Personalbemessung für die Pflegepraxis - Manuela Ahmann - E-Book

Personalbemessung für die Pflegepraxis E-Book

Manuela Ahmann

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Beschreibung

Ab 1.Juli 2023 hält das neue Personalbemessungsverfahren (PeBeM) Einzug in die stationäre Langzeitpflege. Doch wie sind die Vorgaben für jedes Teammitglied nach dem neuen dreigeteilten Qualifikations-Mix-Modell umzusetzen? Lesen Sie in diesem Handbuch, wie die konkrete Umsetzung und Einführung in der Praxis gelingt. Das Autorenteam stellt die pflegefachlichen Aspekte in den Mittelpunkt, zeigt am Beispiel der Mustereinrichtung "Haus zum Feierabend" alle nötigen Schritte. Von den Bausteinen der Personalbemessung bis zur Arbeitsorganisation. Mit vielen Grafiken und Übersichtslisten. Als PDL starten Sie mit diesem Handbuch bestens vorbereitet in die Analyse, Planung und praktische Umsetzung. Und auch als Pflegefachkraft profitieren Sie von diesem gut verständlichen und praxisorientierten Handbuch. Denn es gibt allen Beteiligten das Fachwissen und die Sicherheit, Aufgaben und notwendige Veränderungen kompetent im Team zu diskutieren. Aus dem Inhalt: – Pflegeversicherung SGB XI – Die Einrichtung – Pflegefachliche Bausteine der Personalbemessung – Personalstruktur – Pflegegradmanagement – Arbeitsorganisation – Veränderungen auf der Haltungsebene – Anhang: – Checkliste Ist-Analyse zum neuen Personalbemessungsverfahren – Handout Roadmap des neuen Personalbemessungsverfahren – Handout Komplexitäts-Niveaus von Maßnahmen und aufgaben – Handout Übersichtsliste zu den Qualifikations-Niveaus – Arbeitshilfe für die Analyse Mitarbeiter – Qualifikations-Niveaus

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Seitenzahl: 156

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Sämtliche Angaben und Darstellungen in diesem Buch entsprechen dem aktuellen Stand des Wissens und sind bestmöglich aufbereitet.

Der Verlag und der Autor:innen können jedoch trotzdem keine Haftung für Schäden übernehmen, die im Zusammenhang mit Inhalten dieses Buches entstehen.

© VINCENTZ NETWORK, Hannover 2023

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Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne Weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen.

Titelseite: AdobeStock luismolinero, deagreez, Pixel-Shot, stokkete, Syda Productions (Fotos) und Maria Reichenauer (Grafik) Composing

Illustrationen: Maria Reichenauer, Firma Gutegrafik Feinefotos

E-Book ISBN 978-3-7486-0640-6

Sabine Hindrichs (Hrsg.), M. Ahmann, H.-J. Ahmann, K. Pleus, M. Stöcker, M. Werth

Personalbemessung für die Pflegepraxis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1 – Pflegeversicherung – SGB XI

1.1Zahlen & Fakten Pflegebedürftigkeit in der Zukunft

1.2Handlungssystem der Langzeitpflege

1.3Das neue Personalbemessungsverfahren

Kapitel 2 – Die Einrichtung

2.1Haus zum Feierabend

2.2Organisatorischer Aufbau der Einrichtung

2.3Personelle Ausstattung der Einrichtung

Kapitel 3 – Pflegefachliche Bausteine der Personalbemessung

3.1Umsetzung des neuen Personalbemessungsverfahrens

3.2Pflegerisches Grundlagenwissen zum Personalbemessungsverfahren

3.2.1Baustein Nummer 1 Qualifikations-Niveaus

3.2.2Baustein Nummer 2 Komplexitäts-Niveaus von Maßnahmen und Aufgaben

3.2.3Baustein Nummer 3 Klassifizierung der Interventionen

3.3Interventions-Maßnahmen-Katalog

3.3.1Qualifikationsanforderungen für die fachgerechte Erbringung der Interventionen

3.3.1.1Mobilität – Direkte pflegerische Interventionen

3.3.1.2Kognitive und kommunikative Fähigkeiten/Gestaltung des Alltagslebens – Direkte pflegerische Interventionen

3.3.1.3Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

3.3.1.4Selbstversorgung

3.3.1.5Krankheits- und therapiebedingte Aufgaben – Direkte pflegerische Interventionen

