Perry Rhodan Neo 281: Die Ceynach-Jägerin - Ben Calvin Hary - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 281: Die Ceynach-Jägerin E-Book und Hörbuch

Ben Calvin Hary

0,0

Der Titel, der als Synchrobook® erhältlich ist, ermöglicht es Ihnen, jederzeit zwischen den Formaten E-Book und Hörbuch zu wechseln.
Beschreibung

Vor sieben Jahrzehnten ist der Astronaut Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen. Seither ist die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen und hat fremde Welten besiedelt, ist aber auch in kosmische Kämpfe verwickelt worden. Seit einigen Jahren umkreisen Erde und Mond eine fremde Sonne im Sternhaufen M 3. Außerdem haben Leticrons Überschwere das Solsystem und alle Kolonieplaneten der Erde besetzt. Erst nach fünf Jahren können sie wieder vertrieben werden. Da wird Perry Rhodan im Jahr 2107 als körperloses Gehirn auf einen fernen Planeten entführt. Der Terraner muss sich in einer seltsamen außerirdischen Kultur zurechtfinden. Trotzdem gewinnt er schnell Unterstützer, die ihm bei der Rückkehr in die Heimat beistehen könnten. Als Gegenleistung soll er einer Rebellengruppe bei einer rätselhaften Aufgabe helfen. Viel Zeit hierfür bleibt ihm nicht – denn ihn verfolgt unerbittlich DIE CEYNACH-JÄGERIN ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 211

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:5 Std. 45 min

Sprecher:Hanno Dinger

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Band 281

Die Ceynach-Jägerin

Ben Calvin Hary

Cover

Vorspann

1. Torytrae

2. Perry Rhodan

3. Laikytsch

4. Perry Rhodan

5. Laikytsch

6. Yammot

7. Perry Rhodan

8. Torytrae

9. Laikytsch

10. Perry Rhodan

11. Laikytsch

12. Laikytsch

13. Perry Rhodan

14. Torytrae

15. Laikytsch

16. Perry Rhodan

17. Torytrae

Impressum

Vor sieben Jahrzehnten ist der Astronaut Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen. Seither ist die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen und hat fremde Welten besiedelt, ist aber auch in kosmische Kämpfe verwickelt worden.

Seit einigen Jahren umkreisen Erde und Mond eine fremde Sonne im Sternhaufen M 3. Außerdem haben Leticrons Überschwere das Solsystem und alle Kolonieplaneten der Erde besetzt. Erst nach fünf Jahren können sie wieder vertrieben werden.

Da wird Perry Rhodan im Jahr 2107 als körperloses Gehirn auf einen fernen Planeten entführt. Der Terraner muss sich in einer seltsamen außerirdischen Kultur zurechtfinden.

Trotzdem gewinnt er schnell Unterstützer, die ihm bei der Rückkehr in die Heimat beistehen könnten. Als Gegenleistung soll er einer Rebellengruppe bei einer rätselhaften Aufgabe helfen. Viel Zeit hierfür bleibt ihm nicht – denn ihn verfolgt unerbittlich DIE CEYNACH-JÄGERIN ...

1.

Torytrae

Du erinnerst dich an dein Opfer. Wie es zappelt, wie es um sich tritt! Das Ceynach ist dir ins Netz gegangen.

Zitternd kauert der Zweibeiner vor dir, ein Schatten seiner selbst. Die Flucht hat ihn ausgezehrt; Ringe haben sich unter seine Augenhöhlen gegraben, sein grünes Fell ist spröde und struppig. Seit Wochen wurde er von einem Körper geknechtet, der nicht der seine ist und den er nur leidlich beherrscht. Er hat sich wacker geschlagen. Doch nun ist er am Ende, hat keine Lust mehr, sich zu wehren.

Er ist da, wo du ihn haben willst.

Die Jägerin warf sich im Schlaf herum.

»Verschone die Familie dieses Wirts!«, winselt das Ceynach im Leib des Zweibeiners. »Mein Wirt fleht darum! Sie können nichts für meine Verfehlungen!«

»Zeig mir, wie sehr du bereust!« Natürlich wird er durch Unterwürfigkeit nichts ändern, doch du magst es, mit deiner Beute zu spielen. Es ist eine der Freuden des Jägerdaseins.

Eine Erkenntnis, halb wach und halb bewusst: Dies war er – der Anfang. Die erste, früheste Erinnerung. Davor war nichts.

Der Traum fegte den Gedanken weg.

Er beugt sich vor, bis seine Hände im Abfall am Boden versinken. Als er das Kinn senkt, entblößt er den Kropf im Nacken – die Hauttasche, in der das entführte Fremdgehirn sitzt.

