Planetenkrieg - Das letzte Tor - John Ringo - E-Book

Planetenkrieg - Das letzte Tor E-Book

John Ringo

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Beschreibung

Die Galaxis ist zu klein für uns beide!

Der Krieg um die Erde und der Kampf gegen die außerirdischen Eindringlinge erreicht seinen Höhepunkt: Die Raumstation Troy und ihre todesmutige Besatzung sind die letzte Bastion, die sich den Tyrannen aus dem All entgegenstellt. Denn nicht nur das Schicksal der Erde steht auf dem Spiel. Wenn die Außerirdischen siegen, wird die ganze Galaxis für Jahrtausende zerstört sein und in tiefer Finsternis versinken ...

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Das Buch

Als die außerirdischen Horvath in der Nähe der Erde ein Raumportal installierten, hofften die Menschen, dies sei der entscheidende Schritt in Richtung Zukunft und Fortschritt. Stattdessen war es der Anfang vom Ende für die Menschheit: Die Horvath beuteten die Ressourcen der Erde aus und unterdrückten ihre Bewohner. Doch die Menschen sind nicht bereit, die Fremdherrschaft der Aliens hinzunehmen. Unter der Führung des cleveren Geschäftsmannes Tyler Vernon und der toughen Weltraum-Pilotin Dana Parker ziehen sie sich auf die Raumstation Troy zurück, um den Kampf um ihren Heimatplaneten aufzunehmen. Doch um die Erde zurückzugewinnen, müssen Dana und Tyler einen gefährlichen Plan entwickeln, der sie direkt ins Herz der feindlichen Alienkultur führt. Scheitern sie, ist das das Ende – nicht nur für die Erde, sondern für die gesamte Galaxis …

PLANETENKRIEG – die neue große Action-Saga von John Ringo, Bestsellerautor der Nanokriege und von Invasion:

Erster Roman Planetenkrieg – Feindliche Übernahme

Zweiter Roman Planetenkrieg – Lebende Festung

Dritter Roman Planetenkrieg – Das letzte Tor

Der Autor

John Ringo war Spezialist bei der US-Army, Meeresbiologe und ist Autor zahlreicher Science-Fiction-Romane sowie der weltweit erfolgreichen Military-SF-Serien Die Nanokriege und Invasion.

@HeyneFantasySF

www.heyne-magische-bestseller.de

JOHN RINGO

PLANETENKRIEGDAS LETZTE TOR

Roman

Deutsche Erstausgabe

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen. Titel der amerikanischen OriginalausgabeTHE HOT GATE (TROY 3)Deutsche Übersetzung von Heinz Zwack

Deutsche Erstausgabe 05/2013Redaktion: Marcel HäußlerCopyright © 2011 by John RingoCopyright © 2013 der deutschsprachigen Ausgabeby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.Umschlaggestaltung: Animagic, BielefeldSatz: C. Schaber Datentechnik, WelsISBN: 978-3-641-10083-4V002www.heyne-magische-bestseller.de

Für David P. »Thermo« Hartman.Gestorben: 6. November 2009, Long Beach, CARIP

Und, wie immer, fürCaptain Tamara Long, USAFGeboren: 12. Mai 1979Gestorben: 23. März 2003, AfghanistanDu fliegst jetzt mit den Engeln.

Lakedaimonien:

Traditioneller Name des Stadtstaats Sparta im antiken Griechenland.

Damit man die Schilde der Spartaner auf dem Schlachtfeld erkennen konnte, waren sie in der Zeit des Attischen Seebundes mit dem griechischen Schriftzeichen Lambda (1) gekennzeichnet.

1

Hinweg mit dir in die Finsternis, feiger Spross,

dorthin, wo vor Hass der Eurotas nicht fließt,

nicht einmal für das furchtsame Reh.

Unnützer, wertloses Stück, hinweg in die Hölle.

Hinweg! Dieser Spartas unwürd’ge Sohn war niemals der meine.

Anonyme, einer Spartanischen Mutter zugeschriebene Worte

»Bitte Platz nehmen und anschnallen«, wiederholte die Öffentlichkeitsreferentin. »Wir wollen doch alle so schnell wie möglich in den Weltraum, oder?«

»Ziemlich nerviger Job zum Abschluss«, meinte Coxswain’s Maat Second Class Dana Parker und sah zu, wie die Passagiere sich in ihren Myrmidon-Shuttle drängten.

Zu behaupten, dass die Grenzen zwischen Zivilem und Militärischem allmählich immer undeutlicher wurden, wäre eine starke Untertreibung. In der letzten Schlacht am Tor hatte die Troy trotz ihrer eineinhalb Kilometer dicken Wände zahlreiche Verluste erlitten. Das 142. Bootsgeschwader hatte fünf Shuttles samt Mannschaft und in einem Fall eine ganze Ladung Marines verloren. Insgesamt waren beinahe zweitausend Angehörige der Navy und der Marines gefallen, hauptsächlich bei dem Entermanöver, bei dem zwei Rangora-Raumdocks und deren Supportschiffe erobert worden waren.

Auf der anderen Seite hatten die zivilen Reparaturtrupps von Apollo Mining während der Reparaturarbeiten mitten in der Schlacht über zweihundert Opfer hinnehmen müssen.

Als daher der Eigentümer von Apollo, oder zumindest jemand weit genug oben in der Hierarchie, dass er in seinem Namen hatte handeln können, die Navy gefragt hatte, ob sie so freundlich wäre, Apollo einen Myrmidon-Shuttle zu leihen, um eine Gruppe Weltraum-Touristen abzuholen, hatte die Navy dem mit dem größten Vergnügen zugestimmt. Für die Navy bedeutete das eine gute Presse. Und Tyler Vernon einen Gefallen zu tun, war immer eine gute Idee.

Troy, die neun Kilometer durchmessende Kampfstation, die zusammen mit ihrer Schwesterstation Thermopylae gerade eine Rangora-Flotte zu Klump geschossen hatte, war dem Gehirn des Aufsichtsratsvorsitzenden von Apollo entsprungen. Und außerdem war die Station so etwas wie sein zweites Zuhause. Der Finanztycoon verließ sein Quartier an Bord der Station nur höchst selten. Und wenn er das tat, dann in dem nach seinen Wünschen umgebauten Shuttle, der Starfire, die man häufig im Haupthangar oder bei der Beaufsichtigung irgendwelcher Außenarbeiten an der Kampfstation beobachten konnte.

Man fragte sich oft, wer auf der Troy wirklich das Kommando innehatte, Rear Admiral Jack Kinyon, der offizielle Kommandeur, oder der einsiedlerische Tycoon.

Der Einsatz, der an Dana hängen geblieben war, war Teil eines Wettbewerbs zur Findung eines Namens für Kampfstation Drei. Die acht Kilometer große Nickeleisenkugel war auf dem Weg systemeinwärts aus dem Asteroidengürtel und sollte sich dort der Thermopylae und der Troy anschließen und am Grtul-Tor, der Verbindung der Menschheit mit den Sternen, Wache halten. Nicht dass es in Danas Leben bisher an Ärger und Problemen gemangelt hätte. Ihre erste Erinnerung betraf ihre Flucht aus dem brennenden Los Angeles nach einem Bombardement der Horvath mit genetischen Waffen.

Bei ihrem letzten Besuch in Los Angeles, und inzwischen hatte es eine ganze Menge solcher Besuche gegeben, hatte sie dort eine weitere Shuttleladung Rangora-Gefangene abgesetzt. Die Überlebenden der letzten Schlacht hatten sich den mehr als Zehntausend angeschlossen, die sich bereits in dem inmitten all der Verwüstungen gebauten Lager befanden. Die drei Meter großen Echsen, die nicht für militärische Arbeiten eingesetzt werden durften, sollten den Trümmerschutt aus dem Gelände entfernen. Da die gewaltigen Brände das ganze Land von Glendale bis Pomona und Irvine in Schutt und Asche gelegt hatten, war dies auch ein geeigneter Ort, um sie unterzubringen.

Bei ihrem ersten Trip nach L. A. waren ein paar schlimme Erinnerungen in ihr aufgekommen. Ein posttraumatisches Stresssyndrom zu haben, gehörte inzwischen fast zur Normalität, trotzdem war es für sie ein Schock gewesen, an ihren Geburtsort zurückzukehren. Inzwischen war Los Angeles allerdings nicht viel mehr als eine weitere zerstörte Stadt. Eine Stadt, die von Rangora-Gefangenen wimmelte, die freilich bei Weitem nicht die Supermänner waren, als die sie zunächst erschienen waren, als sie noch geglaubt hatten, die Erde sei eine leichte Beute.

Dieser Ausflug war einfacher. Die jungen Leute gehörten zu den Tausenden, die für die neue Kampfstation Namen vorgeschlagen hatten. Bedingung war gewesen, dass der Name eine historische Schlacht bezeichnete, in der eine Gruppe von weit in der Minderzahl befindlichen Verteidigern den Angreifern tapferen Widerstand geleistet hatte, gleichgültig, ob sie die Schlacht am Ende gewonnen oder verloren hatte. Jeder Teilnehmer hatte zur Begründung seiner Wahl einen Aufsatz liefern müssen. Die Gewinner waren dann unter den Verfassern besonders gut gelungener Aufsätze ausgelost worden.

Dreißig Kids zwischen sechs und zwölf waren ausgewählt worden. Sechs Zivilisten und zwei Öffentlichkeitsreferenten begleiteten sie, das entsprach der für achtunddreißig Personen ausgelegten Ladekapazität des Myrmidon.

»Und wir sind voll«, erklärte Engineer’s Mate First Class »Thermo« Hartwell.

Thermo war ihr Boss gewesen, als Dana der 142. als Engineer Trainee zugewiesen worden war. Während einer ihrer ersten Schlachten hatten mehrere Coxswains auf dem Rückflug von der Erde das Pech gehabt, sich in einem zivilen Shuttle zwischen der Erde und der Troy zu befinden, als die Rangora durchgekommen waren – einem Shuttle, den die Rangora während der Schlacht manövrierunfähig geschossen hatten. Und deshalb war die 142. zu einer Zeit, wo sie besonders dringend gebraucht wurden, knapp an Piloten gewesen.

