Outlander - Ferne Ufer - Diana Gabaldon - E-Book
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Diana Gabaldon

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Beschreibung

Besser denn je: Der 3. Band der "Outlander"-Saga, "Ferne Ufer", von Bestseller-Autorin Diana Gabaldon jetzt in ungekürzter Neuübersetzung. 20 Jahre lang hielt Claire ihre große Liebe Jamie Fraser für tot. Nun findet sie heraus, dass er die Schlacht von Culloden wider Erwarten überlebt hat. Unterstützt von ihrer Tochter Brianna kehrt sie durch den Steinkreis zu ihm zurück und findet ihn im 18. Jahrhundert lebend wieder. Aber ihre Raum und Zeit überwindende Liebe bleibt nicht lange ungetrübt. Denn Jamie hat 20 Jahre lang sein eigenes Leben geführt, außerdem engagiert er sich nach wie vor für Schottlands Unabhängigkeit. Und so müssen Jamie und Claire früher, als ihnen lieb ist, das Hochland verlassen und sich aufmachen zu neuen, fernen Ufern. Doch sie wissen, dass ihre Liebe und ihre Leidenschaft füreinander sie jedes Hindernis überwinden lässt. Alle Bände der "Outlander"-Reihe von Diana Gabaldon: • »Outlander« • »Outlander - Die geliehene Zeit« • »Outlander - Ferne Ufer« • »Outlander - Der Ruf der Trommel« • »Outlander - Das flammende Kreuz« • »Outlander - Ein Hauch von Schnee und Asche« • »Outlander - Echo der Hoffnung« • »Outlander - Ein Schatten von Verrat und Liebe«

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Diana Gabaldon

Outlander – Ferne Ufer

Roman

Aus dem Amerikanischen von Barbara Schnell

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Besser denn je: Der 3. Band der »Outlander«-Saga in ungekürzter Neuübersetzung

Zwanzig Jahre lang hielt Claire ihre große Liebe Jamie Fraser für tot. Nun findet sie heraus, dass er die Schlacht von Culloden überlebt hat. Unterstützt von ihrer Tochter Brianna kehrt sie durch den Steinkreis zu ihm ins 18. Jahrhundert zurück.Aber Jamie hat in all der Zeit sein eigenes Leben geführt, außerdem kämpft er weiterhin für Schottlands Unabhängigkeit. Und so müssen die beiden früher, als ihnen lieb ist, aus dem Hochland fliehen und sich aufmachen zu neuen, fernen Ufern. Doch sie wissen, dass ihre Liebe und ihre Leidenschaft füreinander sie jedes Hindernis überwinden lassen wird.

Inhaltsübersicht

Widmung

Prolog

Erster Teil

Das Fest der Krähen

Die Jagd beginnt

Frank und frei

Zweiter Teil

Der Dunbonnet

Ein Kind ist uns geboren

… nachdem wir durch Sein Blut gerecht geworden sind.

Dritter Teil

Was man schwarz auf weiß hat …

Ein Gefangener und Ehrenmann

Der Wanderer

Der Fluch der weißen Hexe

Die Torremolinoseröffnung

Das Opfer

Mittelspiel

Vierter Teil

Geneva

Durch ein Missgeschick

Willie

Ungeheuer tauchen auf

Fünfter Teil

Wurzeln

Ich lege einen Geist zur Ruhe

Diagnose

Q. E. D.

Die Nacht vor Allerheiligen

Craigh na Dun

Sechster Teil

A. Malcolm, Drucker

Freudenhaus

Frühstück unter Huren

Lichterloh

Hüter der Tugend

Cullodens letztes Opfer

Stelldichein

Schmugglermond

Siebter Teil

Die Rückkehr des verlorenen Sohns

Der vergrabene Schatz

Papa

Flucht aus Eden

Angewandte Hexenkunst

Was ist ein Name

Ich begegne einem Anwalt

O Verloren! Und es trauert der Wind

Achter Teil

Ich muss wieder hinab zum Meer

Wir setzen die Segel

Der Mann im Mond

Phantomschmerzen

Naturgewalten

Mr. Willoughbys Erzählung

Wir begegnen einem Tümmler

Und hatten die Pest an Bord

Augenblick der Gnade

Land in Sicht!

Ich begegne einem Priester

In welchem Jamie dämmert, dass etwas faul ist

Eine Hochzeit findet statt

Neunter Teil

Fledermausguano

»Der stürmische Pirat«

Ishmael

Schildkrötensuppe

Gelobtes Land

Die Maske des Roten Todes

In welchem vieles ans Licht kommt

Der Duft der Edelsteine

Das Grinsen des Krokodils

Abandawe

Aus den Tiefen

Danksagung

Leseprobe »Outlander«

Für meine Kinder

Laura Juliet

Samuel Gordon

und Jennifer Rose,

 

von denen ich das Herz, das Blut und die Seele dieses Buchs habe.

Prolog

Als ich klein war, wollte ich in keine Pfütze steigen. Nicht, weil ich etwa Angst vor ertrunkenen Würmern oder nassen Strümpfen hatte; eigentlich war ich ein Schmuddelkind, und Dreck in jeder Form war mir herzlich egal.

Es lag daran, dass ich mich nicht überwinden konnte zu glauben, dass diese perfekte glatte Fläche nicht mehr war als ein dünner Film aus Wasser über festem Boden. Ich habe geglaubt, sie sei eine Öffnung ins Unergründliche. Manchmal dachte ich beim Anblick der kleinen Wellen, die mein Näherkommen auslöste, die Pfütze sei unvorstellbar tief; ein bodenloses Meer, in dem sich träge Tentakel und glänzende Schuppen verbargen, in dessen Tiefe gigantische Körper und scharfe Zähne drohten.

Und dann schaute ich in den Spiegel und sah mein eigenes rundes Gesicht und mein krauses Haar vor formlos weitem Blau und dachte stattdessen, die Pfütze sei der Eingang zu einem zweiten Himmel. Wenn ich hineintrat, würde ich fallen wie ein Stein, weiter und immer weiter in die blaue Leere hinein.

Ich habe es nur dann gewagt, eine Pfütze zu durchschreiten, wenn im Zwielicht die Sterne zum Vorschein kamen. Wenn ich ins Wasser schaute und dort einen Leuchtpunkt sah, konnte ich ohne Angst hindurchplatschen – denn falls ich in die Pfütze und ins Leere fiel, konnte ich unterwegs den Stern ergreifen und würde wieder sicher sein.

Wenn ich eine Pfütze auf meinem Weg sehe, hält mein Kopf noch heute flüchtig inne – selbst wenn meine Füße es nicht tun –, ehe er weiterhastet und nur das Echo des Gedankens bleibt.

Was, wenn du dieses Mal fällst?

Erster Teil

Arma virumque cano …

   

Kapitel 1

Das Fest der Krähen

Es kämpfte mancher Highlandthan,

Und mancher tapf’re Krieger fiel,

Nicht nur sein Leben war vertan,

Auch Schottlands Kron’, dahin das Ziel.

 

– »Kommst du nicht zurück zu mir?«

 

 

Er war tot. Allerdings pochte es schmerzhaft in seiner Nase, was ihm unter den Umständen seltsam erschien. Er besaß zwar beträchtliches Vertrauen in die Einsicht und die Gnade seines Schöpfers, hegte aber gleichzeitig jenen Rest elementaren Schuldgefühls, der alle Menschen fürchten lässt, dass es eine Hölle gibt. Doch nach allem, was er über die Hölle gehört hatte, kam es ihm unwahrscheinlich vor, dass sich die Qualen, die auf ihre bedauernswerten Insassen warteten, auf eine gebrochene Nase beschränkten.

Andererseits konnte dies auch nicht der Himmel sein, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens verdiente er das nicht. Zweitens sah es nicht danach aus. Und wenn schon die Strafe der Verdammten nicht aus einer gebrochenen Nase bestand, glaubte er erst recht nicht, dass eine solche zur Belohnung der Glückseligen zählte.

Er hatte sich zwar das Fegefeuer immer als grauen Ort vorgestellt, doch das schwache, rötliche Licht, das alles ringsum verbarg, schien ihm durchaus adäquat. Sein Kopf wurde jetzt ein wenig klarer, und sein Denkvermögen kehrte zurück, wenn auch langsam. Irgendjemand, so dachte er gereizt, musste ihn doch allmählich aufsuchen und ihm mitteilen, wie seine Strafe lautete, bis er genug gelitten hatte, um endlich gereinigt in Gottes Reich einzugehen. Er war sich nicht sicher, ob er einen Dämon oder einen Engel erwartete. Er wusste nicht, wie sich das Personal des Fegefeuers zusammensetzte; dieses Thema hatte der Schulmeister in seiner Kinderzeit nicht angesprochen.

Während er wartete, begann er mit seiner Bestandsaufnahme dessen, was ihm ansonsten an Qualen bevorstehen mochte. Er hatte überall Platzwunden und Prellungen, und er war sich hinreichend sicher, dass er sich den rechten Ringfinger erneut gebrochen hatte – dank des steifen Gelenks stand er ab und war nur schwer zu schützen. Doch das war alles nicht allzu schlimm. Was sonst?

Claire. Der Name durchbohrte sein Herz mit einem Schmerz, der ihn mehr peinigte als alles, was sein Körper je hatte durchstehen müssen.

