Perry Rhodan 1260: Das letzte Chronofossil - Marianne Sydow - E-Book

Perry Rhodan 1260: Das letzte Chronofossil E-Book

Marianne Sydow

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Beschreibung

Duell auf EDEN II - Gesil gegen den Herrn der Elemente Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man den Mai des Jahres 429 NGZ. In den Wochen zuvor sind im Solsystem viele Dinge geschehen. Da war zum Beispiel der Angriff der beiden letzten Elemente des Dekalogs. Doch er wurde abgewehrt, und das Chronofossil Terra konnte aktiviert werden. Damit ergibt sich eine neue Lage: Die Endlose Armada macht sich auf den langen Weg in Richtung Behaynien. Perry Rhodan geht auf die Suche nach EDEN II. Die Reste des Virenimperiums haben sich im Raum Terras zusammengeballt. Und viele Menschen beginnen, die Auswirkung der Aktivierung Terras zu spüren. Sie empfinden sich als Galaktiker und werden von akutem Fernweh ergriffen. Dieses Fernweh wird durch die Virenschiffe gestillt, die mit ihren Passagieren Kurs in die Unendlichkeit des Alls nehmen. Ähnlich wie Perry Rhodan haben auch Vironauten-Gruppen, die sich nicht nur aus Terranern und Terra-Abkömmlingen, sondern auch aus Extraterrestriern zusammensetzen, ihre ganz spezifischen Ziele, als sie zu ihrer großen Reise aufbrechen. Doch während es den meisten Vironauten nur um das Abenteuer geht und darum, neue Bereiche des Kosmos zu erleben, geht es Perry Rhodan um seine Aufgabe. Er sucht EDEN II zu aktivieren - DAS LETZTE CHRONOFOSSIL ...

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Nr. 1260

Das letzte Chronofossil

Duell auf EDEN II – Gesil gegen den Herrn der Elemente

von Marianne Sydow

Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man den Mai des Jahres 429 NGZ. In den Wochen zuvor sind im Solsystem viele Dinge geschehen. Da war zum Beispiel der Angriff der beiden letzten Elemente des Dekalogs. Doch er wurde abgewehrt, und das Chronofossil Terra konnte aktiviert werden.

Damit ergibt sich eine neue Lage: Die Endlose Armada macht sich auf den langen Weg in Richtung Behaynien. Perry Rhodan geht auf die Suche nach EDEN II. Die Reste des Virenimperiums haben sich im Raum Terras zusammengeballt. Und viele Menschen beginnen, die Auswirkung der Aktivierung Terras zu spüren. Sie empfinden sich als Galaktiker und werden von akutem Fernweh ergriffen.

Dieses Fernweh wird durch die Virenschiffe gestillt, die mit ihren Passagieren Kurs in die Unendlichkeit des Alls nehmen.

Die Hauptpersonen des Romans

Gesil – Sie sucht den Herrn der Elemente, um ihn zu bekämpfen.

V'Aupertir – Der Herr der Elemente auf EDEN II.

Shrou – Ein ehemaliger Kopfjäger.

Tako Kakuta und Kitai Ishibashi – Die Altmutanten im Sog der Nega-Psis.

ES – Die Superintelligenz in höchster Not.

Perry Rhodan

1.

Hier stand er nun endlich, auf EDEN II, dem Ziel all seiner Bemühungen so nahe wie nie zuvor. Er, der Herr der Elemente.

In der Maske des Gurus Magus Coyaniscatsi hatte er sich eingeschlichen, und er hatte sie alle überrumpelt: Die Raumfahrer aus der Milchstraße, den Terraner Perry Rhodan – und vor allem ES, diese Superintelligenz, die ihm ein Dorn im Auge war.

ES war keine Gefahr mehr. Die zwanzig Virenschiffe hatten sich in Nega-Psis verwandelt. Die von den psionischen Wirbelfeldern ausgehende Schockwirkung lähmte die Raumfahrer, und sie lähmte auch ES und machte ihn hilflos. Diese Schockwirkung zwang die Superintelligenz, sich mental und materiell zu entäußern, ihre Geschöpfe freizugeben. In Scharen tauchten die Konzepte überall auf EDEN II auf. Sie strebten dem Rand der Planetenfläche entgegen, und keines von ihnen würde seinem Schicksal entgehen.