Dana war als eine der Engineer’s Mates mit guten Prüfergebnissen in »Flug-Cross-Ausbildung« ausgewählt worden, einen Shuttle zu steuern. Da sie ein völliger Neuling war, hatte Thermo sie unter seine Fittiche genommen. Sie waren die letzten zwei Jahre Partner gewesen, aber das würde in drei Tagen vorbei sein. Dana hatte einen Versetzungsbefehl auf die Thermopylae zum 143. Geschwader bekommen.

»Tür überprüfen«, sagte Dana und sah den Öffentlichkeitsreferenten dabei zu, wie sie die Kinder einwiesen. Das lief nicht besonders gut, da die weltraumverrückten Kleinen wie mexikanische Springbohnen herumhüpften. »Ich bin ganz und gar nicht scharf darauf, diesen Raum im Orbit evakuieren zu müssen.«

»Ja, das wäre tatsächlich schlimm«, pflichtete Thermo ihr bei und stemmte sich aus seinem Sitz.

Normalerweise gab ein Petty Officer Zwo einem Petty Officer Eins keine Befehle. Thermo war zwar sozusagen der »Eigentümer« von Shuttle Sechsunddreißig, aber Dana war für das gesamte Geschehen während des Flugs verantwortlich. Thermo würde die Luke wahrscheinlich ohnehin checken, aber Dana hatte nicht schon so lange im Weltraum überlebt, indem sie sich auf irgendetwas verließ. Der Weltraum war ein kalter, gnadenloser Mistkerl, und sie hatte keinen Bock darauf, dass in ihrer Akte später einmal der Eintrag »dreißig Kinder umgebracht« stand.

Dana verfolgte auf den Innenmonitoren, wie Thermo sich nach vorne arbeitete. Hie und da musste er stehen bleiben, um Fragen der hyperaktiven Kinder im Abteil zu beantworten, aber schließlich schaffte er es doch zurück aufs Flugdeck.

»Mann!«, schnaufte er, verriegelte seine Luke und lehnte sich dagegen. »Das war schlimmer als ein heißer Kampfeinsatz! Die Kids drehen echt durch.«

»Dann sollten wir zusehen, dass wir sie schnell zur Troy bringen.« Dana kicherte. Sie hasste diese Angewohnheit, aber auf Stresssituationen reagierte sie nun einmal mit Kichern. Bis jetzt hatte sie schon genügend solcher Situationen überlebt, um darüber hinwegzukommen. Und in der 142. sagte niemand auch nur einen Ton über »Komets Kichern«. Dazu hatten sie es zu oft gehört, wenn die Kacke echt am Dampfen war.

»Bitte bereithalten zum Start«, sagte Dana über die Sprechanlage. Soweit sie sich erinnern konnte, war es das erste Mal, dass sie diese Anlage benutzte. Die meiste Zeit beförderte sie Marines, und die hatten Implants, um solche Durchsagen zu empfangen. Und die meiste Zeit war der Laderaum auch luftleer, damit die Marines schneller raus konnten.

Das erinnerte sie daran, sich zu vergewissern – zum vierten Mal übrigens –, dass sämtliche Öffnungen dicht waren und die Luftumwälzung im Passagierraum funktionierte. Formal gesehen war das Thermos Aufgabe. Sie hatte auch gesehen, wie er das getan hatte, nachdem er sich an ihrer Steuerbordseite niedergelassen hatte. Aber das hieß noch lange nicht, dass sie das nicht dreimal checken würden. Und ein viertes Mal. Sie zog den Shuttle hoch und mit schwachem Schub in einen leichten Bogen. Falls sie ihre Passagiere relativen drei g Andruck hätte aussetzen wollen, hätte sie mit bis zu vierhundert g beschleunigen können. Aber das würde ihre Passagiere nicht nur übermäßig belasten, sondern den Shuttle auch aufheizen, während er wesentlich schneller als ein Kampfjet mit Strahltriebwerk durch die Atmosphäre brauste. Und dann waren da auch noch die Überdruckwelle, der Überschallknall, die Tatsache, dass die Bodenkontrolle sie auf einen genau vorgeschriebenen Kurs eingeteilt hatte, und außerdem der Umstand, dass auf dem Manchester Raumhafen Hochbetrieb herrschte. Alles gute Gründe, es etwas bedächtiger anzugehen.

Drei Frachter starteten östlich von ihr auf der immer länger werdenden Piste, drei weitere setzten im Westen zur Landung an. Einen der Frachter im Westen erkannte sie, er war von der Troy und für Routineeinsätze vorgesehen. Er schaffte Lebensmittel und andere Verbrauchsgüter auf die Station und brachte dafür raffinierte Metalle von den Apollo-Anlagen zur Erde. Die Metalle würden anschließend an Fabriken auf der ganzen Welt verteilt werden und größtenteils für die Herstellung von Bauteilen und Material für die wachsende Flotte der Terranischen Allianz und für Module für die Troy, die Thermopylae und Station Drei verwendet werden.

Auf siebzigtausend Fuß Höhe reichte die Bodenkontrolle sie automatisch an die Weltraumkontrolle weiter. Dana nahm das zur Kenntnis und beschloss, sich zu vergewissern, ob Athena zu tun hatte.

»Athena, Shuttle Eins-vier-zwo-drei-sechs«, sagte Dana.

»Komet«, erwiderte die KI. »Wie geht’s Ihnen heute?«

»Routineflug«, antwortete Dana. »Ich bringe Kinder auf die Troy, damit die ein wenig staunen können.«

»Ich weiß über den Einsatz Bescheid«, sagte Athena über das Hyperkom. Der FTL-Sender gehörte zu dem Dutzend Alien-Technologien, die Terraner inzwischen bereits für selbstverständlich hielten. »Wie ich das sehe, sind Sie auf den Einsatz nicht gerade besonders scharf.«

»Nicht gerade meine Vorstellung einer wichtigen Leistung für die Menschheit, Athena«, sagte Dana. »Gibt es etwas, das ich wissen sollte?«

»Das übliche Durcheinander zerstörter Schiffe«, sagte die KI angewidert. »Ein größerer Raumabschnitt voll Hüllenplatten, umgeben von einer Ansammlung kleinerer Wrackteile auf Ihrer Route. Ich warne Sie, sobald Sie in die Nähe kommen.«

»Roger, Athena«, bestätigte Dana und zog einen Schmollmund. »Ziemlich seltsamer Ort für Abfälle.«

»Die sind von der ersten Schlacht«, commte Athena. »Teil eines Horvath-Zerstörers. Man hat das Zeug auf einen retrograden Orbit gesetzt, aber im Augenblick ist so etwas wie ein Asteroid daraus geworden. Apollo nimmt sich ständig vor, das Zeug einzuschmelzen und wegzuschaffen, aber dann kommt immer etwas dazwischen. Das Zeug ist von einer ganzen Menge kleiner Partikel umgeben. Ich leite Sie auf weitem Bogen darumherum.«

»Danke, Athena«, sagte Dana. »Ich hab wirklich keine Lust, diese Kinder umzubringen. Nein, das nehme ich zurück. Ich wäre ungern dafür verantwortlich, diese Kinder umzubringen.«

»Hab schon verstanden«, commte Athena. »Ich muss weitermachen, Kleines. Ich hab noch mehr Feuer zu löschen.«

»Sechsunddreißig, Ende«, erwiderte Dana und nahm eine leichte Kursänderung vor. Tiefraumschrott von den verschiedenen Schlachten war schlimm genug. Die Orbits rings um die Erde waren einfach ein Albtraum; viele der Satelliten wurden überhaupt nicht mehr benutzt, etwa Kommunikationssatelliten, die man nicht mehr brauchte, seit es ein Hyperkom gab. Aber im System war so viel Wichtigeres zu tun, dass niemand dazu kam, sie aus dem Orbit zu entfernen.

»Kann ich den Kindern jetzt sagen, dass sie sich abschnallen dürfen?«, wollte Thermo wissen.

»Warte noch ab, bis wir aus all den Trümmern raus sind«, sagte Dana. »Solange wir nicht auf geosynchronem Orbit sind, könnte immer noch sein, dass ich plötzlich hart beschleunigen muss.«

»Roger«, bestätigte Thermo.

»Und außerdem, möchtest du wirklich ein Rudel Weltraum-Freaks einfach im Laderaum rumtoben lassen?«, fragte Dana.

»Besser, als wenn sie die ganze Zeit auf ihren Sitzen rumrutschen«, erwiderte Hartwell.

»Wahrscheinlich haben die Schraubenzieher an Bord geschmuggelt«, sagte Dana. »Das weißt du ganz genau.«

»Du magst wirklich keine Kinder, was?«

»Doch, ich mag sie schon«, sagte Dana. »Am liebsten wachsweich, aber gegrillt wäre auch nicht schlecht.«

»So wie die Dinge sich entwickeln, wird dieser Krieg noch eine ganze Weile dauern«, sagte Thermo. »Wo sollen wir dann die nächste Generation tapferer Weltraum-Adler hernehmen?«

»Ich hab mich nicht für den Weltraum interessiert.« Dana seufzte leise, als sie den letzten geosynchronen Satelliten hinter sich gelassen hatten. »Ich bin hier, um den Planeten zu schützen und zu verteidigen, wie es immer so schön in der Werbung heißt. Und dank Johannsen’s, schätze ich, werden wir reichlich Freiwillige kriegen, jedenfalls so viel, wie wir brauchen.«

Die Städte der Erde waren wiederholt aus dem Orbit bombardiert worden, und zwar in einem solchen Maß, dass von den hundert größten Städten aus der Zeit vor dem Krieg nur fünf ohne Schäden davongekommen waren. Und dabei waren die Opfer einer Reihe von Seuchen noch gar nicht mitgezählt, die die Horvath verbreitet hatten, als Dana noch ein Kind war.