Hätte er tatsächlich noch einen Körper gehabt, so war er sich sicher, dass sich dieser vor Agonie zusammengekrümmt hätte. Er hatte gewusst, dass es so kommen würde, als er sie in den Steinkreis zurückgeschickt hatte. Seelenqualen waren genau das, womit im Fegefeuer zu rechnen war, und so hatte er von Anfang an erwartet, dass der Trennungsschmerz seine hauptsächliche Bestrafung sein würde – hinreichend, so dachte er, um für alles zu büßen, was er je getan hatte, darunter auch Mord und Verrat.

Er wusste nicht, ob es einer Person im Fegefeuer gestattet war zu beten, doch er versuchte es dennoch. Herr, betete er, lass sie gerettet sein. Sie und das Kind. Er war sich sicher, dass sie es zum Steinkreis geschafft hatte; sie war ja erst zwei Monate schwanger, also noch leichtfüßig und flink – und die sturköpfigste, entschlossenste Frau, die ihm je begegnet war. Doch ob ihr der gefährliche Rückweg zu dem Ort gelungen war, von dem sie gekommen war … der heikle Abstieg durch die rätselhaften Schichten, die das Dann vom Jetzt trennten, ohnmächtig im Griff der Steine … das würde er nie erfahren, und dieser Gedanke reichte aus, um ihn selbst das Pochen in seiner Nase vergessen zu lassen.

Er nahm seine unterbrochene Inventur der körperlichen Blessuren wieder auf und wurde von unmäßiger Bestürzung gepackt, als er feststellte, dass ihm das linke Bein zu fehlen schien. Jedes Gefühl endete an der Hüfte, in deren Gelenk es stechend kribbelte. Vermutlich würde er es ja zurückbekommen, wenn der Zeitpunkt da war, entweder, wenn er endlich in den Himmel kam, oder doch zumindest beim Jüngsten Gericht. Und sein Schwager Ian kam schließlich mit einem Holzbein auch bestens zurecht.

Dennoch, es verletzte seine Eitelkeit. Ah, das musste es sein, eine Bestrafung, die ihn von der Sünde der Eitelkeit heilte. Er biss im Geiste die Zähne zusammen, fest entschlossen, so tapfer und demütig wie möglich hinzunehmen, egal was auf ihn zukam. Dennoch konnte er es sich nicht verkneifen, eine suchende Hand (oder was auch immer ihm als Hand diente) tastend abwärts zu strecken, nur um zu sehen, wo die Gliedmaße jetzt endete.

Die Hand stieß auf etwas Festes, und seine Finger verhaspelten sich in feuchtem, verknotetem Haar. Abrupt fuhr er zum Sitzen auf und sprengte mühsam die Schicht aus getrocknetem Blut, die ihm die Augenlider verklebte. Die Erinnerungen strömten zurück, und er stöhnte laut auf. Er hatte sich geirrt. Dies war die Hölle. James Fraser allerdings war unglücklicherweise doch nicht tot.

 

Die Leiche eines Mannes lag auf ihm. Ihr Gewicht drückte auf sein linkes Bein, was erklärte, warum er nichts spürte. Der Kopf presste sich schwer wie eine abgefeuerte Kanonenkugel mit dem Gesicht in seinen Bauch, das feuchte, verklebte Haar lag dunkel über das nasse Leinen seines Hemds gebreitet. In plötzlicher Panik zuckte er hoch; der Kopf rollte ihm seitwärts auf den Schoß, und ein halb geöffnetes Auge starrte blicklos durch die schützenden Haarsträhnen zu ihm auf.

Es war Jack Randall, dessen feiner Hauptmannsrock vor Nässe so dunkel war, dass er beinahe schwarz wirkte. Unbeholfen versuchte Jamie, die Leiche von sich zu schieben, stellte jedoch fest, dass er erstaunlich schwach war; seine gespreizten Finger legten sich zaghaft um Randalls Schulter, und der Ellbogen seines anderen Arms gab plötzlich nach, als er versuchte, sich abzustützen. Dann fand er sich erneut auf dem Rücken liegend wieder, und der nasskalte Himmel drehte sich blassgrau über ihm. Mit jedem keuchenden Atemzug bewegte sich Jack Randalls Kopf obszön auf seinem Bauch auf und ab.

Er presste die Hände flach auf den sumpfigen Boden – das Wasser stieg kalt zwischen seinen Fingern auf und durchtränkte ihm den Hemdrücken – und wand sich seitwärts. Ein Rest von Wärme war noch zwischen ihnen gefangen; als sich das reglose Gewicht langsam von ihm löste, traf der eiskalte Regen abrupt wie ein Fausthieb auf seine entblößte Haut, und er erschauerte heftig in der plötzlichen Kälte.

Während er sich auf dem Boden wand und mit dem zusammengeballten, schlammbespritzten Stoff seines Plaids kämpfte, hörte er Geräusche im Heulen des Aprilwinds; ferne Schreie und ein Stöhnen und Jammern wie die Rufe von Geistern im Wind. Und überall lärmende Krähen. Dutzende Krähen, so wie es klang.

Das war seltsam, dachte er dumpf. In einem solchen Sturm sollten eigentlich keine Vögel fliegen. Ein letzter Ruck befreite das Plaid unter ihm, und er breitete es umständlich über seinen Körper. Als er die Arme ausstreckte, um sich die Beine zuzudecken, sah er, dass sein Kilt und sein linkes Bein voller Blut waren. Der Anblick entsetzte ihn nicht; er schien ihm höchstens vage von Belang zu sein, die dunkelroten Blutspuren ein Kontrast zum gräulichen Grün der Moorpflanzen ringsum. Die Echos der Schlacht verhallten in seinen Ohren, und er gab das Feld von Culloden den Stimmen der Krähen anheim.

 

Stunden später weckten ihn Stimmen, die seinen Namen riefen.

»Fraser! Jamie Fraser! Bist du hier?«

Nein, dachte er benommen. Ich bin nicht hier. Wo auch immer er während seiner Bewusstlosigkeit gewesen war, es war dort besser gewesen. Er lag in einer kleinen Mulde, die zur Hälfte mit Wasser gefüllt war. Der Eisregen hatte aufgehört, der Wind jedoch nicht; er heulte über das Moor hinweg, durchdringend und kalt. Der Himmel war so dunkel geworden, dass er beinahe schwarz war; es musste also fast Abend sein.

»Ich habe gesehen, wie er da zu Boden gegangen ist, ich sage es dir. Direkt neben einem großen Ginsterbusch.« Die Stimme war ein Stück entfernt und wurde leiser, während sie mit jemandem stritt.

Es raschelte neben seinem Ohr, und als er den Kopf wandte, sah er die Krähe. Sie stand keinen halben Meter entfernt im Gras, ein Umriss aus windzerzausten schwarzen Federn, und betrachtete ihn mit einem schwarzen Knopfauge. Da sie zu dem Schluss kam, dass er keine Bedrohung darstellte, verdrehte sie gelassen den Hals und stieß Jack Randall den kräftigen, spitzen Schnabel ins Auge.

Jamie fuhr mit einem angewiderten Ausruf auf und schlug um sich, und die Krähe flatterte krächzend davon.

»Ay! Da drüben!«

Es gluckste auf dem sumpfigen Boden, dann war ein Gesicht vor ihm, und er spürte die willkommene Berührung einer Hand auf seiner Schulter.

»Er lebt! Komm her, MacDonald! Fass mit an; er kann nicht selber laufen.« Sie waren zu viert, und mit einiger Mühe richteten sie ihn zum Stehen auf, die Arme hilflos auf Ewan Cameron und Iain MacKinnon gestützt.

Er hätte ihnen gern gesagt, dass sie ihn lassen sollten, wo er war; mit dem Erwachen war ihm auch wieder eingefallen, warum er hier war, und er erinnerte sich daran, dass er vorgehabt hatte zu sterben. Doch ihre Gesellschaft war eine Verlockung, der er nicht widerstehen konnte. Während er schlief, war das Gefühl in sein taubes Bein zurückgekehrt, und er begriff, wie schwer die Verletzung war. Er würde auch so bald sterben; Gott sei Dank musste es nicht allein in der Dunkelheit sein.

 

»Wasser?« Der Rand eines Bechers presste sich an seine Unterlippe, und er raffte sich zum Trinken auf, vorsichtig, um nichts zu verschütten. Eine Hand legte sich kurz auf seine Stirn und sank kommentarlos beiseite.

Er brannte; er konnte die Flammen hinter seinen Augen spüren, wenn er sie schloss. Seine Lippen waren aufgeplatzt und wund vor Hitze, doch das war besser als der Schüttelfrost, der ihn in Abständen überkam. Solange er nur fieberte, konnte er wenigstens still liegen; das Schütteln weckte die schlafenden Dämonen in seinem Bein.

Murtagh. Ein furchtbares Gefühl beschlich ihn bei dem Gedanken an seinen Paten, doch er erinnerte sich an nichts, was dem Gefühl Gestalt verlieh. Murtagh war tot; er wusste, dass es so sein musste, doch er hatte keine Ahnung, warum oder woher er das wusste. Gut die Hälfte der Highlandarmee war tot, abgeschlachtet auf dem Moor – so viel hatte er den Gesprächen der Männer in der Kate entnommen, doch er selbst erinnerte sich nicht an die Schlacht.

Es war nicht sein erster Kampf in einer Armee, und er wusste, dass ein solcher Gedächtnisverlust bei Soldaten nichts Ungewöhnliches war; er hatte das schon öfter gesehen, auch wenn er es noch nie selbst erlebt hatte. Er wusste, dass die Erinnerung zurückkehren würde, und hoffte, dass er bis dahin tot sein würde. Er bewegte sich, als er das dachte, und glühender Schmerz durchfuhr sein Bein und ließ ihn aufstöhnen.