Der Herr der Elemente wusste das. Die Schlacht war bereits gewonnen. Niemand war mehr da, der ihm Widerstand leisten konnte. Er brauchte nur noch den Bewusstseinskern der Superintelligenz zu suchen und zu finden, was keine Schwierigkeiten mit sich bringen würde. Und dann ...

Er bedachte die apfelgroße, grüne Kristallkugel mit einem flüchtigen Blick und verstaute sie in einer Tasche seiner weißen Robe. Es würde einfach sein, und es würde schnell gehen. Beinahe zu schnell und zu leicht nach der langen Zeit der Vorbereitung.

Er konnte sich den Luxus erlauben, sich Zeit zu lassen, um sich zu erinnern. Es war – so meinte er – der rechte Augenblick dafür. Und es war auch der rechte Ort.

Er stand auf dem Gipfel, sowohl in der Realität, als auch im übertragenen Sinne. Er hatte den Gipfel seiner Macht erreicht – zumindest würde das der Fall sein, wenn er ES den Gnadenstoß versetzt hatte, aber das war eigentlich nur noch eine Formalität. Er konnte gut noch ein wenig damit warten. Und er stand auf einem wirklichen Gipfel, einem gigantischen Berg nahe dem Zentrum von EDEN II.

Tief unter ihm verdeckte eine dichte Wolkendecke das Land, und nur dieser eine Gipfel ragte daraus hervor.

Dem Herrn der Elemente erschien dies wie ein Gleichnis.

Er lehnte sich an einen Felsen und erinnerte sich.

Das Zeitalter der Barbarei.

Vor rund einhundert Millionen Jahren war auf Aupert, dem zweiten von insgesamt sieben Planeten der Sonne Aupertir in der Galaxis K'aan das humanoide Volk der V'Aupertir entstanden. Ein wildes, kämpferisches Volk, das sich am Anfang seiner Entwicklung mehr von seinen Instinkten als von seinem Verstand leiten ließ. Aber diese wilden Barbaren errichteten eine primitive Zivilisation, und nach Jahrtausenden erreichten sie einen wissenschaftlich-technischen Stand, der es ihnen erlaubte, die Planeten ihres Sonnensystems anzufliegen und Eingriffe in das Erbgut vorzunehmen.

Damit begann eine neue Epoche:

Das Zeitalter der Eroberer.

Genetische Veränderungen und Manipulationen veränderten das Volk der V'Aupertir. Sie besiedelten fremde Planeten und passten sich deren Bedingungen an. Ihre Geschichte war nach wie vor kriegerisch, denn viele jener Planeten, nach denen sie griffen, waren bereits bewohnt. Sie führten Krieg gegen nicht-humanoide Völker, aber auch gegen solche, die ihnen sehr ähnlich sahen. Als das Zeitalter der Eroberer vorüber war, beherrschten die V'Aupertir die Galaxis K'aan vollständig.

Es folgte das Zeitalter der Wissenschaft.

Jahrzehntausende kultureller Blüte, aber auch Kriege mit anderen Sternenreichen. Nachbargalaxien wurden erobert und kolonisiert. Die V'Aupertir steigerten künstlich ihre Intelligenz und bezahlten dafür mit einem Rückgang der Instinkte. Längst gab es gravierende Unterschiede zwischen den »echten« V'Aupertir, die den Planeten Aupert bewohnten, und ihren Abkömmlingen, die sich dem Leben auf fremden Planeten angepasst hatten. Diese Epoche mündete in Stagnation und Zerfall.

Es begann das Zeitalter der ersten Stille.