Nachdenklich betrachtest du hornige Verknotungen, unter denen künstliche Blutgefäße pulsieren. Manchmal verstehst du nicht, warum jemand solche Entstellungen auf sich nimmt.

Die Straße ist voller Passanten. Furchtsame Blicke treffen dich und dein Opfer. Ein Flüstern dringt aus den Schatten naher Häuserfronten, durch das Brummen und Raunen der kontinentalen Großstadt: »Das ist Torytrae! Die Ceynach-Jägerin!«

Sobald die Fußgänger dich und dein Opfer bemerken, gehen sie auf Abstand. Du müsstest den Arm fast zur Hälfte ausstrecken, um einen von ihnen zu berühren – so viel Respekt haben sie vor dir! Dabei herrscht in Naupaum eigentlich nirgends Platz, sich zu bewegen. Die Bevölkerung ist zahlreicher als die Sterne.

Die Beute kriecht auf dich zu, küsst drei deiner acht Füße, bevor du ihr mit dem vierten einen Tritt verpasst. Winselnd weicht sie zurück, nun auf allen vieren, um ihr Leben bettelnd und um das ihres Wirts. »Verschone uns! Ich habe das Verbrechen begangen. Mein Träger ist unschuldig!«

Genüsslich presst du die Waffe gegen die Wange des Ceynach-Trägers und lässt sie über seine Kieferknochen gleiten. Ein kurzes Antippen des Auslösers, und ein Energiestrahl wird sich aus dem Lauf lösen. Er wird Fell, Fleisch und Knochen verdampfen, ganz wie es sich für Ceynach-Verbrecher gehört.

Nur um das Hirn wird es schade sein. Gehirne sind kostbar. Aber dein Opfer hat ohnehin eins zu viel. Es hat den Tod verdient.

Du drückst ab.

Du erinnerst dich an die Angst auf seinen Zügen.

Du erinnerst dich an die Genugtuung, als der Energieschock seine Nervenfasern zerfetzt.

Du erinnerst dich an die Leere, die seinen Blick ergreift.

An die Häme, weil du Noc diesen Abschuss weggeschnappt und ihn einmal mehr gedemütigt hast.

An die Sehnsucht nach dem nächsten Auftrag.

An das Blut auf deiner Brust und in deinen schneeweißen Haaren.

Du erinnerst dich an das Töten. Und an sonst nicht viel.

Dann wachst du auf.

Keuchend schrak Torytrae aus dem Schlaf hoch.

Wo bin ich?

Ein weißes Gespinst klebte vor ihren Augen und Kiefern, behinderte ihre Sicht und raubte ihr den Atem. In schläfriger Panik schlug sie um sich, bis sie begriff.

Der Lataan! Sie hatte sich den Symbionten selbst ins Gesicht gesetzt, bevor sie sich zur Ruhe gelegt hatte. Die Kreatur, die ihre Erinnerungen speicherte und ihren Schlaf mit Bildern zierte, hatte sich für Albträume entschieden. Geschah das, ließ der Lataan sich für die nächsten Liss meist zu nichts anderem mehr bewegen. Für Torytrae war er damit unbrauchbar.

Ihre Finger gruben sich in metallische Fäden und zupften das Ding von ihrer schwarzen Haut. Sie wartete, bis ihre Sinne erwachten. Langsam fand sie sich im Smog aus Halbdunkel und Lärm zurecht.

Es war Nacht auf Yaanzar. Über ihr wehte ein Ventilator schweißgeschwängerte Luft heran.

Schleichend kehrte die Orientierung zurück. Sie entsann sich, wo sie war.

Sie nannten es eine »Luxussuite« – ein Raum, der Privatsphäre versprach. Und das stimmte auch, legte man yaanztronische Maßstäbe an: Gerade mal sieben andere Hotelgäste schliefen in den Stockbetten vor der Wand. Drei weitere rasteten auf Strohmatten auf dem Boden. Acht dieser Personen waren Yaanztroner, zwei davon Kinder. Bei den anderen handelte es sich um ein wurmartiges Vogular, das sich zum Schlummer um den Fuß der massiven Stehlampe geschlungen hatte – und um Torytrae selbst. Yulocs kannten keine Betten. Für jemanden, der acht Beine und zwei Arme hatte, war derartiges Mobiliar unpraktisch.

Trotz der Enge: Dieses mistige kleine Zimmer mit den rostigen Bunkerbetten, den abblätternden Lackschichten am Boden und der winzigen Hygienezelle war der abgeschiedenste und intimste Ort, den sie in der Hauptstadt des Planeten finden würde. In Naupaum gab es kein Alleinsein. Der Bevölkerungsdruck machte das unmöglich.