Aber ein entscheidender Aspekt dieser Seuchen sorgte dafür, die Bevölkerung der Erde schnell wieder aufzufüllen. Die Horvath hatten in einigen von ihnen verbreiteten Viren eine subtile genetische Veränderung versteckt. Die hatte mit der weiblichen Fortpflanzung zu tun, ganz besonders in der genetischen Untergruppe der Blondinen. Davon betroffene Frauen, und die Seuche hatte nahezu hundert Prozent befallen, hatten einen »Brunstzyklus« davongetragen, der in etwa dem männlichen Fortpflanzungstrieb entsprach, und pharmazeutische Verhütungsmittel waren dagegen wirkungslos. Die Horvath hatten erwartet, dass ihre Seuchen den Planeten nahezu entvölkern würden, und hatten danach eine stetige Versorgung mit neuen menschlichen Sklaven sicherstellen wollen.

Wohlgesinnte Ärzte und Medizin-KIs der Glatun hatten die Seuche unter Kontrolle gebracht und verhindert, dass ihr der größte Teil der Menschheit zum Opfer fiel, aber da fast die gesamte Weltbevölkerung mit den aus dem Orbit verteilten Seuchen infiziert war, blieb ihnen das Problem, dass man als »Johannsen’s«-Syndrom bezeichnete. Die einzige Möglichkeit, diesem globalen Problem Herr zu werden, war eine konkurrierende Seuche. Gegen eine Infizierung von Menschen gegen deren ausdrücklichen Wunsch, sprachen jedoch nicht nur ethische Überlegungen, und deshalb hatten sie, um die Horvath-Seuchen zu stoppen, den Großteil der Menschheit mit fortschrittlichen Nanobots immunisiert, die praktisch jedem Virus und jedem Nanniten entgegenwirken konnten. Den angerichteten Schaden ungeschehen zu machen, erforderte mehrere Arztbesuche und eine hoch entwickelte Technologie, die zu dem Zeitpunkt kaum zur Verfügung stand.

Und das machte praktisch jede Frau auf dem ganzen Planeten mit auch nur der Andeutung eines »Blondinen-Gens« zur Babyfabrik. Im ersten Jahr nach der Seuche entfiel in Deutschland auf jede Frau im gebärfähigen Alter eine Geburt. Skandinavien meldete einmal eine durchschnittliche Geburtenrate von 9,1, und das bedeutete, dass die durchschnittliche skandinavische Frau – Dänin, Schwedin oder Norwegerin –, sofern diese Geburtenrate anhielt, im Laufe ihres Lebens neun Kinder zur Welt bringen würde. Die Schwangerschaftsrate unter Teenagern geriet für etwa fünf Jahr völlig außer Kontrolle, ehe Erziehungsmaßnahmen und kulturelle Auswirkungen allmählich der neuen Realität Herr wurden.

»Seid fruchtbar und mehret euch«, klang ja gut, aber Johannsen’s machte die Situation einfach zum Albtraum.

Die meisten Kinder aus der ersten »Baby-Explosion« waren für den Militäreinsatz noch zu jung. Die Kids, die Dana in ihrem Shuttle transportierte, waren dafür ein gutes Beispiel. Aber wenn man die vielen Schäden an der Infrastruktur der Erde bedachte, die praktisch eine nahezu vollkommene Re-Industrialisierung erforderten, und dazu den dringenden Personalbedarf bei der Navy und den Marines, dann folgte daraus, dass die meisten ihrer Passagiere einen Großteil ihres Lebens kämpfend im Weltraum verbringen würden. Im Übrigen war man auch dabei, den Großteil der Industrien in den Orbit zu verlegen. Nicht nur, weil es dort weniger Umweltprobleme gab, sondern auch, weil das unter Einsatz moderner Technologie schlicht einfacher war.

Wenn diese Kinder als Erwachsene im Weltraum arbeiten wollten, würde es auch Jobs für sie geben.

»Wir haben den Erdorbit hinter uns gelassen«, sagte Dana. »Wenn du willst, kannst du ihnen jetzt ja erlauben, sich abzuschnallen. Aber du solltest ein Auge auf sie haben, sonst kannst du damit rechnen, dass sie die Luken aufmachen, um nachzusehen, ob der Weltraum wirklich ein Vakuum ist.«

»Ich weiß was Besseres, Coxswain«, sagte Thermo. »Da du als Engineer’s Mate ausgebildet bist und ich auch als Coxswain geprüft bin und dies ja schließlich ein Routineflug ist, schlage ich vor, du gehst nach vorne und hältst denen einen Vortrag über die Wartung von Myrmidon-Shuttles. An deiner Stelle würde ich mit den Sektor-Sieben-Gravplatten anfangen.«

»Das soll wohl ein Witz sein.« Dana grinste. »Für mich klingt das wie Arbeit für einen Engineer’s Mate.«

»Für mich eher wie ein Job für einen Petty Officer.« Thermo grinste zurück. »Aber ernsthaft, Coxswain’s Mate. Fang schon mal an.«

»Ich hasse Kinder«, sagte Dana.

»Wenn du willst, kann ich es dir ja befehlen«, blieb Thermo hart. »Nimm die Werkzeugtasche.«

»Du bist bösartig und grausam, das weißt du, Thermo.« Dana stemmte sich aus dem Sessel und zog die Werkzeugtasche des Shuttle aus ihrem Fach. Über dem Fach war an der Wand mit Klammern eine Brechstange befestigt. »Eigentlich sollte ich diese Brechstange nehmen und sie dir über den Schädel hauen.«

»Aber, aber«, feixte Thermo. »Du weißt doch, was diese Brechstange zu bedeuten hat. Für weniger wichtige Dinge sollte man die nicht verwenden.«

»Athena hat vor Wrackteilen auf unserer Flugbahn gewarnt«, versuchte Dana Zeit zu gewinnen.

»Habe ich gehört.« Thermo nickte. »Ich kann diese Kiste fast genauso gut fliegen wie du. Raus jetzt! Zu deinem Einsatz, Komet.«

»Mistkerl«, murmelte Dana und öffnete die Luke.

Sofort hallte ihr Kinderlärm entgegen. Nicht etwa, dass sie schrien, sie mussten einfach sehr laut reden, um sich bei all den anderen laut redenden Kindern Gehör zu verschaffen, die ihrerseits laut redeten, um …

»RÜHREN!«, brüllte Dana. »Und das heißt Ruhe!«

»Coxswain’s Mate?«, fragte einer der Öffentlichkeitsreferenten. Er war Lieutenant und bekleidete also einen höheren Rang als Dana. Andererseits war dies ihr Shuttle.

»Ich werde jetzt einen Vortrag über die Wartung von Myrmidons halten, Sir.« Dana trat in den Mittelgang. Wenn sämtliche Sitze eingebaut waren, bot ein Myrmidon nicht sehr viel Raum zum Manövrieren. »Da diese Kinder sich für den Weltraum und all das interessieren, wird sie das davon abhalten, den Shuttle zu zerlegen, um zu sehen, wie er funktioniert.«

»Ich weiß, wie er funktioniert«, verkündete einer der Jungen. »Ich habe letztes Jahr ein maßstabsgetreues Modell von einem Myrmidon gemacht, mit allen Einzelteilen.«

»Allen Einzelteilen?«, fragte Dana. »Den Komponenten des Gravmoduls von Sektor Sieben auch?«

»Nein«, gab der Junge zu. »Das musste ich als Komplettmodul einsetzen. Weil es zu klein war, um alle Einzelteile zu machen.«

»Hier drinnen ist es nicht zu klein«, sagte Dana und legte ihm die schwere Werkzeugtasche auf den Schoß. »Also, steh auf. Zeit für etwas Projektarbeit. Und du fängst an. Wo ist das Sektor Sieben Modul?«

»Unter ihrem Sessel.« Der Junge mühte sich mit der zwanzig Kilo schweren Tasche ab.

»Und wie wirst du den Sitz bewegen?«

»Äh …«

»Alle aufstehen!«, sagte Dana. »Die Begleitpersonen nach hinten. Es sei denn, Sie interessieren sich wirklich für Weltraum-Shuttles. Ich brauche wenigstens vier von euch. Löst die Befestigungen von den Sesseln Nummer drei und vier und schiebt sie nach vorn. Und dass mir keiner die Luke berührt. Die ist von innen verriegelt, aber weiß der Himmel, was ihr kleinen Teufel euch ausdenken könntet.« Sie verstummte, stemmte die Hände in die Hüften und musterte die plötzlich ruhig gewordene Gruppe. »Ich hab gesagt, ihr sollt diese Sessel bewegen! Los jetzt! Bisschen Tempo.«

»Und … Fore!«, rief Tyler Vernon und schwang seinen Golfschläger.

Der Schläger traf den Ball und schickte ihn auf einer fast völlig geraden Flugbahn zu dem roten Lichtkreis, der einen Kilometer entfernt im Haupthangar wartete. Der Ball zog nach links, ein Slice, etwas tiefer, als Tyler das erwartet hatte, und hätte beinahe eines der Schwerkraftaggregate an Horn Vier getroffen.

»Verdammt.«

Aus dem Inneren des sechs Kilometer breiten Haupthangars der Troy ragten vier drei Kilometer lange »Hörner« nach oben. Sie verjüngten sich von ihren sechshundert Metern am Ansatz auf zweihundert Meter am Ende, wo ringförmig Gravitationsaggregate angebracht waren, die größer waren als solche an irgendwelchen Schiffen.

Ihre Aufgabe war es, die Troy in Rotation zu versetzen, was sie mit etwa zehn Metern pro Sekunde bewerkstelligten. In Anbetracht der Tatsache, dass sie zwei Billionen Tonnen bewegten, war das ganz gut. Archimedes, der Vater der Hebelgesetze, hatte einmal bemerkt, er könne, wenn man ihm einen genügend langen Hebel gäbe, die Welt aus den Angeln heben.

Tyler war auf seine bescheidene Art recht stolz darauf, zu guter Letzt bewiesen zu haben, dass der alte Knabe recht gehabt hatte.