Der Ursprungsplanet Aupert war bei den Abkömmlingen des Volkes der V'Aupertir in Vergessenheit geraten – nicht ohne Zutun der »echten« V'Aupertir, die sich in eine freiwillige Isolation begeben hatten. Während ihre Nachkommen unverdrossen überall im Universum immer neue Kolonien gründeten und sich dabei den Gegebenheiten immer neuer Planeten anpassten, wandte sich das Interesse der »echten« V'Aupertir metaphysischen und philosophischen Themen zu. Ihre gesteigerte Intelligenz und die phantastische Technik, über die sie geboten, führten sie nach dem Zeitalter der Stille in das Zeitalter der Wanderung, in dem die V'Aupertir ihren Ursprungsplaneten für immer verließen und in fliegenden Städten das All durchkreuzten. Sie perfektionierten ihre technischen Hilfsmittel bis zu einem Stand, an dem körperliche Betätigungen praktisch nicht mehr notwendig waren, und sie zogen die Konsequenzen, indem sie durch genetische Eingriffe ihre Intelligenz auf Kosten der körperlichen Entwicklung bis ins Extrem steigerten. Aber nicht nur ihre Intelligenz, sondern auch ihre sonstigen geistigen Fähigkeiten wuchsen, und sie entdeckten eine neue, psionische Welt. Ihre Sucht nach Erkenntnis trieb sie durch die Weiten des Universums, und oft entdeckten sie auf ihren Reisen Zivilisationen und Sternenreiche, die von ihren eigenen Nachkommen errichtet worden waren. Sie beeinflussten viele von ihnen, griffen in ihre Entwicklung ein, und doch trieb es sie immer weiter. Nirgends fanden sie Ruhe.

Es war eine große Zeit, die Millionen von Jahren währte, und der Herr der Elemente erinnerte sich gerne an sie – viel lieber, als zum Beispiel an das Zeitalter der Barbarei.

Das Problem EDEN II war gelöst. Mit der endgültigen Zerstörung der Superintelligenz ES konnte er noch etwas warten. ES würde um so schwächer sein, je länger die Nega-Psis wirken konnten.

Der Herr der Elemente hatte Zeit.

2.

Gesil betrat den Boden von EDEN II zögernd, beinahe ehrfürchtig.

Sie landete in einer grauen Ebene, die sich scheinbar endlos nach allen Seiten erstreckte. In dieser Ebene gab es weder Pflanzen noch Tiere. Nichts regte sich, nirgends unterbrach auch nur ein Felsen oder ein Hügel die Monotonie dieser Landschaft. Das Licht war grau und trübe. In weiter Ferne, verschwommen im Dunst, glaubte Gesil, die Umrisse einer gigantischen Stadt erkennen zu können.

Sie wollte sich gerade in diese Richtung begeben, als eine Gestalt vor ihr aus dem Nichts erschien. Die Gestalt war unzweifelhaft menschlicher Herkunft, aber sie blieb blass und durchscheinend wie ein Gespenst.

»Wer bist du?«, fragte Gesil. »Hat ES dich zu mir geschickt?«

Sie hoffte, dass es so war, denn sie konnte Hilfe gebrauchen. Sie trug den Impuls-Aktivator bei sich, einen zwei Meter langen Speer aus schwarzem Metall mit einer fingerlangen Spitze aus violett strahlendem Sextagonium. Der Impuls-Aktivator war Teil der porleytischen Devolutions-Komponenten-Waffe, die – wenn alles gut ging und die Porleyter sich nicht verrechnet hatten – den Herrn der Elemente vernichten sollte. Aber um den Aktivator einsetzen zu können, musste Gesil zunächst einmal wissen, wo sie den Herrn der Elemente finden konnte – von einigen anderen Schwierigkeiten, die sich wahrscheinlich ergeben würden und über die sie lieber gar nicht erst nachdachte, einmal ganz abgesehen.

Ein kaum erkennbarer Mund bewegte sich in dem durchscheinenden Gesicht.

»Hilf mir!«, bat der Fremde so leise, dass Gesil ihn nur mit äußerster Mühe verstehen konnte, obwohl es totenstill in der Ebene war.

Sie schluckte ihre Enttäuschung hinunter und sagte sich, dass sie es hätte wissen müssen. Die Nega-Psis mit ihren Schockimpulsen hatten die Besatzung der BASIS und offensichtlich auch ES gelähmt. Das halbstoffliche Wesen war zweifellos ein Konzept. Die Konzepte aber waren Teile von ES und unterlagen damit ebenfalls dem Einfluss der Nega-Psis.

Gesil verspürte den Wunsch, dem Konzept den Rücken zu kehren und das zu tun, weshalb sie hierher gekommen war: den Herrn der Elemente zu suchen. Aber sie unterdrückte diesen Impuls. Noch konnte sie nicht ausschließen, dass das Konzept eine Aufgabe im Sinn von ES zu erfüllen hatte – und abgesehen davon machte diese Gestalt einen bejammernswerten Eindruck.