3.3.2Sicherung der Organisation und Qualitätssicherung

3.3.2.1Beratung und Schulung

3.3.2.2Pflegeprozess - Kommunikation - Organisation

3.3.2.3Qualitätsmanagement – Aufgaben

3.3.2.4Management

Kapitel 4 – Personalstruktur

4.1Anhaltswerte des neuen Personalbemessungsverfahrens

4.2Zweiter Implementierungsschritt – Analyse Personal

4.2.1Personalanalyse- und Entwicklung

4.2.2Bisherige Personal-Kalkulation

4.2.3Neue Personal-Kalkulation ab dem 1.07.2023

4.2.4Personalvergleich Ist-Soll-Abgleich nach Qualifikations-Niveaus

4.2.5Veränderungen des Case-Mix

Kapitel 5 – Pflegegradmanagement

5.1Der Pflegegrad-Manager

5.2Pflegegradmanagement praktisch umsetzen

5.2.1Erfassungs-/Auswertungs- und Bearbeitungstools für das Pflegegradmanagement

5.2.2Prozesse und Dokumente zum Pflegegradmanagement (QM)

5.2.3Basiswissen Pflegebedürftigkeit und Begutachtung – BI

5.2.4Implementierungsstrategie

Kapitel 6 – Arbeitsorganisation

6.1Informationen zum Personalbemessungsverfahren

6.2Praktische Umsetzung im Wohnbereich

6.3Kompetenzbasierter Einsatz

6.3.1Stellen- und Tätigkeitsprofil der Qualifikations-Niveaus 1 und 2

6.3.2Stellen- und Tätigkeitsprofil des Qualifikations-Niveaus 3

6.3.3Stellen- und Tätigkeitsprofil des Qualifikations-Niveaus 4

6.3.4Stellen- und Tätigkeitsprofil des Qualifikations-Niveaus 5 Leitung

6.4Vorbehaltene Tätigkeiten des Qualifikations-Niveaus 4

6.4.1Bezugspflege-Dokumentations-Visite

6.5Arbeits – Ablauf-/Touren Planung

6.5.1Auf das Qualifikations-Niveau bezogene Arbeits-Ablauf-/Touren Planung

6.5.2Personalentwicklung als Chance

Kapitel 7 – Veränderungen auf der Haltungsebene

7.1Wohnbereich I Möhnestrand

7.1.1Ausgangslage

7.2Erfordernisse auf der Haltungsebene

7.3Persönliche Skills

7.3.1Kommunikationsfähigkeit

7.4Persönlichkeitstypen

7.5Rollenverständnis

7.5.1Selbstvertrauen

7.6Kompetenzentwicklung als Führungsaufgabe

7.7Was wird weiterhin benötigt?

Ausblick

Literaturverzeichnis

Liste der Materialien im Downloadbereich

Autorinnen und Autor

Vorwort

Dass Sie dieses Buch in Händen halten, zeigt, dass Sie sich mit dem Personalbemessungsinstrument (kurz PeBeM) beschäftigen und wahrscheinlich noch viele unbeantwortete Fragen haben.

Die Antworten darauf finden Sie in diesem Buch.

Das Wort „kompliziert“ wird im Sinne von “schwer zu verstehen“ benutzt und wir (die Autor:innen) haben es schon oft gehört. Somit haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, etwas Kompliziertes verstehbar zu machen.

Um die relevanten pflegefachlichen Aspekte des neuen Personalbemessungsverfahrens so praxisnah wie möglich für Sie aufzubereiten, haben wir uns entschlossen, Sie in unsere imaginäre Einrichtung – Haus zum Feierabend – einzuladen und als Beobachter:innen bzw. Leser:innen zusammen mit uns und unseren Kolleg:innen zu schauen, wie eine Umsetzung und Implementierung der pflegefachlichen Grundsystematik in der Praxis gelingen kann. Sie werden Bert Blaugang als Einrichtungsleiter, Katharina Klug als Pflegedienstleitung und das Team des Wohnbereiches Möhnestrand unter der Leitung von Sina Wichtig kennenlernen. Sie teilen mit Ihnen ihre Strategien, ihre Ängste und ihre Gedanken.

In diesem Buch finden Sie die pflegerischen Aspekte des neuen Personalbemessungsverfahrens und der zugrunde liegenden Handlungssystematik, ausgehend vom neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff.