»Geht es, Jamie?« Ewan stützte sich neben ihm auf den Ellbogen auf, und sein sorgenvolles Gesicht tauchte verschwommen im Dämmerlicht auf. Sein Kopf trug einen blutigen Verband, und sein Kragen hatte rostbraune Flecken, weil ihn ein Streifschuss an der Kopfhaut getroffen hatte.

»Aye, ich komme schon zurecht.« Er streckte die Hand aus und berührte Ewan dankbar an der Schulter. Ewan tätschelte sie und legte sich wieder hin.

Die Krähen waren wieder da. Die nachtschwarzen Vögel waren mit der Dunkelheit schlafen gegangen, doch mit dem Morgengrauen kehrten sie zurück – Vögel des Krieges, die gekommen waren, um sich am Fleisch der Gefallenen satt zu fressen. Es könnten auch seine Augen sein, nach denen die grausamen Schnäbel pickten, dachte er. Er konnte die Form seiner Augäpfel unter seinen Lidern fühlen, rund und heiß, köstliches Gallert, das unruhig hin und her rollte, vergeblich das Vergessen suchte, während die aufgehende Sonne seine Lider in dunkles, blutiges Rot tauchte.

Vier der Männer hatten sich um das einzige Fenster der Kate gesammelt und besprachen sich leise.

»Davonlaufen?«, sagte einer und wies kopfnickend ins Freie. »Himmel, Mann, die meisten von uns können kaum humpeln – und mindestens sechs können gar nicht laufen.«

»Wenn ihr laufen könnt, lauft«, sagte ein Mann auf dem Boden. Er wies mit einer Grimasse auf sein Bein, das in die Fetzen eines Quilts gewickelt war. »Lasst euch von uns nicht aufhalten.«

Duncan MacDonald wandte sich mit einem grimmigen Lächeln vom Fenster ab und schüttelte den Kopf. Die rauhen Züge seines Gesichts leuchteten im Licht des Fensters, so dass sich die Spuren der Erschöpfung noch tiefer eingruben.

»Nein, wir bleiben«, sagte er. »Es wimmelt ohnehin überall von Engländern. Niemand käme jetzt lebend von Drumossie fort.«

»Selbst die, die gestern vom Feld geflohen sind, werden nicht weit kommen«, fügte MacKinnon leise hinzu. »Habt ihr in der Nacht nicht die englischen Soldaten im Eilmarsch gehört? Glaubt ihr, sie werden Schwierigkeiten haben, unseren zerlumpten Haufen aufzuspüren?«

Es kam keine Erwiderung; sie kannten die Antwort nur zu gut. Viele der Highlander hatten schon vor der Schlacht kaum auf dem Feld stehen können, geschwächt, wie sie waren vor Kälte, Erschöpfung und Hunger.

Jamie drehte das Gesicht zur Wand und betete, dass seine Männer früh genug aufgebrochen waren. Lallybroch lag abgeschieden; wenn es ihnen gelang, weit genug von Culloden fortzukommen, war es unwahrscheinlich, dass man sie erwischte. Und doch hatte Claire ihm erzählt, dass Cumberlands Männer die gesamten Highlands verwüsten und in ihrem Rachedurst auch unzugängliche Orte heimsuchen würden.

Diesmal löste der Gedanke an sie nur eine Welle furchtbarer Sehnsucht aus. Gott, wenn sie doch hier wäre, ihre Hände auf ihn legte, seine Wunden pflegte und seinen Kopf in ihrem Schoß wiegte. Doch sie war fort – zweihundert Jahre weit fort –, und dem Herrn sei Dank, dass sie es war! Tränen glitten ihm langsam unter den geschlossenen Lidern hervor, und er wälzte sich unter Schmerzen auf die Seite, um sie vor den anderen zu verbergen.

Herr, lass sie gerettet sein, betete er. Sie und das Kind.

 

Gegen Nachmittag kam plötzlich Brandgeruch auf und wehte durch das unverglaste Fenster. Er war durchdringender als der Geruch des Schwarzpulverrauchs und von einem grauenhaften Aroma durchzogen, das an gebratenes Fleisch erinnerte.

»Sie verbrennen die Leichen«, sagte MacDonald. Er hatte seinen Sitzplatz am Fenster kaum verlassen, seit sie in der Kate waren, und erinnerte selbst an einen Totenschädel. Er hatte sich das kohlschwarze, schmutzverklebte Haar aus dem Gesicht gestrichen, in dem jeder Knochen zu sehen war.

Hier und da scholl ein kurzer, dumpfer Knall über das Moor. Schüsse. Gnadenschüsse von der Hand jener englischen Offiziere, die noch Mitgefühl demonstrierten, ehe sie das nächste in Tartan gehüllte Wrack zu seinen glücklicheren Kameraden auf den Scheiterhaufen legten. Als Jamie aufblickte, saß Duncan MacDonald immer noch am Fenster, doch seine Augen waren geschlossen.

Ewan Cameron, der neben ihm hockte, bekreuzigte sich. »Hoffentlich erweisen sie uns diese Gnade auch«, flüsterte er.

 

So geschah es. Es war kurz nach Mittag am zweiten Tag, als endlich Stiefelschritte auf die Kate zukamen und die Tür mit den Lederscharnieren lautlos aufschwang.

»Himmel«, erklang ein leiser Ausruf beim Anblick im Inneren der Kate. Der Luftzug der Tür bewegte die übelriechende Luft über den schmutzigen, verwahrlosten, blutüberströmten Körpern, die auf dem festgestampften Lehmboden lagen oder kauerten.

Sie hatten die Möglichkeit bewaffneten Widerstandes gar nicht erst angesprochen; sie waren mutlos, und es war sinnlos. Die Jakobiten saßen einfach da und warteten das Belieben ihres Besuchers ab.

Es war ein Major, frisch und neu herausgeputzt mit faltenloser Uniform und blankgewichsten Stiefeln. Nach einem Moment des Zögerns, in dem er den Blick über die Insassen schweifen ließ, trat er ein, dicht gefolgt von seinem Leutnant.

»Ich bin Lord Melton«, sagte er und sah sich um, als suchte er den Anführer dieser Männer, an den er seine Worte richten konnte.

Duncan MacDonald sah sich seinerseits um, dann erhob er sich langsam und neigte den Kopf. »Duncan MacDonald aus Glen Richie«, sagte er. »Und andere«, er ließ die Hand durch die Kate schweifen, »aus der ehemaligen Truppe Seiner Majestät, König James’.«

»Das hatte ich vermutet«, sagte der Engländer trocken. Er war noch jung, Anfang dreißig, jedoch mit der selbstbewussten Haltung eines erfahrenen Soldaten. Bedächtig ließ er den Blick von Mann zu Mann schweifen, dann griff er in seinen Rock und brachte ein zusammengefaltetes Papier zum Vorschein.

»Ich habe hier eine Order Seiner Durchlaucht, des Herzogs von Cumberland«, sagte er. »Welche die unverzügliche Exekution eines jeden Mannes autorisiert, der der Beteiligung an der verräterischen Rebellion der jüngsten Vergangenheit überführt wird.« Noch einmal ließ er den Blick durch das Innere der Kate schweifen. »Gibt es hier jemanden, der für sich beansprucht, des Verrats unschuldig zu sein?«

Ein Hauch von Gelächter regte sich unter den Schotten. Unschuld, wo ihnen doch der Rauch der Schlacht noch die Gesichter schwärzte, hier am Rand des Schlachtfelds?

»Nein, Mylord«, sagte MacDonald mit der Spur eines Lächelns auf den Lippen. »Verräter, alle, wie wir hier sind. Wird man uns also hängen?«

Meltons Gesicht verzog sich flüchtig zu einer angewiderten Grimasse, dann nahm es seine teilnahmslose Miene wieder an. Er war ein schlanker Mann mit zartem Knochenbau, dessen Haltung dennoch unmissverständlich Autorität ausdrückte.

»Ihr werdet erschossen«, sagte er. »Ihr habt eine Stunde, um Euch vorzubereiten.« Er zögerte und warf einen flüchtigen Blick auf seinen Leutnant, als hätte er Angst, vor dem rangniederen Offizier allzu großzügig zu klingen, fuhr aber fort: »Falls jemand von Euch Schreibmaterial wünscht – um vielleicht einen Brief zu verfassen –, wird Euch der Schreiber meiner Kompanie behilflich sein.« Er nickte MacDonald zu, machte auf dem Absatz kehrt und ging.

Es war eine trostlose Stunde. Einige Männer nutzten das Angebot von Papier und Stift und schrieben hartnäckig vor sich hin, indem sie das Papier gegen die Schräge des hölzernen Kamins hielten, weil es keine andere Schreibunterlage gab. Andere beteten leise oder saßen einfach wartend da.

MacDonald hatte um Gnade für Giles McMartin und Frederick Murray gebeten und angeführt, dass die Jungen gerade erst siebzehn waren und man sie nicht im selben Maße zur Verantwortung ziehen könne wie die älteren Männer. Diese Bitte wurde abgelehnt, und die Jungen saßen mit weißen Gesichtern zusammen an der Wand und hielten sich an den Händen.

Für sie empfand Jamie durchdringenden Schmerz – wie auch für die anderen, treue Freunde und tapfere Soldaten. Für sich selbst empfand er nichts als Erleichterung. Nichts mehr, worum er sich sorgen musste, nichts mehr zu tun. Was er konnte, hatte er getan, für seine Männer, seine Frau, sein ungeborenes Kind. Sollte sein Elend doch nun ein Ende haben; dankbar für den Frieden würde er gehen.

