Planet der Zehnwortdiktatur (Teil 1) - Michael Häusler - E-Book

Planet der Zehnwortdiktatur (Teil 1) E-Book

Michael Häusler

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Beschreibung

In ferner Zukunft: Deutschland verfügt über seine erste Auswandererkolonie auf einem fernen Planeten. Dieser wird jedoch von fast allen Deutschen wie die Pest gemieden, denn er gilt als tabu. Nur ganz wenige trauen sich da hin, denn keiner weiß, was dort vorgeht. Ein junger Historiker schließlich wagt den Hinflug: Und wird zerrieben im Räderwerk einer höchst kuriosen, unbarmherzigen Diktatur, in der alle Lebensgrundlagen auf die Zahl 10 genormt sind. Eine unsichtbare Macht treibt ein wirres Spiel mit dem Fremden, von dem er nicht weiß, wo es ihn hinführen soll. Der Fremde, der bis zum Schluss namenlos bleibt, erlebt die albtraumhafte Monotonie des Planeten, seine durchweg unheimlichen, seltsamen Bewohner, erfährt Gehirnwäsche und Psychoterror. In tiefster Verzweiflung will er sich völlig aufgeben. Doch da trifft er in der Hauptstadt Zehnwortsatzingen völlig unerwartet die große Liebe seines Lebens: Die junge, aparte Sängerin Tamara Hope. Doch diese ist fanatisch dem Zehn-Wort-System ergeben, und ausgerechnet auch noch eine enge Vertraute des zwielichtigen Diktators Meereszorn; denn sie ist staatlich beauftragte Propagandasängerin für Zehnwort-Lyrik! Kann eine Liebe unter solch unheilvollen Umständen überhaupt gedeihen? Können Tamara und der Fremde jemals eine gemeinsame Zukunft haben? In seiner Not schmiedet der Fremde fieberhaft Pläne, die ebenfalls ihn heftig gegenliebende Tamara heimlich zur Erde zu entführen.

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Von Michael Häusler erschien bisher im Verlag

Books on Demand GmbH (BoD) Norderstedt:

(Heli)opolis –

Der verhängnisvolle Plan des Weltkoordinators,

Utopisch-satirischer Roman, Paperback, Kartoniertes Taschenbuch, 688 Seiten,

ISBN 978 3844 800 302

2012

Keiner spricht mehr von Schimmeling

Ein Münchner Gesellschaftsdrama, 164 Seiten, 210 mm, 245 g, Paperback, Kartoniertes Taschenbuch,

ISBN 978 3 84820486-1

2012

Die Zeitfälscher

Ein außerirdisch cooler (Anti) Science--fiction-- Roman, 170 Seiten, Kartoniert, Eine vergnügliche, utopische Erzählung.

ISBN 978 384 822 536 1

2012

Alle Bücher sind auch als eBook erhältlich.

In ferner Zukunft: Deutschland verfügt über seine erste Auswandererkolonie auf einem fernen Planeten. Dieser wird jedoch von fast allen Deutschen wie die Pest gemieden, denn er gilt als tabu.

Nur ganz wenige trauen sich da hin, denn keiner weiß, was dort vorgeht.

Ein junger Historiker schließlich wagt den Hinflug: Und wird zerrieben im Räderwerk einer höchst kuriosen, unbarmherzigen Diktatur, in der alle Lebensgrundlagen auf die Zahl 10 genormt sind.

Eine unsichtbare Macht treibt ein wirres Spiel mit dem Fremden, von dem er nicht weiß, wo es ihn hinführen soll.

Der Fremde, der bis zum Schluss namenlos bleibt, erlebt die albtraumhafte Monotonie des Planeten, seine durchweg unheimlichen, seltsamen Bewohner, erfährt Gehirnwäsche und Psychoterror.

In tiefster Verzweiflung will er sich völlig aufgeben. Doch da trifft er in der Hauptstadt Zehnwortsatzingen völlig unerwartet die große Liebe seines Lebens: Die junge, aparte Sängerin Tamara Hope.

Doch diese ist fanatisch dem Zehn-Wort-System ergeben, und ausgerechnet auch noch eine enge Vertraute des zwielichtigen Diktators Meereszorn; denn sie ist staatlich beauftragte Propagandasängerin für Zehnwort-Lyrik!

Kann eine Liebe unter solch unheilvollen Umständen überhaupt gedeihen?