Ihr aktueller Auftrag hatte Torytrae nach Yaanzar geführt, auf die Zentralwelt des Raytschats. Die Nacht schmückte sich mit dem üblichen Lärm. Schnarchen füllte die Suite. Stimmen und gedämpfte Gespräche drangen aus dem Nachbarzimmer. Jemand hustete. Rhythmisches Pochen quoll durch die Decke und verriet, dass sich ein Stockwerk über ihr mehrere Yaanztroner am Fortpflanzungsakt erfreuten. Torytrae glaubte, Anfeuerungsrufe zu hören.

Und weiterhin harrte der Auftrag der Vollendung. Noch war es sicher nicht zu spät dafür.

Die Yuloc schüttelte die Benommenheit ab. Die Nacht wurde alt, doch an Schlaf war sowieso nicht mehr zu denken. Auf vier von acht Beinen kroch sie zu der Truhe mit ihren Habseligkeiten und nahm die Schutzmurmel heraus. Sie schraubte den Behälter auf, legte den Lataan in die Nährflüssigkeit und betrachtete ihn.

Es war ein merkwürdiges Ding! Woher es wohl stammte? Torytrae hatte nie ein zweites Exemplar gesehen oder auch nur von anderen Geschöpfen dieser Art gehört. Diesen Symbionten hatte sie einst einem ihrer Opfer abgenommen – jenem, von dem sie eben geträumt und den sie in den Gassen des Elendsplaneten Coylbron erlegt hatte. Alles, was sie wusste, war, dass der Lataan sich für sie erinnerte. Deswegen hatte sie ihn behalten. Erinnerungen waren Mangelware für sie.

»Zeit, dich an die Arbeit zu machen!«, murmelte sie im Selbstgespräch. Wenn sich der Schlaf verweigerte, konnte sie sich ebenso gut in die Fahndung stürzen. Das Ceynach war entkommen, und Torytrae musste es aufspüren – bevor Noc ihr zuvorkam. Ihrem Konkurrenten einen weiteren Triumph zu gönnen, kam nicht infrage.

Sie schob einen schlafenden Greis beiseite, der vor dem gewölbten Fenster auf den Estrich sabberte, zerrte ihre Truhe heran und richtete den Deckel als Sichtschutz auf. Die eingebaute Kompaktpositronik warf fahl schillernde Hologramme in die Luft. Die Kriegermaske, die sie am Tag und in der Öffentlichkeit trug, baumelte an einem Tragehenkel der Deckelrückseite.

Zügig, aber ohne Hast, aktivierte sie eine Verbindung in das Datennetz der Lokalregierung. Ihr Rang verschaffte ihr die erforderliche Zugriffsberechtigung.

Schon nach kurzer Zeit war sie in Detektivarbeit versunken.

Nacheinander stellte sie Kontakt zu verschiedenen Behörden her, fragte sich von einem Beamten zum nächsten und durch die Hierarchien nach oben. Struppige, ungekämmte Yaanztronerschädel erschienen im Holo, das Fell grau vom Schein fahler Kunstlichter. Schlaftrunken ob der späten Tageszeit begegneten sie ihren Gesuchen: Ein alter Mann auf der unteren Ebene eines Empfangsbereichs begrüßte sie ruppig. Eine Frau in einem schlecht aufgeräumten Verwaltungsbüro schrie sie über das Gezeter zweier Kollegen hinweg an, die am selben Positronikpult saßen. Eine niedere Administratorin nahm Torytraes Anersuchen mit mürrischer Miene entgegen. Die yaanztronische Bürokratie war lästig, aber unvermeidlich.

Die Gespräche verliefen immer gleich: Kaum erkannten ihre Kommunikationspartner Torytrae, wirkten sie mit einem Mal hellwach und reichten sie bereitwillig zum jeweils nächsten Vorgesetzten durch. In der Koje gegenüber stöhnte jemand und presste sich demonstrativ das Kopfpolster auf die grünbepelzten Spitzohren.

Die Ceynach-Jägerin schaltete ein Schalldämpfungsfeld zwischen sich und die Schlafenden. Ob sie jemanden weckte, kümmerte sie nicht – das erledigten ohnehin die Liebenden auf dem Stockwerk über ihnen. Aber jeder ihrer Zimmergenossen mochte ein Spion der Mucton-Yul sein. Noc, der Anführer dieser Spezialeinheit, hatte seine Spitzel überall, auch um anderen Yulocs prestigebringende Ceynachs abzuluchsen. Nur die beste Beute für die besten Jäger, hieß es. Ob Torytrae je in ihre Reihen aufsteigen würde?

