. »Wer hat ihn umgebracht?«

Wieder Schweigen, dann schnappte Jamie so heftig nach Luft, dass es klang, als würde ein Stück Stoff zerrissen.

»Ich war es«, sagte er. Er begann zu weinen, und lautlose Schluchzer schüttelten ihn.

 

ES DAUERTE EINE WEILE, Jamie die Einzelheiten zu entlocken – kein Wunder, dachte Ian. Er hätte auch nicht gern über so etwas geredet … oder daran gedacht. An die englischen Dragoner, die nach Lallybroch gekommen waren, um zu rauben und zu plündern, die Jamie mitgenommen hatten, als er sich gewehrt hatte. Und daran, was sie ihm dann angetan hatten, in Fort William.

»Hundert Hiebe?«, sagte er ungläubig und entsetzt. »Weil du Haus und Hof verteidigt hast?«

»Beim ersten Mal nur sechzig.« Jamie wischte sich die Nase am Ärmel ab. »Weil ich geflohen bin.«

»Beim ersten … Himmel, Gott, Mann! Was … wie …«

»Würdest du meinen Arm loslassen, Ian? Ich habe schon genug blaue Flecken, mehr kann ich nicht brauchen.« Jamie stieß ein leises, zittriges Lachen aus, und Ian ließ ihn hastig los, doch er hatte nicht vor, sich ablenken zu lassen.

»Warum?«, sagte er leise und wütend. Jamie wischte sich noch einmal die Nase ab und schniefte, doch seine Stimme klang jetzt fester.

»Es war meine Schuld«, sagte er. »Es – was ich vorhin gesagt habe. Über meinen …« Er musste innehalten und schlucken, fuhr aber fort, beeilte sich, die Worte hinauszubekommen, ehe sie ihm die Kehle verbrennen konnten. »Ich habe mich dem Kommandeur widersetzt. In der Garnison. Er – ach, das spielt keine Rolle. Es war das, was ich zu ihm gesagt habe, was ihn dazu gebracht hat, mich noch einmal auszupeitschen, und Pa … er … er war dabei. In Fort William; er wollte versuchen, mich freizubekommen, doch es ist ihm nicht gelungen, und er … er war dabei, als sie … es getan haben.«

Ian konnte am belegten Klang seiner Stimme erkennen, dass Jamie wieder weinte, aber versuchte, es zu unterdrücken. Er legte dem Jungen eine Hand auf das Knie und drückte zu, nicht fest, nur so, dass Jamie wusste, dass er da war und zuhörte.

Jamie holte tief, tief Luft und brachte den Rest heraus.

»Es war … schlimm. Ich habe nicht geschrien oder sie spüren lassen, dass ich Angst hatte, aber ich konnte nicht auf den Beinen bleiben. Nach der Hälfte sind sie mir weggesackt, und ich … habe in den Seilen gehangen, und das Blut … ist mir über die Beine gelaufen. Zuerst dachten sie, ich wäre tot … und Pa muss das auch gedacht haben. Sie haben mir erzählt, er hätte in dem Moment die Hand an den Kopf gelegt und ein kleines Geräusch ausgestoßen, und dann … ist er zu Boden gefallen. Apoplexie, haben sie gesagt.«

»Maria, Mutter Gottes, gnade uns«, sagte Ian. »Er ist … gleich dort gestorben?«

»Ich weiß nicht, ob er schon tot war, als sie ihn aufgehoben haben, oder ob er noch eine Weile gelebt hat.« Jamies Stimme klang trostlos. »Ich wusste gar nichts davon; niemand hat mir etwas gesagt, bis mich Onkel Dougal ein paar Tage danach herausgeholt hat.« Er hustete und wischte sich abermals mit dem Ärmel über das Gesicht. »Ian … würdest du mein Knie loslassen?«

»Nein«, sagte Ian leise, zog die Hand aber dennoch fort. Jedoch nur, um Jamie sacht in die Arme nehmen zu können. »Nein. Ich lasse nicht los, Jamie. Warte. Warte nur.«

 

JAMIE ERWACHTE mit trockenem Mund und dickem Kopf, die Augen von Mückenstichen halb zugeschwollen. Außerdem regnete es; ein feiner feuchter Nebel, der über ihm durch die Blätter nieselte. Trotzdem fühlte er sich so gut wie in den letzten zwei Wochen nicht mehr, obwohl er sich nicht sofort erinnerte, warum das so war – oder wo er war.

»Hier.« Ein Stück halb verkohltes, mit Knoblauch eingeriebenes Brot wurde ihm unter die Nase gehalten. Er setzte sich hin und griff danach.

Ian. Der Anblick seines Freundes bot ihm einen Anker, das Essen in seinem Magen ebenso. Er kaute jetzt langsamer und sah sich um. Männer erhoben sich, stolperten zum Pinkeln davon, stießen leise Ächzgeräusche aus, rieben sich die Köpfe und gähnten.

»Wo sind wir?«, fragte er. Ian sah ihn strafend an.

»Wie zum Teufel hast du uns denn gefunden, wenn du gar nicht weißt, wo du bist?«

»Murtagh hat mich hergebracht«, murmelte Jamie. Das Brot in seinem Mund wurde zu Kleister, als die Erinnerung zurückkehrte; er konnte nicht schlucken und spuckte den halb gekauten Bissen aus. Jetzt fiel ihm alles wieder ein, und er wünschte, es wäre nicht so. »Er hat die Söldner gefunden, ist dann aber gegangen; er meinte, es sieht besser aus, wenn ich allein ankomme.«

Tatsächlich hatte sein Pate gesagt: »Der junge Murray wird sich jetzt um dich kümmern. Bleib ja bei ihm – komm nicht nach Schottland zurück. Komm nicht zurück, hörst du mich?« Er hatte Murtagh zwar gehört. Das bedeutete aber nicht, dass er auch vorhatte, auf ihn zu hören.