Können Tamara und der Fremde jemals eine gemeinsame Zukunft haben?

In seiner Not schmiedet der Fremde fieberhaft Pläne, die ebenfalls ihn heftig gegenliebende Tamara heimlich zur Erde zu entführen.

Inhaltsangabe:

Erster Band: Planet der Zehnwortdiktatur: Im Banne des unheimlichen Herrschers M.

Die Zehnwortdiktatur, Prolog

Kapitel 1: Aufbruch ins Ungewisse: Die erste Phase des Unbewussten

Kapitel 2: Die erste Anlaufstelle des Schreckens: Der kleine Bahnhof von Zehnwortsatzingen

Kapitel 3: In der „Zentralbehandlungsstelle für Wortgeschädigte“

Kapitel 4: Ein Verbündeter? Der rettende Weg nach AKIREMA

Kapitel 5: Die Zehn Gebote

Kapitel 6: Zehnwortlosigkeit

Kapitel 7: Der neue Aufbruch – Eindringen in die Bibliothek von Zehnwortsatzingen

Kapitel 8: Die letzte Rettung: Die Zehnwortpille!

Kapitel 9: Luftveränderung

Kapitel 10: Der Fremde von der Erde als Schriftsteller

PROLOG:

Tamara. .... Tamara ... Tamara ...

Meine liebe Tamara …

Tammy! Du süße Sirene des Zehnwortgesanges!

Warum habe ich dich verloren?

Dein Name spukt immer noch, auch heute, als Nachhall in meinem Kopf herum und lässt mir keine Ruhe.

Nachts liege ich manchmal noch wach, und du tauchst unweigerlich in meinen Träumen auf, wenn ich dann doch endlich einschlafe.

Denn: Nur der Gedanke an Tamara verknüpft heute noch mein voriges Sein mit dem jetzigen.

Alles andere möchte ich mir lieber nicht in Erinnerung rufen müssen, denn die Ereignisse, die ich eigentlich nie reflektieren, geschweige denn der Öffentlichkeit berichten wollte, suchen mich auch heute noch in meinem geschundenen Bewusstsein heim.

Es war mir zu meinem Leidwesen vergönnt, viel Unwahrscheinliches, scheinbar Sinnloses zu erleben, auch Entsetzliches in reichlichem Ausmaß, was mir heute noch viele seelenbelastende Grübeleien verursacht, weil ich eingesehen habe, dass ich mich ja doch niemals ganz davon freihalten kann, daran zu denken, was mir einst Schreckliches widerfahren ist.

Ich habe Phasen durchlaufen, die meine Sinne über Gebühr verwirrten, aber auch angenehm belebten durch meine einzigartige Liebe zu Tamara. Dann wiederum gelangte ich zu verstörenden Phasen einer horrorhaften Erkenntnis.

Man soll die Vergangenheit ruhen lassen. Sagen manche. Die ihr das Privileg einer Phase des Lernens absprechen, denn solche sagen, das Vergangene könne man eh nicht zurückholen, und aus ihren Fehlern der Vergangenheit haben ja bekanntlich tatsächlich die wenigsten Menschen gelernt. Insoweit haben diese Menschen recht.

Andere wiederum sagen, die Fehler und Gräuel der Vergangenheit müssen reflektiert werden, um gegen die Versuchung gefeit zu sein, ihre Übel in die Zukunft zu transponieren.

Auch da ist was Wahres dran, an dieser Ansicht. Aber an welcher Ansicht ist eigentlich nichts Wahres dran?

Doch weiche ich hier augenblicklich vom Thema ab, ich weiß; und das ist dem Umstand zu verdanken, dass es mir nie gelingen wird, die verstörenden Dinge, die ich erlebt habe, logisch zu deuten, noch imstande sein werde, irgendwie verständlich darüber zu schreiben...

Meine albtraumhaften Erfahrungen haben bei mir ein Gefühl der schuldbewussten, inneren Unruhe hinterlassen, in entscheidenden Augenblicken meiner Existenz versagt zu haben. Auch habe ich noch nicht die richtige Methode gefunden, alle ineinandergreifenden Ereignisse auf eine klare Linie zu bringen, denn in meiner verschwommenen Erinnerung verschmelzen sie alle zu einem einzigen, verwirrten Chaostraum, in dem die Zahl Zehn eine bedeutende Rolle spielt. Ich gestehe: Auch diese Form der Beschreibung ist wieder nicht die richtige Annäherung an das eigentliche Thema, das ist mir wohl bewusst, doch wahrscheinlich gibt es gar keine angemessene Form einer auch nur einigermaßen plausiblen Annäherung oder gar Deutung.