Die Hörner eigneten sich auch gut dazu, dort Sekundärsysteme aufzuhängen. Horn Vier, beispielsweise, war nicht nur Heimat der Gravitationsaggregate und der gewaltigen Materiekonverter, die benötigt wurden, um diese mit Energie zu versorgen, sondern auch vier »kleiner« Einhundert-Meter-Fabber, die in erster Linie für die Produktion von Lenkwaffen eingesetzt wurden. Solche Fabber gab es auch an Horn Zwei und Drei, während Horn Eins der Standort des Hauptschiffsfabbers Hephaistos war.

Da die Troy wieder ihren kompletten Lenkwaffenbestand aufgefüllt hatte, alle vierhundertfünfzigtausend Geschosse in den beiden fertiggestellten Lenkwaffenmagazinen, hatten die Fabber darauf umgeschaltet, Laseremitter und Energiesysteme zu produzieren, die die Laserkapazität der Troy auf erfreuliche Weise verstärkten.

»An dem Slice muss ich noch arbeiten«, sagte Tyler und setzte zum nächsten Schlag an.

Golf im Weltraum konnte auf eine ehrwürdige Tradition zurückblicken. Alan Shephard, der Kommandant von Apollo Vierzehn, hatte auf dem Mond zwei Golfbälle geschlagen. Die Masse seines Golfschlägers und der beiden Bälle bis zum Mond zu schaffen, hatte den Steuerzahler damals beinahe sechzigtausend Dollar gekostet.

Tylers Firma hatte einen Weg gefunden, wie man einen zwei Billionen Tonnen schweren Asteroiden mit einem Orionantrieb ausstattete, der die Kampfstation mit 0,2 g beschleunigte. Seine Golfschläger hierherzuschaffen, war daher kein besonderes Problem gewesen.

Sehr wohl ein besonderes Problem war es dagegen, die Bälle in der Mikrogravitation zu treffen. Tyler trug einen Weltraumanzug, dessen Stiefel magnetisch an der Oberfläche der Starfire klebten. Deshalb konnte er seinen Körper kaum verdrehen. Shephard konnte wenigstens eine vernünftige Körperdrehung einsetzen. Tyler schob seine Tendenz zum Slice diesem Umstand zu.

Dann war da noch das Problem Golfbälle zu haben, die in der Mikrogravitation des Haupthangars ihren Schwung nicht verloren. Zum Glück verfügte Paris über verdammt gute Traktorstrahlen und war im Augenblick nicht übermäßig beschäftigt. Paris war auch recht erfreut darüber, dass man sie vor Kurzem zu einer KI der Klasse III hochgestuft hatte, und deshalb mit Vergnügen bereit, Bälle zu fangen. Selbst wenn sie gelegentlich vom Kurs abkamen.

»Wenn ich Sie bitten dürfte, mit dem nächsten Schlag etwas zu warten, Sir«, commte Paris. »Wir haben einen Myrmidon im Anflug auf die zivile Andockbucht.«

»Okay«, sagte Tyler und richtete sich auf. »Nicht dass ein Golfball einem Myrmidon großen Schaden zufügen könnte.«

Tyler steckte ungern in einem Anzug und hatte auch nichts für EVA übrig. Er hatte sich einmal in einer »Niedrigatmosphäre«-Situation befunden, als er eine Attacke auf ein Horvath-Raumschiff geflogen hatte und die Erde gerade anfing, sich mit fortschrittlicher Technologie zu versorgen. Das war während des ersten Angriffs gewesen, den die USA hatten abwehren können, was hauptsächlich dem gepumpten Laser des Solar Arrays von Apollo zu verdanken war. Aber weil er einer der wenigen Leute mit galaktischen Implants gewesen war, die unbedingt nötig waren, um den ersten Weltraumjäger der Erde zu fliegen, hatte er am Ende in einem halb zerstörten Jäger Vakuum geatmet.

Im Übrigen hatte er im Laufe der Jahre sämtliche Hobbys aufgegeben. In den letzten zehn Jahren hatte die Arbeit ihn völlig aufgefressen, er hatte es sogar nur mit Mühe geschafft, an den Hochzeiten seiner Tochter teilzunehmen. Er war praktisch Eigentümer von LFD, der Muttergesellschaft von Apollo Mining LLC, und von SAPL, und das bedeutete locker eine Neunzig-Stunden-Woche.

Früher einmal war er Comic-Zeichner gewesen. Und Manager in der Softwarebranche. Programmierer. Er hatte eine Familie gehabt, Golf gespielt und wie ein Gott Frisbee geworfen.

Kurz gesagt, er hatte einmal ein Leben gehabt.

Es war schwer, Golf nach so langer Pause wieder zu lernen, aber in EVA viel es ihm leichter, und es sorgte dafür, dass er öfter einmal ins frische Vakuum kam. Jetzt musste er bloß noch diesen widerlichen Slice in den Griff bekommen.

»Aber ich vermute, dass das Klirren beim Aufprall die Crew erschrecken würde«, erwiderte Paris. »Und das sind die Gewinner des Namenswettbewerbs. Wir wollen doch nicht, dass die den ganzen Shuttle vollpinkeln.«

»Ohnehin eine verdammt dämliche Idee«, brummelte Tyler. »Ich werde der Station den Namen geben, der mir passt.«

Ein Abschnitt des Vertrages zwischen Apollo und der Navy sah vor, dass Apollo Mining LLC – und das war die einzige Firma im ganzen Sonnensystem, die über die Fähigkeit verfügte, Kampfstationen der Troy-Klasse zu bauen – sich das Recht vorbehielt, ihnen Namen zu geben. Und das bedeutete im Endeffekt, dass Tyler die Namen bestimmen würde. Bis jetzt hatte es ein paar Fragen bezüglich der Namen von Troy und Thermopylae gegeben. Beide bezeichneten die Orte berühmter Schlachten, wo die Verliererseite einen moralischen Sieg errungen hatte.

Nur wenige Leute erinnerten sich daran, aus welcher Stadt Agamemnon oder Achilles stammte. Aber praktisch jeder kannte den Namen Troy – also Troja. Und ebenso musste man schon Historiker sein, um Einzelheiten über die persische Seite der Schlacht von Thermopylae zu wissen.

»Wie stehen die Wetten denn?« Tyler stützte sich mit einem Arm auf seinen Golfschläger, während der Shuttle vorbeizog.

»Nach Aussage von New Las Vegas sechs zu eins für Alamo«, erwiderte Paris. »Ganz vorn liegt Iwojima.«

»Iwojima?«, sagte Tyler. »Das war ein Sieg.«

»Nicht für die Japaner, Sir«, commte Paris. »Die beteiligen sich ziemlich massiv an der Abstimmung. Ebenso Saipan, Tarawa und Okinawa.«

»Das sind Klassen für Angriffsschiffe«, wandte Tyler ein. »Falls wir je dazu kommen, Angriffsschiffe zu bauen. Und an nächster Stelle?«

»Konstantinopel«, commte Paris. »Stalingrad, Changsha, Isandlwana und Clairvaux.«

»Changsha?«, fragte Tyler.

»Dort fand im Zweiten Weltkrieg eine Schlacht zwischen den Japanern und den Chinesen statt«, erläuterte Paris. »Das erste Mal, dass die Japaner den Chinesen unterlegen sind.«

»Wir könnten die Station ja auch Guadalcanal nennen«, sagte Tyler. »Midway. El Alamein. Die sind blöd. Keinen Sinn für Geschichte.«

»Shuttle ist vorbei, Sir«, commte Paris.

»Richtig«, erwiderte Tyler. »Fore …«

2

»Also, macht es Spaß?«, fragte Thermo, als Dana die Hände von der Steuerung nahm. Das Andocken war Aufgabe der Traktorstrahlen der Troy.

»Ich weiß nicht, ob man es Spaß nennen kann«, erwiderte Dana. »Aber interessant war es. Ich will ja nicht sagen, dass einige von diesen Kindern mehr über einen Myrmidon wussten als ich, aber für ihr Alter wussten sie schon eine ganze Menge. Und mächtig aufgekratzt waren sie, genauso wie ich das erwartet hatte.«

»Du magst Kinder wirklich nicht«, sagte Hartwell. »Irgendwie überrascht mich das.«

»Wenn ich Kinder wollte, hätte ich schon lange welche bekommen«, sagte Dana.

»Du bist erst zwanzig«, gab Hartwell zu bedenken.

»Die meisten Mädchen, mit denen ich zur Schule gegangen bin, waren vor ihrem fünfzehnten Geburtstag schwanger«, erklärte Dana. »Deshalb hat ja Nebraska das Mindestalter für die Ehe wieder auf vierzehn zurückgesetzt. Ich war eine von zwei Blondinen, die es geschafft haben, die High School ohne dicken Bauch hinter sich zu bringen. Und wenn man in der Schule unterwegs war, war es schlicht unmöglich, nicht auf das Kind von irgendeiner von uns zu stoßen. Ich hatte damals nichts für Kinder übrig und habe das heute auch nicht.«

»Tja, ein paar Stunden wirst du sie wohl ertragen müssen«, erklärte Thermo. »Wir sind Teil der Veranstaltung.«

»Ich kann zwei Stunden lang mit Helium gurgeln«, sagte Dana. »Das heißt noch lange nicht, dass mir das gefällt.«

»Und das hier ist der Beobachtungsbereich«, sagte Dana und führte die Gruppe in Bucht Neunzehn.

Der erste und wichtigste »Ablauf«, um es im Militärjargon zu sagen, war gewesen, sämtliche Kinder in Etappen durch die Toilette zu schleusen. Anschließend hatte man sie wie eine Schafherde durch Xanadu getrieben, den fünfundzwanzig Hektar großen Aquapark der Troy, die Flugkavernen, die formal betrachtet das »Luftmisch-Abteil« darstellten, und sie zu einem Imbiss in die große Zivilistenkantine und schließlich zur Bucht Neunzehn gebracht, um von dort einen Blick auf den Haupthangar zu werfen.