»Ich werde dir gerne helfen«, versicherte sie. »Sage mir, was ich für dich tun kann.«

Noch während sie sprach, verspürte sie einen Impuls von Ärger und Ungeduld, aber sie blieb stehen und wartete.

»Etwas zieht mich dorthin«, wisperte das Konzept klagend und deutete mit seiner kaum erkennbaren rechten Hand auf eine Stelle am verhangenen Horizont. »Es ist etwas, wovor ich mich fürchte. Es hat mich von ES entfernt, und es wird mich auch von EDEN II entfernen. Es wird mich aufsaugen.«

»Es ist ein Nega-Psi«, erklärte Gesil. »Ein psionisches Wirbelfeld. Es gibt zwanzig davon. Sie haben einen Ring um EDEN II gebildet.«

»Um ES zu vernichten«, vermutete das Konzept. »Und uns dazu.«

»Ja.«

»Aber ich will nicht zu diesem Nega-Psi!«

»Dann geh einfach nicht hin. Kämpfe dagegen an!«

»Ich werde es versuchen«, wisperte das Konzept. »Aber es zieht an mir.«

»Du musst versuchen«, begann Gesil, verstummte aber abrupt. Das Konzept hatte ihr den Rücken zugewandt. Mit weiten Sprüngen rannte es dem Horizont entgegen. Dabei wurde es immer deutlicher sichtbar.

»Du musst dich dagegen wehren!«, schrie sie, so laut sie konnte. »Komm zurück!«

Das Konzept schien sie nicht zu hören. Es rannte mit großer Geschwindigkeit und ohne erkennbare Mühe dahin. Wenn man genauer hinsah, schien es sogar, als würde es die Oberfläche der Ebene kaum berühren. Seine Sprünge waren so weit und leicht, dass Gesil unwillkürlich die Kontrollen ihres SERUNS zu Rate zog. Die Schwerkraft war jedoch unverändert. Als sie wieder aufsah, war das Konzept nur noch ein winziger, hüpfender Punkt in der Weite der Ebene.

Gesil blieb unbeweglich stehen und lauschte in sich hinein. Sie spürte einen Impuls der Zufriedenheit, und sie erschrak darüber.

»So darfst du niemals denken«, sagte sie laut. »Ich weiß, dass ich eine Aufgabe habe und es mir eigentlich nicht erlauben kann, mich mit den Nöten eines einzelnen Konzepts aufzuhalten, wenn es um das Ganze geht. Aber es ist ein Wesen, das sich in Not befindet. Ich musste wenigstens versuchen, ihm zu helfen!«

Sie erhielt keine Antwort, aber anstelle von Zufriedenheit empfand sie Furcht und eine Andeutung von Schuldbewusstsein.

»Wir müssen es allerdings auch nicht gleich übertreiben«, bemerkte sie halblaut.

Das Schuldbewusstsein blieb.

»Wie du meinst«, sagte sie nachdenklich. »Vielleicht ist es sogar ganz gut so.«

Sie musterte die Ebene, und während sie sich langsam im Kreis drehte, erkannte sie hier und da Konzepte, die langsam materialisierten und sich noch während der allmählichen Verstofflichung in Richtung auf das nächste Nega-Psi in Bewegung setzten. Keines dieser Wesen traf Anstalten, sich Gesil zu nähern oder sie wenigstens auf sich aufmerksam zu machen.

»Es ist offensichtlich kein Bote von ES dabei«, murmelte sie. »Falls ES überhaupt noch in der Lage ist, Boten zu senden ...«

Sie hörte hinter sich ein Geräusch und drehte sich blitzschnell um. Ein voll stoffliches Konzept rutschte über den steinigen Boden der Ebene und bremste mühsam seinen schnellen Lauf.

»Geh in die Stadt!«, rief es Gesil zu.

Dann verlor es den Halt, stürzte zu Boden und blieb besinnungslos liegen.

»Das war offenbar ein Bote«, sagte Gesil erschüttert.

Abermals lauschte sie in sich hinein. Sie verspürte das Bedürfnis, dem Hinweis zu folgen und auf dem schnellsten Weg die Stadt anzusteuern. Es war ein vages Gefühl, nicht mehr und nicht weniger. Aber es war vorhanden.

