Perry Rhodan 3259: Detektiv der USO - Ben Calvin Hary - E-Book

Perry Rhodan 3259: Detektiv der USO E-Book

Ben Calvin Hary

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Beschreibung

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Eines dieser Refugien befand sich in der Kondor-Galaxis, wurde offenbar aber bereits geborgen – oder entführt. Die Fährte führt Perry Rhodan in ein fremdes Universum. Atlan begleitet derweil ein anderes Fragment zurück in die Milchstraße. In der Heimatgalaxis der Menschheit schlägt unterdessen die Stunde für den DETEKTIV DER USO ...

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Nr. 3259

Detektiv der USO

Mordverdacht bei den Akonen – eine Tote wird zur Zeugin

Ben Calvin Hary

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1. 10. Oktober 2097 NGZ

2. Am selben Tag

3. Später

4. Am Morgen

5. 12. Oktober 2097 NGZ

6. Derweil

7. 13. Oktober 2097 NGZ

Epilog: Gleich darauf

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Galaktische Technik: Arbeitsroboter

Impressum

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Eines dieser Refugien befand sich in der Kondor-Galaxis, wurde offenbar aber bereits geborgen – oder entführt. Die Fährte führt Perry Rhodan in ein fremdes Universum. Atlan begleitet derweil ein anderes Fragment zurück in die Milchstraße. In der Heimatgalaxis der Menschheit schlägt unterdessen die Stunde für den DETEKTIV DER USO ...

Die Hauptpersonen des Romans

Ram Wood – Der USO-Detektiv ermittelt.

Kolossos – Dem USO-Roboter gelingt ein Einbruch.

Monkey – Der USO-Chef spielt Diplomat.

Nemena tan Thanor

Prolog

Wenn es ans Sterben geht, ist jeder allein.

Inmitten des Untergangs hämmerte dieser Gedanke hinter Adorhee tan Thanors Stirn. Die Raumbarkasse UMA YOMIN schüttelte sich, als wollte sie ihre Besatzung abwerfen.

Um die Akonin heulten Sirenen. Die Schreie der Mannschaft gellten in ihren Trommelfellen. Eine Detonation erschütterte das Deck, der Knall klang dumpf.

Adorhees Reaktion kam zu spät. Jäh warf eine Erschütterung sie aus ihrem Sitz. Hart knallte sie mit dem Schädel gegen eine Armatur, doch das Pult bremste ihren Fall nicht. Im Augenwinkel sah sie etwas Langes, Spitzes. Mit der Brust voran stürzte sie darauf zu.

Das Letzte, was sie spürte, war stechender, mörderischer Schmerz im Hals.

Schwärze umfing sie.

*

Wie lange lag sie schon reglos am Boden?

Adorhees Verstand war wie ein Ozean. Um sich spürte sie Metall, doch sie glaubte sich unter Wasser. Träge trieb sie durch die Trübnis, jedoch ohne zu ertrinken.

Fühlte sich so eine Ohnmacht an?

Oder lag sie im Koma?

Konnte man wissen, dass man bewusstlos war?

Adorhee sah von unten durch die Wasseroberfläche. Darüber lag die Wirklichkeit. Sie musste nur auftauchen, um aufzuwachen. Ein Schwimmzug, ein Atemzug, und sie würde ins Leben zurückkehren.

Es gelang ihr nicht. Bleierne Schwere zog an ihren Gliedern. Die Tiefe fasste nach ihr, umfing sie mit eisig wärmenden Armen. Dunkelheit drohte sie zu schlucken. Ihre Hände waren taub. Hatte sie überhaupt je Gefühl in ihnen gehabt? Sie erinnerte sich kaum.

Ich sterbe. Jetzt und hier.

Die Realität entfernte sich immer weiter, doch ihre Gedanken waren klar wie selten. Von draußen tönte der Alarm, dort donnerten Explosionen und schallten harsch gerufene Befehle. Da waren Schritte, da schwirrten Medoroboter, da heulten Aggregate wie sterbende Bestien.

Was war passiert? Warum brach um sie alles zusammen?

Es hatte ein Routineflug werden sollen.

Auf dem Planeten Vastant hatte die Priorrätin der Akonischen Räterepublik eine neue Transmitterwerft eingeweiht – ein alltäglicher Festakt, wie er zu ihren Aufgaben gehörte. Mitten in ihrer Rede war ein Sekretär zu ihr getreten; ein unerwarteter Zwischenfall fordere ihre sofortige Rückreise auf die Hauptwelt Galazin. Der eingetroffene Hyperfunkspruch sei mit einem offiziellen Echtheitszertifikat des Akoniums versehen.