Endlich nahm ein niederrangiger Verwaltungsbeamter das Gespräch entgegen. Im Bildhintergrund erkannte Torytrae weitere Arbeitsstationen, jede mit zwei oder drei Personen besetzt. Von links ragte der Ellbogen eines Kollegen ins Bild, der anscheinend Daten in ein Eingabefeld tippte.

Torytrae zählte. Der Jih-Coontsh teilte sich ein Büro mit gerade mal zehn Untergebenen – ein Zeichen seines hohen Status. Sie war an der richtigen Stelle angelangt.

»Jonzmosh, vierter Jih-Coontsh des Pasch-Okan, Subdivision Yanto«, stellte sich der Mann vor. Die Positronik filterte die Stimmen seiner Mitarbeiter aus der Übertragung. »Womit kann ich Ihnen dien...«

Der Mann stockte. Er hatte sich die Anruferkennung vorgenommen, darin wohl ihren Namen entdeckt. Das altbekannte Mienenspiel wiederholte sich: ein Sträuben der Härchen auf der Schädeldecke. Ein unbewusstes Zähneblecken verriet Hilflosigkeit. Die Mimik der Yaanztroner war Torytrae wohlvertraut. Es lohnte sich, die Manierismen eines möglichen Beutegeschöpfs zu verstehen.

»Wie kann ich Ihnen dienen, Ceynach-Jägerin?«, vollendete Jonzmosh seinen Satz. Verschwunden war die beleidigte Schläfrigkeit. Sein Gesicht platzte fast vor zur Schau getragener Hilfsbereitschaft.

Speichellecker, dachte Torytrae. Ob der Beamte sich eine Belohnung ausrechnete, wenn er der berühmten Jägerin behilflich war? Diese grün bepelzten Zweibeiner waren alle gleich!

»Ich bin auf der Suche nach einigen Personen, werter Jonzmosh.« Sie bemühte sich, süß wie Mimmenhonig zu klingen, deutete sogar eine Verbeugung an. Respekt empfand sie zwar keinen, aber die Höflichkeit von jemandem ihres Rangs würde ihrem Gegenüber schmeicheln. Es schadete nie, sich bei Informanten Lieblarve zu machen. Es war erstaunlich, wie weit ein bisschen guter Wille einen manchmal brachte.

»Und um wen handelt es sich?« Der Yaanztroner aktivierte ein holografisches, frei über seinem Arbeitstisch schwebendes Eingabefeld. »Haben Sie einen Namen für mich?«

Torytrae dachte nach. Perry Rhodan. So hatte es sich genannt, das Ceynach im Körper des jungen Yaanztroners Hayvatschyt, das vor ihr geflohen war.

Nein, nicht nur geflohen – ausgetrickst hatte er sie und bloßgestellt.

Sie entschied sich dagegen, den Namen mitzuteilen – der Beamte hätte ohnehin nichts damit anzufangen gewusst. Stattdessen schob sie ihm über die Datenverbindung eine Transmitterkennung zu.

Das Pasch-Okan, durch dessen Hierarchie sie sich bis zu Jonzmosh durchgefragt hatte, war die zentrale Verwaltungsbehörde für den Transmitterverkehr in ganz Naupaum. Wenn jemand mit dieser Kennung etwas anzufangen wusste, arbeitete er in diesem Gebäude.

Neugierig öffnete der Beamte die Datei und las. »Ah. Eine Nebenstation von Hauptanschluss dreitausendeinundachtzig Strich neun, Viktualienebene«, behauptete er fachmännisch. »Diese Station wurde zu Wartungszwecken abgeschaltet und als irreparabel abgeschrieben.« Er nickte und schob ihr die Datei zurück, als sei damit alles gesagt.

»Für eine beschädigte Einheit war sie zuletzt aber außerordentlich aktiv.« Torytrae verfiel in einen freundlichen, gefährlichen Tonfall. Glaubte er wahrhaftig, dass das bereits die ganze Information war, die Torytrae suchte?

Sie wies auf ein Datenkonglomerat am unteren Ende des Informationssatzes, vergrößerte ihn und schob ihn dem Beamten zu. Es zeigte den Zeitpunkt der jüngsten Benutzung – also den exakten Augenblick, an dem das letzte Mal jemand einen Transfer mit diesem Gerät absolviert hatte. Dieses Ereignis lag weniger als einen Tag zurück.

»Haben Sie dafür eine Erklärung?« Sie fragte so harmlos, als ginge es bloß um ein defektes Televidgerät.

»Das ... Das kann unmöglich ...«

Wie er sich wand! Torytrae mochte es, ihre Gegner zittern zu sehen.