Im ersten Kapitel finden Sie wichtige Grundlagen der Pflegeversicherung. So viel Theorie muss sein. Anschließend lernen Sie unsere Einrichtung Haus zum Feierabend kennen und danach die grundlegenden Bausteine der Personalbemessung und die Methodik, wie Sie sich mit der Personalsituation in der Ist-Analyse auseinandersetzen müssen. Sie erfahren darauffolgend die Zusammenhänge des Personalbemessungsinstruments mit dem Pflegegradmanagement. Die Darstellung wird mit einer Auseinandersetzung im Rahmen der Arbeitsorganisation abgerundet.

Jedoch reicht der Besitz dieses Wissens allein nicht aus. Es muss „gelebt” werden. So muss es zu einer Änderung auf der Haltungsebene kommen. Eine wertschätzende Kommunikation, eine Änderung des Rollenverständnisses und eine empathische Grundhaltung sind ebenfalls gefordert.

Wir begleiten Sie auf Ihrem Weg zu einer gelungenen Implementierung und somit zum Erfolg!

Zum Schluss bedanken wir uns. Dank an das Team des Vincentz Networks, Herrn Mencke und Frau Schäfer. Dann an Sie, liebe Leser:innen, denn auch das beste Buch kann ohne Leser:innen nicht existieren. Danke an Frau Reichenauer, denn ihre Grafiken haben unser Haus zum Feierabend zum Leben erweckt.

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen und Erfolg beim Umsetzen

Ihr Autorenteam

Sabine Hindrichs (Herausgeberin)

Weitere Autoren in alphabethischer Reihenfolge:

Ahmann, Hermann-Josef

Ahmann, Manuela

Pleus, Kerstin

Stöcker M.A., M.Sc., Margarete mit Sina

Werth B.A., Michaela

Kapitel 1 – Pflegeversicherung – SGB XI

1.1Zahlen & Fakten Pflegebedürftigkeit in der Zukunft

Die demografischen Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland sind schon seit Jahrzehnten bekannt. Jedoch werden sie in der Gesellschaft vielfach nicht als grundsätzlich existenziell bewertet. In der Regel nehmen nur Menschen, die sich beruflich mit dem Thema beschäftigen oder die persönlich durch höheres Alter, durch einen Hilfebedarf und/oder durch Pflegebedürftigkeit z. B. bei Angehörigen damit konfrontiert sind, diese Entwicklung wahr. Dabei nimmt die Wahrscheinlichkeit, mit dem Thema Pflegebedürftigkeit konfrontiert zu werden, mit dem Lebensalter deutlich zu.

Die nebenstehende Abbildung zeigt die statistische Verteilung von Menschen mit mehr als 70 Jahre in Deutschland im Jahre 20191. Je blauer die gekennzeichnete Fläche ist, desto dichter die Konzentration der älteren Menschen in der Region bzw. dem Bundesland.

Grafik 1.1: Anteil der Bevölkerung mit 70 Jahren und älter (2019) aus: Bericht des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung: Fakten zur demografischen Entwicklung Deutschlands 2010-2020

Die Abwanderung der arbeitenden Bevölkerung insbesondere aus den arbeits-infrastruktur-schwächeren Gebieten in Gebiete mit guten und sicheren Arbeitsplätzen, nimmt von Jahr zu Jahr weiter zu.

Dies hat zur Folge, dass die älter werdende Bevölkerung in den arbeits-infrastruktur-schwächeren Gebieten zurückbleibt. Diese Veränderungen wirken sich erheblich auf die Versorgungsmöglichkeiten dieser Bevölkerungsgruppe aus.

Die Anzahl älterer Menschen und ihr Bevölkerungsanteil in Deutschland nehmen bereits seit Jahrzehnten stetig zu. Da Menschen mit steigendem Alter vermehrt pflegebedürftig sind oder werden, wächst damit auch die Anzahl der pflegebedürftigen Personen in Deutschland. Zwischen 1999 und 2019 ist die Anzahl pflegebedürftiger Menschen in Deutschland von 2,0 auf 4,1 Millionen gestiegen. Unter der vereinfachenden Annahme, dass die aktuellen alters- und geschlechtsspezifischen Pflegequoten unverändert bleiben, gingen bisherige statistische Berechnungen davon aus, dass die Anzahl der pflegebedürftigen Personen bis 2060 auf über sechs Millionen steigen.2

Grafik 1.2: Verteilung der pflegebedürftigen Personen nach Altersgruppen von 1999–2060Datenquelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2021

Im Barmer Pflege-Report 2021 wird nach Berechnungen des Bremer Pflegeökonomen Heinz Rothgang die Zunahme pflegebedürftiger Personen in Deutschland seiner Prognose zufolge bisher deutlich unterschätzt. Demnach wird es bereits 2030 rund sechs Millionen pflegebedürftige Personen geben und damit eine Million mehr als bisher vorhergesagt.

