Perry Rhodan Neo 245: Saturn in Flammen - Ben Calvin Hary - E-Book

Perry Rhodan Neo 245: Saturn in Flammen E-Book

Ben Calvin Hary

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Beschreibung

Das Jahr 2090: Ein halbes Jahrhundert nachdem die Menschheit ins All aufgebrochen ist, bildet die Solare Union die Basis eines friedlich wachsenden Sternenreichs. Aber die Sicherheit der Menschen ist gefährdet: durch interne Konflikte und externe Gegner, zuletzt durch das mysteriöse Dunkelleben. Eigentlich hat Perry Rhodan gehofft, diese Gefahr gebannt zu haben. Doch überall dort, wo der skrupellose Iratio Hondro aktiv ist, bleibt das Dunkelleben eine Bedrohung. Mit dem Ziel, sich zum Alleinherrscher der Menschheit aufzuschwingen, nimmt der Plophoser nun das Solsystem ins Visier. In dieser ohnehin kritischen Situation tauchen Besucher aus der Nachbargalaxis Andromeda auf, womit sie die politische Lage auf der Erde und dem Mars durcheinanderwirbeln. Währenddessen arbeiten Hondros Helfer daran, ihrem Herrscher den Weg an die Macht zu bereiten. Dazu setzen sie quasi sogar den SATURN IN FLAMMEN ...

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Band 245

Saturn in Flammen

Ben Calvin Hary

Cover

Vorspann

1. Reginald Bull

2. Ronald Tekener

3. Reginald Bull

4. Reginald Bull

5. Ronald Tekener

6. Reginald Bull

7. Jessica Tekener

8. Reginald Bull

9. Kurz zuvor – Jessica Tekener

10. Einige Zeit zuvor – Nike Quinto

11. Jessica Tekener

12. Cel Rainbow

Impressum

Das Jahr 2090: Ein halbes Jahrhundert nachdem die Menschheit ins All aufgebrochen ist, bildet die Solare Union die Basis eines friedlich wachsenden Sternenreichs. Aber die Sicherheit der Menschen ist gefährdet: durch interne Konflikte und externe Gegner, zuletzt durch das mysteriöse Dunkelleben.

Eigentlich hat Perry Rhodan gehofft, diese Gefahr gebannt zu haben. Doch überall dort, wo der skrupellose Iratio Hondro aktiv ist, bleibt das Dunkelleben eine Bedrohung. Mit dem Ziel, sich zum Alleinherrscher der Menschheit aufzuschwingen, nimmt der Plophoser nun das Solsystem ins Visier.

In dieser ohnehin kritischen Situation tauchen Besucher aus der Nachbargalaxis Andromeda auf, womit sie die politische Lage auf der Erde und dem Mars durcheinanderwirbeln. Währenddessen arbeiten Hondros Helfer daran, ihrem Herrscher den Weg an die Macht zu bereiten. Dazu setzen sie quasi sogar den SATURN IN FLAMMEN ...

1.

Reginald Bull

Der Koloss kam aus dem Nichts, drei Minuten, ehe Protektor Reginald Bull aus einem unruhigen Schlaf gerissen wurde.

Um 2.34 Uhr Terra-Standardzeit, das würde ihm das Protokoll später verraten, schlugen die Struktur- und Massetaster der Ortungsstation eines abgelegenen Zwergplaneten an. Ein riesenhaftes, scheibenförmiges Etwas materialisierte aus dem Hyperraum. Mit hoher Geschwindigkeit stürzte es durch eisige Schwärze dem Licht der Sonne entgegen.

Unbehelligt drang es in die Heliosphäre ein. Feinste Materiemengen verdichteten sich in Flugrichtung zu einer Wand aus kosmischem Gas, molekularer Staub prasselte gegen eine schrundige, gemarterte Außenhülle. Manövriertriebwerke, groß wie Wohntürme, zündeten und stießen grellblaue Plasmafeuer aus. Der Koloss bremste und schwenkte auf einen Kurs zum dritten Planeten der Zielsonne.

All das registrierten die Ortungsgeräte, bevor ein denkendes Wesen überhaupt davon ahnte. Positronische Signale huschten überlichtschnell zu den Stationen eines interplanetaren Frühwarnsystems. Dessen Zentralrechner benötigte nur Sekundenbruchteile, um den Neuankömmling als unbekannt einzustufen und eine standardisierte Meldung ins Systeminnere zu senden.

Die Information erreichte ihren Empfänger – einen übergeordneten Rechnerverbund mit der Eigenbezeichnung NATHAN – über Hyperfunk ganze vier Sekunden, nachdem die Massetaster den Besucher wahrgenommen hatten.