Er fing sich. »Wo haben Sie diesen Datensatz her?«

»Das spielt für Sie keine Rolle.« Und das war die Wahrheit.

Torytrae saß in einer Zwickmühle. Das Ceynach, das sie jagte, war etwas Besonderes. Das hatten ihre Auftraggeber unmissverständlich klargemacht. Es unverletzt auszuliefern, war der wichtigste Teil ihrer Mission. Was zunächst nach einer Routineaufgabe ausgesehen hatte, entwickelte sich zunehmend zum Albtraum, und zwar nicht von der Art, wie der Lataan sie ihr schenkte. Die Zeit brannte ihr unter den Haaren.

Tagelang hatte sie diesen Perry Rhodan und seinen Verbündeten Doynschto durch Nopaloor gehetzt, von der Gehirnbank bis in die Katakomben der Metropole. Zum Schluss war sie ihm so nahe gekommen, dass sie schon geglaubt hatte, seinen Moospelz zwischen den Krallen zu spüren. Dann, im letzten Moment, war ihre Beute entflohen. Eine kleine Gruppe von Yaanztronern war aus dem Nichts aufgetaucht und hatte die Flüchtenden zu einem Transmitter geleitet. Seither waren sie untergetaucht.

Das Pasch-Okan war also Torytraes beste Spur gewesen. Der fragliche Transmitter war in den öffentlich zugänglichen Verzeichnissen nicht aufgeführt, doch das hieß nichts. Derlei Systeme waren in Naupaum zentralisiert. Niemand konnte in diesem Kugelsternhaufen ein solches Gerät betreiben oder gar besitzen, ohne dass über jeden Transfer genauestens Buch geführt wurde. Das war eine der Hauptaufgaben des Pasch-Okan.

Das bedeutete, dass Torytrae nicht vollkommen ohne Hinweise war. Die Fliehenden hatten sie ihr praktisch aufgedrängt – sie musste ihnen nur nachgehen.

Jonzmosh benötigte eine Weile, um die Fassung wiederzugewinnen. Torytrae sah ihm an, wie es hinter seiner Stirn arbeitete, wie er versuchte, sich einen Reim aus den widersprüchlichen Angaben zu machen.

»Diese Unterlagen müssen gefälscht sein.« Hastig zog er eine weitere Datei aus seinem Positronikarchiv und warf sie ihr zu. Das Infopaket faltete sich als Holo bei Torytraes Komgerät auf.

Die Schrift war von grellem Weiß. Das Vogular an der Stehlampe gestikulierte, als Helligkeit den Schlafraum flutete. Seine Kehlsäcke blähten sich – offenbar protestierte es gegen das Licht. Das Schallschutzfeld verhinderte jedoch, dass Torytrae einen einzigen Ton hörte.

»Sie sehen an diesem Datensatz«, erläuterte Jonzmosh, »dass das Gerät ordnungsgemäß desaktiviert wurde und seither energielos ist. Es kann von niemandem benutzt worden sein. Vor allem nicht gestern.« Er wirkte sehr zufrieden mit dieser Zusammenfassung.

»Es ist wahrscheinlicher, dass Ihre Unterlagen gefälscht wurden«, erwiderte Torytrae.

Das war die einzige Antwort, die Sinn ergab. Ihre eigene Kopie hatte Torytrae dem Transmitter selbst entnommen, kurz nach dem Transfer. Dummerweise hatte der Koordinatenpuffer sich Augenblicke nach der Benutzung entleert – eine Verfolgung zur zuletzt angesteuerten Zielstation war also unmöglich gewesen.

Der Beamte wirkte wie vor den Kopf geschlagen. Er wich von der Aufnahmeoptik zurück, sodass sein Schwebestuhl gegen die Lehne seines Hintermanns prallte. »Das ist ein ... gewagter Vorwurf.« Das Zittern seiner Unterlippe verriet Empörung. »Die Datenerfassung des Pasch-Okan ist fehlerfrei. Unsere Akribie ist im Raytschat legendär.«

»Genau darauf setze ich ja.« Torytrae verbarg ihre Hände außerhalb des Erfassungsbereichs der Komgeräteoptik. Ihr Gesprächspartner sollte nicht sehen, wie ihre Finger zuckten.

Nicht nur die Sorgsamkeit des Pasch-Okan war legendär, auch die Arroganz seiner Mitarbeiter. Sie brauchte diese Information.