Umgehend war sie zum Raumhafen geeilt und an Bord der UMA YOMIN zurückgekehrt – einer kompakten Raumbarkasse im Besitz der Regierung und mit einer winzigen, über alle Zweifel erhabenen Besatzung. Das Schiff war luxuriös, verfügte aber nur über einen einzigen Passagierraum, der zugleich die Zentrale war. Sofort hatte sie sich auf ihren Platz neben dem des Kommandanten gesetzt und den Start befohlen.

»Was ist das für ein Zwischenfall?«, hatte sie den Funkoffizier gefragt.

Dieser hatte nur mit den Achseln gezuckt. Von einer »drohenden Krise« sei die Rede gewesen und von einem »diplomatischen Zwischenfall«, aber der Wortlaut sei spärlich. »Was immer in der Hauptstadt vor sich geht, geht wohl nur dich etwas an, Priorrätin. Der Inhalt der Botschaft ist zu vertraulich für eine Sprechverbindung. Deine Anwesenheit im Akonium wird dringend erbeten.«

Gleich darauf hatte die UMA YOMIN den Orbit erreicht und Kurs auf den vierten Planeten genommen.

Das Khanonsystem war seit dem Ende Drorahs als Zentralsystem der Akonen längst erschlossen, Raumschiffe bewegten sich auf festen Routen und in exakt berechneten Zeitkorridoren. Sie kommunizierten via Leitstrahl und Navigationsautomatik. Zusammenstöße waren in der Weite des interplanetaren Alls sehr unwahrscheinlich und die akonische Raumfahrttechnik schloss selbst aberwitzige Zufälle aus.

Eigentlich.

Trotzdem hatten kurze Zeit später die Strukturtaster angeschlagen.

Aber da war es bereits zu spät gewesen.

Das andere Schiff war viel zu dicht und aus dem Nichts rematerialisiert, hatte den Kurs der Barkasse gekreuzt und den Kollisionsalarm ausgelöst. Das schrille Heulen wimmerte in Adorhees Ohren noch immer.

Was war das für ein anderes Schiff, wer befand sich an Bord? Alles war so schnell gegangen! Zur Karambolage war es nicht gekommen, verfehlt hatten sie einander um Hunderte Meter. Zum Glück, denn der Aufprall hätte beide Raumer atomisiert. Selbst bei nicht-relativistischen Geschwindigkeiten wären die aufeinandertreffenden Kräfte infernalisch gewesen. Niemand an Bord hätte das überlebt.

In Raumfahrtbegriffen indes waren hundert Meter nichts. Vor allem, wenn Hyperenergien miteinander wechselwirkten. Der Energieschirm des unbekannten Schiffes musste unheilvoll mit dem der UMA YOMIN interferiert haben. Und das hatte genügt.

Das Chaos war binnen eines Augenblicks ausgebrochen. Ein Blitz hatte die Außenoptiken überlastet und Adorhee geblendet. Etwas war geborsten, hatte sie aus dem Sitz befördert.

Seither herrschten Lärm und Donner. Jemand schrie, eine Löschautomatik zischte. Es roch nach Flammen und versengtem Kunststoff.

All das schien Adorhee tan Thanor auf einmal fern und unwichtig. Sie war nicht länger an Bord der Barkasse! Sie trieb unter Wasser, der Schwärze entgegen.

Tiefe Gelassenheit überkam sie.

Sie begriff.

Was sie erlebte, waren weder Koma noch Ohnmacht – sondern der Tod, der sanft nach ihr rief. Der sie liebevoll streichelte und Erlösung versprach. Das Universum würde sich auch ohne sie weiterdrehen.

Aber – würde es das wirklich?

Das Bild einer Frau entstand vor ihrem Innern: braunhäutig und mit dunkelrotem, kurzem Kraushaar. Hellgrüne Augen, knabenhafte Statur. Ein Gesicht, so unsagbar vertraut wie kein zweites.

Es war ihr eigenes – und zugleich das ihrer Erbin. Der Gedanke machte Adorhee traurig. War es denn fair?

Gerade erst hatte die Frau sich neu erfunden. Nemena wollte sie künftig sein, nicht länger die Sekunda. Dabei war sie bloß eine unfertige Version ihrer selbst: jung, unreif, unerfahren. Im Tod würde ihr die Priorrätin das fehlende Wissen schenken. Doch war »Nemena« so weit, ihre Erinnerungen zu empfangen?