Weitere 0,02 Sekunden vergingen, in denen NATHAN die Daten auswertete und zu einer Handlungsempfehlung verarbeitete.

Um 2.45 Uhr erwachte Bull.

»Was?« Der Protektor blinzelte in die Dunkelheit und versuchte, den Ursprung des Glockentons zu ergründen, der ihn geweckt hatte.

Er kämpfte sich von seiner Schlafkoje an Bord des Raumschiffs TERRANIA hoch, rieb sich die Augen und hustete. Das letzte Traumbild – ein hünenhafter Mann mit der Haarsichel eines Punks aus dem zwanzigsten Jahrhundert – verblasste. Gerade noch hatte er ihn deutlich vor sich gesehen, schon fiel es Bull schwer, sich seiner Züge zu entsinnen. Bulls Verstand fasste nach, da verwehte die Erinnerung vollends.

Der Glockenlaut hallte unvermindert durch das nächtliche Quartier – der Rufton des Interkoms. Der Protektor blickte zu den düsterroten Leuchtziffern, die über seinem Nachttisch schwebten. Stoisch verkündeten sie die unmenschliche Uhrzeit.

»Betet zu Gott, dass es wichtig ist!« Aber natürlich wusste er, dass ihn niemand wegen einer Lappalie zu nachtschlafender Zeit stören würde.

Er schwang sich aus dem Bett. Seine nackten Füße berührten den Teppichboden. Auf der Brust pochte der Zellaktivator, sendete belebende Impulse – ein Prickeln wie von mikroskopischen Nadelspitzen. Das Gähnen, dass sich eben den Weg hatte bahnen wollen, erstarb zu einem unbefriedigenden Seufzen. Er war wach. Das hieß, so wach er nach nur zwei Stunden Schlaf sein konnte.

Das Bedienfeld der Bordkommunikationsanlage war neben dem Eingang des Quartiers in die Wand eingelassen. Bull eilte durch den Schlafraum und das Wohnzimmer, vorbei an einem niedrigen Couchtisch mit geleerten Flaschen und halb vollen Gläsern. Das Luftaufbereitungssystem verhinderte, dass sich schaler Biergeruch ausbreitete.

Missmutig hieb er auf den Sensor des Interkoms. »Bull hier.«

Er gab sich keine Mühe, seine schlechte Laune zu verbergen. Zellaktivator hin oder her, der entgangene Nachtschlaf würde ihm den ganzen Tag in den Knochen stecken. Der Abend war lang gewesen: ein Pokerspiel in seiner Zimmerflucht mit der engsten Führungsriege, um das Eis zu brechen. Seit dem Vortag hatte die TERRANIA einen neuen Ersten Offizier. Die Mannschaft an Bord von Bulls Flaggschiff war zu diszipliniert für ein Besäufnis, aber die Runde war doch recht gesellig genug gewesen. Bull gestattete sich derlei nur noch selten. Doch der Anlass rechtfertigte die Ausnahme. Er selbst hatte zum Glück keinen Alkohol getrunken.

Bull verzichtete bewusst darauf, die Sichtverbindung zu aktivieren. Vermutlich sah er furchtbar aus.

»Kasom hier«, drang die Bassstimme des Ersten Offiziers aus dem Akustikfeld. »Verzeihen Sie die Störung, Protektor Bull. Ihre Anwesenheit in der Zentrale wäre von Vorteil. Anscheinend haben die Taster auf Ixion ein unbekanntes Objekt angemessen, das sich dem Solsystem aus Richtung des galaktischen Rands nähert.«

Bull schluckte die Überraschung hinunter. Der Ertruser Melbar Kasom hatte Bulls Quartier als Letzter verlassen. Bis zum Schichtwechsel und damit seinem offiziellen Dienstantritt waren es noch Stunden. Was trieb Kasom um diese Uhrzeit in die Zentrale? Hatte der neue Erste Offizier, anstatt sich Ruhe zu gönnen, seine künftige Wirkungsstätte inspiziert? Ausgeschlossen war das nicht. Kasoms Dienstbeflissenheit war aktenkundig. Und von Ertrusern hörte man ohnehin die wildesten Geschichten. Angeblich kamen sie mit zwei Stunden Schlaf am Tag aus.

Nun, im Moment gab es Wichtigeres als die Marotten seines neuen Untergebenen.

»Was passiert auf Ixion? Wie verlässlich ist diese Information?« Bull rief sich sein Wissen über das Transneptunische Objekt in Erinnerung.