»Ich schlage vor,« fuhr sie fort, »dass Sie in Ihren Reihen nach einem Verräter suchen. Also nach jemandem, der die Unterlagen manipuliert haben könnte, um diesen Transmitter ›verschwinden‹ zu lassen.«

»Unsinn! Wer sollte so etwas tu... Oh!« Erneut sträubte sich das Fell auf seiner Schädeldecke. »Sie meinen ... die Caddron-Vaga hat unsere Reihen unterwandert?«

»Das ist doch möglich.« Die Transmitterbehörde war eine monolithische Organisation, verwundbar für Angriffe und somit das perfekte Ziel für Terrororganisationen wie die Caddron-Vaga. Hätte Torytrae ihre Spuren verwischen und sich ein sicheres Versteck beschaffen wollen, wäre das Pasch-Okan auch ihre erste Anlaufstelle gewesen. Manchmal fragte sie sich, wie man sehenden Auges eine derartige Schwachstelle in ein so wichtiges System einbauen konnte. Es musste einen Grund dafür geben, aber sie beschäftigte sich selten mit Politik.

»Ein faszinierender Gedanke.« Jonzmosh lehnte sich im Schwebestuhl zurück. Wieder glaubte Torytrae, unsichtbaren Zahnrädern hinter seiner Schädeldecke zuzusehen. Die Bloßstellung eines solchen Verräters war mit Prestige verbunden. Womöglich malte er sich bereits den finanziellen Aufstieg aus. »Wie kann ich Ihnen für diesen Hinweis danken?«

Torytrae unterdrückte ein Grinsen. Sie hatte den Beamten, wo sie ihn haben wollte. Es war leicht gewesen, ihrer strategischen Weitsicht kaum würdig, dennoch hatte sie das Duell genossen.

»Indem Sie mir Zugriff auf Informationen verschaffen«, antwortete sie. »Der Transmitter auf der Viktualienebene wurde aus der Protokollerfassung entfernt, die Empfangsstation aber womöglich nicht. Lässt sich mit der Kennung, die Sie von mir erhalten haben, herausfinden, wohin die von mir gesuchten Individuen gereist sind?«

Der Beamte überlegte. »Vielleicht. Die Kennung der Senderstation ist im Empfangsprotokoll enthalten. Aber um sie zu finden, müsste ein Suchlauf über Abermilliarden einzelner Datensätze stattfinden. Die Zahl der Transmittertransporte im betreffenden Zeitraum ...«

»Wie lange?«

Der Yaanztroner machte eine unbestimmte Geste. »Mehrere Liss. Ich muss eine Genehmigung meines Vorgesetzten beantragen, ich muss einige abteilungsübergreifende Anträge stellen und ...«

»Tun Sie das! Sie haben alle Daten, die Sie benötigen. Ich werde mich später erneut bei Ihnen melden.« Grußlos beendete Torytrae die Holoverbindung.

Das Schalldämpfungsfeld erlosch, und der Lärm der Nacht attackierte sie aufs Neue: das Schnarchen im Schlafgestell gegenüber, das schlaftrunkene Trompeten des Vogulars, das Pochen von oben.

Torytrae zögerte, sich in ihre Schlafposition zurückzubegeben. Die Dinge waren in Bewegung gesetzt. Die Transmitterkennung würde sich als Spur herausstellen oder als Irrweg – aber im Augenblick konnte sie nichts tun, außer zu warten. Nicht ihre größte Stärke! An Schlaf war weiter nicht zu denken.

Dennoch: Eine unausgeruhte Jägerin war eine schlechte Jägerin. Wer erschöpft war, beging Fehler – und Noc lauerte! Ihr Konkurrent würde jeden Patzer erbarmungslos ausnutzen.

Was blieb ihr also übrig? Erneut hob sie die Schutzmurmel aus der Truhe und setzte sich den Lataan auf die knöcherne Nasenspitze. Das Gespinst breitete sich aus und umwickelte ihren Kopf, ein weißer Schleier legte sich über ihr Sichtfeld. Schon spürte sie den beruhigenden Einfluss des Symbionten.

Sie zog sich in ihre Schlafecke zurück und sank auf die Bauchdecke. Die Beine zog sie an die Flanke – im Schlaf stabilisierte sie so ihre Körperlage.

Die Jagd geht weiter, dachte sie, während unruhiger Schlummer sie ereilte.

Traumbilder umfingen sie – und solche von einst. Es waren Eindrücke, die sie längst vergessen hatte.

Am Boden liegt dein Opfer.

2.