Ich zögere immer noch, den Leser teilhaben zu lassen an der allerunsinnigsten, unglaublichsten und verspieltesten Regierungsform, die man sich vorstellen kann, dem „Zehnwortismus“, wie man es genannt hat. Es ist auch die grausamste und unmenschlichste Herrschaftsform, die man sich ausdenken kann.

Was bleibt dann eigentlich noch zu sagen übrig, wenn ich mich einfach nicht aufraffen kann, darüber zu sprechen? Das frage ich mich auch, und trotzdem will ich versuchen, dennoch mein Bestes zu tun, mich der Sache Schritt für Schritt, Gedanke für Gedanke, mit wie viel weiteren Ausschweifungen auch immer noch, anzunähern.

Obwohl ich schon mittendrin bin, habe ich eigentlich noch gar nichts gesagt, und damit sind wir auch schon beim Hauptproblem: Denn es gibt eigentlich auch nichts zu sagen, denn die Geschichte, die ich nun erzähle, wurde von den Behörden zur Tabusache erklärt, ad acta gelegt, verschwiegen, hat offiziell nie stattgefunden, und ist damit – das ist nun das Schrecklichste daran – weder Vergangenheit, noch Zukunft.

Ich werde also einige Mühe aufzuwenden haben, in meinen langen Aufzeichnungen über nichts zu reden, so gut wie über nichts, doch sollte der Leser Geduld haben: Auch das Nichts verdient Beachtung, auch wenn sie es sich nur zum Ziel setzt, es mit etwas Sinnvollem anzufüllen.

Da drehen wir uns wieder im Kreis, einverstanden, aber was soll ich machen, es ist einfach zu grotesk, um darüber zu sprechen. Jetzt fragt sich der Leser wieder: Worüber eigentlich? Und ich gebe ihm auch recht, ich weiß es auch nicht.

Alles verliert irgendwann seine Bedeutung, was es auch sei, nichts hält ewig, weder die Akropolis noch der Eiffelturm, irgendwann werden sich beide auch bei liebevollster Restaurierung in ihre Bestandteile auflösen. Ferner kann auch nichts auf Dauer gedeihen, wenn es nicht die Möglichkeit zur konstruktiven Kritik zulässt; daran sind schon Reiche zerbrochen, auch das, welches ich als das „Zehnwortreich“ kennen gelernt habe. Man kann einfach nicht die richtigen Worte für dieses Reich finden, obwohl es gerade um Worte in dieser „Zehnwortdiktatur“ geht. Um Worte geht es zwar auch in anderen Diktaturen, wo das Wort vergewaltigt, die Sprache verdreht, pervertiert wird, bis sie ihre ursprüngliche Bedeutung, das schiere Mitteilungsbedürfnis der Leute, verloren hat. Und das Endprodukt dieser geistigen Manipulation ist dann die Instrumentalisierung der Wörter und der Sprache für die ruchlosen Zwecke des Diktators.

Alle Diktaturen sind irgendwie gleich in ihrem Grundwesen. Alle haben aber auch verschiedene Züge, die so in keiner anderen wieder auftauchen. Die Zehnwortdiktatur hatte einen solch erschreckend simplen Charakterzug, dass sie beinahe zum Spott reizen könnte.

Es war einfach ein einziges, großes Zahlenspiel, eine „mathematische Diktatur“, auf deren Basis der Diktator regierte. So simpel das klingen mag, so kompliziert war doch auch wieder die Ausprägung. Doch jede Diktatur wird einfach, wenn erst einmal das Grundprinzip zur Unterdrückung der Massen gefunden worden ist: Bei unserer Diktatur war es einfach die Zahl „10“.

Ihre Funktion? Im Grunde einfach zu beschreiben, derart simpel liefen die immer gleichen Mechanismen ab: Bestimmte Wortfolgen wurden von den Behörden festgelegt und machten eine Phase der Echolalie durch; da sie so oft wiederholt worden sind, wurden sie zum Werkzeug einer halluzinatorischen Wortdiktatur instrumentalisiert... Alles klar? Damit habe ich allerdings schon wieder mehr Verwirrung gestiftet, als dass ich auch nur annähernd zur Klärung des seltsamen Sprachphänomens beigetragen hätte, auch dessen bin ich mir durchaus bewusst. Aber wir kommen der Sache immer näher; daher: Vermeiden wir weitere Verzögerungen und wenden uns nun der Erzählung zu. Vielleicht gibt sie ja doch hin und wieder Aufschluss über das Geschehen auf dem fremden Planeten.