Ixion war ein sogenannter Plutino, umkreiste Sol weit draußen im Kuipergürtel und damit am äußeren Rand des Sonnensystems. Mit rund sechshundert Kilometern Durchmesser war es eigentlich kein Asteroid mehr, aber gerade so noch kein Zwergplanet. Zurzeit errichteten Techniker und Ingenieure dort einen Ableger des Ortungs- und Warnnetzwerks PUMA. Der Ausbau des Gesamtsystems schritt seit Jahrzehnten voran, aber abgeschlossen war er längst nicht. Es war gut möglich, dass ein Test einen Fehlalarm ausgelöst hatte.

»Die dort stationierten Ingenieure bestätigen die Ortung.« Kasom sprach auf dieselbe gedrechselte Art, die er auch beim Umtrunk nicht abgelegt hatte. »Man versichert uns, die Anlage arbeite zuverlässig. Letzte Funktionstests stünden noch aus, doch ein Messfehler sei ausgeschlossen. Was uns da besuchen kommt, ist groß, Mister Bull.«

»Wie groß?«

»Es ist definitiv keins von unseren Schiffen.«

»Ich bin unterwegs!« Bulls letzter Rest Müdigkeit verwehte schlagartig. An Nachtruhe war nicht mehr zu denken. Kasoms Aussage elektrisierte ihn. »Sicherheitshalber gilt ab sofort Alarmzustand für die gesamte Systemverteidigung.«

Bull beendete die Verbindung. Dann zog er sich das Pyjamaoberteil über den Kopf und warf es zerknüllt hinter sich. Nachtruhe war ohnehin ein Luxus, den sich nur andere erlauben durften. Er war der Protektor. Es war seine Aufgabe, in Situationen wie dieser die Leitung zu übernehmen.

Wenigstens, tröstete er sich, habe ich mir einen Weg gespart. Nach der »Party« hatte er spontan beschlossen, an Bord zu übernachten, statt in seinen privaten Bungalow am Goshunsee zurückzukehren. Das sparte nun kostbare Zeit.

Etwa eine Minute später betrat Bull in einer hektisch übergestreiften Bordkombination die Zentrale der TERRANIA. Das rostrote Haar hatte er mit ein paar Spritzern Wasser aus der Nasszelle geglättet und sich das Zähneputzen zugunsten einer rasch zerkauten Reinigungstablette erspart, deren Reste noch immer in der rechten Wangentasche klebten.

Geschäftiges Murmeln erfüllte den kuppelförmigen Raum, untermalt vom Piepen und Surren aus Arbeitsstationen sowie mobilen Positronikpads. Die rothaarige Anja McMannon saß am Platz des Navigators und berechnete Kursvektoren. Ina Joys hatte den Pilotensitz eingenommen und traf Startvorbereitungen.

Die TERRANIA ruhte abflugbereit auf dem Raumhafen von Terras gleichnamiger Hauptstadt. An Bord jedoch war von der planetaren Umgebung nichts zu spüren. Ein Holodom überspannte die Zentrale und zeigte die kosmische Umgebung der Erde in beängstigendem Detailreichtum. Bull schien, als schwebten die Besatzung und ihre Arbeitsstationen mitten im Vakuum. Er fröstelte. Der Anblick war ihm längst vertraut, gewöhnen würde er sich trotzdem nie daran.

Melbar Kasom war auf seinem Posten. Er stand mit dem Rücken zu Bull, abseits des Kommandopodests, und blickte dem jungen Funk- und Ortungsoffizier Timothy Holl über die Schulter. Der Ertruser rieb sich den morgendlich unrasierten Schädel. Eine dunkelbraune Haarsichel, sonst zu Stacheln aufgestellt, zog sich als zerzaustes Gestrüpp von der Stirn bis in den Nacken. Sie galt als Kasoms Markenzeichen.

Der Frontalbereich des Holodoms blendete zu einer stilisierten Darstellung des Solsystems um. Im Gehen hob Bull den Blick. Eine blassgelbe Kugel markierte das Zentralgestirn. Daneben leuchteten die inneren Planeten als farbige Symbole. Terra zog scheinbar verloren durch den Raum. Merkur, Venus und Mars standen im Mai 2090 allesamt weit entfernt.

Wo Ixion seine Bahn zog, die ihn alle zweihundertfünfzig Jahre einmal um die Sonne herumführte, strahlte ein grellrotes Warnsymbol. Von dort, begriff Bull, näherte sich der geheimnisvolle »Besucher«. Kennungen von Raumschiffen, die zur terranischen Wachflotte gehörten, strömten der Position entgegen.

»Gibt es ein Bild?« Bull trat ans Ortungspult und stellte sich neben den Ersten Offizier.

Der Ertruser war eine beeindruckende Erscheinung. Offenbar so beeindruckend, dass er Bull bis in den Traum verfolgt hatte. Bull reichte dem Fünfundzwanzigjährigen nur bis zur Brust. Kasoms Kreuz war breit wie ein Schrank – der typische Körperbau eines genetisch angepassten Nachkommen der ersten Ertruser. »Normale« Menschen überlebten auf seiner Heimatwelt dauerhaft nur mithilfe mobiler Antigraveinheiten.