Versorgung Pflegebedürftiger Personen nach SGB XI(Stand 2019)

Grafik 1.3: Verteilung Pflegebedürftiger Personen nach SGB XI – Stand 2019

Um diese Anzahl von pflegebedürftigen Personen zu versorgen, sind gegenüber seiner Einschätzung heute rund 180.000 zusätzliche Pflegepersonen nötig.

Die jährlichen Ausgaben der Pflegeversicherung werden somit von derzeit 49 Milliarden Euro im Jahr bis 2030 auf 59 Milliarden Euro steigen.

Durch die noch immer anhaltende Coronapandemie wurden bisher die Zahlen für die Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2021 noch nicht veröffentlicht. Im Jahr 2019 lag die Anzahl der pflegebedürftigen Personen laut Statistischem Bundesamt3 bei 4,1 Millionen, nach aktuellen Schätzungen geht man in Deutschland von ca. 4,7 Millionen pflegebedürftiger Personen Stand 2021 aus.

Damit wird der Grundgedanke „ambulant vor stationär“ seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1994 untermauert

Sieht man sich die Verteilung der pflegebedürftigen Personen im Jahr 2019 genauer an, erkennt man, dass von den 4,1 Millionen pflegebedürftigen Personen nur ca. 20 % in stationären Pflegeeinrichtung professionell versorgt und gepflegt werden. Der weitaus größere Anteil von 80 % der pflegebedürftigen Personen wird in ihrer Häuslichkeit versorgt und gepflegt. Wobei hier der Anteil der von Laienpflege, z. B. durch Angehörige, durchgeführten Pflege mit 55 % deutlich höher ist als durch professionelle ambulante Pflegedienste.

Verteilung der Versorgung Pflegebedürftiger Personen Ambulant – Stationäre Langzeitpflege 2019

Grafik 1.4: Verteilung der Versorgung Pflegebedürftiger Personen ambulant – stationäre Langzeitpflege – Stand 2019

Aufgrund des demografischen Wandels und der zunehmenden Anzahl von pflegebedürftigen Personen wird heute und auch künftig die Laienpflege – z. B. durch Angehörige – im Vordergrund stehen. Der Anstieg mit rund 1.501.000 (3.800.000) zusätzlichen pflegebedürftigen Personen bis 2030 ist daher in dieser Gruppe am höchsten.

Versorgung Pflegebedürftiger Personen nach SGB XI Prognose 2030 nach Prof. Heinz Rothgang

Grafik 1.5: Verteilung Pflegebedürftiger Personen nach SGB XI – Stand 2030 nach Prof. Heinz Rothgang

Demnach werden voraussichtlich insgesamt 1 Million pflegebedürftige Personen in stationären Einrichtungsformen und rund 1,2 Millionen von ambulanten Pflegediensten versorgt werden können (oder müssen?).

Verteilung der Versorgung Pflegebedürftiger Personen Ambulant – Stationäre Langzeitpflege 2030

Grafik 1.6: Verteilung der Versorgung Pflegebedürftiger Personen ambulant – stationäre Langzeitpflege – Stand 2030

Deutschland befindet sich in einem immer schneller werdenden dramatischen Pflege- sowie Versorgungsnotstand und die Coronapandemie wirkt hierbei wie ein Brandbeschleuniger.

Unser medizinisches Gesundheitssystem, mit dem Ruf eines der besten auf der Welt zu sein, fällt im pflegerischen Bereich einer Bürokratie mit gesetzlichen Regelungen und den unterschiedlichen Interessen von Akteuren im Gesundheitssystem, insbesondere der Krankenkassen, zum Opfer.

Die Idee, bei Gründung der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) im Jahr 1994 eine Teilabsicherung für den Fall des Eintrittes der Pflegebedürftigkeit zu etablieren, auch und besonders im Hinblick auf den demografischen Wandel in Deutschland, hat sich nach nunmehr fast 30 Jahren zu einem unflexiblen, bürokratischen und sich an der Zielgruppe der pflegebedürftigen Personen vorbei zielenden System entwickelt.