Wie bereit dazu konnte ein Klon sein, der sich einen eigenen Namen gab?

Das Vergessen winkte verführerisch. Es würde ganz einfach sein. Sie musste sich nur fallen lassen.

Nein! Noch nicht!

Woher sie die Kraft nahm, wusste sie nicht. Ein verzweifeltes Brennen jagte ihr durch die Brust, entfachte ihre Wut und stachelte sie an. Verbissen kämpfte sie sich in die Wirklichkeit zurück.

Für Nemena! Sie soll wissen, wie gefährlich ihre Zukunft ist. Das Kind muss erfahren, was mich getötet hat!

Adorhee blinzelte, verscheuchte den Schleier um ihr Bewusstsein. Ihr Blick klärte sich.

Sie starrte auf geriffeltes Metall. Blinzelnd musterte sie die Rillen, folgte den Mustern, die sie beschrieben und versuchte, den Bildeindrücken Sinn zu verleihen.

Deckplatten, erkannte sie. Ich liege auf dem Bauch. Blut tropfte von ihren Lippen, sammelte sich in winzigen Lachen. Im Rot der Notbeleuchtung wirkte es unwirklich. Warum fiel das Atmen ihr so schwer?

»Kurskorrektur!«, hörte sie Onnegon ta Buun rufen, den Stellvertretenden Kommandanten. »Wir treiben von der zugewiesenen Route ab.«

»Manövriertriebwerk außer Funktion«, war die Antwort, gefolgt von einer Reihe wilder Flüche. Dass Onnegon anscheinend das Kommando übernommen hatte, war ein schlechtes Zeichen. Es hieß, dass sein Vorgesetzter tot oder bewusstlos war.

Ächzend versuchte sie, aufzustehen. Der sanfte Druck einer Hand hinderte sie.

»Nicht rühren, Priorrätin!« Das war Yugmon, der sie als ihr zeitweiser Leibarzt begleitete. Neben ihm schwebte einer der Medoroboter. In Yugmons Fingern lag ein entleerter Injektor.

»Ich ... muss sehen ... für Nemena ...« Adorhee erkannte ihre eigene Stimme nicht. Dieses heisere Krächzen, das mehr Hauch als Sprache war – wie konnte es von ihr stammen? Sie betastete ihre Kehle.

Statt Haut berührte sie rohes Fleisch. Etwas Hartes ragte daraus hervor.

Sie erinnerte sich an den spitzen Gegenstand, den sie aus dem Augenwinkel gesehen und auf den sie zugestürzt war. Es war derselbe, der nun aus ihrer Kehle ragte und sie am Atmen hinderte: ein dünnes Rohr, vermutlich Teil eines explodierten Feldleiters. Bei der Katastrophe war es aus seiner Verankerung gerissen und hatte sie förmlich aufgespießt.

Das Blut, das auf die Deckplatten getropft war, stammte nicht von ihren Lippen, sondern aus der Wunde. Noch immer klebte es an ihren zitternden Fingern.

Hustend schüttelte sie die Hand des Arztes ab.

»Priorrätin ...« Yugmon wollte sie festhalten.

Mit einer schwachen Geste hinderte sie ihn daran. Adorhee machte sich nichts vor. Vermutlich war es weniger ihre Willenskraft als das verabreichte Mittel, das sie zurückgebracht hatte. Dies waren ihre letzten Augenblicke. Was um sie geschah, mochte später wichtig werden – und ihre Nachfolgerin musste sich daran erinnern. Sie prägte sich alles ein.

Die Zentrale lag in Trümmern. Die Holokontrollen waren nicht ausgefallen, doch sie flackerten. Yugmons und Onnegons Gesichter tänzelten scheinbar unter den Reflexen. Beider Mienen waren leer, die Tränen halb getrocknet, ihre Kleidung blutverschmiert. Der Stellvertretende Kommandant bellte Befehle, forderte Schadensberichte und wies den Funkoffizier an, einen Notruf abzusetzen.

Das Geschrei verkam zum Hintergrundrauschen. Auf- und abschwellendes Alarmgeheul lullte sie ein. Es hatte etwas Hypnotisches. Wieder entglitt ihr das Bewusstsein. Diesmal würde sie es endgültig verlieren, das spürte sie.

Muss ... dableiben. Nur noch eine ... Weile.