Mehr der Form halber, als weil es ihn wirklich danach drängte, schloss er die Augen und begann das Reuegebet, auf Französisch, so wie er es immer sprach. Mon Dieu, je regrette … Und doch bereute er nicht; es war viel zu spät für jede Art von Reue.

Würde er Claire sofort finden, wenn er starb, fragte er sich? Oder vielleicht – was er eher erwartete – eine Weile zur Trennung verdammt sein? So oder so, er würde sie wiedersehen; an diese Überzeugung klammerte er sich fester als an jede Lehre der Kirche. Gott hatte sie ihm geschenkt; er würde sie ihm zurückgeben.

Er vergaß zu beten und begann stattdessen, ihr Gesicht hinter seinen Lidern heraufzubeschwören, die Rundungen von Wange und Schläfe, die breite, helle Stirn, die ihn stets bewegte, sie zu küssen, auf jene kleine glatte Stelle zwischen den Augenbrauen, just am Ansatz ihrer Nase, zwischen den klaren Bernsteinaugen. Er richtete seine Gedanken auf die Form ihres Mundes, malte sich den vollen Umriss ihrer Lippen aus, wie sie schmeckten, wie herrlich sie sich anfühlten. Die Geräusche der Betenden, die kratzenden Federkiele und Giles McMartins leises, ersticktes Schluchzen verblassten in seinen Ohren.

Es war früher Nachmittag, als Melton zurückkehrte, diesmal begleitet von sechs Soldaten sowie dem Leutnant und dem Schreiber. Wieder blieb er im Eingang stehen, doch MacDonald erhob sich, ehe er etwas sagen konnte.

»Ich gehe zuerst«, sagte er und schritt entschlossen durch die Kate. Doch als er sich bückte, um durch die Tür zu gehen, legte ihm Lord Melton eine Hand auf den Ärmel.

»Nennt Ihr mir Euren vollen Namen, Sir? Mein Schreiber wird ihn notieren.«

MacDonald warf einen Blick auf den Schreiber, und sein Mundwinkel verzog sich zu einem kleinen, bitteren Lächeln.

»Eine Trophäenliste, wie? Aye, nun ja.« Er zuckte mit den Schultern und richtete sich auf. »Duncan William MacLeod MacDonald aus Glen Richie.« Er verneigte sich höflich vor Lord Melton. »Zu Euren Diensten – Sir.« Er schritt durch die Tür, und kurz darauf erscholl ganz in der Nähe ein einzelner Pistolenschuss.

Den Jungen erlaubte man, zusammen zu gehen, und sie hielten sich auch jetzt noch fest an den Händen, als sie durch die Tür schritten. Die anderen holte man einen nach dem anderen heraus und fragte jeden nach seinem Namen, damit der Schreiber ihn notieren konnte. Dieser saß auf einem Schemel vor der Tür, den Kopf über seine Papiere gebeugt, ohne aufzublicken, wenn die Männer vorüberkamen.

Als Ewan an der Reihe war, richtete sich Jamie mühselig auf die Ellbogen auf und nahm seinen Freund bei der Hand, so fest er konnte.

»Ich sehe dich bald wieder«, flüsterte er.

Ewans Hand bebte in der seinen, doch Cameron lächelte nur. Er beugte sich vor und küsste Jamie auf den Mund, dann erhob er sich zum Gehen.

Die sechs, die nicht laufen konnten, hoben sie sich bis zum Ende auf.

»James Alexander Malcolm MacKenzie Fraser«, sagte er langsam, um dem Schreiber Zeit zu geben, es korrekt zu Papier zu bringen. »Herr von Broch Tuarach.« Er buchstabierte es geduldig, dann blickte er zu Melton auf.

»Ich muss Euch um den Gefallen bitten, Mylord, mir beim Aufstehen zu helfen.«

Melton antwortete ihm nicht, sondern starrte auf ihn herunter, und seine etwas angewiderte Miene wich dem Erstaunen, das sich mit aufkeimendem Grauen vermischte.

»Fraser?«, sagte er. »Aus Broch Tuarach?«

»Der nämliche«, sagte Jamie geduldig. Konnte sich der Mann denn nicht ein bisschen beeilen? Sich in das Schicksal des Todes durch die Kugel ergeben zu haben, war eine Sache, aber zuzuhören, wie die eigenen Freunde getötet wurden, eine andere, die alles andere als beruhigend auf die Nerven wirkte. Seine Arme zitterten vor Anstrengung, ihn zu stützen, und in seinen Eingeweiden, die die Resignation seines Verstandes nicht teilten, zuckte und gurgelte die Angst.

»Verdammt«, murmelte der Engländer. Er bückte sich und betrachtete Jamie, der im Schatten der Wand lag, dann wandte er sich um und winkte seinem Leutnant.

»Helft mir, ihn ans Licht zu holen«, befahl er. Sie verfuhren nicht besonders sanft, und Jamie stöhnte auf, als ihm der Schmerz wie ein Blitz vom Bein bis durch die Schädeldecke fuhr. Ihm wurde schwindelig, und im ersten Moment bekam er nicht mit, was Melton zu ihm sagte.

»Seid Ihr der Jakobit, den man den ›Roten Jamie‹ nennt?«, wiederholte er ungeduldig.

Furcht durchzuckte Jamie bei diesen Worten; wenn er durchscheinen ließ, dass er der berüchtigte Rote Jamie war, würden sie ihn nicht erschießen. Sie würden ihn in Ketten nach London bringen, um ihm dort den Prozess zu machen – als Kriegsbeute. Und dann würde ihm der Henkersstrick blühen, und er würde halb erstickt auf dem Galgenpodest liegen, während sie ihm den Bauch aufschlitzten und ihm die Gedärme herausrissen. Wieder gurgelte sein Darm ausgiebig und dröhnend; anscheinend stieß die Vorstellung auch dort nicht auf Begeisterung.

»Nein«, sagte er mit allem, was er noch an Entschlossenheit aufbringen konnte. »Kommt doch einfach zur Sache, ja?«

Ohne seine Worte zu beachten, fiel Melton auf die Knie und riss ihm den Hemdkragen auf. Er packte Jamies Haar und zerrte seinen Kopf zurück.

»Verdammt!«, sagte Melton. Meltons Finger stach ihn in den Hals, gleich oberhalb des Schüsselbeins. Er hatte dort eine kleine, dreieckige Narbe, und diese schien der Grund für die Bestürzung seines Gegenübers zu sein.

»James Fraser aus Broch Tuarach, mit rotem Haar und einer dreieckigen Narbe am Hals.« Melton ließ sein Haar los und hockte sich hin, um sich geistesabwesend das Kinn zu reiben. Dann riss er sich zusammen, wandte sich dem Leutnant zu und zeigte auf die fünf Männer, die sich noch in der Kate befanden.

»Nehmt die anderen mit«, befahl er. Seine blonden Augenbrauen waren zu einem tiefen Stirnrunzeln zusammengezogen. Er stand mit finsterer Miene vor Jamie, während die anderen schottischen Gefangenen fortgebracht wurden.

»Ich muss nachdenken«, murmelte er. »Verdammt, ich muss nachdenken!«

»Tut das«, sagte Jamie, »wenn Ihr könnt. Ich dagegen muss mich hinlegen.« Sie hatten ihn an der Wand zum Sitzen aufgerichtet und das Bein vor ihm ausgestreckt, doch nachdem er zwei Tage gelegen hatte, war das Sitzen zu viel für ihn; das Zimmer schwankte wie betrunken, und vor seinen Augen erschienen kleine blitzende Lichter. Er lehnte sich zur Seite und ließ sich zu Boden sinken, um sich an den Lehmboden zu schmiegen. Mit geschlossenen Augen wartete er auf das Ende des Schwindelanfalls.

Melton murmelte vor sich hin, doch Jamie konnte die Worte nicht ausmachen; er interessierte sich ohnehin nicht besonders dafür. Während er im Licht der Sonne saß, hatte er sein Bein zum ersten Mal genau gesehen, und er war sich hinreichend sicher, dass er nicht mehr lange genug leben würde, um gehängt zu werden.

Das brennende Rot der Entzündung breitete sich von der Mitte seines Oberschenkels aufwärts aus, viel kräftiger als die getrockneten Blutspuren. Die Wunde selbst war vereitert; jetzt, da der Gestank der anderen Männer verschwand, konnte er den schwachen, faulig süßen Geruch des Ausflusses wahrnehmen. Dennoch schien ihm eine rasche Kugel in den Kopf wünschenswerter zu sein als die Schmerzen und das Delirium, wenn er an der Entzündung starb. Ob man wohl den Knall hörte?, fragte er sich und döste ein, den kühlen festen Lehm des Fußbodens glatt und tröstend wie eine Mutterbrust unter seiner heißen Wange.

Er schlief zwar nicht richtig, sondern dämmerte nur im Fieber dahin, doch beim Klang von Meltons Stimme wurde er ruckartig hellwach.

»Grey«, sagte die Stimme, »John William Grey! Kennt Ihr diesen Namen?«

»Nein«, sagte er schlaftrunken und fiebrig. »Hört zu, Mann, erschießt mich oder verschwindet, aye? Ich bin krank.«

»In der Nähe von Carryarick«, bohrte Meltons Stimme ungeduldig weiter. »Ein Junge, ein blonder Junge, ungefähr sechzehn. Ihr seid im Wald auf ihn gestoßen.«

Jamie blinzelte zu dem Quälgeist auf. Zwar trübte das Fieber seinen Blick, doch das fein gemeißelte Gesicht mit den großen, beinahe mädchenhaften Augen hatte etwas vage Vertrautes an sich.