Kasom schüttelte den Kopf. Die zottelige Haarsichel wogte hin und her. »Auf normaloptischem Weg frühestens in vier Stunden. Die derzeitige Entfernung des Eindringlings zur Erde beträgt gut vier Lichtstunden. Einheiten des Wachgeschwaders sind auf Abfangkurs. Sie erreichen den visuellen Erfassungsbereich in schätzungsweise fünfundzwanzig Minuten. Ich habe derweil den Start der TERRANIA angeordnet und Kommandant Everson informiert. Er wird in wenigen Minuten zur Nachtschicht antreten.«

»Das ist in meinem Sinne.« Der Protektor lächelte flüchtig.

Die Finger des Ortungsoffiziers huschten durch die Holokontrollen, gaben eine Reihe von Befehlsfolgen ein. »Der Eindringling reagiert nicht auf Kontaktversuche. Wir zapfen gerade den Datenstrom von PUMA. an, um uns vorab einen Eindruck zu verschaffen. Das sollte uns verraten, mit wem wir es zu tun haben. Sofern die Positronik den Schiffstyp identifizieren kann.«

»Falls es ein Raumschiff ist.« Kasoms Muskeln spannten sich sichtbar unter seiner Borduniform. »Noch wissen wir nicht mal das.«

Augenblicke verstrichen. Bull registrierte das Summen der Energieerzeuger, das in den Tiefen des Schiffsleibs anschwoll; die Schalldämpfung an Bord verhinderte größere Geräuschentwicklungen. Statusanzeigen und ein akustisches Signal aus dem Pult der Pilotin bestätigten, dass die TERRANIA soeben abhob. Bull stellte sich vor, wie der Raumhafen und die nächtliche Großstadt unter ihnen zurückfielen. Sehen oder gar spüren konnte er, bis auf ein leichtes Vibrieren unter den Sohlen, nichts davon. Die Andruckabsorber kompensierten die Massenträgheit sowie jedes Gefühl von Bewegung. Nach seinem Empfinden stand der Boden vollkommen still.

Bull ging es nicht mehr schnell genug. Schon zu oft hatten Eindringlinge aus den Weiten des Alls sich als feindselig herausgestellt, waren als Besatzer oder Angreifer gekommen. Nun drang erneut eine fremde Macht ins Sonnensystem ein, und es würde eine Weile dauern, bis der Rumpf der TERRANIA die oberen Luftschichten Terras durchstieß und der Schiffsriese auf Transitionsgeschwindigkeit beschleunigen konnte. Schließlich lag der Raumhafen in der Nähe eines urbanen Ballungsgebiets. Der Gewaltstart eines stählernen Gebirges von achthundert Metern Durchmesser hätte einen Orkan verursacht, große Schäden nach sich gezogen und womöglich Menschenleben gefährdet. Bull tippelte mit dem Fuß.

Ein Bestätigungston drang aus Holls Pult, als die Hyperfunk-Datenverbindung mit PUMA. zustande kam. Bull stellte sich vor, wie Pluto und die Außenstellen im Kuipergürtel virtuell zu einer gigantischen Satellitenschüssel wurden – ein schiefes, unrealistisches Bild, das wusste er, aber eins, das ihm half, sich die technischen Vorgänge in ihrer wahren Größenordnung vor Augen zu führen. Der TERRANIA stand das gesamte Ortungspotenzial des Sonnensystems zur Verfügung.

»Lässt sich das Geschehen im Zielgebiet visuell aufbereiten?« Der Protektor beugte sich neben Kasom über Holls Konsole.

Kolonnen aus Rohdaten wanderten durch das Auswertungshologramm. Er gab sich nicht den Anschein, als wüsste er viel damit anzufangen – seine Ausbildung zum Systemadministrator lag lange zurück und rüstete ihn nicht für solche Aufgaben.

Holl betätigte eine Reihe weiterer Schaltflächen. Dann fasste er in das Hologramm und machte eine Wurfbewegung zum Holodom. Das Abbild des Sonnensystems verschwand.

An seine Stelle trat die Oortsche Wolke, jene weite Kugelschale aus Gesteinsbrocken, Trümmern und Kleinstplaneten, die Sol und seine Planeten umhüllte. Sie flimmerten unangenehm vor Bulls Augen. Natürlich handelte es sich um eine verfälschte Ansicht; in Wahrheit war das Medium zu dünn, als dass Bull mit bloßem Auge mehr erkannt hätte als leeren Raum. Eine »Wolke« war es nur dem Namen nach.