»Wow …«, war die allgemeine Reaktion.

Bucht Neunzehn war ein Erholungsbereich, der häufig für Partys genutzt wurde. Er befand sich im »innersten« Ring der Räumlichkeiten vor Erreichen des Haupthangars. »Draußen« ging es zur Oberfläche der Troy. Der Raum war fünfzehn Meter hoch, zwanzig tief und an der Innenwand fünfzig Meter breit. Und diese Innenwand bestand vom Boden bis zur Decke aus optischem Saphir, und deshalb wirkte das Ganze, als gäbe es zwischen dem Haupthangar und dem Vakuum … NICHTS.

Dana mochte Bucht Neunzehn nicht sehr. Ihr war es wirklich lieber, mehr als nur eine dünne Saphirscheibe zwischen sich und dem Vakuum zu haben. Sie hatte nichts gegen EVA, aber so etwas machte sie nervös.

Den meisten Kindern schien das nichts auszumachen. Sie wuselten in dem abgedunkelten Raum umher, rannten zwischen Tischen und Stühlen herum und ignorierten sämtliche Bitten, Drohungen und Befehle ihrer erwachsenen Betreuer, um möglichst schnell die Nase gegen den Saphir zu drücken.

»Keine Angst«, sagte Thermo. »Die können das nicht zerbrechen.«

»Sieht aus wie Glas!«, meinte eine der Mütter.

»Ist es aber nicht«, beruhigte sie der Lieutenant für Öffentlichkeitsarbeit. »Das ist optischer Saphir. Den könnten die nicht einmal zerbrechen, wenn sie einen Tisch dagegenwerfen würden. Auch ein Erwachsener schafft das nicht.«

Wahrscheinlich wäre es hilfreich gewesen, wenn er selbst dabei nicht so nervös geklungen hätte.

»Das sind die Kontrollhörner«, sagte Donny.

»Weiß ich doch, Schwachkopf«, herrschte eines der Mädchen ihn an. »Wissen wir doch alle.«

»Da, schau, da dockt gerade eine Constitution in der Parasitenbucht an!«

»Was hat diese Aggressor dort zu suchen?«

Das sechshundert Meter lange Schlachtschiff war von den Rangora erbeutet worden und erst vor Kurzem nach Reparatur sämtlicher in der Schlacht davongetragenen Schäden in terranischen Dienst gestellt worden. Die mit Ersatzteilen für die Aggressors beladenen erbeuteten Schiffsdocks und Versorgungsschiffe hatten sich als sehr nützlich erwiesen.

»Jetzt ist sie angedockt«, sagte Hartwell, der hinter die Kindergruppe getreten war. »Sie passen nicht in die gegenwärtigen Parasiten-Buchten. Für den Augenblick müssen wir sie an den Kontrollhörnern andocken. Die neue Bucht im Sektor West wird gerade umgebaut, um vier davon aufzunehmen.«

Die Troy war so groß, dass sie eine eigene Task Force von »Parasiten«-Schiffen besaß. Die Kreuzer der Constitution-Klasse waren zweihundert Meter lang und hatten einen Durchmesser von siebzig Metern. Die Parasiten-Bucht in Zone Zwo, wo auch das 142. Bootsgeschwader stationiert war, enthielt sechs Kreuzer und zwölf Fregatten der Independence-Klasse. Die Schiffe blieben während größerer Kampfhandlungen im Inneren der Hülle und wurden nach dem Ende der Kämpfe durch Startrohre zum »Aufräumen« in den Weltraum »geschossen«.

»Ist das Granadica?«, fragte eines der Mädchen und deutete auf einen großen, an einem der Hörner befestigten Zylinder.

»Das ist Hephaistos, Dummkopf«, sagte Donny. »Granadica ist im Wolf-System. Engineer’s Mate Hartwell, wissen Sie, wann die Vulcan in die Thermopylae verlegt wird?«

»Sobald der nächste Schiffsfabber fertiggestellt ist«, erklärte Thermo. »Zumindest lautet der Plan so. Auf der Troy lernt man, dass Pläne häufig geändert werden. Dass wir den Orionantrieb bekommen würden, haben wir erst eine Woche, bevor sie mit dem Einbau begonnen haben, erfahren.«

»Die werden den doch nicht einsetzen, während wir hier sind, oder?«, fragte eine der Mütter. »Ich habe keine große Lust, hier zu sein, wenn es Atomexplosionen gibt.«

»Werden Sie auch nicht«, schmunzelte Hartwell. »Sie kriegen das nur irgendwie durch die Beschleunigung mit. Gewöhnlich fühlt sich das so an, als ob man etwas zur Seite gedrückt würde. Und ich glaube nicht, dass in nächster Zeit ein Schuss geplant ist.«

»Und was ist, wenn die Rangora angreifen?«, fragte eine andere Mutter.

»Dann befinden Sie sich an der sichersten Stelle im ganzen Sonnensystem«, beruhigte sie Hartwell. »Ich wäre dann wesentlich lieber auf der Troy als irgendwo auf dem Boden.«

Die Außerirdischen betrachteten das Bombardement der Zivilbevölkerung mit kinetischen Energiewaffen – vergleichbar dem Bombardement mit Atombomben, bloß ohne Fall-Out – als völlig legitime Kriegshandlung. Und aus diesem Grund lagen die meisten Städte der Erde in Schutt und Asche. Der letzte Angriff war der erste gewesen, bei dem der Feind die Erde nicht hattebombardieren können. Vermutlich weil die Troy und die Thermopylae die Angreifer zu Klump geschossen hatten.

Beim letzten Angriff waren sechs Sturmvektoren eingesetzt worden, zehn Kilometer lange Schiffe mit einem Kilometer Durchmesser, die darauf spezialisiert waren, die Verteidigungsanlagen an Sprungtoren auszuschalten.

Für die Verteidigung des Sonnensystems war bis vor Kurzem der SAPL zuständig gewesen, ein mächtiger solargepumpter Lichtstrahl aus Tausenden von Spiegeln, die das Sonnenlicht auffingen und konzentrierten, um es als Bergbauwerkzeug zu nutzen – und in Notfällen als Waffe. Ehe die Troy ihr eigenes Lasersystem entwickelt hatte, war die Station im Grunde der finale Fokus und das Zielsystem des SAPL gewesen. Im Verein mit ihrem gewaltigen Vorrat an Lenkwaffen hatte die Kampfstation die beiden ersten Angriffe durch das Tor zu Schrott geschossen.

Zum Zeitpunkt des letzten Angriffs hatte Troy ein eigenes internes Lasersystem entwickelt, das aus Dutzenden separaten Emittern bestand, die zu einem äußerst energiereichen Laser kombiniert wurden – nicht ganz so mächtig wie SAPL, der mehr als hundertfünfzig Petawatt Energie schaffte, aber immerhin stark genug, nachdem Tausende von Penetrator-Lenkwaffen die Schilde der SVs in Stücke gerissen hatten.

Die erste aus drei Sturmvektoren bestehende Staffel hatte Troy und Thermopylae ernsthafte Schäden zugefügt. Aber offenbar hatten die Rangora angenommen, dass die Thermopylae noch nicht einsatzfähig sei. Und dass die Troy nicht über eigene Laser verfüge.

Und als die Thermopylae den SAPL einsetzte und Troy sie mit Lenkwaffen bombardierte, waren die SVs, die im letzten Krieg der Rangora mit den Glatun Dutzende Sternsysteme erobert hatten, in Schrott verwandelt worden.

Die zweiten drei SVs hatten das Pech gehabt, in dem Augenblick durch das Tor zu kommen, als die Troy gerade daran vorbeimanövrierte. Sie waren mit relativ hoher Geschwindigkeit herausgekommen, und die Troy hatte sich dicht vor ihnen befunden.

Für Schiffe waren die SVs ziemlich massiv. Aber die Troy übertraf sie um mehrere Größenordnungen an Masse. Was von den schlagkräftigsten Sturmschiffen im lokalen Arm der Galaxis übergeblieben war, war so klein, dass es schwierig war, den Schrott wegzuräumen. Schlepper mit starken Traktorstrahlen waren immer noch damit beschäftigt, die Megatonnen an übergebliebenen Bruchstücken einzusammeln. Die Troy hatte als Kampfschaden im Wesentlichen drei sehr deutlich sichtbare Krater davongetragen. Im Augenblick war man dabei, diese zu reparieren.

Keine der beiden SV-Staffeln war dazu gekommen, die Erde zu bombardieren.

»Mich überrascht, dass sie die Diplomaten in Erid … Eradeen … nicht beschützen«, sagte eine der Mütter.

»Eridani«, korrigierte sie Dana. »Epsilon Eridani, der fünfte Stern in der Konstellation Eridani. Und die Rangora haben als Bedingung für die Verhandlungen gestellt, dass weder die Troy noch die Thermopylae dort anwesend sein dürfen.«

»Dem hätten wir nicht zustimmen dürfen«, sagte die Mutter. »Die sollen doch sehen, womit sie es zu tun haben.«

»Uns ist es lieber, wenn sie das nicht so genau wissen«, erklärte der Lieutenant von der Betreuergruppe. »Besser, wenn sie uns überschätzen.«

»Da bin ich aber gespannt«, sagte Dana.

»Spielt der Typ da etwa Golf?«, wollte eines der Kinder wissen.

Dana sah in die Richtung, in die der Kleine zeigte, und sah die winzige Gestalt auf einem Shuttle. Es sah tatsächlich so aus, als würde er Golf spielen, obwohl er im Augenblick bloß auf dem Shuttle stand.