Alles klingt wie ein Märchen, und so sollte die Diktatur, die ich beschreibe, vielleicht auch sein, eine reine Märchendiktatur, die ihre Elemente nach den losen Gesetzen eines Traums zusammensetzt.

Oder war etwa alles am Ende nur ein böser Traum?

Ich werde versuchen, auch das zu entschlüsseln.

Vielleicht bin ich am Ende gar nur ein Träumer, ein verrückter Träumer?

In meinem jetzigen, unausgegorenen Bewusstseinszustand ist alles möglich.

Oder noch mehr.

1. KAPITEL: AUFBRUCH INS UNGEWISSE:

Die erste Phase des Unbewussten.

Doch jetzt beginne ich wirklich und wahrhaftig mit der Schilderung meiner unglaublichen, gulliveresken Abenteuer. Da ich gerne ultimative Erfahrungen auslebe, trieb mich die Abenteuerlust dazu, eine der verfemten Weltraumkolonien zu besuchen, ausgerechnet diejenige mit einer ziemlich dubiosen Vorgeschichte, die jeder normale Mensch tunlichst wie die Pest mied.

Meine Reisevorbereitungen hatten gleichwohl noch einen humanitären Nebenzweck: so galt es, einem verschwundenen Freund und Kollegen nachzuspüren, der einst dort gestrandet war und nie mehr zurückgekehrt war. Es war also doch nicht nur die reine Abenteuerlust, die mich vorwärtstrieb in die Weiten des Alls. Schließlich brach ich auf zu unserer umstrittensten Weltraumkolonie.

Der Planet, der sie beherbergte, war ziemlich klein; er maß ungefähr nur ein Zehntel des Erdendurchmessers. Vor knapp hundert Jahren wurde er überhaupt erst besiedelt, dürfte heute um die zehn Millionen Einwohner haben. Die ursprüngliche Einwohnerzahl bestand aus acht Millionen Menschen, die einst wegen akuter Übervölkerung der Erde angefangen hatten, aus der Gemeinschaft Deutscher Staaten in die Fernen des Universums aufzubrechen, um auf diesem Stern die Kolonie „GERMANIA I“ zu gründen.

Mit den neuesten, technisch hochgerüsteten Raumfähren der Serie TRANSUNIVERS war es seit Kurzem ein Leichtes, den Planeten in wenigen Wochen anzufliegen. Die ersten Schiffe fuhren schon vor gut hundert Jahren, die Verbindung zur Erde funktionierte mit beträchtlicher Verzögerung, aber gut und regelmäßig, die Menschen waren glücklich auf beiden Planeten, der neue Stern fruchtbar und sein rascher Aufbau gedieh prächtig. Die Regierung von GERMANIA I unterstand der irdischen Weltregierung, die sich aber nicht in die Kompetenzen der Auswanderer einmischte, da ja zunächst alles glatt verlief.

Die Beziehungen zwischen der alten Erde und ihrem deutschen Satelliten waren erstklassig, rege Raumfährenverbindungen gingen hin und her, bis vor circa fünfzig Jahren die Verbindung auf unerklärliche Weise abriss, der ständige Bild- und Funkkontakt abrupt unterblieb.

Was konnte da passiert sein?

Kein Mensch konnte sich das so recht ausmalen. Zunächst gab es keinerlei Anlass zu größerer Besorgnis, die Erde wurde ja nicht bedroht.

Eins nur wurde recht bald zur Gewissheit: Die Ursachen für die totale Funkstille waren nicht technischer Natur – der Kontaktabbruch war bewusst und gewollt herbeigeführt worden. Aber von wem? Und warum?

Niemand wusste es.

Ein ziemlich altmodischer, elektronischer Schutzschirm blockte die Weltrauminsel plötzlich vollständig vom übrigen Universum ab. Wahrscheinlich mit dem Ziel, irgendwelche Ungesetzlichkeiten, die anfingen, sich in die Herrschaftsstruktur einzunisten, oder sonstige Unregelmäßigkeiten vor der Weltöffentlichkeit zu vertuschen.