»Oh, aye. Hatte mich schon gefragt, wie du es geschafft hast, so weit zu laufen.« Ian warf einen besorgten Blick zum anderen Ende des Lagers, wo jetzt zwei kräftige Pferde in das Geschirr eines mit Segeltuch bedeckten Wagens geführt wurden. »Meinst du, du kannst laufen?«

»Natürlich. Mir fehlt nichts«, sagte Jamie gereizt. Wieder warf ihm Ian diesen Blick zu, und diesmal kniff er die Augen noch schärfer zusammen als beim letzten Mal.

»Aye, natürlich«, sagte er im Tonfall blanken Unglaubens. »Nun ja. Wir sind vielleicht zwanzig Meilen von Bordeaux entfernt; das ist unser Ziel. Wir bringen den Wagen dort zu einem jüdischen Geldverleiher.«

»Dann ist er voller Geld?« Jamie warf einen neugierigen Blick auf das schwere Gefährt.

»Nein«, sagte Ian. »Es gibt eine kleine Truhe, die sehr schwer ist, also könnte es Gold sein, und ein paar klimpernde Beutel, die vielleicht voll Silber sind, aber das meiste sind Teppiche.«

»Teppiche?« Jamie sah Ian erstaunt an. »Was denn für Teppiche?«

Ian zuckte mit den Schultern.

»Kann ich nicht sagen. Juanito sagt, es sind türkische Teppiche, sehr wertvoll, aber ich weiß nicht, ob er sich wirklich damit auskennt. Er ist auch Jude«, fügte Ian hinzu. »Juden sind …« Seine flache Hand vollführte eine zweideutige Geste. »Aber eigentlich macht man in Frankreich keine Jagd auf sie oder schickt sie ins Exil. Und der Hauptmann sagt, sie werden nicht einmal eingesperrt, solange sie sich still verhalten.«

»Und den Männern der Regierung weiter Geld leihen«, sagte Jamie zynisch. Ian sah ihn überrascht an, und Jamie warf ihm seinen neunmalklugen »Ich war auf der Université in Paris und weiß mehr als du«-Blick zu. Er war sich ziemlich sicher, dass ihn Ian nicht schlagen würde; er war schließlich verletzt.

Ian sah zwar so aus, als hätte er genau das am liebsten getan, doch er war so klug, Jamie stattdessen nur den »Ich bin älter als du, und du weißt genau, dass du noch nicht trocken hinter den Ohren bist, also blas dich nicht so auf«-Blick zuzuwerfen. Jamie lachte und fühlte sich besser.

»Aye, nun gut«, sagte er und beugte sich vor. »Ist mein Hemd sehr blutig?«

Ian nickte und legte sich den Schwertgürtel um. Jamie seufzte und ergriff das Lederwams, das ihm der Waffenmeister überlassen hatte. Es würde zwar scheuern, aber er wollte keine Aufmerksamkeit erregen.

 

IRGENDWIE HIELT ER DURCH. Der Trupp schlug zwar ein anständiges Tempo an, jedoch nicht so, dass es problematisch für einen Highlander gewesen wäre, der es gewohnt war, über die Hügel zu wandern und gelegentlich mit dem Rotwild um die Wette zu rennen. Schön, manchmal wurde ihm ein bisschen schwindelig; hin und wieder bekam er Herzrasen, und Hitzewellen liefen über ihn hinweg – doch er schwankte auch nicht schlimmer als einige der Männer, die zum Frühstück zu viel getrunken hatten.

Er nahm zwar kaum etwas von der Landschaft wahr, aber er war sich bewusst, dass Ian neben ihm herging, und er gab sich Mühe, seinem Freund hin und wieder zuzunicken, damit sich dessen sorgenvolle Miene erhellte. Sie befanden sich beide in der Nähe des Wagens, hauptsächlich zwar, weil er nicht unangenehm auffallen wollte, indem er am Ende hinterherhinkte, aber auch, weil er und Ian den Rest der Truppe um mindestens einen Kopf überragten und ihre Schritte die anderen in den Hintergrund drängten … was ihn mit einem Hauch von Stolz erfüllte. Auf den Gedanken, dass die anderen vielleicht die Nähe des Wagens mieden, kam er nicht.

Ein Ausruf des Kutschers war der erste Hinweis, dass etwas nicht stimmte. Jamie war mit halb geschlossenen Augen dahergeschlurft und hatte sich ganz darauf konzentriert, einen Fuß vor den anderen zu setzen, doch Alarmgebrüll und ein plötzlicher lauter Knall rissen ihn aus seiner Trance. Ein Reiter kam aus den Bäumen am Straßenrand gerast, bremste abrupt und feuerte seine zweite Pistole auf den Fahrer ab.

»Was …« Jamie griff nach dem Schwert an seinem Gürtel, halb benommen, aber schon im Angriff; die Pferde wieherten und warfen sich gegen das Geschirr, der Kutscher fluchte und zerrte im Stehen an den Leinen. Mehrere Söldner rannten auf den Reiter zu, der seinerseits das Schwert zog, zwischen ihnen hindurchritt und dabei rechts und links um sich hieb. Doch Ian packte Jamies Arm und riss ihn herum.