»Oh«, sagte er und fischte ein einzelnes Gesicht aus der Flut der Bilder, die ihm ziellos durch das Hirn wirbelten. »Der Kleine, der versucht hat, mich umzubringen. Aye, ich erinnere mich.« Er schloss die Augen. Auf jene seltsame Art, die dem Fieber eigen ist, schien eine Empfindung mit der anderen zu verschmelzen. Er hatte John William Grey den Arm gebrochen; in seiner Erinnerung wurde der schlanke Knochen unter seiner Hand zu den Knochen in Claires Unterarm, als er sie aus dem Griff der Steine riss. Der kühle Nebelhauch streichelte sein Gesicht mit Claires Fingern.

»Aufwachen, verdammt!« Sein Kopf schlackerte, als ihn Melton ungeduldig schüttelte. »Hört mir zu!«

Jamie öffnete erschöpft die Augen. »Aye?«

»John William Grey ist mein Bruder«, sagte Melton. »Er hat mir von seiner Begegnung mit Euch erzählt. Ihr habt ihm das Leben geschenkt, und er hat Euch ein Versprechen gegeben – ist das wahr?«

Mit großer Mühe ließ er seine Gedanken in die Vergangenheit wandern. Er war dem Jungen zwei Tage vor der ersten Schlacht der Rebellion begegnet, dem schottischen Sieg in Prestonpans. Die sieben Monate, die seitdem vergangen waren, erschienen ihm wie eine gewaltige Kluft; so viel war seitdem geschehen.

»Aye, ich erinnere mich. Er hat mir versprochen, mich umzubringen. Aber ich habe nichts dagegen, wenn Ihr es für ihn tut.« Seine Augenlider wurden wieder schwer. Musste er wach sein, um erschossen zu werden?

»Er sagt, er steht in Eurer Ehrenschuld, und er hat recht.« Melton erhob sich, strich sich den Staub von den Knien seiner Hose und wandte sich dem Leutnant zu, der dieses Verhör mit wachsender Verwunderung beobachtet hatte.

»Es ist eine vertrackte Situation, Wallace. Dieser … dieser jakobitische Schuft ist eine Berühmtheit. Ihr habt doch vom Roten Jamie gehört? Der auf den Flugblättern abgebildet ist?« Der Leutnant nickte und senkte den Blick neugierig auf die heruntergekommene Gestalt im Staub zu seinen Füßen. Melton lächelte bitter.

»Nein, jetzt sieht er nicht mehr so gefährlich aus, nicht wahr? Aber er ist immer noch der Rote Jamie Fraser, und Seine Durchlaucht wäre mehr als erfreut, von einem solch illustren Gefangenen zu hören. Zwar wurde Charles Stuart noch nicht gefunden, aber ein paar berühmte Jakobiten würden die Menge am Tower Hill beinahe genauso begeistern.«

»Soll ich Seiner Durchlaucht eine Nachricht übersenden?« Der Leutnant griff nach seinem Depeschenbehälter.

»Nein!« Melton fuhr herum und funkelte seinen Gefangenen an. »Das ist ja das Problem! Dieser Dreckskerl ist nicht nur erstklassiges Futter für den Galgen, sondern auch der Mann, der meinen jüngsten Bruder in der Nähe von Preston gefangen genommen hat, und statt den Rotzlümmel zu erschießen, wie er es verdient gehabt hätte, hat er ihn verschont und ihn zu seinen Kameraden zurückkehren lassen. Womit er«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen, »meiner Familie eine verdammte Ehrenschuld auferlegt hat!«

»Grundgütiger«, sagte der Leutnant. »Also könnt Ihr ihn Seiner Durchlaucht gar nicht übergeben.«

»Nein, verdammt! Ich kann den Mistkerl nicht einmal erschießen, ohne den Eid meines Bruders zu verletzen!«

Der Gefangene öffnete ein Auge. »Ich werde es niemandem verraten, wenn Ihr es auch nicht tut«, sagte er, um es dann prompt wieder zu schließen.

»Maul halten!« Melton verlor die Beherrschung und trat nach dem Gefangenen, der zwar aufstöhnte, aber nichts mehr sagte.

»Vielleicht könnten wir ihn unter falschem Namen erschießen«, schlug der Leutnant hilfsbereit vor.

Lord Melton warf seinem Adjutanten einen vernichtenden Blick zu, dann hielt er aus dem Fenster nach dem Sonnenstand Ausschau.

»In drei Stunden ist es dunkel. Ich beaufsichtige das Begräbnis der anderen exekutierten Gefangenen. Sucht einen kleinen Wagen und lasst ihn mit Heu füllen. Sucht einen Kutscher – jemand, der diskret ist, Wallace, das bedeutet käuflich, Wallace. Er soll sich hier einfinden, sobald es dunkel ist.«

»Ja, Sir. Äh, Sir? Was ist mit dem Gefangenen?« Der Leutnant wies zögernd auf den Mann am Boden.

»Was soll mit ihm sein?«, sagte Melton schroff. »Er ist zu schwach zum Kriechen, von Laufen ganz zu schweigen. Er wird sich nicht davonmachen – zumindest nicht, bis der Wagen hier ist.«

»Wagen?« Der Gefangene erwachte jetzt zum Leben. Er war sogar so erregt, dass es ihm gelungen war, sich auf einen Arm aufzustützen. Blutunterlaufene blaue Augen glänzten groß und alarmiert unter Stacheln aus verklebtem rotem Haar hervor. »Wohin schickt Ihr mich denn?« Melton wandte sich an der Tür um und warf ihm einen durchdringenden Blick der Abneigung zu.

»Ihr seid doch der Herr von Broch Tuarach, oder? Nun, dort schicke ich Euch hin.«

»Ich will aber nicht nach Hause! Ich will erschossen werden!«

Die Engländer wechselten einen Blick.

»Von Sinnen«, sagte der Leutnant mit vielsagender Miene, und Melton nickte.

»Ich glaube zwar nicht, dass er die Fahrt überleben wird – doch zumindest werde ich seinen Tod nicht auf dem Gewissen haben.«

Die Tür schloss sich fest hinter den Engländern, und Jamie Fraser blieb allein zurück – und nach wie vor lebendig.

Kapitel 2

Die Jagd beginnt

Inverness, 2. Mai 1968

Natürlich ist er tot!« Claires Ton war vor Erregung scharf; ihre Stimme scholl laut durch das halbleere Studierzimmer und hallte von den geplünderten Bücherregalen wider. Sie stand vor der Korkwand wie ein Gefangener, der auf das Exekutionskommando wartet, und ließ den Blick von ihrer Tochter zu Roger Wakefield schweifen und zurück.

»Nein, ich glaube nicht.« Roger fühlte sich furchtbar müde. Er rieb sich das Gesicht, dann nahm er den Aktenordner vom Tisch, der alles enthielt, was er recherchiert hatte, seit Claire und ihre Tochter ihn vor drei Wochen das erste Mal besucht und ihn um Hilfe gebeten hatten.

Er öffnete den Ordner und blätterte ihn langsam durch. Die Jakobiten von Culloden. Der Aufstand von ’45. Die tapferen Schotten, die sich unter Bonnie Prince Charlies Banner gesammelt hatten und wie ein flammendes Schwert durch Schottland gefahren waren – nur um auf dem grauen Moor von Culloden gegen den Herzog von Cumberland vernichtend geschlagen zu werden.

»Hier«, sagte er und zog mehrere zusammengeheftete Blätter heraus. Im schwarz-weißen Kontrast einer Fotokopie sah die alte Handschrift seltsam aus. »Das ist die Musterrolle des jungen Lovat.«

Er hielt Claire die Bögen hin, doch es war ihre Tochter Brianna, die sie ihm abnahm und sie durchzublättern begann, ein kleines Stirnrunzeln zwischen den roten Augenbrauen.

»Lies das obere Blatt«, sagte Roger. »Da, wo ›Offiziere‹ steht.«

»Gut. ›Offiziere‹«, las sie vor, »›Simon, der junge Lovat‹ …«

»Der Junge Fuchs«, unterbrach Roger. »Lovats Sohn. Und fünf weitere Namen, nicht wahr?«

Brianna sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an, las aber weiter. »›William Chisholm Fraser, Leutnant; George D’Amerd Fraser Shaw, Hauptmann; Duncan Joseph Fraser, Leutnant; Bayard Murray Fraser, Major‹«, sie hielt inne und schluckte, ehe sie den letzten Namen las, »›… James Alexander Malcolm MacKenzie Fraser. Hauptmann.‹« Sie ließ die Papiere sinken und wurde ein wenig blass. »Mein Vater.«

Claire war mit einer raschen Bewegung an der Seite ihrer Tochter und drückte der jungen Frau den Arm. Auch sie war blass.

»Ja«, sagte sie zu Roger. »Ich weiß, dass er nach Culloden gegangen ist. Als er mich dort zurückgelassen hat … in dem Steinkreis … hatte er vor, zum Feld von Culloden zurückzukehren, um seine Männer zu retten, die bei Charles Stuart waren. Und wir wissen, dass er das getan hat«, sie wies kopfnickend auf die Mappe auf dem Schreibtisch, deren Oberfläche blank und unschuldig im Lampenschein lag, »du hast ja ihre Namen gefunden. Aber … aber … Jamie …« Den Namen laut auszusprechen, schien sie zu erschüttern, und sie presste die Lippen zusammen.