Seltsamerweise gelang es uns nicht, die Nachrichtensperre zu durchbrechen, auch nicht mit unseren modernsten Hightech-Methoden; merkwürdigerweise wurden aber auch nicht übermäßig Versuche gestartet, das Phänomen zu erklären. Dahinter verbarg sich ein Mysterium.

Damals spann ich mir absurde Theorien zusammen, wie diese neue Diktatur, die wir auf dem Planeten vermuteten, aussehen könnte. Nicht nur ich tat das, auch alle anderen Menschen, die noch einige Relikte vergangener Diktaturen in den entferntesten Nischen ihrer Erinnerung präsent hatten, und das auch nur noch äußerst vage.

Dann wiederum suchten zeitweilig Bilder von einem neuen Atlantis meine blühende Fantasie heim; ein verlorenes Paradies wartete dort vielleicht auf uns, oder eben eine neue Art von moderner Hölle. Falls ich in diesen obskuren Machtbereich vorzudringen wagte, wusste ich nicht, um welchen Preis das geschehen würde, und das fürchtete ich am meisten.

Damals konnte ich ja noch nicht ahnen, dass ich es mit einer völlig neuen, staatlich gelenkten Sprachregulierung und Menschensteuerung zu tun bekommen würde. Ebenfalls wusste ich noch nichts von Tamara, oder von ihrem Grad der Verstrickung in das System.

Ach ja, meine über alles geliebte Tamara, wie ich sie vermisse, seit sie mir wie in einem bösen Traum für immer entglitten ist! Ihr tragisches Verschwinden bereitet mir heute noch die größten Seelenschmerzen. Genauso wie ich ist auch sie letztendlich an den abnormen Anforderungen einer unheimlichen Parallelwelt gescheitert, die wir beide zu verändern suchten.

Alles liegt für mich in einem einzigen Nebel von Traumfetzen und durchlöcherter Erinnerung gefangen, und ist doch erst vor nicht viel mehr als einem Jahr passiert...

Solange ich lebe, werde ich an dich denken, Tamara ... Und an die putzige, kleine Stadt, diese unvergessene Kleinstadt, von der alles ausging, was mit unserer Beziehung zu tun hatte; wo wir uns kennengelernt haben, wo wir gelebt, geliebt und gelitten haben ... Die genormte Stadt war unser Schicksal, und das so vieler Abtrünniger und Normalmenschen, sie war einfach unbegreiflich! Das ganze Leben dort war unbegreiflich und kurios wie ein verworrener Traum.

Tamara – mein Herz ist so einsam, seit es dich verloren hat...

Leise, in erinnerungsseliger Nostalgie an deine schöne Stimme singe ich heute noch deine Lieder, und es bringt mir keinen Trost; nothing goes anymore, oh, my Darling Tamara, non puo finire tra noi, I miss you, my darling –si tu savais, comme tu me manques, mon amour, te quiero para siempre, amor, ja lublju tebja ... All meine Fremdsprachenkenntnisse reichen nicht hin, dir meine Liebe zu gestehen, dir mein Leid zu klagen, das sich darin manifestiert, dass du heute nicht bei mir sein kannst; oh, es war nicht nur diese Stadt, die uns zusammengeführt und wieder auseinandergebracht hat, es war der Hochmut, der Neid und die Grausamkeit der Herrschenden und unser eigener Größenwahn ...

Dabei hatte alles eigentlich ganz harmlos angefangen.

Wie vorgesehen, brachte mich die TRANSUNIVERS innerhalb weniger Wochen wohlbehalten ans Ziel: Die ferne, kleine Weltraumkolonie erwartete mich in ihren strahlendsten Farben; selbst die Landebahn der Raumfähre versank in einer blühenden Heidelandschaft, weit außerhalb jeglicher störenden Zivilisation, wie es schien...

Mit einem kleinen Koffer in der Hand stieg ich aus dem metallenen Ungetüm, das mich hierher gebracht. Ich war ganz unbedarft und voller Zuversicht. Nicht im Geringsten dachte ich mehr an die Ermahnungen und Warnungen meiner Kollegen und Freunde, in deren Augen mein Ausflug hierher ein wahnsinniges Unternehmen war.