Ein verwaschener Fleck erschien im zentralen Blickareal des Doms, gespickt mit hellen Punkten – vermutlich der Plasmaausstoß von Manövertriebwerken. Es war eine positronisch berechnete Darstellung, aufbereitet aus den Rohdaten. PUMAS Sensoren arbeiteten zum größten Teil im konventionellen elektromagnetischen Spektrum und damit lediglich lichtschnell. Nur die Masse- und Strukturtaster basierten auf Hypertechnik. Der angemessene Rematerialisierungsschock jedoch ließ einen Rückschluss auf die Größe des Neuankömmlings zu. Die ermittelten Werte schwebten als bernsteinfarbene Ziffern inmitten der dreidimensionalen Darstellung.

Holl stieß einen Pfiff aus. »Das Ding hat ein Vielfaches der Masse eines terranischen Großkampfschiffs. Scheibenform. Fünfzehn Kilometer Durchmesser, einen Kilometer dick, wenn man der Berechnung glauben mag. Das bestätigt unsere erste Schätzung.«

»Fünfzehn Kilometer?« Bull trat näher an das Hologramm. Mit dem Finger zeichnete er den Umriss nach, als könnte er ihn damit greifbar machen. »Ich glaube, ich weiß, was das ist. Auch wenn ich mir keinen Reim darauf machen kann.«

Er wies die Hauptpositronik an, die Ortungsergebnisse mit den Informationen der Borddatenbanken abzugleichen.

Der Rechner blendete Drahtgittermodelle und Konstruktionszeichnungen ins Holo. Der gesamte Katalog arkonidischer, terranischer und sonstiger Raumfahrttechnik rollte durch Bulls Sichtfeld; Kugel- und Walzenraumer, verschiedene Baureihen von Leka- und Space-Disks, Illustrationen von Raumstationen. Eine Vergleichsstruktur nach der anderen schob sich neben die Scheibe mit den flammenden Plasmapunkten, als müsste die Positronik sie aneinanderhalten, um Ähnlichkeiten festzustellen.

Der Rechner versah jede dreidimensionale Vorlage mit einer Fehlermarkierung, bevor sie erlosch und die nächste an ihre Stelle rückte. Es geschah in so verwirrender Folge, dass Bull den Blick abwenden musste. Kaum identifizierte er eins der Raumfahrzeuge, war es schon wieder verschwunden. Seine müden Augen schmerzten.

Schließlich kennzeichnete die Zentralepositronik eins der Modelle mit grüner Farbe und unterbrach den Suchlauf. Ein Text entstand darunter: »Übereinstimmung einhundert Prozent«.

»Hm.« Bull betrachtete die schematische Holodarstellung, die Seite an Seite mit dem optisch aufbereiteten Ortungsbild des Eindringlings schwebte: kreisrunde Grundform, fünfzehn Kilometer Durchmesser, ein Gewirr aus Landefeldern und Werkstätten prangte auf der Oberfläche. Das Objekt entstammte eindeutig derselben Bauart wie jenes in der Vergleichsvorlage.

Das ergänzende Datendossier in einem Holofenster neben dem Drahtgittermodell beseitigte Bulls letzte Zweifel. Plattformen wie dieser waren die Menschen schon begegnet, wiewohl in einer vollkommen unterschiedlichen Gegend des Alls. In einer anderen Galaxis sogar.

»Eine Werft der Paddler?« Timothy Holl kratzte sich am Kopf. »Wie kommt die denn hierher? Andromeda ist zweieinhalb Millionen Lichtjahre entfernt.«

Bull grübelte. Dass die Gigantwerft eine der Sonnentransmitterrouten benutzt hatte, schloss er aus. Zumindest die Verbindungen in der Lokalen Blase wurden überwacht oder waren ohnehin Teil des Transportnetzes zwischen der Erde und den Kolonien. Von der Transmission eines derart gewaltigen Objekts hätte Terra lange vorher Bescheid gewusst.

Er erinnerte sich an die Expedition der MAGELLAN vor fünfunddreißig Jahren. Damals waren Perry Rhodan und er in der Nachbargalaxis diesen weltraumfahrenden Ingenieuren zum ersten Mal begegnet. Für eine Weile hatte den Menschen eine der Werftplattformen als mobile Einsatzbasis gedient. Aber nicht alle Begegnungen mit den Paddlern waren friedlich verlaufen.

Kasom rief über die Bordkommunikation die restliche Führungsmannschaft auf ihre Posten. Die Männer und Frauen erreichten die Zentrale binnen weniger Minuten. Bull ließ sich auf dem Sessel des Einsatzleiters nieder.