Warnhinweise in feurigem Rot umrahmten die Statusanzeige: Der Kommandant war tot. Im Antriebsbereich war ein Feuer ausgebrochen, doch der Löschroboter steckte im Wartungsschacht fest. Die Hyperfunkantenne war beschädigt – ob der Notruf des Funkers Galazin erreichte, blieb unklar.

Illustration: Swen Papenbrock

Über dem Navigationspult war eine stilisierte Ansicht zu sehen: die Sonne Khanon, umgeben von den Bahnen ihrer elf Planeten. Der mittlere Bildausschnitt zeigte die UMA YOMIN, umringt von den Kennungen weiterer Raumschiffe. Keines schlug einen Kurs zu ihrer Rettung ein.

Jener Raumer, dessen Schirm die UMA YOMIN gestreift hatte, entfernte sich in steilem Winkel vom Ort des Unglücks.

Das Atmen fiel Adorhee zunehmend schwer. Jeder Zug kostete sie unermessliche Kraft. Schon der nächste konnte ihr letzter sein. Noch einmal nahm sie sich zusammen, wehrte die über sie hereinbrechende Finsternis ab. Kälte lähmte ihre Glieder und jede Zelle ihres Körpers. Das Bild vor ihren Augen wurde unscharf, ihr war, als wiche alles Licht aus der Welt.

Verbissen starrte Adorhee ins flackernde Holo. Sie musste die Kennung lesen, sich den Namen des Schiffs einprägen. Warum? Wahrscheinlich war es völlig unwichtig, das wurde ihr klar. Doch die Verzweiflung zwang sie. Nemena, redete sie sich ein, sollte jene kennen, die ihre Vorgängerin umgebracht hatten.

O, las sie. I. Nein. Sie blinzelte. Das »I« tanzte und verschwamm, löste sich zu einem Flecken auf. Der zweite Buchstabe ist ein L, erkannte sie endlich.

Einatmen, ausatmen. Blinzeln. Es folgten ein D, ein O, schließlich R, O und N, gefolgt von einer Zahl.

OLDORON XXII. Das Schiff ihres Mörders war ein Walzenraumer der Mehandor.

Die Aufgabe war vollbracht! Adorhee ließ sich fallen. Sie kollabierte in die Arme Yugmons, der noch immer über ihr kniete, ihre Wunde versorgte und ihr Injektionen verabreichte – das hatte sie zuletzt gar nicht mehr mitbekommen. Es war einfach nicht wichtig gewesen.

Und das würde es auch nie wieder sein. Der Arzt rief dem Medoroboter Kommandos zu, seine Hand landete mehrmals fest auf ihrer Wange. Sie spürte den Schmerz nicht.

Sie spürte gar nichts mehr. Die Dunkelheit nahm sie gefangen und das Wasser klatschte über ihr zusammen.

Ihr Verstand war ein Ozean, und Adorhee tan Thanor sank unrettbar in die Tiefe.

Allein.

1.

10. Oktober 2097 NGZ

Fünf Tage nach dem katastrophalen Unfall versammelte sich die halbe Galaxis auf der akonischen Zentralwelt.

Die Räterepublik trug Trauer. Adorhee tan Thanor, Priorrätin und damit die ranghöchste Beamtin der Akonen, war einem Unfall zum Opfer gefallen. Wer in der Milchstraße Rang und Namen hatte, war zu ihrem Staatsbegräbnis geladen.

»Akonen sind ja doch nicht so viel anders als wir Menschen«, sagte Ole Severim, während er an Monkeys Seite im Luxusgleiter durch die Metropole Ehembor schwebte. »Sie haben ihre ganze Hauptstadt in eine Trauerfeier verwandelt. So viel Gelb!«

Der Achtjährige hatte recht. Die Gleitertrasse verband den südlichen Raumhafen Sapurd mit dem Regierungszentrum. Sie bildete eine Achse, entlang derer sich Behörden und Ministerien wie an einer Kette aufreihten. Fahnen in sattem Ocker schmückten Fassaden und Fußgängertraversen, die sich als filigrane Brücken über die Mittelbahn spannten. Ein Meer aus Blumen und Folienschnipseln bedeckte den Plastbeton. Der Trauerzug erstreckte sich auf eine Strecke von anderthalb Kilometern.