„Und? ... Sie wollen es sich wirklich nicht noch mal überlegen?“

So die bange Frage des übermäßig zitternden Kapitäns, in der viel Mitgefühl für mich mitschwang. Aus seiner Stimme sprach eindeutig große Sorge um meine Sicherheit. So groß war seine Furcht, dass er die ganze Zeit über mit einer gezogenen Laserpistole in der Hand während unseres Gesprächs das Terrain im Auge behielt, so als könnte jeden Augenblick eine Monsterechse hinter der nächsten Biegung auftauchen.

„Noch haben Sie Zeit, mit uns gleich wieder zurückzufliegen“, stellte er mir eindringlich anheim. „Überlegen Sie gut. In ein paar Minuten ist es zu spät“, warnte er mich.

Ich lächelte ihn nur stumm an. Heute wundere ich mich, wie ich so ruhig bleiben konnte. Ich hätte unbedingt auf die Besatzung hören sollen. Sie hatten recht, sich zu beunruhigen.

„Was genau hier vor sich geht, können wir nicht mal ahnen“, sprach der Kopilot zu mir. Das gesamte Flugpersonal schaute sich bei diesen Worten unbehaglich in der Gegend um, trotz der friedlichen, lieblichen Landschaft.

„Die Funkstörungen bedeuten ja ohne Zweifel eine absichtlich herbeigeführte Panne“, sagte der Kapitän zu mir, indem er mich unermüdlich zu überzeugen suchte, sofort wieder den Rückzug anzutreten.

Und beinahe triumphierend zeigte er mir seine Peilgeräte, die auf keinerlei Sendesignale dieses Planeten ansprachen, nicht einmal jetzt, wo wir uns genau auf seiner Oberfläche befanden.

Aber ich wollte um keinen Preis zurück. Der Kapitän nahm es bedauernd zur Kenntnis. Das war das Letzte, was er noch für mich tun konnte.

„Ich hole Sie also in genau sechs Monaten hier an der gleichen Stelle wieder ab.“ Des Kapitäns Stimme klang bereits wie ein fernes Echo in meinen Ohren.

„Wie vereinbart“, sagte ich und nickte zustimmend, und schon blickte ich sehnsuchtsvoll auf das blühende Paradies, das sich vor meinen Augen auftat, so ganz ohne technische Einsprengsel.

„Sollte Ihnen etwas zugestoßen sein, und Sie sind dann nicht am vereinbarten Treffpunkt, dann weiß ich, was das bedeutet“, sagte der Kapitän düster.

„Ich weiß“, erwiderte ich, „dann werden Sie ohne mich abfliegen; das nehme ich in Kauf!“.

„Na, dann ist ja alles klar, viel Glück und gute Überlebenschancen“, wünschte er mir hastig, denn er hatte es eilig, diesen Ort zu verlassen.

„Jetzt aber nichts wie weg von hier!“, hörte ich ihn noch in meinem Rücken murmeln, dann war er schon im schützenden Raumgleiter verschwunden, der kurz darauf dröhnend abflog.

Jetzt war ich wirklich allein. Aber wie lange würde der Zustand anhalten?

Ich ging weiter und blickte mich um. Seltsam, dachte ich. Als erstes war mir aufgefallen, dass alle Bäume so merkwürdig zurechtgeschnitten waren, und alle waren offenbar immer in genau abgemessenen Gruppen gepflanzt worden. Und dann in gleichen Abständen voneinander entfernt. So wollte es mir jedenfalls scheinen.

Hier auf diesem Planeten sah ich keine modernen Fahrzeuge. Überhaupt mangelte es an allen Ecken und Enden an moderner Technologie unseres aufgeschlossenen Erdenzeitalters, wie mir in Kürze auffiel, als ich auf meiner Wanderung auf einen alten Bahnhof stieß.

Das klapperige Gefährt, das kurz darauf auf altertümlichen Gleisen heranrauschte, hatte das Aussehen eines Zuges aus dem zwanzigsten Jahrhundert – Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, ungefähr; ergänzte ich im Geiste. Auch das Ortsschild machte zu meiner Freude nicht gerade einen neumodischen Eindruck. Und dabei war es sehr sauber und bestimmt nicht älter als ein paar Wochen.

Tief und behaglich atmete ich durch. Hier war die Zeit stehengeblieben; kein Zweifel – in technologischer Hinsicht war dieser Planet in seiner Entwicklung um einige hundert Jahre hinter unserer irdischen Zeitrechnung zurückgeblieben.