»Ich nehme an, das da oben ist der Grund, aus dem wir geweckt wurden?« Marcus Everson, der Kommandant der TERRANIA, setzte sich auf seinen Platz und deutete schlaftrunken auf den verwaschenen Fleck. Der in Ehren ergraute Mann war nach wie vor zugleich amtierender Systemadmiral. Er füllte diese Stelle aus, seit Reginald Bull zum Protektor geworden war. Eigentlich hätte Everson laut den Flottenregularien längst pensioniert sein müssen. Doch man hatte bislang noch nicht die Zeit gefunden, einen geeigneten Ersatz zu benennen. Gutes Personal war schwer zu finden.

Kasom zwängte sich in den Sessel neben Everson – das Möbel trug sein Gewicht gerade noch so – und brachte seinen Vorgesetzten auf den neuesten Stand.

Bull lauschte der Unterhaltung schweigend. Nach und nach blendete die Zentralepositronik zusätzliche Daten in das Ortungsholo ein, in dem Maße, wie PUMA sie erfasste und zulieferte. Quälend langsam vervollständigte sich das Bild, doch es blieb verwaschen. Der Protektor kniff die Augen zusammen, als könne er es dadurch schärfer machen. Diese dunklen Stellen auf der Unterseite – waren das Anbauten? Geparkte Raumschiffe?

Endlich schwenkte die TERRANIA aus dem Erdorbit und beschleunigte. Eine Kurztransition brachte das terranische Flaggschiff auf eine Position jenseits der Plutobahn, wo es in einen Verband mit der MEMPHIS und der SAARBRÜCKEN einscherte. Melbar Kasom übernahm die Kommunikation mit den Kommandanten der übrigen Flottenfahrzeuge.

»Es ergibt wenig Sinn.« Marcus Everson unterdrückte ein Gähnen. »Werftplattformen der Paddler sind keine Fernraumschiffe. Die Anreise aus Andromeda muss ein äußerst waghalsiges Unterfangen gewesen sein. Warum gehen die Fremden dieses Risiko ein?«

»Sie werden einen Grund haben«, wich Reginald Bull aus. An einen Angriff glaubte er nicht, aber zweifellos waren die Paddler nicht bloß zu einer Sightseeingtour gekommen.

Die Werft stürzte dem Solsystem mit den Bremstriebwerken voran entgegen. An Stellen, wo sich nach Bulls Empfinden zusätzliche Plasmaausstöße hätten zeigen müssen, klafften allerdings dunkle Lücken. Offenbar waren nicht alle Maschinen aktiviert. Deshalb zehrte das Manöver den freien Fall des gigantischen Raumfahrzeugs nur langsam auf.

Soeben unterschritt der Verband die Entfernung, die das von der Plattform reflektierte Licht seit ihrer Materialisierung zurückgelegt hatte. Ihr Bild erreichte die Nahbereichssensoren.

»Wurde auch Zeit!«, murmelte Bull.

Im Außenbeobachtungshologramm wich der bislang nur positronisch berechnete Fleck einer normaloptischen Ansicht. Sie war hochaufgelöst genug, um Details ausmachen zu können.

Bull ertappte sich, wie er mit den Zähnen knirschte. Was er für Aufbauten oder Raumschiffe gehalten hatte, entpuppte sich als Schäden in der Außenhülle: Risse und Dellen, groß genug, um ein Beiboot der TERRANIA aufzunehmen. Ein schwarzer Fleck verunstaltete die Unterseite.

Das Ding war ein Wrack.

Dennoch überkam ihn angesichts der schieren Größe ein Schauer der Ehrfurcht. Die Plattform hatte offenbar einiges einstecken müssen. Waren die Schäden eine Folge der langen Reise? Oder war sie in einen Kampf verwickelt gewesen?

»Funkverbindung herstellen!«, verlangte er. »Die sollen sagen, was sie wollen, wenn sie schon nicht anhalten können.« Bull wusste, dass diese technischen Ungetüme oft Wochen benötigten, um Transitionsgeschwindigkeit zu erreichen, und ebenso lange, um zum Stillstand zu kommen – und das galt in unbeschädigtem Zustand. So lange hatte er jedoch nicht vor, in der Oortschen Wolke zu verharren. Wenn erst mal ein Kontakt zur Besatzung der Paddlerplattform hergestellt war, konnte er die Verhandlungen den Diplomaten überlassen.

Timothy Holl bombardierte die Fremden mit Grußbotschaften auf allen Frequenzen. Weder erhielt die TERRANIA eine Antwort, noch änderte die Plattform ihren Kurs. Das langwierige Bremsmanöver hätte das ohnehin unmöglich gemacht.