Perry Rhodan

Ein Pavian stand aufrecht vor Perry Rhodan und legte die Spitzen seiner Finger ans Kinn. »Sie können mir dabei helfen, das Pasch-Okan zu zerstören.« Keck sah das kaum anderthalb Meter große Fremdwesen zu seinem Gesprächspartner auf, wobei seine riesigen Ohrlappen schlackerten, als wolle er Rhodan damit zuwinken. »Aber zuerst machen wir einen weiteren Transmittersprung, um Ihre Fluchtroute noch besser zu verschleiern. Wir wollen schließlich nicht, dass die Ceynach-Jägerin Sie erwischt ...«

Er wandte sich dem Bedienelement des Hyperraumtransportgeräts zu und gab neue Zieldaten ein. Das Abstrahlfeld reaktivierte sich, und der Affenartige machte eine einladende Handbewegung. »Kommen Sie!«

Gemeinsam trat die kleine Gruppe in das Transmissionsareal.

Erneut änderte sich abrupt die Umgebung. Rhodan spürte einen Druck im Rücken, als Ceddy ihn vorwärtsstieß. Der Terraner stolperte über seine zuweilen noch ungewohnten, neuen Beine.

Ein Arm streckte sich nach ihm aus und hinderte ihn am Fallen. »Langsam! Ein Fuß vor den anderen.« Doynschto, Rhodans yaanztronischer Verbündeter, stützte ihn. »Transmitterreisen sind anstrengend, aber wir haben es hinter uns.«

Dankbar hielt sich Rhodan an ihm fest. Der Zerebralpfleger wusste, wie schwer einem Ceynach die Koordination der ungewohnten Gliedmaßen nach der Transplantation in einen Wirtskörper fallen konnte. Zudem hatte Rhodan der zweifache Transmitterdurchgang seltsam erschöpft. Die hiesigen Geräte schienen einem förmlich Kraft aus dem Leib zu saugen.

Er blickte in die Runde. Sie befanden sich in einer Art Fernverkehrszentrum. Zahllose Intelligenzwesen füllten den Raum, bildeten entweder Warteschlangen vor den überall verteilten Personentransmittern oder erholten sich von der Ankunft: grün befellte Yaanztroner, wurmartige Vogulare und weitere Angehörige jener Spezies, zu der auch der Pavianartige gehörte. Der Gestank ungewaschenen Fells machte die Luft dick, Murmeln und Trompeten bildeten einen Teppich aus Lärm.

Die meisten Reisenden standen dicht gedrängt beieinander, andere besetzten schmale Kunststoffpritschen, die an Ketten aus blau schimmerndem Metall vor den unverputzten Wänden baumelten. Wieder andere kauerten, umgeben von Truhen und Gepäckbündeln, um ovale Wärmbaken. Deren rötliches Licht warf farbige Schatten auf den Plastbetonboden. Die Hauptbeleuchtung stammte von einem Holoprojektor in der Raummitte, der einen Frühlingshimmel an die Decke zauberte.

Rhodan und seine drei Gefährten suchten sich eine etwas ruhigere Ecke und verharrten dort.

Der Pavian setzte sein Gespräch von zuvor in aller Ruhe fort, als hätten sie nicht gerade einen radikalen Ortswechsel vollzogen und wären nicht auf der Flucht vor einem maskentragenden Spinnenwesen. »Möchten Sie über meine Bitte nachdenken?«, fragte er und strich sich das dunkelblaue Gewand glatt.

»Ist es denn eine Bitte?« Rhodan runzelte die Stirn.

Der Affenähnliche, von dem Rhodan bereits wusste, dass er zur Spezies der Poynkorer gehörte, zupfte weiter an seiner Kleidung. Besondere Aufmerksamkeit widmete er dem Kragen, der seinen Nacken und Hinterkopf wie eine Halskrause umragte. »Zwingen kann ich Sie zu nichts, Perry Rhodan. Das ist doch Ihr Name?«

Rhodan mahlte mit den Kiefern. Wer war dieser seltsame Kerl? Zwar hatte sich das Wesen ihm als »Kavak-Senn« vorgestellt und als Anführer einer angeblichen politischen Oppositionsgruppe zu erkennen gegeben, die sich »Caddron-Vaga« nannte. Aber das waren nur Worthülsen. Konnte er dem Fremden vertrauen? Warum bat Kavak-Senn ausgerechnet Rhodan um Hilfe, der über die Verhältnisse in Naupaum so gut wie nichts wusste?

Eine Stimme regte sich in Rhodans Verstand. Sie schien aus dem Off zu kommen wie der Sprecher einer irdischen Holoviddoku: Zwingen kann er dich tatsächlich zu nichts. Aber er kann sich weigern, uns zu helfen. Das läuft aufs Gleiche hinaus. Die Caddron-Vaga ist mächtig, auch wenn sie im Verborgenen agiert.