Dies machte auf den ersten Blick einen lieblichen Reiz für mich aus.

Verwundert, aber voller Elan, fast schon euphorisch, bestieg ich das Gefährt, die Eisenbahn, in der ich im Laufe der Fahrt nach altertümlicher Manier eine sogenannte Fahrkarte lösen musste, die mir ein sogenannter „Schaffner“ verkaufte, der sich noch höchstpersönlich den engen Gang hindurchschlängelte, um bis zu mir zu gelangen. Eine Serviceleistung, die auf unserer Erde schon vor Jahrhunderten der Rationalisierung zum Opfer gefallen war.

Das Gespräch mit dem Schaffner war putzig, aber etwas schwierig, um endlich an die Karte zu gelangen, die ich für die Fahrt ja offensichtlich benötigte. Es verlief in etwa so:

„Um hier mitfahren zu dürfen, benötigen Sie eine Fahrkarte, Fremdling“, sagte er tatsächlich in holpriger, eigentümlicher Sprechweise, die mich faszinierte.

„Danke“, sagte ich abwehrend, „aber welchen Nutzen sollte eine Fahrkarte für mich haben, da ich ja hier ohnehin völlig fremd bin, und die Gegend überhaupt nicht kenne; ich würde also keinen Ort darauf wiedererkennen, weil ich zum ersten Mal hier auf diesem Planeten bin; außerdem kann ich Ihre Schrift nur mühsam entziffern“, sagte ich lächelnd.

„Nein, zu diesem Zwecke benötigen Sie die Fahrkarte mitnichten, Auswärtiger“, spann sich das merkwürdige Gespräch fort, „allein zum Zweck Ihrer Beförderung müssen Sie die Fahrkarte lösen“, intonierte der Schaffner mechanisch wie ein Roboter. War das überhaupt ein Mensch?, durchfuhr es mich ganz plötzlich.

„Lösen soll ich die Fahrkarte?, fragte ich erstaunt.

„Aber womit denn? Ich bin doch kein Chemiker, sondern Historiker!“, stotterte ich entgeistert, „ich führe doch kein Lösungsmittel mit mir; oder ist es etwa eine Säure, die dazu benötigt wird?“, fragte ich verdutzt. Denn der Ausdruck: „Eine Fahrkarte lösen“ war mir unbekannt.

„Und kann ich diese Säure … oder dieses Lösungsmittel dazu eventuell bei Ihnen beziehen?“, fragte ich devot.

Der Schaffner machte ein finsteres Gesicht.

„Aber eins verstehe ich nicht: Was hätte es denn für einen Zweck, die Fahrkarte aufzulösen? Denn wenn sie erst einmal vernichtet ist durch das Lösungsmittel, die Säure? Dann ... könnte ich doch überhaupt keinen Ort und kein Gebirge oder Fluss mehr darauf erkennen?“, fragte ich ratlos.

„Ich bitte dringend, sich nicht über mich lustig zu machen!“, mahnte mich der Schaffner dringend, „weitere Verstöße gegen unsere Gepflogenheiten bin ich gezwungen, zu melden!“, murmelte der Eventuell-Roboter stakkatohaft, „mitunter noch an andere Behörden als an das hiesige Zehnwortamt“, brabbelte der unmögliche Roboschaff; - oder Robochef? Seltsames Gebrabbel, wirklich, dachte ich.

„Sagen Sie mal ehrlich, mein Guter: Sind Sie noch ganz dicht? Oder haben Sie etwa ein Loch in Ihrem Blechoberstübchen da oben?“, fragte ich geradeheraus. „Und da kommt dann dieses seltsame Gerede heraus, vermute ich, hä?“

„Hä?“, machte da auch er, der Verdutzte, oder der Verblechte?

Mehrere, endlose Male.

„Hä? –Hä? –Hä? –Hä? –Hä?.“... Usw. Mindestens zehn Mal.

Ich versuchte, das Gefutzele durch gepflegte Nachahmung seiner Sprechweise auszuwetzen: „Tütenförmige Tölen tapsen tatterig trockene Teichwege talwärts, tranige Tintenfische triezend?“, fragte ich probeweise. Vielleicht war das hier so eine Art Gesellschaftsspiel, um sich die Zeit während der drögen Zugfahrt zu vertreiben? Wer weiß?

Der Schaffner sah mich nur sprachlos mit großen Augen an.