»Die legen's drauf an«, murmelte Everson. »Ich schlage vor, wir zeigen ihnen, dass sie uns ernst nehmen müssen.« Er ließ die Faust in die offene Handfläche fahren.

Bull schüttelte den Kopf. »Wer hat einen Gegenvorschlag?« Er blickte von Everson zu Kasom.

Der Ertruser schnaufte. Seine mächtigen Nüstern blähten sich. »Ich bin auf der Seite des Kommandanten. Mit ein paar Warnschüssen könnten wir uns Respekt verschaffen. Schneller abbremsen können sie mit diesem trägen Pott vermutlich nur geringfügig. Aber vielleicht antworten sie dann auf unsere Rufe.«

Unzufrieden rief Bull eine taktische Darstellung auf, die das Bild im Holodom überlagerte. Der terranische Raumschiffsverband stand stationär im Raum, bildete einen Sperrriegel vor der Plattform. Als Bull den Kopf drehte, sah er das Rund der SAARBRÜCKEN links von sich, groß wie ein Apfel und scheinbar zum Greifen nah. Auch dieses Holoelement war für menschliche Sehgewohnheiten aufbereitet. In Wahrheit hielten die drei irdischen Kampfschiffe etwa achtzigtausend Kilometer Distanz voneinander.

Wenn die Paddlerplattform nicht abbremste, überlegte Bull, würde sie zwar nicht mit der TERRANIA oder ihren Begleitfahrzeugen kollidieren – das war angesichts der Abstände und Dimensionen nahezu ausgeschlossen –, aber an ihnen vorbeirasen. Spätestens dann musste Bull die Waffen sprechen lassen. Er scheute davor zurück.

Holls Funkfeuer verhallte unbeachtet. Die Plattform unterschritt die Entfernung von anderthalb Lichtminuten.

»Meinetwegen.« Bull hieb mit der Faust auf die Armlehne. Zwar hatte er es nicht zur Eskalation kommen lassen wollen, doch ihm blieb keine Wahl. »Drei dosierte Energiestöße aus den Impulsgeschützen, niedrige Modulation!«, befahl er dem Waffenleitoffizier. »Sagen wir, zwanzig Kilometer vor den Bug. Wir wollen sie auf uns aufmerksam machen, nicht noch weiter beschädigen. Mister Holl, die SAARBRÜCKEN und die MEMPHIS sollen sich bereithalten.«

Der Funkoffizier bestätigte.

Der Waffenleitoffizier tat es ihm gleich und aktivierte die Waffensysteme in der unteren Polrundung. Das eigentliche Zielen übernahm die Positronik. Bei den extremen Geschwindigkeiten sowohl der Plattform als auch der TERRANIA genügte die Reaktionsdauer eines Menschen dafür nicht. Die Chancen eines versehentlichen Treffers waren astronomisch klein; dass die Schüsse das Ziel um Lichtsekunden verfehlten und wirkungslos im Nichts vergingen, war dafür erheblich wahrscheinlicher.

Die Geschütze lösten aus. Ihr »Rückstoß« pflanzte sich durch den Schiffsrumpf fort und erreichte die Zentrale in Form tiefer Bassschläge, mehr spür- als hörbar. Das Wummern war künstlich; es stammte aus Akustikfeldern, die im Bass- und teils Infraschallbereich arbeiteten. In den vergangenen Jahrzehnten hatten Ingenieure gelernt, dass irdische Raumfahrer psychologisch auf solche Rückkopplungen von ihrem Schiff angewiesen waren. Denn in Wahrheit gaben die Waffen keinen Ton von sich.

Bull zählte in Gedanken mit. Eins. Zwei. Drei.

Gleichzeitig irrlichterten drei rote Blitze über den Holodom. Das Bordgehirn zeichnete die Schüsse als Bolzen aus Licht nach, berechnete in Echtzeit die Entfernung zur Plattform und ließ sie entsprechend durch den Raum sausen. In Wirklichkeit bewegten sich die Entladungen lichtschnell durchs All, unsichtbar für das menschliche Auge.

Exakt zwanzig Kilometer vor dem Rumpf der Werft – haarscharf, in astronomischen Begriffen – zogen die Energiebahnen vorbei, bevor sie im Sternenhintergrund versanken.

Augenblicke später zündeten die restlichen Manövertriebwerke der Plattform.

Die Anspannung der Zentralebesatzung brach sich in erleichtertem Gemurmel Bahn. Holl jubelte. »Sie bremsen mit voller Kraft ab. Die Werft kommt zum Stillstand.«

Davon konnte freilich keine Rede sein. Zwar verringerte der Koloss seine Geschwindigkeit. Dennoch würde es anderthalb Tage dauern, bis die Fahrt vollkommen aufgezehrt war, wenn die Paddler keine Unterstützung erhielten und niemand die Plattform in Schlepp nahm.