»Das ist Tyler Vernon«, erklärte Thermo. »Den sieht man hier häufig. Das ist sein Shuttle, die Starfire. Und tatsächlich, ja, sieht so aus, als würde er golfen.«

»Ist das denn nicht gefährlich?«, fragte eines der Mädchen. »Ich meine, ein Gegenstand im Ruhezustand bleibt im Ruhezustand, ein Gegenstand in Bewegung bleibt in Bewegung. Wenn er den Golfball schlägt, dann wird der doch hin und her hüpfen, bis er etwas zerbricht oder jemandem Schaden zufügt.«

»Wenn man auf der Troy arbeitet, kriegt man das schnell mit«, erklärte Dana. »Man kriegt mit, dass Tyler Vernon genau das tut, was ihm gerade passt.«

»Deshalb bezahlt man mich so gut«, erklärte Tyler über Kom. »Das heißt ja nicht, dass es mir Spaß macht. Und deshalb wäre ich Ihnen wirklich verbunden, wenn Sie beide als überbezahlte Bürohengste sich freundlicherweise ein für alle Mal entscheiden könnten, wie SAPL-Einsätze intern verrechnet werden sollen, und dieses Thema dann abschließen würden.«

Tyler führte während des Golfspiels eine Videokonferenz. Das war ganz einfach. Emitter im Inneren seines Helms erzeugten vor seinen Augen eine Holoprojektion, als würden die beiden leitenden Angestellten etwa zwei Meter von ihm entfernt sitzen. Wobei sie, sofern sie körperlich anwesend wären, im Augenblick im Vakuum säßen. Und allmählich wünschte er sich, es wäre tatsächlich so.

»Die Umstände ändern sich, Sir.« Rebecca Mizell war die Finanzchefin von SAPL. Aber obwohl sie für ihr Alter sehr attraktiv war, brauchte sich Tyler keine Sorgen zu machen, dass ihn seine angeborene Schwäche für hübsche Frauen beeinflussen könnte. Er hatte sie eingestellt, weil sie ein harter Knochen war. Für Finanzchefs, deren Aufgabe gewöhnlich darin bestand, »Nein« zu sagen, war das meist eine sehr nützliche Eigenschaft.

»Unsere Gemeinkosten steigen ständig«, fuhr Mizell fort. »Die Wartungskosten, besonders an den älteren VLA- und BDA-Spiegeln, werden allmählich zu einem Problem.«

»Dann ersetzen Sie sie doch«, brauste Gregory Vance, der Finanzchef von Apollo, auf.

»Das würde die Leistung von SAPL beeinträchtigen«, wandte Mizell ein. »Und seit wir über KIs verfügen, die mit der zusätzlichen Komplexität zurande kommen, sind wir gehalten, das nicht zu tun.«

»Dann sind wir also diejenigen, die das ganze Geld verdienen müssen«, sagte Vance. »Und Sie dürfen es ausgeben? Irgendetwas stimmt hier nicht.«

»Und das liegt im Wesen der Sache.« Tyler beugte sich vor, um zum nächsten Schlag anzusetzen. »SAPL hat keine anderen Kunden, wenn man einmal vom gelegentlichen Einsatz als Waffe absieht. Und dafür stellen wir, wie Sie verstehen werden, nichts in Rechnung.«

»Das wollte ich noch ansprechen, Sir …«

»Und ich werde das nicht zulassen«, fiel Tyler ihm ins Wort und schwang seinen Schläger, wobei er einen leichten Grunzlaut von sich gab.

»Geht es Ihnen nicht gut, Sir?«, fragte Vance.

Er konnte nicht sehen, wo Tyler sich gerade befand. Sie bekamen nur ein Video-Faksimile.

»Ich arbeite gerade EVA«, sagte Tyler. Was teilweise der Wahrheit entsprach. Jedenfalls EVA, auch wenn es nicht Arbeit war. Diese Besprechung war allerdings Arbeit, also … »Wir werden dem Militär nichts dafür in Rechnung stellen, dass es das System verteidigt. Was wir denen sehr wohl in Rechnung stellen, sind angemessene Kosten für die Herstellung dieser Sachen. Aber wir werden diese Kosten nicht durch die Hintertür hochtreiben, indem wir die SAPL-Kosten für diese zusätzliche Verteidigung anheben. Und für mich sieht es so aus, als würden Sie genau das tun, Ms. Mizell.«

»Unsere Firma rechnet mit einem sehr schwachen dritten Quartal«, gab Mizell zu bedenken. »Unter anderem ist der SAPL während der Schlacht beschädigt worden. Die geforderte Entgeltsteigerung ist teilweise auf diese Gefechtsschäden zurückzuführen.«

»Jede Firma auf der ganzen Erde rechnet mit einem schwachen dritten Quartal«, wandte Vance ein. »Wir hatten jedes Mal, wenn wir angegriffen wurden, ein schlechtes Quartal. Die Verbraucherausgaben und das Vertrauen der Verbraucher gehen selbst dann zurück, wenn wir, wie es diesmal ja Gott sei Dank der Fall ist, nicht Millionen von Kunden verlieren. Ein schwaches Quartal gibt Ihnen nicht das Recht, Apollo anzubetteln!«

»Würden Sie bitte definieren, was Sie unter anbetteln verstehen«, bat Tyler und schlug wieder einen Ball. »Verdammt.«

»Sir?«, fragte Vance.

»Sie sollen anbetteln definieren«, sagte Tyler. »Wie groß ist der Kostenanteil für SAPL am Aufwand von Apollo?«

»SAPL macht zehn Prozent unserer monatlichen Kosten aus«, erklärte Vance. »Zehn Prozent.«

»Was nur mit Mühe für unseren laufenden Betrieb ausreicht«, erklärte Mizell. »Unter anderem verfügen wir jetzt über mehr SAPL-Energie, als wir brauchen. Sir, wenn wir nur …«

»Wir werden nicht aufhören, Spiegel herzustellen, solange wir uns das einigermaßen leisten können«, entschied Tyler. »Und was ›anbetteln‹ bedeutet, werde ich entscheiden. Mein Ziel ist ein Exawatt. Und wenn wir das geschafft haben, dann kann niemand, nicht einmal eine Troy-Klasse, durch das Tor kommen, ohne hübsch ›Bitte‹ zu sagen. Was wir brauchen, sind zusätzliche Kunden.« Tyler setzte wieder zum Schlag an. »Für SAPL, meine ich.«

»Dafür bin ich nicht zu…«, begann Mizell, hielt dann aber inne. Eines der Axiome, das man beachten musste, wenn man für Vernon arbeitete, war sein Satz: ›Wenn Sie sagen, dass Sie nicht dafür zuständig sind, dann haben Sie den falschen Job.‹ Das wusste sie. »Ich kann mir nicht vorstellen, wer außer Apollo SAPL nutzen könnte.«

»Ah, schon besser«, sagte Tyler, als der Ball durch den roten Kreis flog. »Argus, Davis Skiles zuschalten, bitte.«

»Mister Skiles ist in einer Besprechung«, erwiderte die KI.

Argus war die Haupt-KI für den SAPL gewesen, bis er vor einem Jahr das Äquivalent – für eine KI – eines Nervenzusammenbruchs erlitten hatte. SAPL zu führen war eine knifflige Aufgabe, aber es gab Situationen, wo aus »knifflig« »obsessiv« wurde und dann »paranoid« und schließlich »psychotisch«.

Zum Glück war Argus im »paranoiden« Stadium die Verantwortung für SAPL abgenommen worden. Er verwaltete jetzt die geschäftlichen Angelegenheiten von LFD. Das bedeutete, dass Argus mit Leuten zu tun hatte. Und da Menschen vom Wesen her chaotisch waren, konnte Argus nicht zu obsessiv werden und trotzdem die gestellten Aufgaben erfüllen. Wie es schien, funktionierte die Therapie.

Aber nicht so, dass man Argus in nächster Zeit wieder die Kontrolle über den SAPL hätte überlassen können.

»Ich bin sein Chef«, sagte Tyler und schlug einen weiteren Ball. »Unterbrich sie.«

»Formal betrachtet, sind Sie als Vorsitzender des Aufsichtsrats …«

Die Therapie funktionierte also offenbar doch noch nicht besonders gut.

»Argus, ich werde wieder deinen Kern rausziehen«, sagte Tyler.

»Unterbreche jetzt.«

»Sie haben angerufen?«

David Skiles war jetzt seit drei Jahren Vorstandsvorsitzender von SAPL. Als ehemaliger General in der Army hatte er so gut wie nichts von Lasern verstanden, als man ihn eingestellt hatte. Wovon er etwas verstand, war die Leitung großer Organisationen. Und SAPL war in einer Hinsicht zwar ziemlich einfach, aber zugleich eine sehr große Organisation.

»David, Mizell sagt, Ihr Laden sei dabei, Pleite zu machen«, sagte Tyler.

»Das ist nicht ganz …«

»Wir sind nicht dabei, Pleite zu machen, Sir«, sagte Skiles. »Es ist nur so, dass wir mehr liefern als Apollo braucht, und deshalb zahlt Apollo nicht mehr für hundert Prozent unserer Produktion. Und deshalb sinkt der Ertrag im Verhältnis zum Aufwand deutlich ab. Dazu kommen noch Wartungskosten, die mit der Zeit immer umfangreicher werden. Und das bedeutet, dass wir um profitabel zu bleiben, entweder a) aufhören, mehr Spiegel zu produzieren, b) Apollo höhere Kosten berechnen, c) Kunden für die zusätzliche Energie finden oder d) andere Quellen finden müssen, um Mittel zu beschaffen. Im Augenblick wollen wir die Verrechnungsquote an Apollo erhöhen. Das ist die einfachste kurzfristige Lösung. Irgendwann müssen wir entweder neue Einsatzmöglichkeiten für den SAPL finden oder aufhören, Spiegel zu bauen. Wir bekommen jetzt die wirklich erheblichen Wartungsaufwendungen deutlich zu spüren. Da Sie nicht wollen, dass welche von den VLA abgeschaltet werden …«

»Ich denke, ich sollte eine Besprechung aller Vorstandsvorsitzenden einberufen«, sagte Tyler und holte zum nächsten Schlag aus. Er fing an, müde zu werden, und das bedeutete, dass er wirklich ernsthaft an seinem Spiel arbeiten sollte. »Aber ich will’s mal so versuchen. Vance, wie sind die Chancen, die Arbeit von Apollo im System zu steigern?«

»Wir erreichen langsam den Punkt der Marktsättigung, Sir«, erklärte Vance. »Wir liefern im Augenblick an die sechzig Prozent des Materialbedarfs des ganzen Systems. Was die orbitalen Einheiten angeht, so können wir die zu einem niedrigeren Preis als irgendjemand sonst liefern und beherrschen diesen Markt praktisch. Aber es handelt sich fast ausschließlich um einen Militärmarkt, und obwohl jeder möchte, dass das Sonnensystem verteidigt wird, sind die zur Verfügung stehenden Geldmittel beschränkt. Wir liefern sogar eine ganze Menge Rohmaterial zur Erde, aber wir müssen es in den Schwerkrafttrichter fallen lassen, und das führt zu beträchtlichen Treibstoffkosten.«

»Haben wir schon mal überlegt, es … ich meine … das Material einfach abzuwerfen?«, fragte Tyler.