Der Ruf nach einer grundsätzlichen Änderung des Systems durch die Politik mag sicherlich an vielen Stellen berechtigt sein, aber wenn wir als Gesellschaft weder bereit sind, die demografischen Entwicklungen zu sehen und wahrzunehmen, wie sie sind, noch aktiv Bereitschaft zeigen, uns persönlich aktiv einzubringen, ist bereits jetzt das Ende unseres jetzigen Gesundheitssystem im Bereich der Langzeitpflege nicht mehr abzuwenden.

Unter Berücksichtigung der aktuellen Zahlen und Fakten würde die Aufrechterhaltung unseres jetzigen Systems in der Langzeitpflege zu einem Szenario führen, das nicht mehr im Ansatz vergleichbar ist mit dem heutigen und zukünftig keine tragfähige Lebens-Alltags-Versorgung für pflegebedürftige Menschen in unserer Gesellschaft mehr ermöglicht.

Pflegebedarf 2030 Einrichtungen und Pflegepersonen

Grafik 1.7: Pflegebedarf 2030 – Einrichtungen und Pflegepersonen

Sieht man sich die Entwicklung im Bereich der Langzeitpflege bis zum Jahr 2030 genauer an, wird mehr als deutlich, dass die stationäre professionelle Versorgung von 20 % auf 17 % zurückgehen wird. Der Anstieg der pflegebedürftigen Personen und der sich gleichzeitig erhöhende Pflegebedarf und der damit verbundene Personalmehraufwand sind nach den heutigen gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr zu gewährleisten. Um die Gewährleistung der Versorgung selbst für die reduzierten Versorgungsmöglichkeiten von 17 % nach heutiger Versorgungssystematik sicherstellen zu können, würden ca. 2.571 zusätzliche stationäre Einrichtungen und mindestens 97.698 zusätzliche professionelle Pflegekräfte benötigt, ungeachtet der Tatsache, dass in den vergangenen drei Jahren die Anzahl der stationären Einrichtungen bereits rückläufig ist auf dem Hintergrund immer mehr fehlenden Personals.

Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass 83 % der Versorgung pflegebedürftiger Personen in deren Häuslichkeit stattfinden muss. Der Grundgedanke der Pflegeversicherung als Wahloption ambulant vor stationär erhält damit eine völlig andere Bedeutung. Die pflegebedürftige Person hat keine Entscheidungsoption, ob sie professionelle Pflege, sei es ambulant, teilstationär oder stationär, in Anspruch nehmen möchte, sondern sie ist abhängig davon, wie die aktuelle professionelle Angebotssituation für den eigenen Hilfebedarf in ihrer Region ausgestaltet ist.

Zukünftige Verteilung der Pflegebedürftigen Personen nach Pflegegraden auf die Versorgungsbereiche

Grafik 1.8: Verteilung Pflegegrade auf die Versorgungsbereiche

Unser größter ambulanter „Pflegedienst“ in Deutschland, die pflegenden Angehörigen, erhält somit unfreiwillig einen noch größeren Versorgungsanteil. Die Angehörigen tragen damit unausgesprochen den Versorgungsauftrag für 63 % aller pflegebedürftigen Personen.

Aber wer sind die pflegenden Angehörigen 2030? Gibt es sie überhaupt noch, verlassen wir uns nicht in dieser Gesellschaft vielmehr auf ein Gesundheitssystem, das alles regelt und in dem wir persönlich nichts beitragen müssen?

Vor dem Hintergrund der sich deutlich konträr dazu entwickelten und entwickelnden Familienstrukturen bedarf es einer grundsätzlich neuen Bewertung des gesellschaftlichen Auftrages in Bezug auf die wachsende Pflegebedürftigkeit in Deutschland.

Um die Lebens-Alltags-Versorgung von pflegebedürftigen Personen in den nächsten Jahren überhaupt ansatzweise sozial gerecht sicherzustellen, wird zwangsläufig die Bewertung der Notwenigkeit und des Anspruches auf professionelle Pflege und Versorgung in den unterschiedlichen Settings in neuen Formen erforderlich sein.