Jetzt war es an Brianna, ihre Mutter zu stützen.

»Er hatte vor zurückzukehren, hast du gesagt.« Ihre dunkelblauen Augen konzentrierten sich ermutigend auf das Gesicht ihrer Mutter. »Er hatte vor, seine Männer vom Feld fortzubringen und dann in die Schlacht zurückzukehren.«

Claire nickte und fasste sich wieder ein wenig.

»Er wusste ja, dass er keine große Chance hatte davonzukommen; wenn ihn die Engländer aufgespürt hätten … Er hat gesagt, er würde lieber in der Schlacht sterben. Das war es, was er vorhatte.« Der Blick ihrer Bernsteinaugen richtete sich auf Roger. Sie erinnerten ihn verstörend an Falkenaugen, als könnte sie um einiges weiter sehen als die meisten anderen Menschen. »Ich kann es nicht glauben, dass er nicht dort gestorben ist – es sind so viele dort gestorben, und er hat es darauf angelegt!«

Fast die Hälfte der Highlandarmee war in Culloden umgekommen, niedergemäht im Feuer der Kanonen und der sengenden Musketen. Aber Jamie Fraser nicht.

»Nein«, sagte Roger unbeirrbar. »Diese Passage aus Linklaters Buch, die ich dir vorgelesen habe …« Er streckte die Hand nach dem Buch aus, ein weißer Band mit dem Titel Der Prinz in der Heide.

»Nach der Schlacht«, las er, »suchten achtzehn jakobitische Offiziere, alle verwundet, Zuflucht in dem alten Haus und lagen zwei Tage unter Schmerzen dort, ohne dass man ihre Verletzungen versorgte; dann holte man sie ins Freie, um sie zu erschießen. Einer von ihnen, ein Fraser aus dem Regiment des jungen Lovat, entkam dem Gemetzel; die anderen sind am Rand der Parkanlage begraben. Verstehst du?«

Er legte das Buch nieder und richtete den Blick ernst auf die beiden Frauen. »Ein Offizier aus dem Regiment des jungen Lovat.« Er ergriff die Bögen der Musterrolle.

»Und hier sind sie! Es gab nur sechs. Und wir wissen, dass der Mann in der Kate nicht Simon gewesen sein kann; er ist eine bekannte historische Figur, und wir wissen sehr genau, was aus ihm geworden ist. Er hat mit einer Gruppe seiner Männer den Rückzug angetreten – und zwar unverletzt – und sich nach Norden durchgekämpft, bis er schließlich Beaufort erreichte, ganz in der Nähe.« Er wies vage auf die Glastür, durch die das schwache Glitzern der Lichter von Inverness drang.

»Und der Mann, der aus Leanach entkommen ist, war auch keiner der anderen vier Offiziere – William, George, Duncan oder Bayard«, sagte Roger. »Warum?« Er fischte ein anderes Blatt aus dem Ordner und wedelte beinahe triumphierend damit. »Weil sie alle in Culloden gestorben sind! Sie sind alle vier auf dem Feld gefallen – ich habe ihre Namen auf einer Gedenktafel in der Kirche von Beauly gefunden.«

Claire atmete tief aus, dann ließ sie sich auf den alten Lederdrehstuhl hinter dem Schreibtisch sinken.

»Jesus H. Christ«, sagte sie. Sie schloss die Augen und beugte sich vor, die Ellbogen auf dem Tisch und den Kopf in die Hände gestützt, so dass ihr die dichten braunen Locken vor das Gesicht fielen und es verbargen. Brianna legte Claire die Hand auf den Rücken und beugte sich mit besorgter Miene über ihre Mutter. Sie war eine hochgewachsene junge Frau mit ausgeprägten, feinen Knochen, und ihr langes rotes Haar schimmerte im Licht der Schreibtischlampe.

»Wenn er nicht gestorben ist …«, begann sie zögerlich.

Claires Kopf fuhr auf. »Aber er ist tot!«, sagte sie. Ihr Gesicht war angespannt, und rings um ihre Augen malten sich kleine Falten ab. »In Gottes Namen, es ist zweihundert Jahre her; ob er nun in Culloden gestorben ist oder nicht, jetzt ist er tot!«

Die heftige Reaktion ihrer Mutter ließ Brianna zurückweichen, und sie senkte den Kopf, so dass das rote Haar – das rote Haar ihres Vaters – neben ihrer Wange niederschwang.

»So ist es wohl«, flüsterte sie. Roger konnte sehen, dass sie mit den Tränen kämpfte. Kein Wunder, dachte er. Kurz nacheinander erst herauszufinden, dass der Mann, den man ein Leben lang »Vater« genannt hatte, gar nicht der richtige Vater war, dann, dass der richtige Vater ein Highlandschotte war, der vor zweihundert Jahren gelebt hatte, und drittens zu begreifen, dass er vermutlich auf grauenhafte Weise umgekommen war, undenkbar weit fort von der Frau und dem Kind, für die er sich geopfert hatte … das konnte einen schon aus der Bahn werfen, dachte Roger.

Er trat zu Brianna und berührte ihren Arm. Sie warf ihm einen kurzen, zerstreuten Blick zu und versuchte zu lächeln. Er legte die Arme um sie und dachte bei allem Mitgefühl für ihre Bestürzung doch auch, wie herrlich sie sich anfühlte, warm und weich und geschmeidig zugleich.

Claire saß nach wie vor reglos am Schreibtisch. Ihre gelben Falkenaugen hatten jetzt einen weicheren Farbton angenommen und verloren sich in der Erinnerung. Sie ruhten blicklos auf der östlichen Wand des Studierzimmers, die auch jetzt noch von der Decke bis zum Boden mit den Notizen und Erinnerungsstücken Reverend Wakefields bedeckt war, der Rogers Adoptivvater gewesen war.

Auch Roger richtete den Blick auf die Wand und sah die Einladung zur Jahresversammlung der Gesellschaft der Weißen Rose – jener begeisterungsfähigen, exzentrischen Seelen, die auch heute noch von der Unabhängigkeit Schottlands träumten und sich zum nostalgischen Tribut an Charles Stuart zusammenfanden und an die Highlandhelden, die ihm gefolgt waren.

Roger räusperte sich leise.

»Äh … wenn Jamie Fraser nicht in Culloden gestorben ist …«, sagte er.

»Dann ist er vermutlich kurz darauf gestorben.« Claires Augen sahen Roger unverblümt an, und jetzt war der kühle Ausdruck in die gelblich braunen Tiefen zurückgekehrt. »Du hast doch keine Ahnung, wie es damals war«, sagte sie. »Es herrschte Hungersnot in den Highlands – vor der Schlacht hatten sie alle tagelang nichts mehr gegessen. Er war verletzt – das wissen wir. Selbst wenn er entkommen wäre, wäre ja niemand da gewesen, der sich … um ihn kümmerte.« Ihre Stimme überschlug sich leise; heute war sie Ärztin, war schon damals Heilerin gewesen, zwanzig Jahre zuvor, als sie durch einen Steinkreis geschritten war und ihrem Schicksal in Gestalt von James Alexander Malcolm MacKenzie Fraser begegnet war.

Roger war sich der beiden Frauen bewusst; der hochgewachsenen, zitternden jungen Frau, die er in den Armen hielt, und der Frau am Schreibtisch, so reglos und gefasst. Sie war durch die Steine gereist, durch die Zeit; war der Spionage verdächtigt worden, als Hexe verhaftet worden, durch eine unvorstellbare Laune des Schicksals aus den Armen ihres ersten Ehemanns Frank Randall gerissen worden. Und drei Jahre später hatte ihr zweiter Mann Jamie Fraser sie schwanger durch die Steine zurückgeschickt, ein verzweifelter Versuch, sie und das ungeborene Kind vor der Katastrophe zu retten, die unweigerlich über ihn hereinbrechen würde.

Gewiss, so dachte er, hat sie doch genug durchgemacht? Doch Roger war Historiker. Er besaß die unersättliche, amoralische Neugier eines Wissenschaftlers, die zu machtvoll war, um sich von simplem Mitgefühl bändigen zu lassen. Mehr noch, er empfand ein seltsames Gespür für die dritte Person in der Familientragödie, in die er sich verwickelt sah – Jamie Fraser.

»Wenn er nicht in Culloden gestorben ist«, begann er erneut, diesmal entschlossener, »dann kann ich vielleicht herausfinden, was aus ihm geworden ist. Möchtest du, dass ich es versuche?« Er wartete atemlos und spürte Briannas warmen Atem durch sein Hemd.

Jamie Fraser hatte gelebt und war gestorben. Roger hatte das obskure Gefühl, dass es seine Pflicht war, es herauszufinden, dass Jamie Frasers Frauen es verdienten zu erfahren, was immer sich über ihn herausfinden ließ. Für Brianna war dieses Wissen alles, was sie von dem Vater haben würde, dem sie nie begegnet war. Und für Claire … Hinter der Frage, die er gestellt hatte, steckte der Gedanke, der ihr sichtlich noch nicht gekommen war, betäubt und schockiert, wie sie war: Sie hatte die Barriere der Zeit zweimal überwunden. Möglich, dass sie es noch einmal vermochte. Und wenn Jamie Fraser nicht in Culloden gestorben war …

Er sah, wie es im trüben Bernstein ihrer Augen aufflackerte, als ihr der Gedanke kam. Sie war ohnehin immer blass; jetzt wurde ihr Gesicht so weiß wie der Elfenbeingriff des Brieföffners vor ihr auf dem Schreibtisch. Ihre Finger schlossen sich so fest darum, dass sich die Knöchel deutlich abmalten.