»Wir haben das Problem des kontrollierten, harten Wiedereintritts untersucht und sind zu dem Schluss gelangt, dass das nicht praktikabel ist, Sir«, erklärte Vance. »Das verursacht funktionelle Probleme und auch Probleme im Bereich des Marketings.«

»Aus irgendeinem Grund mögen die Leute nicht, wenn Sachen aus dem Himmel fallen«, sagte Skiles. »Sir, wir sollten wirklich aufhören, Spiegel zu bauen. Bloß eine Pause, bis mehr orbitale Infrastruktur aufgebaut ist. Wahrscheinlich zwei Jahre, und dann steigen wir wieder ein.«

»Wenn alles so weiterläuft wie jetzt, wie lange dauert es dann, bis Sie in die Verlustzone geraten?«, fragte Tyler.

»Bis zum zweiten Quartal in Finanzjahr 27«, erklärte Skiles. »Zu dem Zeitpunkt werden wir nach unseren Projektionen für die steigenden Wartungskosten und die Produktionskosten der Spiegel in den roten Zahlen sein. Bankrott sind wir dann im 1. Quartal des Finanzjahres 28.«

»Also, das wollen wir ja nicht«, sagte Tyler und ging vorsichtig auf die Seite des Shuttles. »Ich müsste dann meine eigene Firma kaufen. Sie verlangen eine Anhebung auf … zwei Dollar pro Terawatt?«

»Das würde unsere Kosten beinahe verdoppeln«, erregte sich Vance.

»Ich kann auch rechnen, Vance«, sagte Tyler freundlich. Er ließ den Golfschläger auf halber Höhe hängen und griff nach unten, um sich an der Leiter festzuhalten. »Was würde das bei Ihnen bewirken, David?«

»Das verschafft uns zwei weitere Jahre Luft«, sagte Skiles. »Aber am Ende kommen wir wieder zum selben Punkt. Und dabei gehe ich davon aus, dass die Wartungskosten unverändert bleiben.«

»Neue Kunden.« Tyler packte seinen Schläger und kletterte in Richtung Luke. »SAPL und Apollo.«

»Wir sind auf der Suche nach neuen Kunden«, erklärte Skiles. »Aber der Bedarf für Orbitallaser ist nicht besonders groß, außer, nun ja, eben im Orbit.«

»Haben Sie überhaupt eine Verkaufstruppe?«, erkundigte sich Tyler. Mit einem Golfschläger durch eine Luftschleuse zu gehen, war kein reines Vergnügen.

»Nicht im strengen Sinn«, gab Skiles zu. »Nein. Aber was Fabrikation und Bergbau im Orbit angeht, ist Apollo de facto Monopolist. Sonst will dort niemand investieren, schließlich gilt dieses Zeug größtenteils als militärisches Ziel.«

»Es muss doch etwas geben.« Tyler betätigte den Mechanismus für die innere Schleusentür und trat in den luxuriösen Innenraum der Starfire. »Bergbau auf der Erde? Ich hab gesehen, wo Georgia … Georgia! … ein unterirdisches Katastrophenzentrum gebaut hat. Haben wir Angebote für die Grabungsarbeiten abgegeben?«

»Dafür wäre Apollo zuständig, Sir«, gab Skiles zu bedenken. »Die haben die Bergbauerfahrung. Selbst wenn wir das tun würden, würden wir Schlepper brauchen, und die gehören Apollo, und Bergwerksspiegel, ebenfalls Apollo. Und Fachleute. Wieder Apollo. Wenn man an all die Umweltvorschriften dort unten denkt, könnte es sein, dass Apollo dafür einen eigenen Geschäftsbereich aufbauen müsste.«

»Vance?«

»Soweit mir bekannt ist, haben wir uns nicht darum bemüht«, erwiderte der. »Aber ich bin nicht im Verkauf. Ich will damit nicht sagen, dass ich nicht dafür zuständig bin …«

»Nur, dass Sie nichts davon verstehen«, fiel Tyler ihm ins Wort. »David, ich möchte mehr Kunden für den SAPL oder mehr Arbeit für Apollo, damit die weiter für den SAPL bezahlen können. Tun Sie sich mit Mark zusammen und lassen Sie sich etwas einfallen. Ich habe das Gefühl, dass zurzeit viel zu viel in ausgefahrenen Gleisen nachgedacht wird. Aber wir sind nicht dahin gekommen, wo wir heute sind, indem wir nur in ausgefahrenen Gleisen nachgedacht haben. Ich möchte Projekte auf der Erde. Ich möchte, dass Apollo sich um Material mit Mehrwert kümmert. All die Kinder, die hier rumlaufen? Apollo Spielzeugabteilung?«

»Spielzeug ist normalerweise, nun ja, aus Plastik«, sagte Mizell.

»Früher war es mal aus Metall«, sagte Tyler und setzte sich, immer noch im Raumanzug. Er fing an, die Handschuhe abzustreifen. »Zu Plastik ist man übergegangen, weil es billiger ist. So wie wir heute Metall herstellen, könnte sich das geändert haben, wer weiß?

Wir werden eine Menge Zeug aus dem Schwerkrafttrichter in den Weltraum schaffen müssen, um die Flotte zu unterstützen. Wenn man uns dafür bezahlt, können wir das Zeug praktisch wieder in den Trichter hineinstopfen, ohne dass es uns etwas kostet. Stühle? Tische? Ganze Gebäude? Was braucht die Erde? Ich hab da einen Artikel im Wall Street Journal gelesen, bei dem es um die Materialknappheit im Zivilsektor ging. ›Das Wohlstandsproblem‹ oder so ähnlich hieß der. Wir haben massenhaft Material in den Städten verloren und keinen Ersatz dafür produziert. Der Preis für neue Einrichtungen für Wohnungen und Firmen ist seit dem Krieg auf das Dreifache gestiegen. Das ist ein Markt, um den Apollo sich kümmern sollte.

Und, yeah, Vance, bevor Sie gleich aufschreien, das geht Apollo an. Ich möchte, dass Sie sich überlegen, wie Sie denen helfen können, David. Brauchen wir einen neuen Geschäftsbereich? Und bitte, kreativ denken, Leute. Wenn dieser Krieg vorbei ist, müssen wir bereit sein, schnell auf zivile Produktion umzuschalten. Im Lauf der Geschichte haben eine Menge Firmen da großen Mist gebaut. Apollo und SAPL werden das nicht. Aber zum Thema SAPL.

Der Hauptgrund, weshalb ich ständig die Energieerzeugung steigern und Spiegel bauen möchte, bis die Sonne anfängt wie eine Dyson-Sphäre auszusehen, ist Verteidigung. Das müssen wir immer wieder betonen und versuchen, den Baum, an dem das Geld der Regierung hängt, so lange zu schütteln, bis die ihre Beiträge direkt leisten. Okay, wir produzieren eindeutig mehr, als wir für den rein kommerziellen Bedarf brauchen. Na schön. Dann wollen wir sehen, ob die Regierung etwas Geld ausspuckt, damit wir in Schwung bleiben können. Die haben das weiß Gott genug benutzt. Wolf? Wie kommen wir mit dem Wolf-SAPL voran?«

»Im Soll«, antwortete David nach kurzer Überlegung. »Im Augenblick steigern wir den Energie-Output jedes Jahr auf etwa das Doppelte. Und die neueren Konstruktionen sollten weniger wartungsintensiv als die früheren Modelle sein.«

»Wir haben improvisiert«, sagte Tyler. »Personalabbau? Ich weiß, ich habe gerade gesagt: ›Bauen Sie einen neuen Geschäftsbereich auf‹, aber brauchen wir wirklich all die Leute, die wir jetzt haben? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man, wenn man mit einer Sache anfängt, immer viele Leute darauf ansetzt. Wenn man dann effizienter wird, kann man wieder welche abgeben. Vielleicht versetzen wir die in den neuen Geschäftsbereich?«

»Ich glaube, die Phase haben wir bereits hinter uns«, erwiderte Skiles. »Ich habe keine moralischen Probleme damit, Stellen abzubauen, aber bei den Zuwächsen, die Sie für den Energie-Output fordern, sieht mir das eher nach Einstellen aus. Das ist Teil der Kosten.«

»Ist Starbucks noch im Geschäft?«, fragte Tyler. Er sehnte sich förmlich danach, aus seinem Anzug zu steigen, aber dann würde er das Gespräch unterbrechen müssen.

»Ja, wieso?«, erwiderte Vance.

»Die sind groß in Umweltdingen«, sagte Tyler. »Und so, wie ich die kenne, eröffnen die immer noch neue Läden. Wie wäre es mit ›Komplett im Orbit hergestellten‹ Espressomaschinen?«

»Da würden wir Fabber-Straßen brauchen«, gab Skiles zu bedenken. »Und die werden vom Militär fast zu hundert Prozent ausgenutzt.«

»Lassen Sie sich etwas einfallen«, sagte Tyler. »Wir können Fabber-Strecken frei machen, wenn wir uns bei den richtigen Admiralen lieb Kind machen. Leute brauchen … Sachen, selbst wenn Krieg ist. Reden Sie mit WalMart. Bauen Sie eine zivile Produktion auf. Schütteln Sie den Geldbaum der Regierung. Seien Sie ehrlich dabei und werden Sie nicht zu habgierig, Mizell. Wir verlangen bloß Geld für Wartung und Produktion außerhalb des kommerziellen Bedarfs. Wenn der kommerzielle Bedarf zunimmt, reduzieren wir die Beträge, die wir von der Regierung brauchen. Apollo und LFD haben schließlich beide Lobbyisten auf der Gehaltsliste. Setzen Sie sie ein. Ich bin jetzt hier fertig. Ich muss in eine andere Besprechung.«

»Ja, Sir«, sagte Skiles.