Aktuell lässt sich die Lage für die Versorgung der Pflegebedürftigen so zusammenfassen:

•Die Anzahl der vollstationären Pflegeeinrichtungen der Langzeitpflege und der dort gepflegten pflegebedürftigen Personen stagniert bzw. reduziert sich.

•Schließung kleinerer Pflegeeinrichtungen (unter 50 Plätze) und Kapazitätsreduzierungen in der ambulanten Versorgung.

•Die ambulante Versorgung ist bereits heute an ihrer Grenze, da die Nachfrage nach ambulanten Pflegeleistungen entsprechend deutlich zugenommen hat und noch weiter steigen wird.

•Die immer weiter ansteigende Anzahl pflegebedürftiger Personen hat bereits jetzt zu einem enorm gewachsenen Fachkräftemangel in der Pflege geführt und verstärkt die Situation zunehmend weiter.

Die gute Nachricht: Für die professionellen Pflegeeinrichtungen gehören Belegungsprobleme längst der Vergangenheit an – für die pflegebedürftigen Personen heißt dies allerdings, dass die Option der Wahlfreiheit nur in der Theorie vorhanden ist.

Die schlechte Nachricht: Nachwuchsrekrutierung von qualifizierten Pflegefachpersonen als auch von Pflegepersonen mit und ohne Qualifizierung hat aktuell ein nie da gewesenes Ausmaß angenommen. Die generalistische Ausbildung führt zu einer Verschiebung der Auszubildenden in den Akutbereich.

1.2Handlungssystem der Langzeitpflege

Grafik 1.9: Versorgungssettings des SGB XI

Grafik 1.10: Rahmenelemente in der Langzeitpflege

Grafik 1.11: Rahmenelemente in der Langzeitpflege, Stand 10.2022

Ausgehend vom neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff mit der Einschätzung des Grades der Selbstständigkeit bzw. dem personalen Hilfebedarf mit dem Begutachtungsinstrument (Bi) und der Anwendung des Strukturmodells mit dem vier-phasigen Pflegeprozess wird mit der Einführung des Personalbemessungsverfahrens (PeBeM) in der stationären Langzeitpflege erstmals ein in sich geschlossenes/kongruentes und aufeinander aufbauendes empirisch-wissenschaftlich begründetes Handlungssystem zur Verfügung stehen.

1.3Das neue Personalbemessungsverfahren

Die Fragestellung, wie viel Personal mit welcher Qualifikation für ein gute, sichere qualitative Versorgung von pflegebedürftigen Personen benötigt wird, beschäftigt die Langzeitpflege schon seit Jahrzehnten. Bereits vor zwanzig Jahren wurde das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) damit beauftragt, die Übertragbarkeit des in Kanada entwickelten PLAISIR-Verfahrens4 auf Deutschland zu überprüfen. Eine Übertragbarkeit des PLAISIR-Verfahrens wurde wegen den Lizenzschwierigkeiten und den nicht transparenten Algorithmen als nicht geeignet für die Langzeitpflege in Deutschland ausgeschlossen.

Weitere nationale und internationale Personalbemessungsinstrumente, die im Laufe der Jahre analysiert und bewertet wurden, führten zu keiner geeigneten Grundlage für ein bindendes Personalbemessungsinstrument im deutschen Pflege- und Gesundheitssystem.

Durch die Vereinheitlichung der Personalausstattung und der Pflegesätze 1998 mit dem Standard-Pflegesatz-Modell (SPM) kam es aus Sicht der Einrichtungsträger zu deutlichen Kürzungen der Personalausstattungen zu Lasten von Qualitätseinbußen in der Leistungserbringung.5

Mit dem Gesundheits-Versorgungs-Weiterentwicklungs-Gesetz – GVWG werden unter anderem Sachverhalte auf den Weg gebracht, die teilweise seit Beginn der Pflegeversicherung 1994 kontinuierlich vertagt worden sind:

•das Ende der Fachkraftquote,

•die Einführung bundesweit einheitlicher Personal-Anhalts-Werte mit dem § 113c SGB XI.

Ausgangsbasis war das PSG 2 – § 113c SGB XI Personalbemessung in stationären Pflegeeinrichtungen

Die Vertragsparteien nach § 113 SGB XI stellen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in stationären Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben sicher.