Der Protektor zog den Abwehrverband weiter zusammen, um trotz der Funkstille ein Zeichen zu setzen: »Hier geht es nicht entlang!« Weitere Kampfschiffe schlossen sich ihnen an, darunter die LUDWIGSHAFEN und die BUENOS AIRES. Erst als seine Kiefer schmerzten, bemerkte Bull, dass er noch immer die Zähne aufeinanderpresste.

Dann – endlich! – sprachen die Hyperfunkempfänger der TERRANIA an. Die übermittelte Kennung erschien als Text im Datensegment des Holodoms. Es war der Eigenname der Paddlerwerft: »PE-hilfreich«.

Sekundenlang glaubte Bull, die Fassung zu verlieren. War das möglich?

Wenn ja, dann war das dort nicht irgendeine Paddlerplattform – sondern genau jene, die Rhodan, Bull und die MAGELLAN in Andromeda im Kampf gegen die Meister der Insel unterstützt hatte. Warum also identifizierte sie sich erst nach den Schüssen? Die Paddler an Bord mussten davon ausgehen, dass Terra sie wohlwollend empfing.

Ein Piepsen aus der Konsole des Funkoffiziers signalisierte, dass jemand um eine Unterhaltung bat.

»Hören wir uns an, was sie zu sagen haben.« Bull erhob sich, richtete seine schief sitzende Dienstuniform und stellte sich an den Rand des Kommandopodests. Mit einem Fingerzeig bedeutete er Timothy Holl, das Gespräch entgegenzunehmen und den Anrufer holografisch vor Bull zu projizieren. Was auch immer da gespielt wurde, gleich wusste er mehr!

Einen Lidschlag lang flimmerte die Luft. Dann zauberten die Holoprojektoren eine Gestalt vor Bull: ein gedrungenes, schwarzhäutiges Wesen mit humanoidem Körperbau. Unter dem kahlen Schädel prangte ein flaches Gesicht mit tief liegenden Augen, umrahmt von einem geflochtenen, dunkelroten Bart. Gekleidet war es in einen weißblauen Overall.

Sechsfingrige Hände hoben sich zum Gruß. Der Paddler verbeugte sich. »Werte Terraner! Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeit, die unser Auftauchen auslöst.«

»Pelok, vermute ich?« Bull kannte den Namen des Kommandanten von PE-hilfreich von früher, dennoch war er verunsichert. Diese Wesen glichen einander für menschliche Augen zu sehr.

Der Paddler schwieg. Es fiel Bull schwer, seine Miene zu deuten. War das Verlegenheit, die in die tiefschwarzen Züge trat?

»Mit wem spreche ich?«, insistierte er.

»Ich bin Pelok«, bestätigte der Paddler, als sei es ihm unangenehm, das zuzugeben. »Der Jüngere.«

»Ich verstehe.« Bull erwiderte die Verbeugung, in der Hoffnung, dass die Geste Bedauern ausdrückte. Obwohl die Expedition der MAGELLAN Jahre zurücklag, war er davon ausgegangen, dass Pelok noch lebte. Den meisten Außerirdischen war eine höhere Lebenserwartung als Menschen vergönnt. »Wie kann Terra Ihnen helfen, Pelok der Jüngere?«

Wieder Schweigen, dazu ängstliches Getrippel und Bartwuscheln. Als der Paddler endlich antwortete, ahnte Reginald Bull, dass die nächste Nachtruhe eine ganze Weile auf sich warten lassen würde.

2.

Ronald Tekener

Ausgerechnet zwei Asse!

Eigentlich war es ein zu gutes Blatt, um die Partie zu schmeißen. Aber Ronald Tekener spielte nicht, um zu gewinnen. Meist spielte er, um zu überleben – diesmal jedoch, um seine Schwester zu retten.

Tekener legte die beiden Spielkarten verdeckt vor sich ab. »Sie sind am Zug.« Noch galt es, den Schein zu wahren. Hätte er bluffen müssen, wäre es ihm dennoch leichtgefallen. Das Spiel selbst interessierte ihn nicht. Es war nur ein Zeitvertreib, während er das Personal belauschte und nach Spuren suchte.

Ihm gegenüber, hinter einem Holztisch in biederem Nussbaumfurnier, saß ein Mann mit schütterem Haar und blutunterlaufenen Augen. Eine Nadel steckte in seinem Handgelenk. Daran angeschlossen war ein Schlauch, der sich an einem mannshohen Metallständer emporschlängelte. Tropfen einer klaren Flüssigkeit sickerten aus einem Beutel an der Spitze des Ständers. Der Mann trug einen hellblauen Kittel – dieselbe Kleidung wie Tekener.