»Kreativ, wenn ich bitten darf!«

»Hey, Kids«, sagte Tyler und betrat Bucht Neunzehn.

Der Anblick hatte offenbar nicht an Reiz verloren, obwohl er sich verspätet hatte. Die meisten Kinder klebten an der Saphirwand und zeigten immer wieder auf all die Aktivität dort draußen im Haupthangar. Ihn ignorierten sie.

»Äh … Mister Vernon?«, sagte ein Lieutenant. Er hatte an der Tür gestanden und das kontrollierte Chaos beobachtet.

»Leibhaftig«, sagte Tyler und sah sich im Raum um. Da waren zwei Offiziere von der Navy, der Lieutenant und ein Ensign in blauer Uniform, sowie zwei Piloten in Fluganzügen. Den Achselklappen nach ein Coxswain und ein Engineer’s Mate. Die beiden beantworteten die meisten Fragen der Kinder. Der Cox, eine Frau, wirkte allmählich ein wenig genervt. Bei genauerem Hinsehen kam sie Tyler irgendwie bekannt vor, er wusste aber nicht, wo er sie einordnen sollte.

»Ich wusste nicht, dass Sie vorhatten, uns zu besuchen, Sir«, sagte der Lieutenant. »Wir wollten gerade Schluss machen …«

»Ich kenne Ihren Zeitplan«, sagte Tyler. »Ich bin froh, dass ich mich nicht zu sehr verspätet habe. Deswegen muss ich jetzt Ihren Ablauf kurz unterbrechen. Paris, bitte Beleuchtung. Langsam. Wenn ich um allgemeine Aufmerksamkeit bitten dürfte.«

3

Dana wandte sich vom letzten Frager ab, als es wieder hell wurde und stellte überrascht fest, dass Tyler Vernon am Eingang der Bucht stand.

»Schschsch …«, machte sie, hob die Hand und deutete nach hinten. »Ich denke, ihr solltet dorthin sehen.«

Sie und die Begleitpersonen brachten die Kinder nach einem kurzen Augenblick dazu, sich umzudrehen.

»Hey, Kids«, sagte Vernon. »Mein Name ist Tyler Vernon. Ich möchte euch auf der Troy willkommen heißen. Das haben sicher schon andere Leute getan, aber … jedenfalls, dieses Ding hier ist ziemlich cool, was?«

Höfliches, beipflichtendes Murmeln. Einige der Kinder wirkten benommen, andere waren sich ganz offenkundig nicht sicher, wer Vernon war. Oder sie konnten es nicht glauben, dass hier der reichste Mann im Sonnensystem zu ihnen sprach.

»Kommt ein wenig näher, sonst muss ich so schreien«, sagte Vernon und winkte sie heran. »Ich bin der Typ, der erlaubt hat, dass ihr Kids hier raufkommt. Dafür gibt’s ’ne ganze Menge Gründe. Ich weiß nicht, ob ihr wisst, wie man euch ausgewählt hat, aber da stecken viele Überlegungen dahinter. Als die auf die Idee kamen, für den Namen von Station Drei einen Wettbewerb auszuschreiben, war ich nicht besonders erbaut. Es läuft einfach darauf hinaus, dass ich die Namen für die Stationen bestimme.«

»Warum?«, fragte Donny, natürlich Donny. »Ich meine, warum Sie?«

»Weil ich die Idee hatte.« Tyler grinste. »Vielleicht liegt es daran, dass ich ziemlich klein bin und deshalb groß denke. Ich hatte die Idee, schon lange, bevor irgendeiner daran gedacht hat, lange, bevor ihr auf die Welt gekommen seid. Ehe dieser Coxswain dort oder diese Offiziere zur Welt gekommen sind. Ich habe daran gedacht, als ich meinen ersten Spiegel baute, als mir klar war, dass ich mit Ahornsirupgeld meinen eigenen Spiegel bauen konnte. Findet ihr, das ist ein guter Grund?«

»Sicher …«, sagte Donny und nickte.

»Der größte Teil meines Lebens ist jetzt Geschichte.« Tyler ging zwischen den im Raum verteilten Kindern zu der Saphirscheibe. »Und wenn ich sage Geschichte, dann meine ich die Art von Geschichte, die Kids wie ihr bereits lernt und auch in Zukunft lernen werdet, solange es eine Menschheit gibt. Für euch ist der Ahornsirup-Krieg bloß Geschichte. Ich habe ihn erlebt, jeden verdammten Tag.«

Er hielt inne, legte die Hand auf das Saphirglas und starrte in den Haupthangar hinaus, als hätte er die Kinder hinter sich vergessen.

»Der Ahornsirup-Krieg, die Horvath-Angriffe, die Johannsen’s-Viren … für euch ist das alles Geschichte, und so sollte es auch sein. Ihr blickt in die Zukunft. Das ist die Zukunft, die einmal euch gehören wird und in der ihr heranwachsen werdet. Zwei Millionen Kinder haben Namen vorgeschlagen. Etwa die Hälfte davon haben tatsächlich auch Aufsätze geschrieben. Die Hälfte davon war ziemlich unleserlich, also blieben fünfhunderttausend. Platz hatten wir für dreißig. Man hat die besten dreißig Namen herausgepickt, darunter auch der Name, den wir dann auch tatsächlich ausgewählt haben. Dann hat sich eine Gruppe von Leuten die Aufsätze angesehen und die besten herausgesucht. Euch dreißig hat man aus etwa dreihunderttausend ausgewählt. Ich will nicht behaupten, dass diese Aufsätze nach historischen oder auch künstlerischen Maßstäben die besten waren.« Vernon grinste und drehte sich wieder um. »Aber sie waren recht gut. Die letzten tausend habe ich gelesen. Bei den restlichen war das, was ich gesucht habe, nicht vorhanden. Ich habe einmal Comics gezeichnet. Da muss man auch eine ganze Menge schreiben, ob ihr es nun glaubt oder nicht. Wonach ich gesucht habe war … Herz? Leidenschaft habe ich gesucht. Ich war auf der Suche nach Kids, die diesen Aufsatz nicht als Übung geschrieben haben, sondern weil sie wirklich in den Weltraum wollten.«

Er blickte in die Runde, man hätte im Raum jetzt eine Bakterie fallen hören können.

»Ich wollte die Kinder mit eigenen Augen sehen, die das hier mit ihrem Herzen, ihrer Seele und ihrem Verstand einmal erben werden.« Vernon wies mit einer weit ausholenden Handbewegung hinaus in den Haupthangar. »Damit hatten wir endlich wenigstens eine Chance. Wir werden nicht immer Krieg haben, ich hoffe, dass ihre Generation«, sagte er und deutete dabei mit dem Kinn auf Dana, »dafür sorgen wird, dass ihr jungen Leute ohne Angst vor Bomben aus dem Himmel aufwachsen könnt. Und wenn die das schaffen, dann solltet ihr dafür ewig dankbar sein. Und das würde es möglich machen, dass wir wirklich im Weltraum ankommen.

Bis jetzt haben wir zwei Welten gefunden, die man terraformen kann. Weiter draußen gibt es noch mehr Systeme, aber solange Krieg ist, können wir die nicht erforschen. Der Weltraum ist nicht nur die letzte Grenze, er ist auch eine Grenze, die ständig weiter nach draußen wandert. Ich bin alt. Ich meine, ich weiß, für euch ist jemand mit dreißig alt. Für euch sind eure Moms alt.« Er lächelte, um zu zeigen, dass er niemanden beleidigen wollte.

»So denken Kinder. Aber ich bin alt. Ich lebe möglicherweise nicht lange genug, um noch das Ende dieses Kriegs mitzubekommen. Aber ihr werdet das. Ihr werdet die Fackel weitertragen. Ihr seid diejenigen, die heranwachsen und uns hinaus zu den Sternen führen werden. Und das war es, was ich mir gewünscht hatte. Was ich gesucht habe: die Kids, die diese Fackel zu den Sternen tragen würden. Nicht bloß das beste Argument für Isandlwana.«

»Hat Isandlwana gewonnen?«, fragte einer der Jungen. Dana war schon aufgefallen, dass er einen Akzent hatte, vermutlich war er Südafrikaner, wurde ihr bewusst.

»Nee«, sagte Vernon. »Nicht in dieser Runde. Aber der zweite Grund, weshalb ich euch hier haben wollte, war, dass ihr die Ersten sein solltet, die den Namen der neuen Kampfstation erfahren. Welche historische Bedeutung hatte die Schlacht von Thermopylae?«

Ein Dutzend Hände gingen hoch, und Vernon lächelte.

»Du.« Er deutete auf eines der Mädchen.

»Verflixt«, sagte Donny.

»Dort fand eine der drei entscheidenden Schlachten in den Kriegen zwischen Griechenland und Persien statt«, sagte das Mädchen, als würde es aus einem Buch zitieren. »Obwohl es eine Niederlage war, wurden die Armeen von Xerxes lange genug aufgehalten, damit die Griechen sich einigen konnten und auf diese Weise über genügend Streitkräfte verfügten, um die Perser bei Platäa zu besiegen. Der heroische Kampf der Spartaner bei den Thermopylen hat den Athenern Mut gemacht und sie dazu bewegt, ein Bündnis mit ihrem traditionellen Feind Sparta zu schließen.«

»Aber was war die Bedeutung der Kriege zwischen Griechenland und Persien?«, fragte Vernon.