Lange Zeit sagte sie nichts. Ihr Blick heftete sich auf Brianna und verweilte einen Moment, dann kehrte er zu Rogers Gesicht zurück.

»Ja«, sagte sie, ein Flüstern, so leise, dass er sie kaum hören konnte. »Ja. Finde es für mich heraus. Bitte. Finde es heraus.«

Kapitel 3

Frank und frei

Inverness, 9. Mai 1968

Die Brücke über den Ness war voller Fußgänger, die nach Hause zum Abendessen strömten. Roger ging voraus, und seine breiten Schultern schützten mich vor den Remplern der Menge ringsum.

Ich konnte mein Herz heftig gegen den Umschlag des Buches schlagen spüren, das ich an meine Brust geklammert hielt. Ich bekam jedes Mal Herzklopfen, wenn ich innehielt, um darüber nachzudenken, was wir hier tatsächlich taten. Ich war mir nicht sicher, welche der möglichen Alternativen schlimmer war; herauszufinden, dass Jamie in Culloden gestorben war, oder herauszufinden, dass es nicht so war.

Die Bohlen der Brücke hallten unter unseren Füßen wider, als wir nun zum Pfarrhaus zurückstapften. Vom Gewicht der Bücher taten mir die Arme weh, und ich verlagerte sie auf die andere Seite.

»Pass auf mit dem verdammten Rad, Mann!«, rief Roger und schubste mich geschickt zur Seite, als ein Arbeiter auf dem Fahrrad mit gesenktem Kopf durch den Verkehr auf der Brücke pflügte und mich dabei um ein Haar gegen die Reling stieß.

»’tschuldigung«, rief er und winkte hinter sich, während sich sein Rad zwischen zwei Gruppen von Schulkindern auf dem Heimweg zum Tee hindurchschlängelte. Ich warf einen Blick über die Brücke, um zu sehen, ob Brianna irgendwo hinter uns war, doch es war nichts von ihr zu sehen.

Roger und ich hatten den Nachmittag bei der Gesellschaft zur Erhaltung historischer Antiquitäten verbracht. Brianna war zum Informationsbüro der Highlandclans gegangen, um dort eine Liste von Dokumenten zu fotokopieren, die Roger zusammengestellt hatte.

»Es ist wirklich nett, dass du dir solche Mühe machst, Roger«, sagte ich und hob die Stimme, um im Widerhall der Brücke und dem Rauschen des Flusses gehört zu werden.

»Keine Ursache«, sagte er etwas verlegen und blieb stehen, damit ich ihn einholen konnte. »Ich bin neugierig«, fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu. »Du weißt doch, wie Historiker sind – können die Finger nicht von solchen Rätseln lassen.« Er schüttelte den Kopf und versuchte, sich das vom Wind zerzauste Haar aus den Augen zu streichen, ohne die Hände zu benutzen.

Ich wusste in der Tat, wie Historiker sind. Ich hatte zwanzig Jahre mit einem zusammengelebt. Auch Frank hatte die Finger nicht von genau diesem Rätsel lassen können. Allerdings war er auch nicht darauf erpicht gewesen, es zu lösen. Doch Frank war seit zwei Jahren tot, und jetzt war ich an der Reihe – ich und Brianna.

»Hast du schon von Dr. Linklater gehört?«, fragte ich, als wir das Ende der Brücke erreichten. Es war zwar schon später Nachmittag, doch so weit im Norden stand die Sonne noch hoch am Himmel. Sie fing sich im Laub der Linden am Flussufer und leuchtete rötlich auf dem Granit des Gedenksteins am Fuß der Brücke.

Roger schüttelte den Kopf und kniff die Augen gegen den Wind zusammen. »Nein, aber ich habe ihm ja erst vor einer Woche geschrieben. Wenn ich bis Montag nichts höre, versuche ich, ihn anzurufen. Keine Sorge«, er lächelte mich von der Seite an, »ich habe mich ganz vorsichtig ausgedrückt. Ich habe ihm nur gesagt, dass ich – falls vorhanden – für eine Studie, die ich durchführe, eine Liste der jakobitischen Offiziere benötige, die nach der Schlacht Culloden in der Kate von Leanach waren, und ihn gefragt, ob er mir seine Primärquellen nennt, falls es Informationen über den Überlebenden dieser Exekution gibt?«

»Kennst du Linklater persönlich?«, fragte ich und entlastete meinen linken Arm, indem ich mir die Bücher seitlich auf die Hüfte stemmte.

»Nein, aber ich habe einen Briefbogen des Balliol College für meine Anfrage benutzt und eine taktvolle Anspielung auf Mr. Cheesewright einfließen lassen, meinen ehemaligen Tutor, und der kennt Linklater.« Roger zwinkerte mir mit einem Auge beruhigend zu, und ich lachte.

Seine Augen waren leuchtend grün und glitzerten mir aus einem braunen Gesicht entgegen. Er mochte ja behaupten, dass er uns nur aus Neugier half, Jamies Geschichte herauszufinden, aber mir war sehr wohl bewusst, dass sein Interesse um einiges tiefer ging – in Briannas Richtung. Außerdem wusste ich, dass das Interesse auf Gegenseitigkeit beruhte. Was ich nicht wusste, war, ob Roger das ebenfalls klar war.

Im Studierzimmer des verstorbenen Reverends ließ ich den Arm voller Bücher erleichtert auf den Schreibtisch fallen und sank in den Ohrensessel am Kamin, während Roger ein Glas Limonade aus der Pfarrhausküche holen ging.

Meine Atmung verlangsamte sich zwar, während ich an der bitteren Süße nippte, doch mein Pulsschlag blieb unruhig, als mein Blick über den gewaltigen Bücherstapel schweifte, den wir mitgebracht hatten. War Jamie dort irgendwo? Und wenn es so war … Meine Hände wurden feucht auf dem kalten Glas, und ich würgte den Gedanken ab. Nicht zu weit in die Zukunft blicken, mahnte ich mich zur Vernunft. Besser erst einmal abwarten und sehen, was wir finden mochten.

Rogers Blick suchte die Regale im Studierzimmer nach weiteren möglichen Quellen ab. Reverend Wakefield, Rogers verstorbener Adoptivvater, war sowohl ein guter Amateurhistoriker als auch ein Mensch gewesen, der nichts wegwerfen konnte; Briefe, Tagebücher, Pamphlete und Flugblätter, antike und zeitgenössische Bücher – alles drängte sich Seite an Seite auf den Regalen.

Roger zögerte, dann fiel seine Hand auf einen Stapel Bücher, die neben ihm auf einem Tisch lagen. Es waren Franks Bücher – eine eindrucksvolle Leistung, soweit ich das anhand der Lobeshymnen auf den Schutzumschlägen beurteilen konnte.

»Hast du das hier je gelesen?«, fragte er und ergriff den Band mit dem Titel Die Jakobiten.

»Nein«, sagte ich. Ich trank einen stärkenden Schluck Limonade und hustete. »Nein«, wiederholte ich. »Ich konnte es nicht.« Nach meiner Rückkehr hatte ich mich entschlossen geweigert, mich mit irgendwelchem Material zu befassen, das mit Schottlands Vergangenheit zu tun hatte, obwohl das achtzehnte Jahrhundert eins von Franks Spezialgebieten gewesen war. Angesichts der Gewissheit, dass Jamie tot war, und der Notwendigkeit, ohne ihn leben zu müssen, hatte ich alles vermieden, was mich an ihn erinnert hätte. Ein nutzloses Unterfangen – es war unmöglich, nicht an ihn erinnert zu werden, wo ihn mir doch Briannas Existenz tagtäglich vor Augen hielt –, doch ich konnte einfach keine Bücher über den Bonnie Prince – diesen schrecklichen, nichtsnutzigen jungen Mann – oder seine Anhänger lesen.

»Ich verstehe. Ich dachte nur, du wüsstest vielleicht, ob hier etwas Brauchbares steht.« Roger hielt inne, und die Röte auf seinen Wangen nahm zu. »War … äh, war dein Mann … Frank, meine ich«, fügte er hastig hinzu. »Hast du ihm erzählt … äh … was …« Er verstummte, weil ihm Verlegenheit die Stimme raubte.

»Aber natürlich habe ich das!«, sagte ich etwas scharf. »Was dachtest du denn – dass ich nach dreijähriger Abwesenheit einfach in sein Büro spaziert bin und gesagt habe: ›Oh, hallo, Schatz, was hättest du heute gern zum Abendessen?‹«

»Nein, natürlich nicht«, murmelte Roger. Er wandte sich ab, den Blick auf die Regale gerichtet. Sein Nacken war rot vor Verlegenheit.

»Entschuldige«, sagte ich und holte tief Luft. »Die Frage ist ja berechtigt. Es ist nur … selbst heute noch ein wunder Punkt.« Ein ziemlich wunder Punkt. Ich war gleichermaßen überrascht und entgeistert festzustellen, wie sehr es immer noch schmerzte. Ich stellte das Glas neben mir auf den Tisch. Wenn wir dieses Gespräch fortsetzen wollten, würde ich etwas Stärkeres als Limonade brauchen.