Rhodan nickte. Inzwischen hatte er gelernt, auf die Stimme seines Wirts zu hören. Der eigentliche Besitzer des Körpers, in dem sich Perry Rhodan vor wenigen Tagen unvermittelt wiedergefunden hatte, sprach oft zu ihm. Hayvatschyt war ein Einheimischer, und nur gemeinsam würden sie in dieser für Rhodan komplett fremden Umgebung überleben. Fühlte es sich so für einen Arkoniden an, einen Extrasinn zu haben?

Davon weiß ich nichts, antwortete die Stimme. Konzentrier dich auf das Hier und Jetzt. Wir müssen eine Entscheidung treffen.

Kavak-Senn machte eine auffordernde Geste. Ohne abzuwarten, ob die anderen ihm folgten, bahnte er sich einen Weg durch die Menge.

Erneut spürte Rhodan einen Druck im Rücken, mit dem Ceddy ihn behutsam vorwärtstrieb. »Geh schon mit ihm, du Klotz! Der Boss hat dir was Wichtiges anzubieten.« Sie zwinkerte.

Der Terraner tauschte einen Blick mit Doynschto. Erst als der Zerebralpfleger nickte, setzte er sich in Bewegung und folgte dem Affenähnlichen. Das Yaanztronermädchen blieb zurück.

Über Kavak-Senn habe ich Gerüchte gehört, erzählte Hayvatschyt. Beachte seinen Kragen. Kannst du dir denken, was sich darunter verbirgt?

Nachdenklich starrte Rhodan auf das Stoffsegel, das den Nacken des Poynkorers verbarg. Ein Cheynach-Kropf!, mutmaßte er.

Unwillkürlich griff er sich ins eigene Genick, wo sich ein weicher, hautüberzogener Klumpen aufwarf. Darin befand sich Rhodans Gehirn.

Kavak-Senn verschwand zwischen den exotischen Gestalten der Umstehenden, doch seine feuerrote, haarlose Haut schimmerte wie ein Wegweiser. Mit angewinkelten Ellbogen zwängte sich Rhodan durch eine Schar spielender Kinder und folgte ihm. Doynschto tat es dem Terraner gleich.

Hinter einer Reihe niedriger Sitzbänke führte ein Durchgang auf einen – für naupaumsche Verhältnisse – schwach besuchten Platz. Platanenähnliche Bäume in hüfthohen Kübeln bildeten eine Allee. Dort eilten Passanten in immerhin so großem Abstand zueinander hindurch, dass es ihnen gelang, einander auszuweichen, ohne sich gegenseitig anzurempeln. Die Bevölkerungsdichte in diesem Teil des Universums war albtraumhaft, so viel hatte Rhodan bereits begriffen.

Kaum hatte er das Freie erreicht, sauste ein Gleiter Furcht einflößend dicht über ihn hinweg. Reflexhaft duckte er sich, bevor Doynschto ihn kopfschüttelnd weiterzog.

Er war auf eine Gleiterstraße gestolpert! Weitere Fluggeräte folgen in derselben Bahn, hupten und zogen ruckartig hoch. Der Terraner hätte nur die Hand ausstrecken müssen, um die Fahrzeuge zu berühren. Ihr Surren machte die Gespräche der Fußgänger unverständlich. Kinder lachten, jemand sang, doch das Brummen von Antigravmotoren schien die Luft vibrieren zu lassen.

Auf der Hälfte der Allee holten Rhodan und sein Begleiter den Poynkorer ein.

Kavak-Senn bemerkte sie und verzog das Gesicht zu etwas, das ebenso gut ein Lächeln sein konnte wie Ausdruck eines Niesreizes. Die hervorstehenden Kugelaugen rollten, dann verkrampften seine Gesichtsmuskeln, um sich gleich darauf wieder zu entspannen. Der Sinn hinter dem Mienenspiel blieb Rhodan verborgen.

Hayvatschyt schwieg dazu.

»Ich bitte um Verzeihung für das unorthodoxe Zustandekommen unserer Begegnung. Ich hoffe, Ceddy hat Sie gut zu mir gebracht.« Kavak-Senn bugsierte sie durch ein Grüppchen schnatternder Waschmänner. Der Schatten eines Transportgleiters fiel auf seine seltsam ungeschlachten Züge.

»Sie hat uns vor einer Yuloc gerettet, die uns auf den Fersen war«, sagte Rhodan. »Darüber beklage ich mich nicht.«

»Ah! Torytrae.« Abermals verzog der Poynkorer das Gesicht auf eigentümliche Weise: Augenrollen, Lippenkrampfen, dann plötzliche Entspannung. »Eine Legende unter ihresgleichen. Und eine große Gefahr für unser Vorhaben. Sicher haben Sie viele Fragen. Stellen Sie sie!«