»Die Akonen wollen, dass jeder sieht, wie deprimiert sie über das Schicksal ihrer Anführerin sind«, erklärte Monkey. »Sie fürchten, dass man sie sonst als ruchlose Monster wahrnimmt.«

Und dazu hatten die Bewohner des Khanonsystems auch jeden Grund. Die galaktischen Nachrichtenkanäle kannten seit Tagen kein anderes Thema. Auf den von Terranern bewohnten Welten kursierte manchmal das übliche Gerede: »Herzlos« seien sie, diese »akonischen Bastarde«.

»Sie lebt doch noch!«, wurde an Vurguzz-Stammtischen und beim Essen im Familienkreis gelästert – vielen Menschen war die akonische Mentalität unverständlich.

Kein anderes Besatzungsmitglied der UMA YOMIN hatte überlebt. Und Adorhee tan Thanor würde nie wieder aus dem Koma erwachen, in dem sie seither lag. Da stellten die Menschen sich die Frage: Wie konnte man jemanden begraben, bevor die lebenserhaltenden Maschinen abgeschaltet waren?

Erst vor zwei Tagen hatte der Priorrat das Ende der Animationsversuche verkündet. Für die akonische Bevölkerung war die Anführerin bereits gestorben. Das Klischee von den gefühlskalten Pragmatikern hielt sich nicht zuletzt wegen solcher Vorgänge in der Milchstraße seit Jahrtausenden, die Nachrichten befeuerten alte Vorurteile.

Die Kulisse indes sprach für die Verehrung, die das Volk seiner Regentin entgegenbrachte. Normalerweise wären die Abgesandten am Raumhafen in den Käfigtransmitter gestiegen und direkt zum Veranstaltungsort gewechselt.

Stattdessen bildete Monkeys Gleiter mit zwei Dutzend weiteren eine Kolonne, an deren Ziel ein Empfang für die Staats- und Trauergäste stattfinden sollte. Passanten säumten die Allee, die meisten trugen blassgelbe Tuniken. Ihre Häupter waren geneigt, viele hielten einander bei den Händen. In der Menge bemerkte Monkey ein Mädchen. Verunsichert presste die Kleine sich an ihre Mama und wies mit dem Finger auf den Gleiter. Die Mutter zwang ihren Arm herab und flüsterte ihr etwas ins Ohr, vermutlich einen Tadel.

»Bei uns zu Hause wären ihre Klamotten schwarz, nicht wahr?« Ole kletterte halb über Monkeys Schoß, drückte sich die Nase am Glassit platt und starrte auf die Menge hinaus.

»Derlei Assoziationen unterscheiden sich zwischen den Kulturen. Auf Terra steht Gelb für die Hoffnung. Den Jülziish gilt die Gelbe Kreatur als Symbol der Missgunst, der Lüge oder des Schreckens. Bei den Akonen ist es die Farbe der Trauer.« Der USO-Chef schob den Jungen sanft auf seinen Sitz zurück und sicherte ihn mit dem Gurtfeld, sodass er nicht länger im Fahrzeug herumkroch. Den Öffner sperrte er mit der Kindersicherung.

Protestierend stemmte Ole sich gegen die unsichtbare Fessel, bis er es aufgab und schmollend die Arme verschränkte. »Menno! Du bist blöd.«

»Du wolltest mich unbedingt begleiten. Nun benimm dich!«

Der Himmel mochte wissen, wie die gereifte akonische Kultur auf einen umherturnenden Jungen inmitten der staatlich verordneten Niedergeschlagenheit reagieren würde. Mit Protesten war nicht zu rechnen – Kinder waren eben Kinder, in der Liga ebenso wie im Rest der Lemurischen Allianz. Wohl aber mochte jemand die Brauen heben und sich wundern, wieso er den Jungen überhaupt mitschleppte.

Leicht war es ihm nicht gefallen. Zuhause hatte Ole ihn bekniet, gebettelt und gequengelt: »Lass mich nicht allein mit diesen vertrockneten Geheimagenten!«

Quinto-Center, wo der Junge mittlerweile in Monkeys Privatquartier lebte, war sicher nicht der richtige Ort für ihn. Es war nur logisch, dass der Lordadmiral seinen Klagen stattgab; wurde ein Agent rastlos, schickte man ihn in einen Einsatz – zur Not eben in einen, bei dem es sich um bloße Beschäftigungstherapie handelte. Nach dem Trauma, das Ole kürzlich durchstanden hatte, wollte er ihn sich nicht selbst überlassen.

Also waren sie gemeinsam in die NIKE QUINTO gestiegen und aufgebrochen.