»Ja«, sagte ich. »Ich habe es ihm erzählt. Alles über die Steine – über Jamie. Alles.«

Im ersten Moment antwortete Roger nicht. Dann wandte er sich halb um, so dass nur die kräftigen, scharfen Konturen seines Profils zu sehen waren. Sein Blick war nicht auf mich gerichtet, sondern auf den Stapel mit Franks Büchern, auf Frank, dessen Foto auf der Rückseite des Umschlags für die Nachwelt lächelte, schlank, dunkel und attraktiv.

»Hat er dir geglaubt?«, fragte Roger leise.

Meine Lippen klebten von der Limonade, und ich leckte sie mir, ehe ich antwortete.

»Nein«, sagte ich. »Anfangs nicht. Er dachte, ich bin verrückt; hat mich sogar von einem Psychologen begutachten lassen.« Ich lachte kurz, doch bei der Erinnerung an meine Wut ballte ich die Fäuste.

»Später also?« Roger wandte sich mir ganz zu. Die Röte auf seiner Haut war verblasst, nur der Hauch von Neugier in seinen Augen war geblieben. »Was hat er dann gedacht?«

Ich holte tief Luft und schloss die Augen. »Ich weiß es nicht.«

 

Das kleine Krankenhaus in Inverness roch ungewohnt nach Karbolsäure und Wäschestärke.

Ich konnte nicht denken und versuchte, nicht zu fühlen. Die Rückkehr war viel schrecklicher, als es meine Reise in die Vergangenheit gewesen war, denn dort hatte mich eine schützende Schicht aus Zweifel und Unglauben in Bezug auf meine Umgebung und die Ereignisse umgeben, und ich hatte in der ständigen Hoffnung auf Entrinnen gelebt. Jetzt wusste ich nur zu gut, wo ich war, und ich wusste, dass es kein Entrinnen gab. Jamie war tot.

Die Ärzte und Schwestern waren um eine freundliche Ansprache bemüht und boten mir Essen und Trinken an, doch in meinem Inneren gab es keinen Raum für etwas anderes als Schmerz und Grauen. Ich hatte ihnen meinen Namen gesagt, als sie mich fragten, doch ansonsten sprach ich nicht.

Ich lag in dem sauberen weißen Bett, die Finger über meinem verletzlichen Bauch fest ineinandergekrallt, und hielt die Augen geschlossen. Wieder und wieder dachte ich an die letzten Bilder, die ich gesehen hatte, ehe ich die Steine durchschritt – das verregnete Moor und Jamies Gesicht –, denn ich wusste, dass sie verblassen würden, wenn ich den Blick zu lange auf meine neue Umgebung richtete, verdrängt durch Alltägliches wie die Schwestern oder die Blumenvase an meinem Bett. Verstohlen drückte ich den einen Daumen gegen die Wurzel des anderen und fand obskuren Trost in der kleinen Verletzung an dieser Stelle, einem kleinen Schnitt in Form des Buchstaben J. Jamie hatte ihn mir zugefügt, weil ich es verlangt hatte – seine letzte Berührung auf meiner Haut.

Ich muss einige Zeit so verbracht haben; manchmal schlief ich und träumte von den letzten Tagen des Jakobitenaufstands – wieder sah ich den Toten im Wald, der unter einer Decke aus leuchtend blauen Pilzen schlief, und Dougal MacKenzie, der auf dem Fußboden einer Dachkammer im Culloden House starb; die zerlumpten Männer der Highlandarmee, die in schlammigen Gräben schliefen; ihr letzter Schlaf vor dem Gemetzel.

Ich erwachte schreiend oder stöhnend, umgeben von Desinfektionsmittelgeruch und tröstenden Worten, unverständlich im Echo der gälischen Rufe in meinen Träumen, und schlief wieder ein, den Schmerz in meiner Handfläche fest umklammert.

Und dann schlug ich die Augen auf, und Frank war da. Er stand in der Tür, strich sich mit einer Hand das dunkle Haar zurück, und blickte unsicher drein – kein Wunder, der Arme.

Ich lag in den Kissen und beobachtete ihn nur, ohne zu sprechen. Er hatte das Aussehen seiner Vorfahren, Jack und Alex Randall; feine, klare, aristokratische Züge und einen wohlgeformten Kopf unter dem glatten dunklen Haar. Nichts an ihm zeugte von Angst oder Gewissenlosigkeit; er besaß weder Alex’ Spiritualität noch Jacks eisige Arroganz. Sein hageres Gesicht sah intelligent, gütig und ein wenig müde aus, unrasiert und mit dunklen Rändern unter den Augen. Ich wusste ohne Worte, dass er die ganze Nacht durchgefahren war, um hierherzukommen.

»Claire?« Er kam zum Bett herüber und sprach zögernd, als sei er sich nicht sicher, ob ich tatsächlich Claire war.

Ich war mir selbst nicht sicher, doch ich nickte und sagte: »Hallo, Frank.« Meine Stimme war kratzig und rauh, so ungewohnt war das Sprechen.

Er nahm eine meiner Hände, und ich überließ sie ihm.

»Fehlt … dir etwas?«, sagte er nach einer Minute. Seine Stirn war leicht gerunzelt, als er mich ansah.

»Ich bin schwanger.« Das schien meinem verwirrten Verstand das Wichtigste zu sein. Ich hatte nicht darüber nachgedacht, was ich zu Frank sagen würde, wenn ich ihn je wiedersah, doch in dem Moment, als ich ihn in der Tür stehen sah, hatte ich Klarheit. Ich würde ihm sagen, dass ich schwanger war, er würde gehen, und ich würde allein sein mit meinem letzten Bild von Jamies Gesicht und seiner brennenden Berührung in meiner Hand.

Sein Gesicht spannte sich ein wenig an, doch er ließ meine andere Hand nicht los. »Ich weiß. Sie haben es mir gesagt.« Er atmete tief ein und wieder aus. »Claire – kannst du mir sagen, was dir zugestoßen ist?«

Im ersten Moment fühlte ich mich völlig leer, dann zuckte ich mit den Schultern.

»Ich denke schon«, sagte ich. Kraftlos nahm ich meine Gedanken zusammen; ich wollte nicht darüber sprechen, doch ich empfand eine Verpflichtung gegenüber diesem Mann. Keine Schuld, noch nicht; aber auf jeden Fall Verpflichtung. Ich war mit ihm verheiratet gewesen.

»Nun ja«, sagte ich, »ich habe mich in einen anderen verliebt, und ich habe ihn geheiratet. Es tut mir leid«, fügte ich als Reaktion auf den schockierten Blick hinzu, der sich über sein Gesicht breitete, »ich konnte nicht anders.«

Das hatte er nicht erwartet. Sein Mund öffnete und schloss sich eine Weile, und er packte meine Hand so fest, dass ich zusammenfuhr und sie ihm entriss.

»Was meinst du damit?«, sagte er scharf. »Wo bist du gewesen, Claire?« Er erhob sich plötzlich und stand finster über dem Bett.

»Erinnerst du dich noch, dass ich vorhatte, zu dem Steinkreis auf dem Craigh na Dun zu gehen, als ich dich das letzte Mal gesehen habe?«

»Ja?« Er starrte mit einer Miene irgendwo zwischen Wut und Argwohn auf mich hinunter.

»Nun ja«, ich leckte mir die Lippen, die völlig trocken geworden waren, »es ist so, dass ich durch einen gespaltenen Stein in diesem Kreis geschritten bin und im Jahr 1743 rausgekommen bin.«

»Mach keine Witze, Claire!«

»Du glaubst, ich mache einen Witz?« Der Gedanke war so absurd, dass ich tatsächlich anfing zu lachen, obwohl mir nichts so fernlag wie echter Humor.

»Hör auf damit!«

Ich hörte auf zu lachen. Wie von Zauberhand erschienen zwei Schwestern in der Tür; sie mussten sich im Flur aufgehalten haben. Frank beugte sich über mich und packte meinen Arm.

»Hör mir zu«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Du wirst mir jetzt sagen, wo du gewesen bist und was du getan hast!«

»Ich erzähle es dir doch! Lass los!« Ich setzte mich im Bett auf und entriss ihm meinen Arm. »Ich habe es dir gesagt; ich bin durch einen Stein gegangen und vor zweihundert Jahren herausgekommen. Und ich bin dort deinem verdammten Vorfahren Jack Randall begegnet!«

Frank blinzelte völlig verblüfft. »Wem?«

»Black Jack Randall, und was für ein dreckiger Perverser er war!«

Frank hing der Mund auf, genau wie den Schwestern. Hinter ihnen konnte ich Schritte durch den Korridor kommen hören und hastende Stimmen.

»Ich musste Jamie Fraser heiraten, um Jack Randall zu entkommen, aber dann … Jamie … ich konnte nicht anders, Frank, ich habe ihn geliebt, und ich wäre bei ihm geblieben, wenn ich es gekonnt hätte, aber er hat mich zurückgeschickt, wegen Culloden und dem Baby und …« Ich brach ab, weil sich ein Mann in Arztkleidung an den Schwestern in der Tür vorbeidrängte.

»Frank«, sagte ich müde, »es tut mir leid. Ich hatte das nicht vor, und ich habe alles getan, um zurückzukehren – wirklich –, aber ich konnte es nicht. Und jetzt ist es zu spät.«

Ungebeten begannen mir die Tränen in die Augen zu steigen und über die Wangen zu laufen. Zum Großteil Tränen um Jamie und um mich und das Kind, das ich trug, doch auch um Frank. Ich zog die Nase hoch und schluckte, um sie zu unterdrücken, und schob mich ganz zum Sitzen hoch.