Dann aber hellte sich irgendwie seine bedröppelte Miene auf. Er wiederholte plötzlich interessiert, mit langsamem Nachsprechen, meinen langen, improvisierten T-Satz, und alle meine Mitreisenden schauten auf einmal zu mir her. Zu meinem Erstaunen brachen alle in spontane Bravo-Rufe aus und applaudierten mir.

„Zehn, zehn, zehn, zehn, zehn...“, sagte einer und von allen Seiten wurde es nickend nachgesprochen. Seltsam.

Nach einigem Palaver einigten sich der Schaffner und ich dennoch in der komischen Sprechweise darauf, dass ich keine Fahrkarte zu lösen brauchte, wenn ich einwilligte, dass er sich den von mir gesprochenen, originellen Satz notieren dürfte, den er dann dem hiesigen Sprachinstitut zur Begutachtung vorlegen wollte.

Mir konnte es nur recht sein, und schließlich hatte ich endlich meine Ruhe.

Etwas unbehaglich öffnete ich meinen Koffer und klappte meinen Tablet-PC auf, und mit dem digitalen Eingabestift schrieb ich meine Eindrücke von dieser merkwürdigen Gesellschaft auf das Touchdisplay.

Neugierig und scheel blickten ein paar schielende Augenpaare mit unendlicher Vorsicht auf mein kurioses Verhalten. Doch ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.

Dann plötzlich schienen meine Mitreisenden nicht mehr die geringste Notiz von mir nehmen zu wollen, als ich lächelnd und voller Interesse die berückende Landschaft bestaunte, die in mittlerem Reisetempo an mir vorbeizog, sodass ich mir in aller Ruhe die Schönheiten der Natur ansehen konnte.

Das also sind die Nachfahren unserer ersten, mutigen spatialen Aussteigergeneration, dachte ich still für mich.

Die Kleidung der seltsamen Wesen im Zug, die ich hier und da wie in einem halluzinatorischen Traum erspähte, war ebenso abweisend und dunkel wie ihr Blick, der von dem meinen einfach abglitt. Schon war der Reiz des Neuen an mir verflogen. Keiner im Zug sprach ein Wort, auch nicht, als ich mehrere Gestalten zaghaft ansprach. Ihre Blicke gingen durch mich hindurch. Nichts als diabolische Nichtbeachtung erntete ich während meiner Fahrt, obwohl das nicht das richtige Wort war. Ich kam mir vor wie ein garstiger Aussätziger, suchte nach einem Spiegel. Vielleicht war mir ein zweiter Kopf gewachsen oder ein Rüssel.

Nichtsdestoweniger zog eine grüne, unverbrauchte Landschaft weiterhin an mir vorbei, die so gar nicht zu der düsteren Stimmung im Zug passen wollte.

Vielleicht wurde meine Sprache hier von meinen Mitreisenden einfach nicht mehr verstanden, und der Schaffner war eine Ausnahme? Fest stand: Die Umgangssprache hatte sich zwischenzeitlich sehr gewandelt, oder war einfach nur ganz anders als die auf der vertrauten Erde. Oder es war in der Zwischenzeit eine Zeit heraufgezogen, in der allgemeines, öffentliches Sprechverbot herrschte, wer weiß?

Dieses und ähnliche Überlegungen warf ich laut in die gesichtslose Menge. Ein sehr unkluger Vorgang natürlich, doch ich wollte mit Gewalt eine Reaktion provozieren, was mir nicht gelang. Ich wurde nicht einmal mehr für würdig befunden, dass man sich nach mir umdrehte.

Es gehörte ja schließlich zu meinen Aufgaben als Historiker, in der Sprache der Vergangenheit herumzuwühlen, aber dass diese Vergangenheit sich mir dann doch derart verschloss, war mir ein Rätsel.

Ich hatte das Gefühl, vor lauter ekligen Spinnen zu sitzen, wenn ich in meine Runde des Schreckens blickte.

„Ist hier bei euch plötzlich jedermann stumm?“, fragte ich in meinem besten Hochdeutsch und schickte verblüffte Blicke in verschiedene Ecken. „Oder spreche ich vielleicht zu schnell? Oder herrscht bei Ihnen gerade der große Schweigemonat?“

„Worte scheinen bei euch wirklich unbezahlbar zu sein“, deutete ich seufzend an. Doch keiner schenkte mir Aufmerksamkeit.