§ 113c SGB XI

Es ist ein strukturiertes, empirisch abgesichertes und valides Verfahren für die Personalbemessung in stationären Pflegeeinrichtungen auf der Basis des durchschnittlichen Versorgungsaufwands für direkte und indirekte pflegerische Maßnahmen sowie für Hilfen bei der Haushaltsführung unter Berücksichtigung der fachlichen Ziele und Konzeption des ab dem 1. Januar 2017 geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriffs zu erstellen.

Hierzu sind einheitliche Maßstäbe zu ermitteln, die insbesondere Qualifikationsanforderungen, quantitative Bedarfe und die fachliche Angemessenheit der Maßnahmen berücksichtigen.

Die Vertragsparteien beauftragen zur Sicherstellung der Wissenschaftlichkeit des Verfahrens fachlich unabhängige wissenschaftliche Einrichtungen oder Sachverständige.

Soweit bei der Entwicklung und Erprobung des Verfahrens eine modellhafte Vorgehensweise erforderlich ist, kann im Einzelfall von den Regelungen des Siebten Kapitels sowie von § 36 und zur Entwicklung besonders pauschalierter Pflegesätze von § 84 Absatz 2 Satz 2 abgewichen werden.

Bei den Aufgaben nach den Sätzen 1 bis 6 sollen die Vertragsparteien von der unabhängigen qualifizierten Geschäftsstelle nach § 113b Absatz 6 unterstützt werden.

Die Entwicklung und Erprobung wurde fristgerecht bis zum 30. Juni 2020 abgeschlossen.

Das neue Personalbemessungsverfahren (PeBeM) in der Langzeitpflege soll vor allem im Kontext des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes ein einheitliches qualitätssicherndes Verfahren der Bemessung und des Einsatzes qualitätsgebundener professioneller Pflege ermöglichen. Die erstmalig einheitliche Festlegung und Beschreibung von Interventions-Maßnahmen in der Langzeitpflege mit Zuordnung nach Qualifikationsniveaus bietet eine Grundlage für ein einheitliches professionelles Handeln in der Praxis vor Ort.

1Datenquelle Statistische Bundesamt, Berechnung und Darstellung Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung ©GeoBasis-DE/BKG (2019)

2Barmer Pflegereport 2021, Schriftreihe Gesundheitsanalyse, Prof. Heinz Rothgang

3Pflegestatistik 2019, Bundesamt für Statistik

4Erfolgreiche Pflege – zu den Grundlagen einer Personalbemessung, Bartholomeyczik & Hunstein, PfleGe 5. Jg. (2000) Nr. 4

5Leistungsgerechte Pflegesätze im Bereich Stationäre Altenhilfe nach dem Pflegeversicherungsgesetz – Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Standard-Pflegesatz-Modell, Winkler, PfleGe 5. Jg. (2000) Nr. 4

Kapitel 2 – Die Einrichtung

2.1Haus zum Feierabend

„Guten Tag, mein Name ist Bert Blaugang.

Ich bin die Einrichtungsleitung der Pflegeeinrichtung ‚Haus zum Feierabend!‘ Sie wundern sich vielleicht, wie das Haus zu diesem Namen kam. Noch heute werden Einrichtungen in einigen Regionen als Feierabendhäuser bezeichnet und für unsere Einrichtung passt das Wort Feierabend zu unserer Haltung und als Beschreibung für den Ort, welchen wir unseren Bewohner:innen in ihrer letzten Lebensphase bieten möchten.

Unser Leitbild orientiert sich an dem Pflegebedürftigkeitsbegriff und wir handeln personen-zentriert.

Unsere Haltung orientiert sich an Erich Schützendorf1 und den ‚Attributen des Alters unter Anerkennung der Selbständigkeit und der Selbstbestimmung‘ unseres Bewohners.“

Grafik 2.1: Attribute des Alters

Grafik 2.2: Haus zum Feierabend

2.2Organisatorischer Aufbau der Einrichtung

Aufbau und Verteilung im Haus zum Feierabend

Erdgeschoss

Wohnbereich Möhnestrand

26 Plätze

Etage

Wohnbereich Ruhraue

26 Plätze

Etage

Wohnbereich Seeufer

26 Plätze

Etage

Wohnbereich Rheinpromenade

26 Plätze

Tabelle 2.1: Aufbau der Pflegeeinrichtung „Haus zum Feierabend“

Das Haus zum Feierabend hat insgesamt 104 Plätze. Diese sind auf vier Wohnbereiche verteilt. Jeder Wohnbereich besteht aus zwei Wohngemeinschaften mit je 13 Plätzen