»Nun mal langsam«, sagte sie. »Wir werden in die Stadt gehen, aber es hat keinen Sinn einfach loszurasen! Wir wissen noch nicht einmal, welche Stadt gemeint ist und wo sie liegt.«

Aber das stimmte nicht. Und sie wusste das.

Es gab nur eine Stadt, die in Frage kam: Jene, deren verschwommene Umrisse sie am Horizont erkennen konnte.

»Na schön«, murmelte sie. »Aber wir werden diesen Burschen nicht einfach zurücklassen. Er ist bewusstlos, aber wenn er wieder zu sich kommt, kann er uns vielleicht weitere Hinweise geben.«

Sie spürte keinerlei inneren Widerstand. Also setzte sie die technischen Möglichkeiten des SERUNS ein, hob das Konzept auf und steuerte mit hoher Geschwindigkeit die ferne Silhouette der Stadt an.

*

Es war eine merkwürdige Stadt, mit riesigen turmartigen Gebäuden und engen, unebenen Straßen, die von hohen Mauern begrenzt wurden. Die hinter den Mauern liegenden Höfe und Plätze waren völlig leer. Nirgends gab es Spuren dafür, dass diese Stadt jemals bewohnt gewesen war. Nicht einmal Abfälle irgendwelcher Art waren zu sehen.

»Keine Konzepte«, sagte Gesil zu sich selbst, nachdem sie den Fremden auf dem Dach eines Gebäudes abgelegt hatte. »Niemand, der mir Auskunft geben kann. Er kann unmöglich diese Stadt gemeint haben!«

Sie lauschte in sich hinein und spürte ein Echo voll bohrender Ungeduld. Unwillkürlich nickte sie.

»Keine Angst«, sagte sie leise. »Ich werde ihn schon zum Sprechen bringen.«

Der Fremde lag auf dem harten Boden des Daches, und er war nur an einigen Stellen ein wenig durchscheinend, aber er machte einen recht materiellen Eindruck. Zumindest war er soweit vorhanden, dass Gesil ihn an den Schultern fassen und schütteln konnte. Er reagierte jedoch nicht darauf.

»Was nun?«, fragte sie sich. »Ich kann ihm doch kein Medikament geben – wer weiß, wie das auf ihn wirkt. Am Ende springt er mir noch vom Dach!«

Niemand antwortete ihr.

Sie trat an den Rand des Daches und sah sich um.

Unter ihr, in den engen, steinigen Straßen, die eher wie schmale, von Wasser gegrabene Cañons als wie Verkehrswege aussahen, rührte sich noch immer nichts. Draußen, in der Ebene, hatte sich dichter Nebel erhoben, der alles verdeckte, was es möglicherweise zu sehen gegeben hätte.

Ratlos sah sie das Konzept an. Es handelte sich um einen älteren Mann mit dunkler Hautfarbe und einem dichten, tiefschwarzen, krausen Bart. Sie zerbrach sich den Kopf darüber, ob sie ihn – in irgendwelchen alten Aufzeichnungen vielleicht – schon einmal gesehen hatte und ob ihm eine besondere Bedeutung zukam, aber sie konnte sich beim besten Willen an nichts dergleichen erinnern.

Ungeduldig wartete sie geraume Zeit, blickte immer wieder auf die Stadt hinab und hoffte auf ein Zeichen, einen Hinweis – auf irgend etwas. Aber es geschah nichts.

Als sie sich wieder einmal umdrehte, um nach dem Konzept zu sehen, war der Fremde verschwunden. Er konnte keineswegs aufgewacht und davongegangen sein – er hatte sich offenbar einfach aufgelöst.

»Wunderbar«, sagte Gesil sarkastisch. »Wir haben unsere Zeit verschwendet – das ist alles.«

Aber ein deutliches Gefühl sagte ihr, dass dies doch nicht alles sein konnte. Das Konzept hatte ihr gesagt, sie solle in die Stadt gehen. Es musste einen Grund dafür gehabt haben.

Vielleicht war doch eine andere Stadt gemeint?

Wieder stieg kribbelnde Ungeduld in ihr auf, aber dieses Gefühl stammte nicht aus ihr selbst, und sie wusste das. Es war ihr ungeborenes Kind, das sich auf diese Weise bemerkbar machte.